Wilhelm von Gutmann

Wilhelm von Gutmann
Wilhelm Ritter von Gutmann

Wilhelm Wolf Isaak Ritter von Gutmann (* 18. August 1826 in Leipnik, Mähren; † 17. Mai 1895 in Wien) war ein österreichischer Unternehmer. Er gründete und führte das größte Kohleunternehmen in Österreich-Ungarn, wurde 1878 nobilitiert und war 1891–92 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, erhielt Wilhelm Gutmann zunächst eine Ausbildung als Lehrer und wurde zum Studium der Theologie bestimmt. Der frühe Tod seines Vaters zwang ihn jedoch für seine Mutter und Geschwister zu sorgen. Daher stieg Wilhelm Gutmann zu Beginn der 1850er Jahre in das aufstrebende Kohlegeschäft ein. 1853 gründete er dann zusammen mit seinem jüngeren Bruder David (1834–1912) durch den Ankauf von Kohlegruben im Ostrauer Revier die Firma Gebrüder Gutmann. In den folgenden Jahren erlangte dieses Unternehmen sehr rasch eine zentrale Stellung bei der Kohleversorgung Österreich-Ungarns. Wegen ihres großen wirtschaftlichen Erfolgs wurden die Brüder Wilhelm und David Gutmann bald auch als die „Kohlen-Gutmanns“ oder als die „Krupps“ der Donaumonarchie bezeichnet.

Villa Gutmann in Baden bei Wien, wo im letzten Kriegsjahr Max Merz und Elizabeth Duncan gewohnt haben.
Baden bei Wien, „Gutmann-Villa“[Anm. 1] (Darstellung 1886) [Anm. 2] [Anm. 3]
Ida von Gutmann-Wodianer (ca. 1899)

Mit Anselm Salomon von Rothschild schlossen sich die Brüder Gutmann 1865 zum Ausbau der nahe Mährisch Ostrau gelegenen Witkowitzer Eisenwerke zusammen. Sehr früh den Wert des Humankapitals erkennend, waren vor allem ihre sozialen Leistungen für die dort tätigen Arbeiter durch Schaffung von Wohnungen, Kindergärten, Unterrichtsanstalten und anderer sozialer Einrichtungen sowie einer Art Unfall- und Pensionsversicherung von Bedeutung.

Bestandteil der erfolgreichen Firmenpolitik war die Zusammenarbeit mit anderen großen Unternehmen, wie Miller von Aichholz und Kuffner oder Schoeller. Neben Eisen- und Stahlerzeugung, Kohleförderung und -handel, umfasste das Unternehmen der Gebrüder Gutmann bald auch Fabriken für die Zucker- und Spiritus-, Jute-, Soda-, Zellulose- und Schamotterzeugung, eine Waggonfabrik in Stauding und eine Mineralölfabrik in Floridsdorf.

Außerdem besaß Wilhelm von Gutmann im I. Wiener Bezirk am Beethovenplatz 3 das Palais Gutmann, welches er 1869–71 von dem Architekten Carl Tietz im Stil der Neorenaissance hatte errichten lassen[Anm. 4]. Nachdem er 1882 in Baden (Niederösterreich) von Alexander Wielemans von Monteforte und Hugo Zimmermann (1849–1924)[1] in der Helenenstraße 72 eine Sommervilla nach den Formen der deutschen Renaissance des Mittelalters[Anm. 5] hatte erbauen lassen (Bauherrin: Ida von Gutmann)[2], erwarb Wilhelm von Gutmann 1884 dann die 10.000 Hektar umfassende "Herrschaft Jaidhof" (Gföhl, Niederösterreich). Zu diesem Besitz gehörten auch das Schloss Droß und das Schloss Jaidhof. Letzteres ließ er in der nachfolgenden Zeit von Max von Ferstel umfangreich umbauen.

Auch als Philanthrop war Wilhelm von Gutmann sehr aktiv. So war er zusammen mit seinem Bruder Mitbegründer der Israelitischen Theologischen Lehranstalt und Förderer des Beth ha-Midrasch sowie des Israelitischen Mädchenwaisenhauses im 19. Wiener Gemeindebezirk (Döbling). Daneben unterstützte er auch andere humanitäre und soziale Projekte, wie die Errichtung einer Kinderabteilung an der Poliklinik in Wien, ein Altersheim in Krems, Stiftungen in Leipnik u.a. Für Ihre Verdienste wurden die Brüder Gutmann 1878 schließlich in den erblichen Ritterstand (Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl.) erhoben.

Wilhelm von Gutman war zudem Mitglied des Niederösterreichischen Landtags und von 1878 bis 1884 Mitglied der Handels- und Gewerbekammer (Kammerrat). Ferner war er Gründer des Industriellenklubs (Vorläufer der heutigen Industriellenvereinigung), des "Verein der Montan-, Eisen- und Maschinenindustriellen in Österreich" und des Philanthropischen Vereins Wien. 1891 veröffentlichte Wilhelm von Gutmann seine Memoiren unter dem Titel "Aus meinem Leben" (Siehe weiter unten bei den Angaben zur Literatur)

Bestattet ist Wilhelm Ritter von Gutmann auf dem alten israelitischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs (Gruppe 5B). Das neogotische Mausoleum wurde um 1892/93 vom Architekten Max Fleischer entworfen und von Eduard Hauser errichtet.

Familie

Wilhelm Gutmann heiratete in erster Ehe Leonore Latzko (1827–1867), aus der die Kinder Berthold (1856–1932), Max von Gutmann (1857–1930) und Rosa (1862–1930) hervorgingen. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau heiratete er Ida Wodianer (1847–1924), Tochter des Druckers, Verlegers und Gutsherren Philipp (Fülöp) Wodianer (1820–1899)[Anm. 6]. Mit ihr hatte Wilhelm von Gutmann vier weitere Kinder: Marianne (1871–?), Moritz bzw. Moriz[3] (1872–1934), Elisabeth genannt Elsa (1875–1947) sowie Rudolf (1880–1966).

Die Tochter Elsa heiratete 1929 den regierenden Fürsten Franz I. von und zu Liechtenstein (1853–1938) und wurde so zu Fürstin Elsa von und zu Liechtenstein. Die ältere Schwester Marianne war mit dem englischen Zionisten Sir Francis Abraham Montefiore (1860-1935) verheiratet.

Literatur

  • Marie-Theres Arnbom: Friedmann, Gutmann, Lieben, Mandl und Strakosch. Fünf Familienporträts aus Wien vor 1938. Verlag Böhlau, Wien 2002, ISBN 3-205-99373-X.
  • Wilhelm von Gutmann (Unternehmer): Aus meinem Leben. Neudruck nach der Originalausgabe des Jahres 1891. Verlag Carl Gerold’s Sohn, Wien 1911. [4]
  • Otto Wolkerstorfer: Walzerseligkeit und Alltag. Baden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Grasl, Baden 1999, ISBN 3-85098-243-2.
  • Bettina Nezval: Villen der Kaiserzeit. Sommerresidenzen in Baden. 2., erweiterte Auflage. Berger, Horn/Wien 2008, ISBN 978-3-85028-476-9.

Lexikaeinträge:

  • Salomon Wininger: Große Jüdische National-Biographie. Czernowitz 1927 (Band 2), S. 566f.
  • Encyclopaedia Judaica. 1. Auflage. Keter, Jerusalem 1971 (Band 7), S. 989f.
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1993, ISBN 3-218-00544-2 (Band 2), S. 647.
  • Susanne Blumesberger (Red.), Österreichische Nationalbibliothek (Hrsg.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. A - I, Band 1. K. G. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 485.

Einzelnachweise

  1. Architekt Hugo Zimmermann †.. In: Badener Zeitung, 27. Juni 1924, S. 2, Mitte rechts. (Online bei ANNO)Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
  2. Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 125.
  3. Parte Ida v. Gutmann geb. Wodianer. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 1. Juni 1924, S. 25 unten. (Online bei ANNO)Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  4. Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.

Anmerkungen

  1. Von Ida Gutmann bisweilen auch „Villa Ida“ genannt. — 10.2 Brief der Baronin Gutmann (…) 26. Juli [18]92 (…). In: Wolkerstorfer: Walzerseligkeit, S. 374.
  2. Bauumfang 1882: Villa, zwei Wirtschaftsgebäude, Glashaus, Kegelbahn, Salettl, Gartenhaus, Wasserbecken, Wasserschloss mit Grotte.
    Architekt (und Sieger des Wettbewerbs): Alexander von Wielemans; Baumeister: Hugo Zimmermann.
    In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 125.
  3. Nach Angaben von Hugo Zimmermann wurde Erzherzog Wilhelm, der die Baustelle Helenstraße 72 öfter besuchte, durch die entstehende „Gutmann-Villa“ (Hausname) angeregt, auch seinerseits eine Villa im Helenental zu erbauen. Das 1883 in der Nähe der Badener Weilburg im Auftrage des Erzherzogs fertiggestellte Gebäude (Hausname nach 1894: „Eugen-Villa“) bildete gemeinsam mit der „Gutmann-Villa“, laut Zimmermann, zwei Perlen deutscher Renaissancearchitektur im Helenental. – In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 94.
  4. Als Trauerhaus wurde in der Todesanzeige 1895 jedoch Kantgasse Nr. 6 genannt. – Siehe: (…) Wilhelm Ritter v. Gutmann (…). In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 18. Mai 1895, S. 17, oben. (Online bei ANNO)Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  5. Zitat Hugo Zimmermann. In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 126.
  6. Nichte von Moritz Wodianer (ab 1863: Freiherr Moritz Wodianer von Kapriora; * 3. November 1810 in Szegedin, † 8. Juli 1885 in Baden bei Wien), dessen Name in einer Geschichte des Finanzwesens Oesterreichs neben Rothschild und den Matadoren des europäischen Geldmarktes eine große Rolle spielen wird. – Siehe: Wodianer von Kapriora, Moriz (…) In: Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band 57/1889, S. 201 f.
    Diesem Onkel und dessen Bedeutung wie Bekanntheit (sowie einem allgemein-gesellschaftlichen, auf Korrektheit nicht bestehenden Servilismus) dürfte es zuzuschreiben sein, dass in Literatur und (zeitgenössischen) Berichten häufig von Baronin Ida Gutmann/Wodianer zu lesen ist: Philipp Wodianer, der Vater, wurde erst 1898, also ein Jahr vor seinem Tode, mit dem Prädikat de/von Vásárhely in den ungarischen Adelsstand erhoben. – Siehe: Tagesneuigkeiten. (…) Philipp v. Wodianer. In: Pester Lloyd, Nr. 18/1899 (XLVI. Jahrgang), 31. Jänner 1899, S. 6, Spalte 2, unten. (Online bei ANNO)Vorlage:ANNO/Wartung/pel.

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