Carl Gustav Jung

Carl Gustav Jung
Carl Gustav Jung (1910)

Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil; † 6. Juni 1961 in Küsnacht), meist kurz C. G. Jung, war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Jung wurde als Sohn eines Pfarrers in Kesswil am Bodensee (Schweiz) geboren. Carl war vier Jahre alt, als sein Vater nach Basel berufen wurde und mit der Familie nach Basel-Kleinhüningen (Schweiz) zog, wo er auch seine Jugend verbrachte. Ab 1895 studierte er an der Universität Basel Medizin und wurde 1900 als Assistent von Eugen Bleuler in der Psychiatrischen Universitätsklinik „Burghölzli“ in Zürich psychiatrisch tätig. Seine Dissertation von 1902 war ein Beitrag Zur Psychologie und Pathologie sogenannter occulter Phänomene. Danach war er für ein halbes Jahr bei Pierre Janet in Paris; 1903 heiratete er Emma Rauschenbach.

Bei Bleuler konnte sich Jung 1905 mit umfangreichen diagnostischen Assoziationsstudien habilitieren, denen er 1907, dem Jahr seiner ersten Begegnung mit Sigmund Freud, seine Arbeit Über die Psychologie der Dementia praecox folgen ließ. Ab 1905 lehrte Jung - neben seiner Tätigkeit als Arzt im Burghölzli - als Privatdozent für Psychiatrie an der Universität Zürich. Wegen Zerwürfnissen mit Bleuler gab Jung 1909 seine Tätigkeit am Burghölzli auf und eröffnete in seinem neuen Haus in Küsnacht am Zürichsee seine Privatpraxis. Jung engagierte sich in der Bewegung Freuds, für den er als Redakteur des Internationalen Jahrbuches für psychologische und psychotherapeutische Forschung tätig wurde. Von 1910 bis 1914 war er Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. 1912 publizierte er sein Buch Wandlungen und Symbole der Libido, das zum Bruch mit Freud führte, da Jung darin Freuds Libidotheorie kritisierte.

1913 gab Jung seine Lehrtätigkeit an der Universität Zürich auf. Fortan war er bis auf Unterbrechungen durch ausgedehnte Reisen in den zwanziger Jahren – vor allem nach Afrika und Asien – in eigener Praxis tätig, publizierte jedoch weiter seine Überlegungen und Ansichten, die er nunmehr Analytische Psychologie oder Komplexe Psychologie nannte.

Ebenfalls ab 1913, initiiert durch das Zerwürfnis mit Freud, begann Jung, sich seinem eigenen Unbewussten, seinen Träumen und Fantasien zu widmen und rekapitulierte seine Kindheit. Träume und Fantasien hielt er als Notizen und Skizzen in "Schwarzen Büchern" fest. Diese bildeten die Grundlagen seines "Roten Buches", an dem er bis 1930 arbeitete.

Antonia Anna "Toni" Wolff (1888-1953) war ab 1912 Mitarbeiterin von Jung und wurde ab 1913 seine engste Vertraute und ab 1914 für viele Jahre seine wichtigste Mitarbeiterin und Geliebte. [1] Toni Wolff wird manchmal auch als "Jungs Analytikerin" bezeichnet. C.G. Jung blieb mit Emma Jung verheiratet, und oft traten sie zu dritt auf.

Seine zunehmende Reputation führte dazu, dass er 1929 eingeladen wurde, eines der Hauptreferate auf dem von Teilnehmern aus ganz Europa besuchten Jahreskongress der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie von Matthias Heinrich Göring (AÄGP) zu halten. Im Jahr darauf wurde er als 2. Vorsitzender in den Vorstand dieser bedeutenden Vereinigung gewählt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fiel ihm wegen des solidarischen Rücktrittes des bisherigen Vorsitzenden Ernst Kretschmer der Vorsitz zu; gleichzeitig wurde er dadurch formaler Herausgeber des verbandseigenen Zentralblattes für Psychotherapie,[2] das bis dahin neben Johannes Heinrich Schultz und Rudolf Allers wesentlich von Kretschmers Freund Arthur Kronfeld als Schriftleiter organisiert worden war, der als Deutscher jüdischen Glaubens jedoch sofort jedes öffentliche Wirken hatte einstellen müssen. Als Präsident trug Jung ab 1934 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1939 dazu bei, die ursprüngliche und europaweite Bedeutung der AÄGP, die organisatorisch weiter in Deutschland und dort von nationalsozialistisch eingestellten deutschen Mitgliedern organisiert und geleitet wurde, unter der Bezeichnung Überstaatliche und ab 1935 Internationale Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie wenigstens dem Namen nach weiter aufrechtzuerhalten.

Seine Präsidentschaft innerhalb der IAÄGP nach 1933 wurde vielfach kritisiert und brachte ihn in den Verdacht des Antisemitismus. Darüber hinaus gibt es aber auch mehrere Äußerungen von Jung selbst, u.a. im deutschen Rundfunk und in mehreren Aufsätzen, die sich als Sympathie mit dem Nationalsozialismus interpretieren lassen. Die nationalsozialistische Propaganda lobte anfangs Jungs Psychologie als "aufbauende Seelenlehre", während gleichzeitig die Schriften seines früheren Mentors Freud der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Jung ließ sich das nicht nur gefallen, sondern lobte den "germanischen Geist" und kritisierte das "zersetzende Denken" Freuds. Dennoch war das Wirken Jungs wohl zu keinem Zeitpunkt vom Judenhass geprägt. Viele seiner wichtigen Mitarbeiter/innen und Anhänger/innen waren Juden, z.B. Erich Neumann (Psychologe) und Jolande Jacobi. Ab 1936 distanzierte sich Jung auch zunehmend von der NS-Ideologie und sprach von "Wahnwitz", der grässliche Wirklichkeit geworden sei. Dies führte dazu, dass Jungs Werke ab 1939 in Nazi-Deutschland verboten waren. Nach 1945 wurde Jung scharf wegen seiner Haltung in den Anfangsjahren des Nationalsozialismus kritisiert. Er selbst nahm zu den Vorwürfen nicht öffentlich Stellung, soll sich aber privat mit den Worten geäußert haben: "Ich bin ausgerutscht". Der Aufsatz "Nach der Katastrophe" kann auch als Aufarbeitung seiner persönlichen Verwicklung gelten. [3].

In der Schweiz nahm er 1933 an der ETH Zürich – ab 1935 als Titularprofessor – wieder eine Lehrtätigkeit auf, die er bis 1942 fortführte.

1942-43 diente Jung via Allen Welsh Dulles dem US-amerikanischen Geheimdienst als eine Art "Profiler": Jung sollte die psychische Verfassung der führenden Nazis und des deutschen Volkes analysieren, ihre Handlungsweisen und möglichen Reaktionen prognostizieren [4].

In seinen letzten Lebensjahren führte er vermehrt Forschungen über seine Theorie des kollektiven Unbewussten und die Bedeutung der Religion für die Psyche durch.

Er liegt in Küsnacht ZH, Friedhof-Dorf begraben.

Jungs Theorien

Carl Gustav Jung hat mit seinem Werk nicht nur die Psychotherapie, sondern auch die Psychologie, Theologie, Völkerkunde, Literatur, Kunst und die sich daraus entwickelnde Kunsttherapie beeinflusst. In die Psychologie sind vor allem die Begriffe Komplex, Introversion, Extraversion und Archetypus seiner Persönlichkeitstheorie eingegangen.

Komplex

Ein Komplex ist eine Konstellation von Gefühlen, Gedanken, Wahrnehmungen und Erinnerungen, die sich um einen bestimmten bedeutenden Zusammenhang gesammelt haben und mit diesem Kern des Komplexes assoziiert sind. Komplexe, die in das Unbewusste verdrängt sind, können im Bewusstsein als „Affekt“ erscheinen. Ein Beispiel: Ein Mutterkomplex ist das Kernelement des Komplexes. Alle Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen und Erinnerungen, die direkt oder indirekt mit der Mutter zu tun haben, werden von dem Kernelement des Komplexes angezogen und sind mit ihm assoziiert. Sie werden so dem Bewusstsein entzogen und können die bewusste Absicht stören.

Persönlichkeitsstruktur

Das Ich oder Ich-Bewusstsein ist Zentrum des Bewusstseinsfeldes und zeichnet sich durch eine starke Identifikation mit sich selbst aus. Da dieses Ich-Bewusstsein aus einem Komplex von Vorstellung und Identifikationen besteht, spricht Jung auch vom sogenannten Ich-Komplex. Bewusst wahrnehmen kann man folglich nur Dinge, die mit diesem begrenzten Ich-Komplex assoziiert sind.

Außerhalb dieses bewussten Ich-Komplexes existieren weitere Ich-nahe Komplexe, die aber unbewusst sind und in ihrer Gesamtheit als das persönliche Unbewusste bezeichnet werden. Diese unbewussten psychischen Inhalte sind eng an die individuelle Lebensgeschichte geknüpft und werden aus zwei unterschiedlichen Kanälen gespeist. Einerseits handelt es sich dabei um Inhalte, die ehemals bewusst waren und im weiteren Verlauf der Biographie als Vergessenes oder Verdrängtes nachträglich aus dem Ich-Bewusstsein ausgeschlossenen wurden, andererseits um primär unbewusste Elemente, die noch nie völlig ins Bewusstsein gelangt waren, wie zum Beispiel frühkindliche Engramme und subliminal Wahrgenommenes.

Die Persona (lat. Maske) ist der repräsentative, nach außen gerichtete Aspekt des Ich-Bewusstseins und entspricht der äußeren Persönlichkeit. Sie dient der Anpassung an die Außenwelt im Sinne eines normativen, sozialverträglichen Verhaltens.

Der Schatten ist sozusagen die dunkle, im Schatten liegende Seite der Persönlichkeit. Er ist Teil des Ich-nahen persönlichen Unbewussten und setzt sich aus all jenen, mit den bewussten Identifikationen des Ich unvereinbaren Aspekten, Neigungen und Eigenschaften eines Menschen zusammen. Solange keine bewusste Auseinandersetzung des Ich mit diesem unbewussten Schatten stattgefunden hat, kann dieser nur außerhalb des Ich wahrgenommen werden und wird deshalb häufig auf andere Personen projiziert (Schattenkonzept).

Die Auseinandersetzung mit dem Schatten, d. h. dessen Integration, stellt einen wichtigen und unabdingbaren Schritt auf dem Weg zur Ganzwerdung oder Individuation der Persönlichkeit dar. Sie stellt ein vorwiegend moralisches Problem dar, das vom Individuum beträchtliche seelische Anpassungsleistungen erfordert. Zu Beginn der Lebensmitte steht indes mehr die Integration der eigenen Anteile des jeweils anderen Geschlechts im Vordergrund, d. h. für einen Mann ist dies seine Anima und für eine Frau ihr Animus.

Das Kollektive Unbewusste besteht aus ererbten Grundlagen der Menschheitsgeschichte. Auf ihm beruhen alle entwicklungsgeschichtlich jüngeren Persönlichkeitsstrukturen, wie etwa das Ich. Im kollektiven Unbewussten manifestieren sich Archetypen.

Das Selbst ist das Zentrum der Persönlichkeit. In ihm werden alle gegenläufigen Teile der Persönlichkeit zusammengefasst und vereinigt. Es ist das Ziel des lebenslangen Individuationsprozesses, der im Wesentlichen daraus besteht, möglichst große Teile des Unbewussten dem Bewusstsein einzugliedern. Die Individuation setzt immer neue und umfassendere Anpassungsleistungen der Persönlichkeit voraus und in Gang. Sie findet auf der Ich-Selbst-Achse statt, wie sie Erich Neumann als Ergänzung zu Jungs Theorie sah.

Archetypen

Nach Jung sind Archetypen universell vorhandene Urbilder in der Seele aller Menschen, unabhängig von ihrer Geschichte und Kultur. Dazu zählen Vorstellungen, Gegenstände und Lebewesen aus der Umwelt. Um die Existenz von Archetypen, die nicht direkt, sondern als Anbahnungen von Vorstellungen vererbt werden, nachzuweisen, sammelten Jung und seine Mitarbeiter Material aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen. Sie betrachteten auf dem Hintergrund dieser Spuren Träume von Patienten und fanden dabei Vorstellungen, die den bildlichen Darstellungen fremder Kulturen, mit denen der Träumer niemals in Berührung gekommen war, stark ähneln. Sie stellten die These auf, dass religiöse und kulturelle Zeugnisse verschiedener Völker in begrenzten Variationen, ähnliche Motive, Vorstellungen und Ausdrucksformen hätten. Jung recherchierte hierzu sehr viel Material, das aus unterschiedlichen Zeiten und aus vielen Kulturen stammte und stellte in den Darstellungen fest, dass bestimmte Bilder, Motive und Symbole sich immer wiederholen, ohne dass die Kulturen voneinander beeinflusst worden waren. Er nannte diese Gemeinsamkeiten Archetypen, welchen im Individuationsprozess vieler seiner Patienten eine besondere Rolle zukam. Dieses Material und vor allem seine Bedeutung für die Kultur und den einzelnen setzte er in Verbindung mit den unterschiedlichen Entwicklungen seiner Patienten. Zu den Archetypen gehören: Schatten, Anima und Animus, die Große Mutter, der oder die alte Weise, das Mandala, der Abstieg der Seele zum Wasser, der Abstieg ins Totenreich, und andere. Dabei ist das Erscheinen von Archetypen in den Phantasien und Träumen stets mit dem Gefühl des Numinosen verbunden.

Archetypen bezeichnet er als Energiekomplexe, die besonders in Träumen, Neurosen und Wahnvorstellungen ihre Wirkung entfalten. Jung erklärt eine Psychose, die unter anderem dann entstehen kann, wenn eine Neurose nicht behandelt wird, als Überhandnehmen des Unbewussten, das sich des Bewusstseins bemächtigt, um dessen Einstellung zu korrigieren und das Individuum auf dem Weg zur Ganzwerdung zu befreien. Die nun symbolisch wirksamen Archetypen zielen darauf ab, die Gesamtpersönlichkeit wieder ins Lot zu bringen, indem sie archetypische, durch Numinosität (göttliche Erscheinungen, sexuelle Begierde) sehr attraktive Zielbilder ins Bewusstsein aufsteigen lassen. Diese Bilder und die Beschäftigung der Seele mit ihnen haben die Aufgabe, der Persönlichkeit eine fundamentale Balance zurückzugeben, Sinn und Ordnung zu stiften. Sie manifestieren sich daher in symbolischen Bildern universeller Gültigkeit, die einen beträchtlichen Anteil am Leben eines jeden haben.

Rolle der Psychotherapie

Jung selbst sieht den Psychotherapeuten als einen Begleiter des Patienten, der sich frei machen sollte von allen theoretischen Erkenntnissen, die er erlernt hat, und der sich möglichst vorurteilsfrei auf das einlassen sollte, was der Patient an Bildern, Eindrücken etc. aus seinem Unbewussten mitbringt oder im Verlaufe der Therapie entwickelt. Beim Abstieg des Patienten in seine eigenen seelischen Tiefen sah sich Jung als Begleiter, der allenfalls mehr Erfahrung hat und dadurch zum Gelingen des jeweils einzigartigen und individuellen Weges der betreffenden Persönlichkeit zur Individuation beitragen kann. (Jungs Therapie)

Psychologische Typen

Bei seinem täglichen Umgang mit Patienten merkte Jung schnell, dass Menschen sehr verschieden sind und daher auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Daraufhin entwickelte er die Unterscheidung in extravertierte und introvertierte Menschen.

Als extravertiert bezeichnete er einen Menschen, dessen Verhalten auf die äußere, objektive Welt ausgerichtet und von ihr geleitet wird. Introvertierte Menschen sind dagegen auf ihre innere, subjektive Welt ausgerichtet und verhalten sich nach ihr. Da diese Differenzierung nicht ausreichte, entwickelte er ein Modell, bestehend aus vier Funktionen – Denken, Fühlen, Intuition und Empfinden – das, kombiniert mit dem Attribut introvertiert oder extravertiert, acht Möglichkeiten ergibt, aus denen sich je nach Paarung acht Typen zusammensetzen lassen. In seinem Werk „Psychologische Typen“ von 1921 schrieb er darüber.

  • extravertiertes Denken orientiert sich stark an objektiven und äußeren Gegebenheiten und ist oft, aber nicht immer an konkrete und reale Tatsachen gebunden. Personen mit diesem Typus haben ein hohes Rechtsbewusstsein und fordern gleiches von anderen. Dabei gehen sie teilweise kompromisslos vor, nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“; eine konservative Neigung ist gegeben. Aufgrund der untergeordneten Gefühlsfunktion wirken sie oftmals gefühlsarm und unpersönlich.
  • extravertiertes Fühlen ist altruistisch, erfüllt wie keine andere Funktion die Konventionen und verfügt über eher traditionelle Wertmaßstäbe. Bei zu viel Objekteinfluss wirkt dieser Typ kalt, unglaubwürdig und zweckorientiert und kann in seinem Standpunkt alternieren und daher anderen unglaubwürdig vorkommen. Dieser Typus ist nach Jung am anfälligsten für Hysterie.
  • extravertiertes Empfinden ist eine vitale Funktion mit dem stärksten Lebenstrieb. Ein solcher Mensch ist realistisch und oft auch genussorientiert. Bei zu starkem Objekteinfluss kommt seine skrupellose und teilweise naiv-lächerliche Moral zum Vorschein. In Neurosen entwickelt er Phobien aller Art mit Zwangssymptomen und ist nicht fähig, die Seele des Objektes zu erkennen.
  • extravertierte Intuition strebt nach Entdeckung von Möglichkeiten und opfert sich u. U. dafür auf; werden keine weiteren Entwicklungen gewittert, kann die Möglichkeit genauso schnell wieder fallengelassen werden. Dabei nimmt dieser Typ häufig nur geringe Rücksicht auf die Umgebung. Er lässt sich leicht ablenken, bleibt nicht lange genug bei einer Sache und kann deshalb zuweilen die Früchte seiner Arbeit nicht ernten.
  • introvertiertes Denken schafft Theorie um der Theorie willen und ist wenig praktisch veranlagt. Es ist eher um Entwicklung der subjektiven Ideen als um Tatsachen bemüht. Andere Menschen werden oft als überflüssig oder störend empfunden, weswegen diese Typen als rücksichtslos oder kalt erscheinen. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie sich isolieren.
  • introvertiertes Fühlen ist schwer zugänglich und oft hinter einer banalen oder kindlichen Maske versteckt. Diese Menschen sind harmonisch unauffällig und zeigen wenig Emotionen, auch wenn diese erlebt werden; Emotionen sind bei ihnen nicht extensiv sondern intensiv. In einer Neurose kommt ihre heimtückische, grausame Seite zum Vorschein.
  • introvertiertes Empfinden führt zu charakterbedingten Ausdruckserschwerungen. Die Personen sind oft ruhig und passiv. Ihre künstlerische Ausdrucksfähigkeit ist dafür stark ausgeprägt. Sie bewegen sich in einer mythologischen Welt und haben eine etwas phantastische und leichtgläubige Einstellung.
  • introvertierte Intuition kommt bei Menschen vor, die sich für die Hintergrundvorgänge des Bewusstseins interessieren. Nicht selten sind sie mystische Träumer oder Seher einerseits, Phantasten und Künstler andererseits. Sie versuchen ihre Visionen in ihr eigenes Leben zu integrieren. Im Falle einer Neurose neigen sie zur Zwangsneurose mit hypochondrischem Erscheinungsbild.

Jung ordnete alle denkenden und fühlenden Funktionen als rational und alle empfindsamen und intuitiven Funktionen als irrational ein.

Synchronizität

Als Synchronizität (von griechisch synchron, gleichzeitig) bezeichnete Carl Gustav Jung relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind, vom Beobachter jedoch als sinnhaft verbunden erlebt werden.

Werk

Eine Einführung in sein Werk bietet Jungs Autobiographie Erinnerungen, Träume, Gedanken. Dort schreibt er:

„Die Erinnerung an die äußeren Fakten meines Lebens ist mir zum größten Teil verblaßt oder entschwunden. Aber die Begegnung mit der inneren Wirklichkeit, der Zusammenprall mit dem Unbewußten, haben sich meinem Gedächtnis unverlierbar eingegraben. Ich kann mich nur aus den inneren Geschehnissen verstehen. Sie machen das Besondere meines Lebens aus, und von ihnen handelt meine Autobiographie.“

Die Gesamtausgabe von Jungs Schriften liegt unter dem Titel Gesammelte Werke von C. G. Jung in 20 Bänden vor, sein Grundwerk in einer neunbändigen Ausgabe. Populär wurde sein 1964 von seiner Mitarbeiterin Marie-Louise von Franz zunächst auf Englisch herausgebrachtes Buch Der Mensch und seine Symbole, das seit 1968 auch in vielen Sonderausgaben erschienen ist.

Über viele Jahre hielt Jung seine Träume, Visionen und Fantasien in einem Tagebuch fest, das 2009 als Das Rote Buch im Rubin Museum of Art in New York der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht wurde. In der Zeit nach der Trennung von Sigmund Freud begann Jung mit der Arbeit am Roten Buch, in dem er seine Träume und Visionen aufzeichnete. Aus der intensiven Selbsterforschung entwickelte Jung später seine bekannten Theorien. Großformatig gestaltet ist das zwischen 1914 und 1930 entstandene “Rote Buch” durchaus als Gesamtkunstwerk zu bezeichnen. Das annähernd sieben Kilogramm schwere, in rotes Leder gebundene Werk ist in eigenartig feierlicher deutscher Sprache verfasst, in kunstvoller Kalligrafie mittelalterlicher Handschriften gehalten und mit farbenprächtigen Illustrationen versehen. In Europa wurde das Rote Buch erstmals im Museum Rietberg in Zürich gezeigt.[5]


Jung ist ein wichtiger Vertreter der Selbstpsychologie innerhalb der Tiefenpsychologie. Sein Werk lässt sich nicht verstehen, wenn man nicht die Beziehung des Ich zu seinem Persönlichkeitskern, dem Selbst, in die Psychologie mit aufnimmt. Er gehört daher in eine Reihe von Tiefenpsychologen, die den Selbstbezug und die Individualität als Kern der Menschwerdung bzw. der Kulturgeschichte ansehen.

Nachwirkungen

Psychologie

C. G. Jungs Werk hat in der Weiterentwicklung der tiefenpsychologischen Strömungen eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt. Während beispielsweise eine Folgeströmung wie die Neopsychoanalyse sich Teilen der klassischen Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Individualpsychologie Alfred Adlers bedient hat, wurde von ihren Vertretern die analytische Psychologie Jungs kaum wahrgenommen.

Seinen stärksten Einfluss innerhalb der vorherrschenden und etablierten Richtungen der Psychologie dürfte Jung noch durch seine Typologie gehabt haben. Der Jungianer Anthony Stevens verweist zum Beispiel darauf, dass selbst der Behaviorist Hans Jürgen Eysenck, den sonst in seiner Psychologie nur wenig mit Jung verbindet, große Teile seiner eigenen Typologie C. G. Jung entlehnt habe. Eysencks Persönlichkeitsentwurf findet noch heute in Lehrbüchern zur Persönlichkeitspsychologie kritische Aufnahme, ein Beispiel ist Jens Asendorpfs Psychologie der Persönlichkeit.

Als so gering Jungs Einfluss in weiten Teilen der Tiefenpsychologie einzuschätzen ist, um so größer ist seine Wirkung in Randbereichen und umstrittenen Strömungen innerhalb der akademischen Psychologie zu werten. C. G. Jung wird beispielsweise im Sammelband Klassiker der Religionswissenschaft durch Christoph Morgenthaler mit einem eigenen Beitrag gewürdigt. Sein Entwurf wird bis heute als ein wichtiger Beitrag innerhalb der Religionspsychologie angesehen, wie in Susanne Heines Grundlagen der Religionspsychologie.

Ebenfalls zu erwähnen ist Jungs Bedeutung für die Entwicklung der Transpersonalen Psychologie, die sich speziell den spirituellen Erfahrungen des Menschen widmet. Jürgen Kriz versteht Jungs analytische Psychologie in seinem Aufsatz Transpersonale Psychologie für das Handwörterbuch Psychologie als klassischen Ansatz der Transpersonalen Psychologie.

Bekannte Schüler C. G. Jungs, die eine starke Folgewirkung gehabt haben, gibt es kaum (siehe analytische Psychologie). Einige bekanntere Psychotherapeuten haben jedoch eine eigenständige Neuformung der Analytischen Psychologie vorgenommen. Zu ihnen zählen:

Karlfried Graf Dürckheim: Mit seiner initiatischen Therapie erweiterte er Jungs analytische Psychologie um Aspekte der Gestaltpsychologie und Körperpsychotherapie. Dürckheim gilt neben C. G. Jung ebenfalls als Klassiker der Transpersonalen Psychologie.

Paul Watzlawick: Einer der bekanntesten Vertreter der systemischen Psychologie. Watzlawick wurde am C. G.-Jung-Institut in Zürich als Psychotherapeut ausgebildet.

Literarische und mediale Rezeption

Der deutsche Autor Patrick Roth bezeichnet die Psychologie C. G. Jungs, seine Auffassung des Unbewussten und dessen Methode der Deutung psychischer Inhalte als zentrale Inspirationsquelle.[6] In den Frankfurter Poetik-Vorlesungen Ins Tal der Schatten (2001) erläutert Roth die Technik der Aktiven Imagination und ihren Wert für seinen eigenen schöpferischen Prozess.[7] In den Heidelberger Poetik-Vorlesungen Zur Stadt am Meer (2004) vergleicht er seine schriftstellerische Arbeit mit dem Opus des Alchemisten und schließt damit an Jung an, der das Grundschema der Individuation als Analogie zum alchemistischen Wandlungsprozess begreift.[8]

Im November 2011 kam der Film des kanadischen Regisseurs David Cronenberg Eine dunkle Begierde (A Dangerous Method) heraus, der die Konflikte zwischen Freud und Jung thematisiert und von Jungs auch sexueller Beziehung zu seiner Patientin Sabina Spielrein handelt.

Kritik

Kritisiert wurden die Ansichten C. G. Jungs von Sigmund Freud und seiner Schule, der Psychoanalyse. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Auffassung des Unbewussten, das in der Analytischen Psychologie von C. G. Jung sehr weitgefasst ist. So bezweifeln die meisten Psychoanalytiker, dass bestimmte Anbahnungen von Vorstellung im Sinne der Archetypenlehre vorgefunden werden können. Die Psychoanalyse sieht die Inhalte des Unbewussten lediglich durch die persönliche Entwicklung des Einzelnen determiniert und beschränkt Prägungen damit auf die Erfahrungen in der Lebensspanne des Individuums und bezweifelt fertige Anlagen durch Vererbung. Obwohl sich die beiden Schulen der Tiefenpsychologie in vielem gleichen, haben viele spezielle Annahmen in der Vergangenheit und Gegenwart zu Zerwürfnissen geführt. Während Freuds Arbeiten großen Einfluss auf die Geisteswissenschaften hatten, ist die Archetypenlehre Jungs dort selten aufgegriffen oder aber als mythologisierende Ideologie von gesellschaftlichen Herrschafts-verhältnissen kritisiert worden.

Ein der Archetypenlehre des kollektiven Unbewussten ähnelnder Bereich lässt sich entgegen der Behauptungen Jungs, der Archetypen als eingeborene, in der Hirnstruktur angelegte Dispositionen definiert, in der modernen Hirnforschung nicht nachweisen. Ebenso wenig wird Jungs Begriff der Synchronizität in den Naturwissenschaften akzeptiert.

Martin Buber sah, dass C. G. Jung die Religion zum Gegenstand umfassender Betrachtungen gemacht hatte, allerdings unter Einbeziehung vieler Phänomene, die Buber nur als pseudoreligiös bezeichnen wollte.[9] Buber kritisierte an Jung, bei seiner Behandlung des Religiösen die Grenze der Psychologie überschritten zu haben und trotz Beteuerungen, jegliche Aussage über das Transzendente vermeiden zu wollen, es indirekt doch getan habe, mit seiner Beschränkung von Gott auf einen «autonomen, psychischen Inhalt». Jungs Meinung, Gott existiere nicht losgelöst vom menschlichen Subjekt, sei eine Aussage über das Transzendente, über das, was es nicht sei, und damit über das, was es sei. Auch habe in Jungs Fall die Psychologie als Wissenschaft sich nicht mehr mit der Rolle einer Interpretin der Religion begnügt, sondern mit der Religion der reinen psychischen Immanenz eine neue verkündigt. Buber zog für seine Kritik eine sehr früh gedruckte, aber nicht in den Handel gekommene Schrift heran, in der er bei Jung ein Bekenntnis zu einem gnostischen Gott (die altiranische Gottheit Zurvan) zu erkennen glaubte, in dem Gut und Böse miteinander verbunden sind und einander die Waage halten. Eine paulinische Überwindung des Gesetzes falle nach Jung nur dem zu, der es verstehe, an die Stelle des Gewissens die Seele zu setzen - nach einer in ihr erfolgten «hochzeitlichen Vereinigung der Gegensatzhälften», insbesondere der Gegensätze Gut und Böse. Das so entstandene Selbst werde von Jung als eine neue »Inkarnation« auf den Thron erhoben und seiner Rede von der »Identität Gottes mit dem Menschen« stellte Buber bewusst Nietzsches Wort, »Tot sind alle Götter, nun wollen wir, dass der Übermensch lebe!«, gegenüber. Buber ordnete C. G. Jung einer Strömung zu, die unter Wiederaufnahme des karpokratianischen Motivs eine Psychotherapie lehre, die Instinkte mystisch vergotte, statt sie im Glauben zu heiligen.

Ambivalent stand Erich Fromm Jung gegenüber: Einerseits bezeichnete er ihn als „nekrophilen Charakter“, der eher von der Vergangenheit und nur selten von der Gegenwart und Zukunft fasziniert gewesen sei. In seiner anfänglichen Sympathie für Hitler und in seinen Rassentheorien komme diese Hinneigung zu Menschen, die das Tote lieben, zum Ausdruck. Jung sei andererseits ein ungewöhnlich schöpferischer Mensch gewesen, „[...] und Kreativität ist das Gegenteil von Nekrophilie. Er löste den Konflikt in sich selbst dadurch, dass er seine destruktiven Kräfte in sich durch seinen Wunsch und seine Fähigkeit zu heilen ausglich und dass er sein Interesse für die Vergangenheit, für Tote und für Zerstörung zum Gegenstand brillanter Spekulationen machte.“[10]

Kritik an der Analytischen Psychologie von C. G. Jung, findet sich vor allem aus den Reihen anderer psychologischer Paradigmen und der Kritischen Theorie der Gesellschaft. In der Psychologie wird vor allem kritisiert, dass die Theorien und Modelle der Tiefenpsychologie „unwissenschaftlich“ seien, weil sie nicht durch kontrollierte Erfahrung widerlegbar seien. Die Kritische Theorie der Gesellschaft kritisiert die Theorie des kollektiven Unbewussten als affirmative Ideologie gesellschaftlicher Herrschaft und Rückfall der Aufklärung in den Mythos.

Der kritische Theoretiker Heinz Gess stellt in seinem Buch „Vom Faschismus zum neuen Denken. C. G. Jungs Lehre im Wandel der Zeit“[11] dar, dass diese Struktur seiner Lehre Jung 1933 dazu bringt, vorbehaltlos in die faschistische Führerpropaganda einzustimmen und die Deutschen aufzufordern, »der ziellosen Konversation parlamentarischer Beratungen« ein Ende zu setzen und an Stelle »einer in Wahl und Meinung von der Masse abhängigen Vollzugsregierung« sich einem »Führeradel« zu unterstellen, der »naturnotwendig an das Blut und an Rasseausschließlichkeit«[12] glaubt. 1936 führt er diese Propaganda fort, führt die NS-Bewegung auf die »Gottergriffenheit der Deutschen« zurück und formuliert: »Das ist aber gerade das Eindrucksvolle am deutschen Phänomen, daß einer, der offenkundig ergriffen ist, das ganze Volk dermaßen ergreift, daß sich alles in Bewegung setzt, ins Rollen gerät und unvermeidlicherweise auch in gefährliches Rutschen.«[13] Nach den außenpolitischen Erfolgen Hitlers in den Jahren 1936 – 1938 setzt Jung seine Führerpropaganda anno 1939 ungebrochen fort und erklärt noch einmal ganz im Stile von 1933 Hitler zum »Seher« und »Führer«, dessen »Macht nicht politisch«, sondern »magisch« sei. Aufgrund dieser ungewöhnlichen magischen Fähigkeit und mystischen Macht sei er »der Lautsprecher, der das unhörbare Raunen der deutschen Seele verstärkt, bis es vom unbewußten Ohr der Deutschen gehört werden kann.« Zugleich habe er sich aufgrund derselben Fähigkeit als bislang »unfehlbar« erwiesen. Hitler »horcht hin und gehorcht. Der wahre Führer ist immer geführt.« Er stehe »unter dem Befehl einer höheren Macht […] [14] Die zitierten Sätze belegen, dass Jung ein deutsch-völkischer Ideologe gewesen ist und als solcher dem Nazifaschismus zusprach. Antisemitische Stellungnahmen vor und nach 1933 belegen außerdem, dass er als deutsch-völkischer Ideologe auch Antisemit war. So schrieb er schon 1918 nach seiner Trennung von S. Freud (1912/13) in einem Essay „Über das Unbewusste“: “Die untere Hälfte … harrt der Erlösung und der zweiten Domestifikation. Bis dahin bleibt sie assoziiert mit den Resten der Vorzeit, mit dem kollektiven Unbewussten … . Meines Erachtens besteht nun dieses Problem für den Juden nicht. … Er ist domestiziert in höherem Maße, aber in arger Verlegenheit um jenes Etwas im Menschen, das die Erde berührt, das von unten neue Kraft empfängt, um jenes Erdhafte, das der germanische Mensch in gefährlicher Konzentration in sich birgt. … Der Jude hat davon zu wenig – wo berührt er seine Erde? Das Geheimnis der Erde ist kein Spaß.“[15]

Antisemitische Stellungnahmen nach 1933 finden sich u. a. in Jungs Artikel „Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie (1934), in dem er „arisches“ und „jüdisches“ Unbewusstes abgrenzte und unterstrich, dass sie sich in ihren Charakteristika unterschieden: „Der Jude als relativer Nomade hat nie und wird voraussichtlich auch nie eine eigene Kulturform schaffen, da alle seine Instinkte und Begabungen ein mehr oder weniger zivilisiertes Wirtsvolk[16] voraussetzen“.[17] Auch in Jungs Aufsatz Wotan (1936) verstärken Passagen wie: „Das arische Unbewusste hat ein höheres Potential als das jüdische“ diesen Eindruck.[18] Bereits am 27. Februar 1934 griff der Schweizer Psychoanalytiker Gustav Bally C. G. Jung für seine Äußerung in Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie in der NZZ heftig an. Jung erklärte in derselben Zeitung am 13., 14. und 15. März 1934 jene Worte und das Medium, in dem sie ursprünglich innerdeutsch hätten erscheinen sollen, als „Treuegelöbnis“[19] des gleichgeschalteten deutschen Publikationsorganes, das von den Machthabern als Voraussetzung einer deutschen Publikation verlangt worden war. Am 7. Mai 1963 schrieb Gershom Scholem an Aniela Jaffé über eine Begebenheit zwischen Leo Baeck und Jung:

„Liebe Frau Jaffé, ..... Da Sie sich an der Erzählung über Baeck und Jung so interessiert zeigen, möchte ich sie Ihnen für Ihr Benefit aufschreiben, und habe nichts dagegen, in dieser Sache von Ihnen zitiert zu werden. Im Hochsommer 1947 war Leo Baeck in Jerusalem. Ich hatte damals gerade zum ersten Mal eine Einladung zum Eranos in Ascona erhalten, offenbar auf Anregung von Jung, und fragte Baeck, ob ich sie annehmen sollte, da ich inzwischen viele Beschwerden über Jungs Verhalten in der Nazizeit gehört und gelesen hatte. Baeck sagte: «Sie müssen unbedingt hingehen», und erzählte mir im Verlauf unserer Unterhaltung das folgende: Auch er sei von der Reputation Jungs, die durch die bekannten Artikel im Jahre 1933/34 entstanden war, sehr zurückgestoßen worden, gerade weil er Jung, von den Darmstädter Tagungen der Schule der Weisheit her, sehr gut kannte und ihm keine nationalsozialistische und antisemitische Gesinnung zugetraut hätte. Als er nach seiner Befreiung von Theresienstadt zum ersten Mal wieder in die Schweiz gekommen sei (ich glaube, es war 1946), habe er daher Jung in Zürich nicht aufgesucht. Es sei aber Jung zu Ohren gekommen, dass er in der Stadt sei, und er habe ihn zu einem Besuch bitten lassen, was er, Baeck, unter Bezugnahme auf jene Vorgänge abgelehnt habe. Darauf sei Jung zu ihm ins Hotel gekommen, und sie hätten eine zweistündige, zum Teil überaus lebhafte Auseinandersetzung gehabt, in der Baeck ihm all das vorwarf, was er über ihn gehört hatte. Jung hätte sich mit Berufung auf die besonderen Verhältnisse in Deutschland verteidigt, zugleich ihm aber gestanden: «Jawohl, ich bin ausgerutscht», was seine Stellung zu den Nazis und seine Erwartung, dass vielleicht hier etwas Großes aufbräche, beträfe. Diesen Satz, ich bin ausgerutscht, den mir Baeck mehrfach wiederholte, habe ich in lebhafter Erinnerung. Baeck sagte, sie hätten in diesem Gespräch alles, was zwischen ihnen stand, geklärt und wären wieder versöhnt voneinander geschieden. Auf Grund dieser Erklärung von Baeck habe ich dann auch die Einladung zum Eranos angenommen, als sie ein zweites Mal kam. ..... Ihr G.. Scholem“

Aniela Jaffé: Aus Leben und Werkstatt von C. G. Jung, Rascher Paperback 1968, S. 104

Die Kritik an Jungs Liaison mit Nationalsozialisten bezieht sich auch auf seine Freundschaft zum Indologen Jakob Wilhelm Hauer, mit dem Jung das Interesse für Yoga teilte. Als Hauer 1933 die Deutsche Glaubensbewegung gründete, hatten er und Jung aber schon nicht mehr viel Kontakt. J.W. Hauer setzte in seinem Buch „Deutscher Glaube“ sowohl dem Christentum als auch dem Judentum „wegen ihrer gemeinsamen vorderasiatisch-semitischen Herkunft als Fremdreligion einen unerbittlichen Kampf bis zum Sieg und ihnen als artgemäße Alternative einen aus dem schaffenden Grund des westindogermanischen Blutes entstandenen Glauben“[20] entgegen. 1934 wurde J.W. Hauer von den Eranos-Tagungen im Tessin ausgeschlossen, und Jung brach den Kontakt zu Hauer ab.

Ende der 30er Jahre verglich C. G. Jung diese deutsche Glaubensbewegung in einem Gespräch mit dem Bischof von Southwark, Richard Godfrey Parsons mit dem Islam:[21]

„Wir wissen nicht, ob Hitler nicht gerade einen "neuen Islam" begründet. Er ist schon dabei, er ähnelt Mohammed. Die deutsche Gefühlswelt ist islamisch. Sie sind alle wie besoffen von einem tobenden Gott. Das könnte unsere künftige Geschichte sein.“

C. G. Jung: Collected Works Vol. 18: The Symbolic Life, Princeton UP, S. 281

Der kritische Theoretiker Heinz Gess belegt hingegen, dass Jungs Bereitschaft zur Kooperation mit dem Nationalsozialismus entgegen der Selbstdarstellung Jungs kein »Ausrutscher« gewesen sei, sondern Bestandteil einer strukturierten ideologischen Praxis, in deren Zentrum Jungs Lehre von den Archetypen des kollektiven Unbewussten stehe.[22] Was für die Kooperation Jungs mit dem NS im Allgemeinen gilt, gelte auch für den Antisemitismus C. G. Jungs, der seiner Struktur nach eng mit der Archetypen- und Individuationslehre verzahnt sei. Denn die nationalsozialistische Bewegung begreift Jung als Durchbruch der kollektiven Archetypen der Deutschen gegen den entfremdeten Intellekt und als »Völkerverwandlung«, die »organisch im Führer« gipfle. Der deutsche Faschismus, so Gess, habe sich der Archetypenlehre Jungs bedienen können und sie genutzt, um in Gestalt der ›germanischen Seelenheilkunde‹ die ideologische Unterstellung der Deutschen unter seine Herrschaftsordnung zu intensivieren. Jung seinerseits habe dabei aktiv mitgemacht, weil seine Vorstellung von »Individuation« der geforderten ideologischen Selbstunterstellung weitgehend entsprach und er auf diese Weise den verhassten Konkurrenten, die gesellschaftskritisch eingestellte Psychoanalyse, die für ihn Ausdruck des ›wurzellosen, zersetzenden jüdischen Intellekts‹ sei, glaubte ein- für allemal ausschalten zu können. Jungs Bruch mit Freud und der Psychoanalyse, sein rebellisches Aufbegehren gegen die ›gleichmacherische‹, die kulturellen Unterschiede nicht achtende Zivilisation und seine damit zusammenhängenden Sympathien für den deutschen Faschismus, schließlich auch seine Abrechnung mit dem Nazifaschismus 1945/46, in der er sich als den verkannten Propheten aufspiele, der vor dem Unheil, das der Nationalsozialismus sei, rechtzeitig gewarnt habe, werden aus der Sicht der kritischen Theorie der Gesellschaft als Akte inszenierter autoritärer Rebellion[23] interpretiert. Die Lehre Jungs habe die Funktion, das zu verdecken, indem sie das Produkt solcher Akte, die »Individuation« der Herrschaftsordnung, zum »Heil« und zur versöhnten Ganzheit und den Prozess dahin zu den ›ewigen Archetypen‹ des Helden und der Initiation verkläre.

Jungs Patienten

Dies ist eine unvollständige Liste von Patienten, deren Behandlungsverlauf von Jung veröffentlicht wurde. Die richtigen Namen wurden durch die angegebenen Pseudonyme ersetzt.

C.G. Jung-Institut Zürich

Jung-Institut in Küsnacht

1948 wurde in Jungs Wohnhaus in Küsnacht das C.G. Jung-Institut Zürich als Ausbildungs- und Forschungsstätte für Analytische Psychologie und Psychotherapie gegründet. C.G.Jung gab ihm die Rechtsform einer gemeinnützigen Stiftung und begleitete es bis zu seinem Tod.


Die Ausbildung von Jungschen Analytikern und Psychotherapeuten steht auch heute noch im Vordergrund. Daneben wird die Lehre Jungs weiter entwickelt und mit Erkenntnissen aus der Forschung ergänzt. [24]

Schriften

Die wichtigsten Schriften und Vorträge Jungs wurden ursprünglich einzeln, vorwiegend im Rascher Verlag, publiziert. Dort erschien ab 1958, angelehnt an die englische Ausgabe Collected Works, eine auf 18 Bände angelegte Werkausgabe, die dann vom Walter Verlag fortgeführt wurde. Ein Teilausgabe wurde 1991 bei dtv in elf – auch einzeln erhältlichen – Bänden herausgegeben. Eine erste bibliographische Übersicht mit Inhaltsangaben zu den Bänden der Gesammelten Werke ist auf der Internetseite der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie) zu finden.[25]

Werkausgaben

Umfassende Ausgabe:

  • Gesammelte Werke. 18 Bände. Rascher, Zürich / Walter, Olten 1958–81

Ergänzend dazu:

Teilausgaben:

  • Ausgewählte Schriften, hrsg. von Verena Kast und Ingrid Riedel. Patmos, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-8436-0029-3
  • Grundwerk in neun Bänden, hrsg. v. Helmut Barz. Walter, Olten 1984
  • Taschenbuchausgabe in 11 Bänden, hrsg. v. Lorenz Jung. Dtv, München 1991, ISBN 3-423-59049-1
  • 100 Briefe. Eine Auswahl. Walter, Olten 1975
  • Sigmund Freud/C. G. Jung: Briefwechsel. S. Fischer, Frankfurt am Main 1974

Einführende Werke

  • Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung. Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Rascher, Zürich/Stuttgart 1962; Neuausgabe bei Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-42134-9
  • Der Mensch und seine Symbole. Walter, Olten/Freiburg im Breisgau 1968; Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-42135-6
  • C. G. Jung im Gespräch. Reden, Interviews, Begegnungen. Daimon, Zürich 1986, ISBN 3-85630-022-8

Literatur

Zu Leben und Werk

Einzeluntersuchungen

  • Aldo Carotenuto (Hrsg.): Tagebuch einer heimlichen Symmetrie. Sabina Spielrein zwischen Jung und Freud. Kore, Freiburg im Breisgau 1986; Psychosozial, Gießen 2003, ISBN 3-89806-184-1.
  • Tilman Evers: Mythos und Emanzipation. Eine kritische Annäherung an C. G. Jung. Junius, Hamburg 1987.
  • Heinz Gess: Vom Faschismus zum Neuen Denken. C. G. Jungs Theorie im Wandel der Zeit. Klampen, Lüneburg 1994, ISBN 3-924245-33-9. (deutliche Kritik Jungs und seiner Rezeption, diskutiert Jungs Verhältnis zum Antisemitismus)
  • Thomas B. Kirsch: C. G. Jung und seine Nachfolger. Die internationale Entwicklung der Analytischen Psychologie. Psychosozial, Gießen 2007, ISBN 3-89806-447-6.
  • Regine Lockot: Erinnern und Durcharbeiten. Zur Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie im Nationalsozialismus. S. Fischer, Frankfurt am Main 1985; Psychosozial, Gießen 2002, ISBN 3-89806-171-X.
  • Arthur I. Miller: 137 − C. G. Jung, Wolfgang Pauli und die Suche nach der kosmischen Zahl die Suche nach der kosmischen Zahl. Deutsche Verlagsanstalt, München 2011, ISBN 978-3-421-04290-3.
  • Hans Trüb: Heilung aus der Begegnung. Eine Auseinandersetzung mit der Psychologie C. G. Jungs, Stuttgart 1951. (im Zusammenhang mit Buber)
  • Ralf T. Vogel: C. G. Jung für die Praxis. Zur Integration jungianischer Methoden in psychotherapeutische Behandlungen. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-020116-3.
  • Toni Wolff: Studien zu C. G. Jungs Psychologie. Rhein, Zürich 1959; 2. A. Daimon, Zürich 1981, ISBN 3-85630-006-6.
  • Arthur I. Miller: 137 − C. G. Jung, Wolfgang Pauli und die Suche nach der kosmischen Zahl die Suche nach der kosmischen Zahl. Deutsche Verlagsanstalt, München 2011, ISBN 978-3-421-04290-3.
  • Remo F. Roth: Return of the World Soul, Wolfgang Pauli, C.G. Jung and the Challenge of Psychophysical Reality. Pari, Italy: Pari Publishing 2011, ISBN 978-88-95604-12-1

Filme

Weblinks

 Commons: Carl Gustav Jung – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Quellen

  1. http://en.wikipedia.org/wiki/Toni_Wolff
  2. http://www.sgipt.org/medppp/gesch/aaezp.htm
  3. Rüdiger Sünner: Nachtmeerfahrten - Eine Reise in die Psychologie von C.G. Jung. DVD, Atalante Film, 2011. Kapitel Wotan's Nacht. http://www.nachtmeerfahrten.de
  4. Vgl. Deirdre Bair: C. G. Jung. Eine Biographie. Knaus, München 2005; Kapitel: "Agent 488"
  5. Linktext, zusätzlicher Text.
  6. Patrick Roth: Ins Tal der Schatten, Frankfurt am Main 2002, S. 12.
  7. Vgl. das Kapitel Aktive Imagination in: Patrick Roth: Ins Tal der Schatten. S. 113–139.
  8. Vgl. z. B. das Kapitel Traum und Alchemie in Patrick Roth: Zur Stadt am Meer. Heidelberger Poetikvorlesungen, Frankfurt am Main 2005, S. 21–45.
  9. Martin Buber: Gottesfinsternis. Betrachtungen zur Beziehung zwischen Religion und Philosophie, Zürich 1953, S. 94-114 u. 157-162
  10. Erich Fromm, Die Seele des Menschen, S. 41 f.
  11. Heinz Gess, Vom Faschismus zum neuen Denken. C. G. Jungs Lehre im Wandel der Zeit, Lüneburg 1994
  12. zit aus: Heinz Gess, C.G. Jung und die faschistische „Weltanschauung“, http://www.kritiknetz.de/jung_fasch.pdf
  13. C. G. Jung (1936), Wotan, in: Der., Ges. Werke 10 (S. 210)
  14. C. Jung (1939 in einem Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten Knickerbocker. Das Interview ist veröffentlicht in: Heinrich H. Balmer, Die Archetypenlehre von C.G. Jung. Heidelberg 1972, S. 197 ff
  15. C. G. Jung (1918), Über das Unbewusste, in: ders., Ges. Werke Bd. 10, S. 25
  16. Quelle: http://www.kritiknetz.de/jung_fasch.pdf (vgl. Lockot 1985, S. 94)
  17. C. G. Jung (1934), Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie, Bd. 10, S. 190 ff, s. auch Heinz Gess (1994), S. 169 f.
  18. C. G. Jung (1934), ibd.
  19. So in: Aniela Jaffé, Aus Leben und Werkstatt von C. G. Jung, Rascher, Zürich 1968, S. 89
  20. s. Heinz Gess (1994), S. 75
  21. "We do not know whether Hitler is going to found a new Islam. He is already on the way; he is like Mohammed. The emotion in Germany is Islamic; warlike and Islamic. They are all drunk with wild god. That can be the historic future." Erstmals veröff. 1939. Eig. Übersetzung
  22. Heinz Gess (1994), S. 20 ff und S. 256 ff.
  23. Heinz Gess (1994), S. 208 ff.
  24. junginstitut.ch
  25. Jung, C. G.: Gesammelte Werke und andere Schriften
  26. Filmbericht aus Venedig. In: Tages-Anzeiger vom 3. September 2011, abgerufen am 2011.

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