Ludwig Baumann (Wehrmachtsdeserteur)

Ludwig Baumann (Wehrmachtsdeserteur)
Ludwig Baumann beim Gelöbnix 2008.

Ludwig Baumann (* 13. Dezember 1921 in Hamburg) ist ein deutscher Wehrmachts-Deserteur und Friedens-Aktivist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn eines Tabakgroßhändlers trat er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland weder der Hitler-Jugend noch einer anderen Organisation der NSDAP bei. Als 19-Jähriger wurde Ludwig Baumann in die Wehrmacht eingezogen. Bereits am 3. Juni 1942 desertierte er zusammen mit Kurt Oldenburg bei Bordeaux / Frankreich aus Hitlers Armee. Nach dem Krieg erklärte er zu seinen damaligen Motiven: „Ich hatte erkannt, dass es ein verbrecherischer, völkermörderischer Krieg war.“ Bereits am der Desertion folgenden Tag wurde er von deutschen Grenzposten gestellt. Obgleich Baumann bei seiner Festnahme bewaffnet war, ließen er und Oldenburg sich - aufgrund ihrer gewaltfreien Gesinnung - widerstandslos festnehmen. Am 30. Juni 1942 wurde Ludwig Baumann wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt. Davon, dass die Todesstrafe in eine 12jährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde, erfuhr er erst nach Monaten, die er in Todesangst verbracht hatte. Jeden Morgen rechnete er mit seiner Hinrichtung. Der junge Mann wurde zunächst in das KZ Esterwegen, eines der berüchtigten Moorlager im Emsland, und später in das Wehrmachtgefängnis Torgau eingeliefert. In Torgau erlebte er, wie Tausende andere Deserteure hingerichtet wurden.

Sein Schicksal teilte er im weiteren Verlauf des 2. Weltkrieges mit weiteren Opfern der NS-Militärjustiz, die in das „Bewährungsbataillon 500“ an die Ostfront gezwungen wurden. Trotzdem überlebte Baumann den Krieg. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft in Russland hatte er es schwer in einer Gesellschaft, in der Deserteure noch immer als „Feiglinge“ geächtet wurden. In nur kurzer Zeit vertrank er sein Erbe. Erst als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb, gelang es ihm, vom Alkohol loszukommen. Schließlich begann Ludwig Baumann, sich in der Friedens- und Dritte Welt-Bewegung zu engagieren. 1990 gründete er mit etwa 40 noch lebenden Wehrmachtsdeserteuren und einigen engagierten Wissenschaftlern und Historikern die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, um eine Aufhebung der Unrechtsurteile gegen Deserteure, „Wehrkraftzersetzer", Selbstverstümmeler und andere Opfer der NS-Militärjustiz durchzusetzen sowie deren vollständige Rehabilitation zu erreichen. 2002 wurde dieses Ziel mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege erreicht[1]. Im Laufe der Anerkennung war er an mehreren parlamentarischen Debatten und Beratungen in Bundestagsausschüssen aktiv.

Zusätzlich zu diesem Einsatz für Deserteure und andere von der NS-Gerichtsbarkeit Verfolgte setzt sich Ludwig Baumann in der Friedensbewegung ein. An jedem Einberufungstermin versucht er mit jungen Männern, die auf dem Weg in die Kaserne sind, ins Gespräch zu kommen. Seine Botschaft an die Einberufenen: „Leistet Widerstand, wenn ihr Befehle bekommt, denen ihr im zivilen Leben nicht folgen würdet.“ Quelle für das Zitat und Infos zu genannter Friedensinitiative.

Im Jahre 1994 wurde Ludwig Baumann mit dem „Sievershäuser Friedenspreis“ und 1995 mit dem „Aachener Friedenspreis“ ausgezeichnet. 2007 erhielt er den Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon, Bremen. Die eigens dafür gegründete Potsdamer Initiative schlug ihn zur Nominierung für den Friedensnobelpreis im Jahre 1996 vor. [2] Die Annahme des Bundesverdienstkreuzes hat Ludwig Baumann u. a. deshalb abgelehnt, „weil ich keinen Orden haben will, den auch ehemalige Nazis tragen.“

Zur Einweihung der Installation Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg am 8. Mai 2002 in Berlin leitete Baumann seine Rede mit dem Zitat Hitlers ein: „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben.[3]

Einzelnachweise

  1. Vgl. Metzer, Hannes: "Ehrlos für immer ?" - Die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure in Deutschland und Österreich. Wien, 2007.
  2. Einer, der sich wehrte in Die Zeit vom 13. Dezember 1996
  3. Murellenschlucht (auf der linken Seite den Cursor auf den 7. Kreis von oben stellen); zum Hitlerzitat und einer ähnlichen Rede Baumanns siehe auch: AG Friedensforschung an der Uni Kassel: Endlich: Gedenkstein für die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure der Wehrmacht in Buchenwald enthüllt, „In Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz ...“

Literatur

  • Hans-Peter Klausch: Die Bewährungstruppe 500. Stellung und Funktion der BW 500 im System von NS-Wehrrecht, NS-Militärjustiz und Wehrmachtstrafvollzug (Abb., Dok., Lit.) edition Temmen: Bremen 1995 ISBN 3-86108-260-8 (darin verarb.: Interview des Verf. mit L.B.)
  • Hannes Metzler: Ehrlos für immer ? - Die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure in Deutschland und Österreich. Wien, 2007. Vgl. insb. S.55, „Ludwig Baumann“ und Interviewauszüge in diesem Buch.

Weblinks


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