Fischer-Tropsch-Synthese

Fischer-Tropsch-Synthese

Die Fischer-Tropsch-Synthese (auch Fischer-Tropsch-Verfahren) ist ein von Franz Fischer und Hans Tropsch in Mülheim an der Ruhr vor 1925 entwickeltes großtechnisches Verfahren zur Umwandlung von Kohlenstoffmonoxid-Wasserstoff-Gemischen in flüssige Kohlenwasserstoffe. Diese werden zum Beispiel als synthetische Kraftstoffe (XtL-Kraftstoffe) sowie als synthetische Motoröle genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Fischer-Tropsch-Synthese wurde 1925 am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohleforschung in Mülheim an der Ruhr zur Kohleverflüssigung entwickelt. Die Synthese war besonders während des Zweiten Weltkriegs für Deutschland von Bedeutung, da der Bedarf an flüssigen Kraftstoffen aus einheimischer Kohle gedeckt werden konnte. Es war eine Alternative zu der ebenfalls angewandten Kohleverflüssigung nach dem Bergius-Pier-Verfahren.

Im Zuge der Bestrebungen des Deutschen Reichs vor dem Zweiten Weltkrieg wurden eine Reihe von Anlagen zur Kraftstoffgewinnung aus der in großen Mengen verfügbaren Kohle aufgebaut. Diese basierten allerdings vor allem auf dem 1913 entwickelten Bergius-Pier-Prozess während für die Fischer-Tropsch-Synthese nur geringe Kapazitäten aufgebaut wurden. Insgesamt wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Kapazitäten für 4,275 Mio. t/a nach dem Bergius-Pier-Verfahren und 1,55 Mio. t/a nach der Fischer-Tropsch-Synthese aufgebaut. Im Vergleich zu erdölbasierten Kraftstoffen waren beide Prozesse nicht konkurrenzfähig, so dass sie nach dem Krieg nahezu vollständig aufgegeben wurden. Dennoch nahm man in den 1970er Jahren nach der Ölkrise die Forschung in diesem Bereich wieder auf und baute in Bottrop eine Pilotanlage. Diese wurde Ende der 1980er Jahre eingestellt, da der Erdölpreis zwischenzeitlich unter 20 Dollar pro Barrel gesunken war und sich das Verfahren nicht mehr rentierte.[1]

In der Republik Südafrika, die ebenfalls über ausreichend Kohleressourcen verfügte und Erdöl importieren musste, wurde aus politischen Gründen 1955 die erste moderne Coal-to-Liquid (CtL) -Anlage Südafrikas in Betrieb genommen. Gebaut wurde sie durch die eigens gegründete Suid Afrikaanse Steenkool en Olie (Sasol) unter Beteiligung der deutschen Lurgi AG. Die Pilotanlage Sasol 1 wurde für etwa 6.000 barrel Kraftstoff pro Tag ausgelegt. Ab 1980 wurden die Kapazitäten deutlich ausgeweitet, bedingt durch die politische Entwicklung Südafrikas.

So wurden 1980 und 1982 Sasol II und Sasol III in Betrieb genommen, damit stand eine Gesamtkapazität von 104.000 barrel/Tag zur Verfügung. Mit der politischen Öffnung wurde das Programm auf Erdgas als Rohstoffquelle ausgedehnt und 1995 und 1998 wurden weitere Kapazitäten für 124.000 barrel/Tag CtL- und GtL-Kraftstoff geschaffen. Da die Steinkohle im Tagebau relativ preisgünstig gewonnen werden kann, deckte das Land noch 2006 etwa 30% seines Kraftstoffbedarfs aus Kohlebenzin.[1]

Sasol wurde durch die südafrikanischen Entwicklungen Weltmarktführer in den XtL-Technologien und baute 2006 ein modernes Gas to Liquids (GtL)-Werk in Katar mit einer Kapazität von 34.000 barrel/Tag. Gemeinsam mit Foster Wheeler plante Sasol zudem eine Anlage in China mit einer Jahreskapazität von 60.000 barrel/Jahr. Bei beiden Anlagen werden Fischer-Tropsch-Verfahren verfolgt: Ein Hochtemperaturverfahren mit Prozesstemperaturen von 350 °C (Synthol und Advanced Synthol), bei dem Ottokraftstoffe und Alkene als Plattformchemikalien produziert werden, und ein Niedrigtemperaturverfahren bei 250 °C zur Gewinnung von Dieselkraftstoff und Wachsen.

1993 nahm auch der Mineralölkonzern Royal Dutch Shell die erste GtL-Anlage in Betrieb. Die Anlage in Bintulu in Malaysia hat eine Kapazität von 12.000 barrel/Tag und wird in einem eigens entwickelten Fischer-Tropsch-Verfahren, der Shell Middle Distillate Synthesis (SMDS-Verfahren), betrieben. Gemeinsam wollen Shell und Sasol weitere GtL-Kapazitäten von etwa 60.000 barrel GtL/Tag aufbauen.

Im Zuge der Rohstoffwende rückten in den letzten Jahren vor allem Biokraftstoffe in den Fokus der Kraftstoffherstellung. Dabei rückte die Fischer-Tropsch-Synthese wieder in den Fokus der Forschung und Entwicklung. Biomass to Liquid-Kraftstoffe werden als Biokraftstoffe der zweiten Generation besonders in Europa gefördert. Aktuell gibt es noch keine BtL-Produktion. Einzelne Pilotprojekte sind angelaufen und die Choren Industries haben ein Werk in Freiberg, Sachsen, für den von ihnen als SunFuel und SunDiesel bezeichneten BtL-Kraftstoff aufgebaut.

Verfahren

Die indirekte Kohlehydrierung ist eine Aufbaureaktion von CO/H2-Gemischen an Eisen-, Magnesiumoxid-, Thoriumdioxid- oder Cobalt-Katalysatoren zu Paraffinen, Alkenen und Alkoholen. Die benötigten Gasgemische werden durch Kohlevergasung, zum Beispiel im Lurgi-Druckvergaser hergestellt.

Die Reaktion findet bereits bei Atmosphärendruck und bei einer Temperatur von 160 °C - 200 °C statt, technisch werden je nach Verfahren höhere Drücke und Temperaturen verwendet. Die Synthese verläuft nach folgendem Reaktionsschema:

\mathrm{n\,CO + (2n+1)\, H_2 \leftrightharpoons C_n H_{2n+2} + n\, H_2O} (Alkane)
\mathrm{n\,CO + (2n)\, H_2 \leftrightharpoons C_n H_{2n} + n\, H_2O} (Alkene)
\mathrm{n\,CO + (2n)\, H_2 \leftrightharpoons C_n H_{2n+1}OH + (n-1)\, H_2O} (Alkohole)

Das Verfahren wird in zwei Varianten durchgeführt. Die Hochlastsynthese, auch Arge-Synthese, wurde von den Firmen Ruhrchemie und Lurgi entwickelt. Dabei erfolgt die Umsetzung der Kohlevergasungsprodukte an Eisenkatalysatoren bei Temperaturen um 220 bis 240 °C und Drücken bis 25 bar. Das Kohlenstoffmonoxid zu Wasserstoffverhältnis liegt bei 1,7 zu 1. Als Produkte werden Paraffin/Olefin-Gemische, so genanntes Gatsch, erhalten. Der Reaktor ist als Festbettreaktor ausgeführt. Der Katalysator ist in engen Rohren angeordnet, die Reaktionswärme wird durch Siedewasser unter Druck abgeführt. Das Katalysatorvolumen beträgt in modernen Reaktoren circa 200 m3. Eine Fischer-Tropsch-Anlage mit mehreren Reaktoren benötigt pro Stunde etwa 1.500.000 Nm3 Synthesegas und stellt dabei pro Jahr etwa 2.000.000 t Kohlenwasserstoffe her. Die Synthese wird dreistufig durchgeführt mit einem Gesamtumsatz von circa 94%.

Eine weitere Reaktionsvariante ist die Synthol-Synthese, die von den Firmen Sasol und Kellogg entwickelt wurde. Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Flugstaubsynthese, bei dem der Katalysator als Pulver mit dem Reaktionsgas eindosiert wird. Das Verfahren arbeitet bei 25 bar und Temperaturen über 300 °C. Dadurch bilden sich bevorzugt niedermolekulare Kohlenwasserstoffe. Das Kohlenstoffmonoxid zu Wasserstoffverhältnis beträgt circa 6 zu 1.

Eine typische Zusammensetzung enthält rund 15% Flüssiggase (Propan und Butane), 50% Benzin, 28% Kerosin (Dieselöl), 6% Weichparaffin (Paraffingatsch), 2% Hartparaffine. Das Verfahren ist für die großtechnische Produktion von Benzin und Ölen aus Kohle, Erdgas oder Biomasse von Bedeutung.

Verwendung in der Luftfahrt

Die US-Luftwaffe sieht sich angesichts gestiegener Treibstoffpreise bei gleichzeitig sehr hohem Bedarf gezwungen, ernsthafte Gedanken über mögliche Kosteneinsparungspotentiale zu machen. Viele Ölquellen sind in „politisch instabilen Regionen“, gleichzeitig aber verfügen die USA über sehr große, dicht an der Oberfläche liegende Kohleflöze, die relativ leicht im Tagebau ausgebeutet werden können.

Am 19. September 2006 startete auf der Edwards Air Force Base eine Boeing B-52H zu einem Testflug, bei dem zwei der acht Triebwerke mit einem 50:50-Gemisch aus gewöhnlichem JP-8-Treibstoff und synthetisch aus Kohle gewonnenen Treibstoff betrieben wurden. Die Fragestellung war, wie sich dieser Treibstoff in der Praxis bewährt und ob ein wirtschaftlicher Betrieb zuverlässig möglich sei.

Literatur

  • Thorsten Gottschau: Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffe – Übersicht und Perspektiven. (darin Exkurs XtL.) In: Rainer Schretzmann, Jörg Planer (Hrsg.): Kraftwerk Feld und Wald. Bioenergie für Deutschland. Tagungsband zum AID-Forum Landwirtschaft am 10. November 2006 in Bonn. AID, Bonn 2007, ISBN 978-3-8308-0680-6 (AID. 3934), online (PDF; 50 KB).
  • Steffen Bukold: Öl im 21. Jahrhundert. Band 2: Alternativen und Strategien. Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58898-9.

Weblinks

Quellen

  1. a b vgl. Technology Review: Billig, aber schmutzig, Dezember 2006, Seite 44 ff.

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