Priester

Priester

Der Priester (lat.: Sacerdos) existiert in einem Großteil der Religionen als eine aus der Allgemeinheit herausgehobene Amtsperson, die in ihrer Eigenschaft als Vorsteher kultischer Handlungen eine Mittlerrolle zwischen jeweiliger Gottheit und den Menschen einnimmt. Das deutsche Wort Priester stammt vom griechischen πρεσβύτερος, presbyteros ‚Ältester‘. Davon abgeleitet sind auch die entsprechenden Wörter vieler europäischer Sprachen. Religionsphänomenologisch und soziologisch steht der Priesterbegriff jedoch im Bedeutungsfeld von griech. ἱερος, hieros ‚heilig, geweiht‘ und lat. sacerdos ‚Priester‘.

Das Judentum und der Islam sehen keinen Mittler zwischen dem Menschen und Gott vor, folglich gibt es bei diesen Religionen keine Priester. Die jüdischen Tempelbediensten und die islamischen Vorbeter (Imame) sind nur theologisch gebildete Bedienstete, die bestimmte Aufgaben bei den Gottesdiensten erfüllen. Im Islam können die fünf täglichen Gottesdienste sowohl in der Moschee als auch allein und zu Hause durchgeführt werden. Ein Vorbeter ist nur dann nötig, wenn mehrere Gläubige gemeinsam beten (gewissermaßen zur Synchronisation des Rituals), dieser kann wie die anderen Gottesdienstteilnehmer "Laie" sein, i.A. soll er aber ein Mindestmaß an theologischen Fertigkeiten besitzen.

Inhaltsverzeichnis

Religionswissenschaftliche Definition

Kretische Schlangen-Priesterin der Bronzezeit

In fast allen Religionen gibt es Menschen, die durch besondere Kenntnisse, Fähigkeiten, Vollmachten und göttliche Kräfte eine Verbindung zwischen dem göttlichen Bereich und der Alltagswelt der Menschen vermitteln und dadurch als göttlicher Stellvertrer ordnen, heilend wirken oder Erkenntnisse gewinnen. Aus schamanischen Ursprüngen hat sich in den Hochkulturen in der Regel im Umfeld der Tempel ein Priesterstand mit genau geregelten Rechten und Pflichten entwickelt. Die jüdischen Tempelbediensteten, die Kohanim (Einzahl: Kohen) lassen sich nicht in den religionswissenschaftlichen Grundsatz einordnen. Sie sind und waren keine Mittler zwischen Menschen und Gott und haben entschieden keine göttlichen Kräfte. Dies im Unterschied zu anderen Religionen, die gerade priesterliche Vermittler zwischen Gott (bzw. Göttern) und den Menschen vorsehen und aus ihrer zwingenden Vermittlerrolle heraus die Existenzberechtigung herleiten.

Bei der Einordnung in das Typen-Modell religiöser Autorität ergeben sich für den Typus des Priesters gewisse Überschneidungen zu anderen Typen, die, neben der allgemeinen Unschärfe des Modells, vor allem auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass es Schwierigkeiten macht, den Begriff des Priesters aus den Mittelmeerreligionen auf vollkommen anders strukturierte Religionen beispielsweise aus Fernost oder Nordamerika zu übertragen.

In Gesellschaften, in denen es noch nicht zur Ausbildung eines Priesterstandes gekommen ist, aber auch in solchen, in denen dieser Schritt bereits vollzogen ist, gibt es gewisse Vorstufen zum Priestertum. So ist in der Regel der Hausvater oder das Oberhaupt der Sippe mit der Wahrnehmung sakraler Funktionen betraut. In archaischen Kulturen ist die Ausübung priesterlicher Aufgaben ursprünglich dem König vorbehalten, der sie aber mit der zunehmenden Weiterentwicklung und Differenzierung des religiösen Kultes an ihm untergeordnete Priester vergibt. Ein in solcher Weise ausgeprägtes Priestertum ist zuerst in Neolithikum und Bronzezeit im östlichen Mittelmeer zu beobachten.

Der Typ des Priesters ist in schriftlosen Kulturen zumeist von denen des Medizinmanns und Schamanen nicht klar zu trennen. Jedoch ist festzuhalten, dass der Medizinmann charakteristischerweise mit unpersonalen Mächten oder Kräften zu tun hat, die er beherrschen muss, und nicht über den Kultdienst in einer personalen Beziehung zu einer Gottheit steht. Vom Schamanentyp unterscheidet den Priestertyp klar, dass ersterer nur im Zustand der Trance beziehungsweise der Ekstase mit der Gottheit in Verbindung treten kann.

Der Mönch schließlich hat ursprünglich zwar nicht die kultische Mittlerfunktion des Priesters, doch kann er, wie beispielshalber im Buddhismus, priesterliche Funktionen übernehmen und so aus seiner ursprünglichen Lebensweise in ein Priestertum hineinwachsen. Oftmals hat sich also das Priestertum erst aus dem Mönchtum entwickelt. Typologisch charakteristisch ist jedoch, dass der Mönch die göttliche Kraft oder Gnade aus seiner Lebensführung und nicht wie der Priester seines Amtes wegen erhält.

Die Aufgaben, die dem Priester zugeordnet sind, differieren je nach Religion. Grundsätzlich nimmt der Priester jedoch stets eine Mittlerfunktion zwischen dem Göttlichen und den Menschen ein. Dabei ist er wechselseitig mit Stellvertretung der Gottheit gegenüber den Menschen und der Menschen gegenüber der Gottheit betraut: Er tut den göttlichen Willen kund, bewahrt das heilige Wissen und vermittelt die göttlichen Gnadenerweise. Als Stellvertreter der Menschen handelt er in Opferungen und bei den Gebeten an die Gottheit.

Als Kultdiener vollzieht er die kultischen Handlungen zumeist in einem engen räumlichen Zusammenhang mit einem Tempel, Altar oder Naturheiligtum. Er opfert der Gottheit und leitet die Riten, verliest die heiligen Schriften und bewahrt den Kultort vor dem Eindringen religionsgesetzlich Unbefugter. Zusätzlich zu diesen beiden Bereichen treten diverse andere Aufgaben hinzu, die jedoch nicht genuin priesterlich sind. Dazu zählen psychische und medizinische Betreuung der Gläubigen, das Verkünden von Prophezeiungen oder Beschwörungen der Gottheit oder anderer Geistwesen. Darüber hinaus sind in vielen Religionen die Priester gleichzeitig Lehrer und Missionare und übernehmen administrative Aufgaben oder die Rechtsprechung.

Priesterin der ägyptischen Göttin Isis mit einem Bronzegefäß. Museo Archaeologico Regionale, Palermo, Sizilien.

Die Initiation der Priester erfolgt entweder über eine leibliche oder eine geistige Abfolge (Sukzession). In beiden Fällen ist wichtig, dass die Auswahl dabei nicht durch menschlichen Willen, sondern durch göttliche Kraft fällt. Bei der leiblichen Sukzession wird das Priesteramt innerhalb einer Familie vom Vater an den Sohn vererbt und weitergegeben. Der Vater weiht den Sohn in das priesterliche Wissen und eine eventuelle Geheimlehre ein. Die geistige Sukzession unterscheidet sich nur dahingehend, dass der Priester nicht durch Geburt, sondern durch eine besondere Weihe in das Priestertum aufgenommen wird und daher nicht in einer leiblichen, sondern über seinen „Weihevater“ in einer geistigen Ahnenreihe steht. Dabei werden die potentiellen Bewerber gezielt ausgewählt und im Hinblick auf ihre spätere Aufgabe erzogen, eventuell sogar in einer eigens dafür geschaffenen Institution. Die Ausbildung erstreckt sich dabei in erster Linie auf das Wissen um die korrekte Verrichtung des Kultes. Das Erlernen einer vielfach vorhandenen alten Kultsprache, des richtigen Ablaufs der verschiedenen Riten und der oft umfangreichen Gebetstexte steht im Vordergrund. Daneben ist die Priesterschaft einer Kultur aber oft auch ein Kulturträger ersten Ranges und wird in vielen anderen Bereichen zusätzlich ausgebildet. Dazu zählen bevorzugt Astronomie (Priesterastronom), Mathematik, Zeitrechnung, Medizin, Krankenpflege,Schrift, Kartographie und Geschichtsschreibung. Nicht selten waren Mönche, Äbte und Priester auch mit Erfolg technisch und naturwissenschaftlich tätig; mehrere wichtige Erfindungen und Entdeckungen gehen auf sie zurück, siehe etwa Roger Bacon, Nikolaus von Kues, Christoph Scheiner, Johann Adam Schall von Bell, Athanasius Kircher, Christophorus Clavius, Marin Mersenne, Kaspar Schott, Claude Chappe, Gregor Mendel und Sebastian Kneipp.

Der Standort des Priestertums innerhalb der Gesamtgesellschaft ist durch eine Reihe von Sonderstellungen gekennzeichnet. Auf der einen Seite können dazu Tabuvorschriften wie bestimmte Speisevorschriften, Reinheitsgebote, sexuelle Enthaltsamkeit und allgemein das Einhalten eines strengen Lebenswandels gehören. Die Vorschriften können auf einen bestimmten Zeitraum vor und während der Kulthandlung beschränkt oder aber auch dauerhaft sein. Andererseits genießen die Priester meist gewisse Vorrechte, haben oftmals auch einen rechtlichen Sonderstatus, der sich z. B. in der Steuerfreiheit, Nichtteilnahme an direkten Kriegshandlungen, oder der Immunität des Klerus äußert, und heben sich durch ein hervorstechendes Äußeres (Amtstracht, Tonsur o. Ä.) von den Laien ab.

Aus diesen Sonderregelungen für die Priesterschaft entwickelte sich das Priestertum in einer Gesellschaft oft zur abgeschlossenen Kaste fort, das sich streng hierarchisch geordnet nach unten abschloss: Dabei bilden sich vielfach innerhalb des Priestertums Rangklassen mit abgestuften Befugnissen oder Kenntnissen und an die Spitze des gesamten Priestertums stellte sich ein allgemeiner Oberpriester mit umfassender Leitungsgewalt. Prominenteste Beispiele hierfür sind der Papst in der römisch-katholischen Kirche oder der chinesische Kaiser.

Judentum

Segen der Kohanim beim Sprechen des Aaronitischen Segens

Hauptartikel: Kohanim

Der Titel des Kohen [kohn] (hebräisch כהן) ist ein Status des Judentums. Ihr Status geht allein auf die Gebote Gottes zurück. Die Kohanim [kohaˈnɪm] (hebräisch כהנים, Plural von Kohen) sind eine Untergruppe der Leviten, des priesterlichen unter den Zwölf Stämmen Israels. Sie gelten als direkte Nachfahren des Aaron, eines Bruders des Mose. Die Kohanim übten im Tempel den Tempeldienst am Altar aus. Der Kohen Gadol (wörtlich „Großer Priester“) war die höchste religiöse Autorität des Judentums.

Die Kohanim sind keine Mittler zwischen jüdischen Menschen und Gott oder der Menschheit und Gott. Damit ist bis heute der Unterschied gegenüber anderen Religionen bestimmt, die Vermittler zwischen Gott (bzw. Göttern) und den Menschen vorsehen. Jeder Jude ist Gott direkt verantwortlich. Der Tempelkult hatte keine vermittelnde Funktion und - bis auf die Ausnahme der möglichen Sühne einer unbeabsichtigt begangenen Sünde - keine Sünden tilgende Funktion durch Opferung und Blut. Das Volk Israel – ein Königreich von Priestern[1] – hat die Aufgabe, den am Sinai geschnittenen[2] Bund oder „Vertrag“ einzuhalten. Davon hängt das Wohl jedes Juden bzw. Israeliten, des Volkes Israel, ja sogar das der Menschheit und der Erde ab.

Christentum

Griechisch-katholischer Bischof Jan Babjak bei der Messe

Hauptartikel: Priester (Christentum)

Der Priester im Christentum ist eine aus der Allgemeinheit der Laien herausgehobene Amtsperson, dauerhaft bestellt durch den Empfang der Priesterweihe.

Ausgehend von der jüdischen Jerusalemer Urgemeinde Jesu Christi, einer Sekte des Judentums ihrer Zeit, hatte das Judenchristentum noch keine besonderen Mittler zwischen Mensch und Gott. Nach dem Neuen Testament gilt für das daraus entstandene hellenistische Heidenchristentum (ab 49 n. Chr.) und die frühe christliche Kirche: „Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und Mensch: der Mensch Jesus Christus!“ (1. Timotheus 2,5); Jesus Christus war zugleich Hoherpriester[3]. In der Kirche entwickelte sich dann in den ersten Jahrhunderten die Vorstellung des Weltheilands Jesus, der nun zudem als Gott verehrt und angebetet wird. Durch das Anwachsen der Heidenmission und der heidenchristlichen Gemeinden entstand die neue christliche Liturgie und gewannen die religiösen, kirchlichen Ämter an Gewicht. Im zweiten Jahrhundert bildete sich die bis heute verbreitete dreigliedrige hierarchische Struktur heraus: Bischof, Ältester (presbyteros) und Diakon.

Das genaue heutige Verständnis der dem christlichen Priester innewohnenden Kräfte bzw. religiösen Mittlerrolle zwischen Menschen und Gott ist durch Unterschiede in den christlichen Bekenntnissen ausgezeichnet.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Priester – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Priester – Zitate
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Quellen

  1. „(…) Und du sollst ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte die du den Kindern Israel sagen sollst. Und Moses kam und berief die Ältesten des Volkes und legte ihnen all die Worte vor, welche der Herr ihm geboten hatte, und alles Volk antwortete einmütig und sprach: wir werden alles tun, was der Herr sagt. Und Moses überbrachte dem Herrn die Worte des Volkes (…)“ (Exodus 19, 5).
  2. Wörtlich heißt es in der hebräischen Sprache, dass Gott einen Bund mit Israel 'schnitt'. Heute erinnert der Brauch, ein Band, z. B. bei Einweihung eines öffentlichen Gebäudes, feierlich zu durchschneiden, an den alten mesopotamischen Brauch des Bundesschnittes.
  3. Zum Beispiel Hebräer 4,14-5,6

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