Hans Böhmcker

Hans Böhmcker
Hans Böhmcker

Hans Böhmcker (* 6. November 1899 in Schwartau; † 18. Oktober 1942) war nationalsozialistischer Senator der Hansestadt Lübeck und nebenher zeitweilig unter dem Reichskommissar für die besetzten Niederlande, Arthur Seyß-Inquart, Beauftragter des Deutschen Reiches für die Stadt Amsterdam.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Böhmcker war Sohn eines Rechtsanwalts in Schwartau bei Lübeck. Der spätere nationalsozialistische Bremer Bürgermeister Johann Heinrich Böhmcker war sein Vetter. Nach Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg und anschließenden Einsätzen als Freikorpskämpfer studierte Böhmcker Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität und war Mitglied des Corps Brunsviga Göttingen.[1]

Er schloss das Studium auch mit der Promotion zum Dr. jur. ab und wurde anschließend Richter in Lübeck. Zu Beginn des Jahres 1933 wurde er Mitglied der NSDAP. Am 8. Juni 1933 wurde er von dem für Lübeck mit zuständigen Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt zum Senator für Justiz unter dem Bürgermeister Otto-Heinrich Drechsler ernannt. Als Senator entwickelte er im Verhältnis zu seinen ebenfalls sehr jungen Senatskollegen herausragendes Engagement in der Umsetzung der Gleichschaltung in Lübeck. Seit 1. Juni 1933 Senatskommissar für die Angelegenheiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche, ließ er die Evangelisch-Lutherische Kirche in Lübeck einem von ihm gesteuerten Kirchenausschuss unterstellen, der 1934 mit Erwin Balzer einen überzeugten Nationalsozialisten zum Bischof ernannte und eine neue Kirchenverfassung im Sinne der Deutschen Christen ausarbeitete[2]. Die ihm im Lübecker Kirchenkampf widerstehenden Lübecker Pastoren der Bekennenden Kirche, darunter Johannes Pautke und Axel Werner Kühl, ließ er im Dezember 1936 durch Balzer entlassen und unter Hausarrest stellen.[3] Als daraufhin der Vorsitzende des Reichskirchenausschusses Wilhelm Zoellner in Lübeck vermittelnd tätig werden wollte, sorgte Böhmcker dafür, dass ihm auf Betreiben des Reichskirchenministeriums die Anreise staatspolizeilich verboten wurde, was dann zum Rücktritt Zoellners und des Reichskirchenausschusses führte. Die Maßnahmen gegen die Geistlichen mussten nach einem Vergleich im April 1937 rückgängig gemacht werden, was einem kirchenpolitischen Waffenstillstand [4].gleichkam. Am 31. Oktober 1937 schied Hans Böhmcker aus der Lübecker Kirchenleitung aus.[5]

Bei der Umsetzung des Groß-Hamburg-Gesetzes 1937 wurde Böhmcker zum „Überleitungskommissar“ ernannt, der für die Umsetzung der Einzelheiten verantwortlich war. Von 1935-42 war er Mitglied des Aufsichtsrates der Handelsbank in Lübeck.[6]

Von 1940 bis 1942 war Böhmcker nebenher auch Beauftragter des Deutschen Reiches für die Stadt Amsterdam. In dieser Eigenschaft oblag ihm die Umsetzung der „Judenfrage“ in den Niederlanden. In seiner ehemaligen Dienststelle in Amsterdam befindet sich heute das Generalkonsulat der USA. Er leitete die Erfassung der Juden in den Niederlanden ein und schuf einen Judenrat (siehe Judenrat Amsterdam), der zunächst das Gefühl autonomer Selbstverwaltung vermitteln sollte. Das Verzetsmuseum für den niederländischen Widerstand verwahrt eine für ihn gefertigte Karte, auf der jeder schwarze Punkt für zehn erfasste Juden steht. Am 2. Oktober 1941 schrieb Böhmcker an Arthur Seyß-Inquart, Reichskommissar für die besetzten Niederlande: „Dank der Verordnung 6/41 haben wir jetzt alle niederländischen Juden in der Tasche.“[7][8]

Nach dem Luftangriff auf Lübeck am Palmsonntag 1942 wurde er in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des in Riga tätigen Oberbürgermeisters Drechsler aus Amsterdam zurück beordert. Böhmcker beging im Oktober jenes Jahres Selbstmord, im Anschluss daran wurde der Senatsrat Gerhard Schneider zum Senator und Vertreter Drechslers ernannt.

Schriften

  • Die Haftung des Staates und der Kommunalverbände für Diebstähle fremder Sachen in Diensträumen. Göttingen, Rechts- und staatswissenschaftliche Diss., 1923
  • Arbeitsrecht im Lübecker Hafen. In: Ehrengabe dem Deutschen Juristentag überreicht vom Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Lübeck 1931, S. 221-260
  • Der Neubau der lübeckischen Verwaltung. In: Lübeckische Blätter 76 (1934), S. 713-714, 737-739
  • Die kirchenpolitische Entwicklung in Lübeck 1933-34. In: Lübeckische Blätter 76 (1934), S. 467-471
  • Politik, Rechte und Wirtschaft der Gemeinden unter Berücksichtigung der lübeckischen Verhältnisse. In: Lübeckische Blätter 78 (1936), S. 403-407, 428-431, 450-453, 472-475
  • Lübeck im Reich. In: Der Wagen 1938, S. 10-13.

Literatur

  • Antjekathrin Graßmann (Hrsg.): Lübeckische Geschichte. 2. überarbeitete Auflage. Schmidt-Römhild, Lübeck 1989, ISBN 3-7950-3203-2, S. 864 (Anm. zu S. 712).
  • Hans Böhmcker. In: Lübeckische Blätter 76, 1934, S. 713 ff.
  • Karl Friedrich Reimers: Lübeck im Kirchenkampf des Dritten Reiches. Nationalsozialistisches Führerprinzip und evangelisch-lutherische Landeskirche von 1933 bis 1945. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964, (Zugleich: Hamburg, Diss., 1964).

Weblinks

Belege

  1. Kösener Corpslisten 1996, 23, 859
  2. Reimers (Lit.), S. 53ff
  3. Graßmann, S. 725.
  4. Reimers (Lit.), S. 355
  5. Reimers (Lit.), S. 365. Reimers bilanziert: Böhmcker war bei aller Parteigebundenheit ein durch persönlich Integrität und hervorragende Rechtskenntnis ausgezeichneter Mann, der mit großer Umsicht und Eigenständigkeit NS-Kirchenpolitik zu betreiben verstand, ohne sich jemals bewusst gegen elementare Grundgesetze deutscher Rechtstradition zu vergehen. (!) Zu Böhmckers späterem Wirken sagt er lediglich: später wurde er Oberbürgermeister und ins Feld gerufen; im Oktober 1942 schied er aus dem Leben.(ebd, Anm. 19)
  6. Gerhard Schneider: Lübecks Bankenpolitik im Wandel der Zeiten (1989-1978), Schmidt-Römhild, Lübeck 1979, S. 211
  7. Hollerith in der Hölle. In: Der Spiegel. Nr. 7, 2001, S. 45 (12. Februar 2001, online).
  8. VO betr. die Meldepflicht der Juden vom 10. Januar 1941: Verordnungsblatt für das Gebiet der besetzten Niederlande 1941, S. 19



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