Hämoglobin

Hämoglobin
Hämoglobin α-Untereinheit

Hämoglobin α-Untereinheit

Hb-Dimer: vorne α-Untereinheit als Cartoon-Modell mit Häm (rot, als VDW-Modell), hinten β-Untereinheit als Stäbchen, nach PDB 1GZX
Vorhandene Strukturdaten: UniProt-Eintrag
Masse/Länge Primärstruktur 141 Aminosäuren, 64500 Dalton
Kofaktor Häm
Bezeichner
Gen-Name(n) HBA1, HBA2
Externe IDs OMIM141800 UniProtP69905
Vorkommen
Homologie-Familie Beta-2 Globin
Übergeordnetes Taxon Wirbeltiere
Hämoglobin β-Untereinheit

Hämoglobin β-Untereinheit

Kugelmodell der Häm-Tasche der Hämoglobin β-Untereinheit mit Häm, Eisen (grün) und Disauerstoff, nach PDB 1GZX
Vorhandene Strukturdaten: UniProt-Eintrag
Masse/Länge Primärstruktur 146 Aminosäuren
Kofaktor Häm
Bezeichner
Gen-Name HBB
Externe IDs OMIM141900 UniProtP68871   MGI96021
Vorkommen
Homologie-Familie Beta-2 Globin
Übergeordnetes Taxon Wirbeltiere

Hämoglobine (von gr. αἷμα = Blut und lat. globus = Kugel) (Hb) sind eisenhaltige, sauerstofftransportierende Proteine, die in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) der Wirbeltiere (und einiger Mollusken sowie weniger Crustaceen und Insekten) und ihren Varianten gefunden werden. Sie nehmen den Sauerstoff in der Lunge bzw. den Kiemen auf und verteilen ihn im Körper. Die Bindung des Sauerstoffs erfolgt an einem Eisenkomplex des Protoporphyrins IX (Häm). Wirbeltier-Hämoglobine sind Proteinkomplexe aus vier Untereinheiten (2 α, 2 β), die jeweils eine Häm-Gruppe, die in ein Globin eingebettet ist, enthalten. Die Häm-Gruppe ist außerdem für die rote Farbe des Hämoglobins verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Das Sauerstofftransportprotein Hämoglobin wurde 1840 von Hünefeld entdeckt.[1] 1851 beschrieb Otto Funke die Kristallisation von Hämoglobin durch Verdünnen von Tierblut mit Wasser, Ethanol oder Diethylether und anschließendem langsamen Verdampfen des Lösungsmittels aus der erhaltenen Proteinlösung („Funkesche Kristalle“).[2] Über die reversible Oxygenierung des Hämoglobins wurde 1866 erstmals von Felix Hoppe-Seyler berichtet.[3] Von ihm stammt auch der Name Hämoglobin. Das Hämoglobin ist eines der bestuntersuchten Proteine, seine Struktur wurde als eine der ersten überhaupt von Max Perutz et al 1959 mit Hilfe der Röntgenkristallographie ermittelt.[4][5][6][7] Für diese Arbeiten bekam er 1962 zusammen mit John Kendrew den Nobelpreis für Chemie.

Struktur

Säuger-Hämoglobine bestehen aus vier Untereinheiten, je zwei vom α- und zwei vom β-Typ. In jede dieser Untereinheiten ist jeweils eine prosthetische Gruppe, an der die Sauerstoffbindung stattfindet, eingebettet. Ein Hämoglobinkomplex-Molekül kann also vier Sauerstoffmoleküle binden. Die prosthetische Gruppe der sauerstofffreien Form ist ein Eisen(II)-Komplex des Protoporphyrins IX, welches die vier äquatorialen Positionen des Eisenions besetzt. Das Eisenion befindet sich in einem high-spin-Zustand und ist daher etwas zu groß, um in das Loch des Porphyrins zu passen. Es befindet sich also etwas unterhalb der Ringebene. Dieses Häm b ist über die axiale Position des Eisenions auf der Unterseite über einen proximalem Histidinrest an die Proteinmatrix gebunden. Die zweite axiale Position auf der Oberseite ist unbesetzt und steht für die Anbindung des Sauerstoffmoleküls zur Verfügung.

Methämoglobin

Methämoglobin ist eine deaktivierte, nicht sauerstoffaffine Form des Hämoglobins, in dem das Eisenion sich in der Oxidationsstufe III statt II befindet. Das NADH-abhängige Enzym Methämoglobinreduktase (Diaphorase I) ist dafür verantwortlich, Methämoglobin wieder in Hämoglobin zu überführen. In der Regel liegen beim Menschen zwei Prozent des Hämoglobins als Methämoglobin vor. Ein höherer Anteil ist entweder genetisch bedingt oder eine Folge einer Vergiftung. In Abhängigkeit vom Methämoglobinlevel kann dies zu Gesundheitsproblemen führen.

Sauerstofftransport

Leistungsfähigkeit

Die Sauerstoffbindungskurve (auch Sättigungskurve) zeigt den charakteristischen sigmoidalen (S-förmigen) Verlauf. Man vergleiche den hiergegenüber hyperbolischen Verlauf der Sättigungskurve des Myoglobins.[8]

Hämoglobin ist ein globuläres Protein von sehr guter Löslichkeit; in einem Liter Wasser lösen sich bis zu 5 mmol/l (34 %) Hämoglobin. 1 g Hb kann in vitro 1,389 ml Sauerstoff binden, in vivo jedoch nur 1,34 ml (Hüfnersche Zahl), somit können 100 ml Blut, die etwa 15 g Hb enthalten, bei 100-prozentiger Sättigung bis zu 15 × 1,34 ml = 20,1 ml Sauerstoff aufnehmen. Auffällig ist der sigmoidale (S-förmige) Verlauf der Bindungskurve. Normalerweise würde man erwarten, dass die Sauerstoffbeladung mit steigendem Sauerstoffpartialdruck wie beim Myoglobin zunächst stark und dann immer langsamer zunimmt (hyperbolischer Verlauf). Für Hämoglobin verläuft die Sauerstoffbindungskurve im Bereich des in der Lunge herrschenden Sauerstoffpartialdrucks ungewöhnlich flach und im Bereich des im Gewebe herrschenden Sauerstoffpartialdrucks ungewöhnlich steil. Der flache Verlauf der Bindungskurve im Endteil verhindert einen stärkeren Abfall der Sauerstoffsättigung im Alter, bei Lungenfunktionsstörungen und in Höhenlagen, und der steilere Verlauf im Mittelteil sorgt dafür, dass bei einem sinkenden venösen Sauerstoffpartialdruck viel Sauerstoff abgegeben wird.[9][10]

Normbereich

Für das beim Erwachsenen überwiegende sog. "adulte Hämoglobin" (s. unten) wurde ein Normbereich festgelegt. Für Kinder gelten andere Normwerte.

Als Normalbereich wird der Bereich bezeichnet, in dem die Hb-Werte von 96 Prozent aller gesunden Menschen liegen.

Hämoglobin bei Menschen
g/dl
(alte Einheit)
mmol/l*
(SI-Einheit)
Männer 13,5–17,5 8,7–11,2
Frauen 12–16 7,5–9,9
Neugeborene 19
  • Ein erhöhter Hämoglobin-Wert bedeutet meistens auch eine erhöhte Erythrozyten-Anzahl (Polyglobulie) und kann z. B. bei Aufenthalt in großen Höhen (Sauerstoffmangel) oder durch Flüssigkeitsverlust auftreten.
  • Ein verringerter Hämoglobin-Wert wird als Anämie bezeichnet.

Ein erhöhter/verringerter Hämoglobin-Wert ist immer abhängig vom Normalwert. Liegt der Normalwert bei 11,2 mmol/l, dann kann ein Wert von 8,7 mmol/l schon zu Symptomen von Anämie führen. Liegt der Normalwert bei 9 mmol/l, dann treten bei 8,7 mmol/l noch keine Symptome auf.

Die Höhe des Hämoglobinwertes ist maßgeblich bei der Zulassung zur Blutspende. Männer müssen einen Mindestwert von 13,5 g/dl - Frauen von 12,5 g/dl aufweisen, um vom Spendearzt zugelassen zu werden. Bestimmt wird der HB-Wert mittels elektronisch messender HB-Photometer. Aktuelle Informationen des DRK Blutspendedienstes sagen aus, dass Männer mit einem HB von >18,0 g/dl nicht mehr zur Spende zugelassen werden (12/2006).

Die Bestimmung des Hämoglobingehalts basiert auf dem Nachweis der Hämgruppen des Proteins. Daher wird als molare Hämoglobinkonzentration traditionell (so auch hier) die Konzentration der einzelnen Untereinheiten angegeben. Da ein Hämoglobinkomplex-Molekül aus 4 Untereinheiten mit je einer Hämgruppe besteht, müssen die in mmol/l angegebenen Werte durch 4 geteilt werden, um die wahre Konzentration des Hämoglobins zu erhalten. Die in g/dl angegebenen Werte bleiben unverändert.

Sauerstoffbindung durch Hämoglobine auf molekularer Ebene

Mechanismus der Sauerstoffanbindung durch Hämoglobin

Bei der Bindung des Disauerstoffmoleküls wird das Eisenzentrum zur Oxidationsstufe III oxidiert. Das Sauerstoffmolekül wird zum Superoxid reduziert und bindet an das Eisenzentrum (Formulierung nach Weiss). Pauling formuliert dagegen einen Fe(II)-Disauerstoffkomplex. In der Nähe des Eisenzentrums befindet sich ein distales Histidin, welches das gebundene Sauerstoffmolekül über eine Wasserstoffbrücke stabilisiert. Das Eisenzentrum geht durch die Sauerstoffbindung in einen low-spin-Zustand über. Dabei verringert sich seine Größe und es rutscht in den Porphyrinring hinein.

Kooperativer Effekt bei der Sauerstoffbindung

Kooperativer Effekt

Ein Hämoglobinmolekül kann vier Sauerstoffmoleküle binden. Aus rein statischen Erwägungen wäre zu erwarten, dass das Bestreben, weitere Sauerstoffmoleküle zu binden, mit jedem bereits gebundenen Sauerstoffmolekül abnimmt. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist und die Sauerstoffaffinität mit steigender Beladung zunimmt (positive Kooperativität). Um dieses zu verstehen, muss man wissen, dass Hämoglobin in zwei Formen vorkommt, einer R- (relaxed) und einer T-Form (tensed). Beide Formen stehen miteinander in einem Gleichgewicht, das vom Umgebungsmilieu abhängig ist. Im unbeladenen Zustand liegt praktisch ausschließlich die T-Form vor. Nimmt das Hämoglobin nun ein Sauerstoffmolekül auf, so führt dies, wie oben beschrieben, dazu, dass das beteiligte Eisenion in seinen Porphyrinliganden hineinrutscht. Dabei übt es einen Zug auf seinen axialen Histidinliganden aus, was zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten der R-Form führt. Hämoglobin in der R-Form ist 70 mal sauerstoff-affiner als in der T-Form, sodass mit steigender Beladung eine steigende Sauerstoffaffinität erreicht wird, während eine Entladung entgegengesetzt die Sauerstoffaffinität erniedrigt und eine weitere Sauerstoffabgabe fördert. Außerdem wird die sauerstoffbindende R-Form durch einen niedrigen Kohlenstoffdioxidgehalt und einen hohen pH-Wert stabilisiert, während die sauerstoffabgebende T-Form umgekehrt durch einen hohen Kohlenstoffdioxidgehalt und einen niedrigen pH-Wert gefördert wird. Dieser Effekt ist wichtig für die Funktion des Hämoglobins als Sauerstofftransporter, weil er die gezielte Aufnahme bei hohem Sauerstoffgehalt in der Lunge und Abgabe bei hohem Kohlenstoffdioxidgehalt und niedrigem pH in stoffwechselaktivem Gewebe ermöglicht.

pH-Wert-Abhängigkeit der Sauerstoffbindung

Das Gleichgewicht zwischen R- und T-Form ist pH-abhängig (Bohr-Effekt) und wird bei einem niedrigen pH-Wert durch Protonierung zugunsten der weniger sauerstoffaffinen T-Form verschoben. Den selben Effekt hat ein hoher CO2 -Partialdruck durch eine reversible Carboxylierung der Untereinheiten. Dies führt dazu, dass hohe Protonen- und Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen, wie sie z.B. durch Zellatmung und Milchsäuregärung im arbeitenden Muskel herrschen, eine vollständige Entladung des Hämoglobins begünstigen.

Konkurrenz zwischen Sauerstoff und Kohlenstoffmonoxid

Kohlenstoffmonoxid (CO) ist sehr giftig, da es mit dem Sauerstoff um die axialen Koordinationsstellen der Eisenzentren konkurriert. An das freie Häm b bindet Kohlenstoffmonoxid 25000 Mal stärker als Disauerstoff, im Hämoglobin dagegen nur etwa 200 Mal. Die Ursache für die verringerte CO-Affinität ist, dass aufgrund des Raumbedarfes des distalen Histidins, die vom Kohlenstoffmonoxid bevorzugte lineare Fe-CO-Koordination nicht möglich ist. Einmal gebunden, kann CO z. B. lediglich durch Sauerstoffdruckbehandlung in einer Druckkammer verdrängt werden – es blockiert also Bindungsstellen für Sauerstoff. Bei starken Rauchern sind bis zu 10 Prozent des Hämoglobins mit CO besetzt.

Effekte, welche die Sauerstoffbindung beeinflussen

Die Sauerstoffbindungskurve wird auf der Abszisse nach rechts verschoben durch:

Die Rechtsverschiebung führt dazu, dass das Hämoglobin leichter Sauerstoff abgibt. Ein Beispiel: Ein arbeitender Muskel verbraucht sehr viel Sauerstoff für die Kontraktion. Da er die Energie zum Teil in Wärme umsetzt, steigt in der arbeitenden Muskulatur die Temperatur an. Außerdem setzt er Milchsäure frei, der pH-Wert sinkt. Durch den gesteigerten Stoffwechsel entsteht vermehrt Kohlenstoffdioxid: durch die lokalen Effekte kann die Muskulatur mehr Sauerstoff aus dem Blut entnehmen.

  • Die Muskulatur verfügt über Myoglobin (siehe unten), das eine höhere Affinität zu Sauerstoff besitzt (Sauerstoff stärker anzieht). Es dient als Sauerstoff-Speicher.

Die Sauerstoffbindungskurve wird auf der Abszisse nach links verschoben durch:

Die Linksverschiebung führt dazu, dass Hämoglobin Sauerstoff stärker bindet. Dies macht man sich z. B. bei Herzoperationen zu nutze, indem man den Patienten unterkühlt, um sein Blut maximal mit Sauerstoff zu sättigen. Tiere, die Winterschlaf halten, profitieren ebenfalls von diesem Effekt. In den Lungen wird ein Teil des Kohlendioxids im Zuge der Ausatmung abgegeben – das Hb kann wieder leichter mit Sauerstoff beladen werden.


Das im Rapoport-Luebering-Zyklus (Nebenweg der Glycolyse) durch das Enzym Bisphosphoglyceratmutase gebildete 2,3-Bisphosphoglycerat ist das wichtigste Intermediat der Glykolyse in den roten Blutkörperchen. Es bindet an Hämoglobin und verursacht einen allosterischen Effekt; die Abnahme der Affinität des Hämoglobins zum Sauerstoff. Es ist lebenswichtig, um die Abgabe von Sauerstoff im Organismus zu ermöglichen. Unter physiologischen Bedingungen liegt 2,3-BPG in den roten Blutkörperchen etwa in der selben Konzentration wie Hämoglobin vor. Eine Erhöhung der 2,3-BPG-Konzentration ist z.B. bei der Höhenanpassung zu beobachten. Sinn dieser Regulation ist folgender: Ist die Sauerstoffsättigung im Blut durch die „dünne Luft“ in großer Höhe vermindert, gibt Hb den gebundenen Sauerstoff an die Verbraucher schlechter ab als bei hoher Sättigung (siehe Bindungskurve). Trotzdem muss die Versorgung aller Organe mit O2 gewährleistet sein. Hb muss also weniger affin zum Sauerstoff werden, um die Peripherie ausreichend zu versorgen.

Hämoglobin-Typen

Es gibt beim Menschen vier leicht verschiedene Hämoglobine, wobei mit Hämoglobin im Allgemeinen der Haupttyp A1 (HbA1 oder auch einfach HbA) bezeichnet wird. Außerdem gibt es noch Hämoglobin A2 (HbA2), sowie die fetalen Hämoglobine HbF und Gower-2. Diese vier Proteinkomplexe unterscheiden sich in den Protein-Untereinheiten, aus denen sie aufgebaut sind: HbA1 besteht aus zwei α- und zwei β-, HbF aus zwei α- und zwei γ-, HbA2 aus zwei α- und zwei δ-, sowie Gower-2 aus zwei α- und zwei ε-Untereinheiten.

Synthese der verschiedenen Hämoglobinketten und deren Bildungsorte während der Schwangerschaft und perinatal

Durch Genduplikationen des Globin-Gens sind unterschiedliche Untereinheiten des Hämoglobins entstanden, welche unterschiedliche Affinitäten für Sauerstoff besitzen. Die Kombinationen dieser Untereinheiten als Tetramer werden je nach Sauerstoffbedarf zu unterschiedlichen Zeitpunkten synthetisiert, beispielsweise um als Fötus im Mutterleib Sauerstoff aus dem mütterlichen Blut zu erhalten.

Embryonale Hämoglobine

Während der Schwangerschaft muss Sauerstoff durch die Plazenta (Mutterkuchen) zum Fötus transportiert werden. Das ungeborene Kind besitzt einen anderen Hämoglobin-Typ, das HbF, das Sauerstoff mit wesentlich höherer Affinität bindet. Außerdem ist der Hämatokrit im Vergleich zur Mutter stark erhöht. Auf diese Weise gelangt durch die Nabelschnur genug Sauerstoff zum Fötus.

Die embryonalen Hämoglobine werden in der Embryonalphase, d.h. während der ersten 8 Wochen nach Befruchtung im Dottersack gebildet und tragen Eigennamen:

  • Gower 12ε2) ("zeta-epsilon")
  • Gower 22ε2) ("alpha-epsilon")
  • Portland2γ2) ("zeta-gamma")

Fetale Hämoglobine

Als fetales Hämoglobin wird das während der Fetalperiode (ab der 9. Woche nach Befruchtung bis zur Geburt) vorwiegend gebildete Hämoglobin F (HbF) bezeichnet. Die Synthese des fetalen Hämoglobins beginnt schon in der vorangehenden Embryonalphase und wird auch nicht sofort nach Geburt gestoppt, sondern hält noch einige Monate an. Bildungsort sind Leber und Milz. Es hat eine viel höhere Sauerstoffaffinität als adultes Hämoglobin, um den Sauerstoff aus dem mütterlichen Blut aufzunehmen.

  • Hämoglobin F (α2γ2) - Im Fötus das dominierende Hämoglobin, bei gesunden Erwachsenen nur in Spuren nachweisbar

Adulte Hämoglobine

Als adulte Hämoglobine gelten Hämoglobin A1 (HbA1) und Hämoglobin A2 (HbA2). Die Synthese der adulten Hämoglobine beginnt schon im Fetus und ersetzt dann in den ersten Monaten nach Geburt das fetale Hämoglobin. Bildungsort ist das Knochenmark. Beim gesunden Erwachsenen ist fetales Hämoglobin nur in Spuren nachweisbar.

  • Hämoglobin A12β2) - 98 % (davon 4-6% glykiert HbA1c)
  • Hämoglobin A22δ2) - 2 %.

Abbau von Hämoglobin

Wenn die roten Blutkörperchen das Ende ihres Lebens (etwa 120 Tage) erreicht haben, werden sie in den mononukleären Phagozyten hauptsächlich in der Milz (und bei hohem Anfall von abzubauendem Hämoglobin auch in der Leber und im Knochenmark) abgebaut. Der Abbauprozess beginnt in der Milz und wird in der Leber fortgesetzt. Zuerst wird der Globinanteil vom Häm getrennt und zu Aminosäuren degradiert. Das Häm wird über eine Cytochrom-P450-abhängige Oxygenase (Hämooxygenase) zu Biliverdin gespalten, wobei Eisen (Fe2+) und Kohlenmonoxid frei werden. Das Eisen wird von den Makrophagen an das im Blut vorhandene Transportprotein Transferrin abgegeben. Die Biliverdin-Reduktase wandelt schließlich das grünliche Biliverdin in Bilirubin um. Dieses wird ins Blut abgegeben und an Albumin gekoppelt (da es schlecht wasserlöslich ist) und zur Leber transportiert. Hier wird das Bilirubin zweifach mit Glucuronsäure konjugiert und somit löslich gemacht – es kann nun mit der Galle in den Darm abgegeben und über den Stuhl ausgeschieden werden. Im Darm sorgen Bakterien dafür, dass die Glucuronsäure teilweise wieder gespalten wird, und auf diese Weise das orangefarbene Bilirubin reduziert wird zu farblosem Urobilinogen und zu braunem Sterkobilinogen. Ein geringer Anteil dieses reduzierten Bilirubins wird wieder über den Darm aufgenommen und über die Niere ausgeschieden (gelbe Farbe des Urins). Verschiedene Lebererkrankungen wie die Leberentzündung (Hepatitis) oder Abflussbehinderungen in der Gallenblase (Gallensteine) führen zu einer erhöhten Bilirubinkonzentration. Bilirubin ist der Farbstoff, der bei Einlagerung in die Haut zur so genannten Gelbsucht (Ikterus = Gelbfärbung der Haut und Lederhaut (Sclera) der Augen) führt.

Rolle bei Krankheiten

Mutationen im HBA1-Gen können zu Defekten der α-Untereinheit und diese zu Heinz-Körper-Anämie und zur α-Thalassämie führen. Mutationen im HBB-Gen können die Ursache für Heinz-Körper-Anämie, β-Thalassämie und Sichelzellenanämie werden. Manche Varianten der HBG1/HBG2-Gene können Neugeborenengelbsucht verursachen.[11]

Reduzierte Hämoglobinwerte, mit oder ohne Reduktion der Zahl von roten Blutkörperchen, führen zu den Symptomen einer Anämie. Es gibt viele Ursachen für eine Anämie, wobei Eisenmangel der häufigste Grund in der westlichen Welt sein dürfte. Durch Eisenmangel wird die Häm-Synthese gehemmt. Als Folge sind die roten Blutkörperchen hypochromisch (ohne die rote Farbe) und mikrozytisch (kleiner als normal).

Bei einer Hämolyse (verstärkter Abbau von roten Blutkörperchen), tritt eine Gelbsucht auf, verursacht durch das Hämoglobin-Metabolit Bilirubin.

Eine Gruppe von genetischen Defekten, bekannt als Porphyrien, führen zu einer Störung der Hämsynthese. Durch die Anreicherung von Häm-Vorstufen kommt es unter anderem zu Lichtempfindlichkeit, Abdominalschmerzen und neurologischen Problemen.

Mutationen in den Globinketten sind mit verschiedenen Hämoglobinopathieen verbunden, wie die Sichelzellenanämie und Thalassämie.

Die Erreger der Malaria spalten Hämoglobin in von ihnen infizierten roten Blutkörperchen, um daraus Proteine für ihren eigenen Stoffwechsel zu gewinnen. Aus dem Häm entsteht dabei Hämozoin, das vom Parasiten kristallisiert wird und unter dem Mikroskop in den infizierten Erythrozyten als Pigment erkennbar ist. Das Malaria-Medikament Chloroquin hemmt diese Kristallisierung und der Parasit wird durch das Häm vergiftet.

Nachweis

Der Nachweis von Hämoglobin erfolgt durch den Teichmann-Test, bei dem Blut vorsichtig mit Kochsalz und Eisessig erwärmt wird, wobei sich Hämin (Teichmann-Kristalle) abscheidet, oder mit der Luminolreaktion, bei der eine Lösung aus Luminol sowie Natronlauge und eine Lösung aus Wasserstoffperoxid verwendet wird. Diese Reaktion findet nur in Anwesenheit eines Katalysators statt, im Nachweisfalle von Hämoglobin wäre dieser das Eisen-(II)-Ion im Häm-Komplex.

Siehe auch

Andere sauerstoffbindende Proteine

Hauptartikel: Sauerstofftransporter

Hämoglobin ist nicht der einzige Sauerstofftransporter in der Natur.

  • Myoglobin übernimmt in den Muskeln von Wirbeltieren (inklusive Mensch) den Sauerstoff vom Hämoglobin. Sein aktives Zentrum ist ebenfalls ein Häm b, allerdings ist es im Unterschied zum Hämoglobin nicht tetra- sondern monomer.
  • Hämerythrin wird von einigen marinen Invertebraten sowie wenigen Arten der Anneliden verwendet, um Sauerstoff in ihren Blutzellen zu transportieren. Sein aktives Zentrum wird von zwei Eisen(II)-Ionen gebildet.

Weiteres

Einzelnachweise

  1. Hünefeld F.L.: Die Chemismus in der thierischen Organization. 1840.
  2. A NASA Recipe For Protein Crystallography (PDF). Educational Brief. National Aeronautics and Space Administration. Abgerufen am 12. Oktober 2008.
  3. Hoppe-Seyler F: Über die oxydation in lebendem blute. In: Med-chem Untersuch Lab. 1, 1866, S. 133–140.
  4. : Structure of H. In: Nature. 185, Nr. 4711, 1960, S. 416–422. doi:10.1038/185416a0. PMID 18990801.
  5. Perutz MF: Structure of hemoglobin. In: Brookhaven symposia in biology. 13, November 1960, S. 165–83. PMID 13734651.
  6. Perutz MF, Miurhead H, Cox JM, et al: Three-dimensional Fourier synthesis of horse oxyhaemoglobin at 2.8 A resolution: (1) x-ray analysis. In: Nature. 219, Nr. 5149, Juli 1968, S. 29–32. doi:10.1038/219029a0. PMID 5659617.
  7. Perutz MF, Muirhead H, Cox JM, Goaman LC: Three-dimensional Fourier synthesis of horse oxyhaemoglobin at 2.8 A resolution: the atomic model. In: Nature. 219, Nr. 5150, Juli 1968, S. 131–9. PMID 5659637.
  8. J. M. Berg, J. L. Tymoczko, L. Stryer: Biochemie. 6. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Elsevier GmbH, München 2007; S. 208ff; ISBN 978-3-8274-1800-5
  9. Robert F. Schmidt, Gerhard Thews (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 25 Auflage. Springer-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-541-02636-7, S. 616-620.
  10. Erich Schütz, Heinz Caspers, Erwin-Josef Speckmann (Hrsg.): Physiologie. 16 Auflage. Urban & Schwarzberg, München 1982, ISBN 3-540-57104-3, S. 86-87.
  11. UniProt P69905, UniProt P68871, UniProt P69891

Weblinks


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