Geschichte Böhmens

Geschichte Böhmens

Die Geschichte Böhmens bezieht sich geographisch ungefähr auf das Gebiet Böhmens sowie Mährens von der vorgeschichtlicher Zeit bis in etwa zum Anfang des 20. Jahrhunderts, wo die Geschichte der Tschechoslowakei ansetzt (und wo es zu geringfügigen Überschneidungen kommt).

Inhaltsverzeichnis

Vor- und Frühgeschichte

Der älteste Beleg menschlicher Anwesenheit auf dem Gebiet Böhmens stammt aus der Zeit vor ca. 1,87 Millionen Jahren (Fundstelle Beroun-Autobahn).[1] Als weitere altsteinzeitliche Fundstellen sind Prag-Čakovice und Přezletice in Mittelböhmen oder Bečov in Nordböhmen zu nennen. Aus dem Mesolithikum existieren nur wenige Fundstellen, welche aber über das ganze Gebiet Böhmens verstreut liegen. Fachlich interessant ist eine mesolithische Besiedlung der Höhenlagen des Böhmerwalds um Horní Planá.[2]

Ab 5300 bis 4500 v. Chr. ist eine weitreichende neolithische Besiedlung Böhmens belegt. Wichtigste Linearbandkeramische Siedlungsstätten sind Bylany bei Kutná Hora, weiter Březno u Loun und Tušimice in Nordböhmen. Siedlungsstätten der zeitlich folgenden Stichbandkeramik sind Bylany bei Kutná Hora, das nahe gelegene Gräberfeld Miskovice, Plotiště nad Labem in Ostböhmen, Prag-Bubeneč oder der westböhmische Ort Vochov. In Pilsen-Křimice ist die Gruppe Oberlauterbach belegt.

Im Spätneolithikum (in Tschechien als eneolit bezeichnet und als eine selbstständige Periode zwischen 4500 und 2300 v. Chr. verstanden) sind Trichterbecherkulturen, die Kugelamphoren-Kultur und im Süden und Südwesten die Chamer Kultur anwesend. Am Ende des Zeitabschnitts (2900/2800 – 2300 v. Chr.) ist die Schnurkeramik mit mehreren großen Gräberfeldern in Nordböhmen und die Glockenbecherkultur vertreten.

In der Bronzezeit ist besonders die Aunjetitzer Kultur zu nennen. Es folgen Hügelgräberkulturen und die Lausitzer Kultur. In der Latènezeit wurde Böhmen von Kelten besiedelt. Reste ihrer Oppida wurden bei Závist, Stradonice, Hrazany, Nevězice, Třísov und České Lhotice ausgegraben. Von ihrem Stamm der Boier leitet sich die lateinische Bezeichnung Bohemia ab, aus der sich wiederum die deutsche Bezeichnung Böhmen herleiten lässt. Den Kelten folgten am Beginn des 1. Jahrhunderts nach Chr. germanische Stämme. Während der Völkerwanderungszeit wird nach archäologischen und historischen Quellen von einer Entvölkerung Böhmens gesprochen.[3] Um 550 wanderten Slawen von Osten her nach Böhmen ein, womit aus heutiger Sicht hier das Frühmittelalter begann.

Frühes Mittelalter

Der erste Herrscher der Slawen, dessen Name dokumentiert ist, war ein gebürtiger Franke namens Samo. Er stammte aus der Gegend des heutigen Sens, kam als Kaufmann ins Land und starb 658. Das Reich von Samo, in Wirklichkeit wohl nur ein Bund mehrerer Stämme, umfasste die heutigen Gebiete Slowakei, Mähren, Niederösterreich, später wahrscheinlich auch Böhmen, die Lausitz (an der Elbe) und vorübergehend auch (das historische) Kärnten.

Die Bezeichnungen Böhmen und Mähren tauchen erstmals im 9. Jahrhundert in fränkischen Quellen auf. Karl der Große versuchte, Böhmen zu erobern, letztlich vergeblich. 805 drang er mit drei Heeren in das Land ein, um es zu besetzen. Das erste Heer, bestehend aus Schwaben und Bayern, marschierte bei Domažlice ein, das zweite und stärkste, durch Karl angeführt, über Eger und ein drittes, bestehend aus Franken und Sachsen sowie Nordslawen, von Norden. Die Hauptarmee belagerte über längere Zeit vergeblich die Canburg an der Eger, womit das heutige Kadaň vermutet wird. Mit den restlichen zwei Armeen verband er sich schließlich in der Gegend von Žatec, Litoměřice und Rakovník. Die böhmischen Krieger waren dieser Übermacht weit unterlegen und zogen sich in der bevölkerungsarmen Gegend in tiefe Wälder zurück. Von dort griffen sie die Eindringlinge an. Bei einem dieser Kämpfe soll auch ihr Anführer Lech, (nicht identisch mit dem sagenhaften polnischen Stammvater Lech) gestorben sein.[4] Nach vierzig Tagen zog sich Karl der Große wegen des Mangels an Verpflegung aus dem Land zurück. Ein zweites Mal griffen die Franken ein Jahr später das Land an. Das geplünderte und verbrannte Land musste sich ergeben und zu Tributzahlungen verpflichten.[5] Die Rivalität und lose Abhängigkeit von dem mächtigen Nachbarn im Westen blieb während des gesamten 9. Jahrhunderts bestehen. Das Großmährische Reich, das ab etwa 830 im östlichen Landesteil entstand, konnte sich auch militärisch gegen die Ostfranken wehren, Fürst Sventopluk suchte aber im Forchheimer Frieden 874 einen Ausgleich mit Ludwig dem Deutschen. Das mährische Fürstentum knüpfte außerdem diplomatische Beziehungen zu Byzanz und Italien. Mähren entwickelte sich zu einer Hegemonialmacht in der Region, war aber am Ende des 9. Jahrhunderts durch Angriffe der Ungarn geschwächt. Der letzte und vernichtende Angriff, der zum Untergang Großmährens führte, fand 906 statt.

Im Inneren entwickelten sich im neunten Jahrhundert die Vorstufen des späteren böhmischen Staates. Böhmen war nach Meinung der älteren Forschung unter etwa elf verschiedenen Stämmen aufgeteilt. Neben den Tschechen oder Böhmen soll es die Doudlebi, Lučané, Hbané, Sedličané, Lemuzi, Děčané, Litoměřici, Pšované, Charváti und Zličané gegeben haben. Die neuere Geschichtsforschung lehnt die Stammestheorie ab und geht davon aus, dass es im böhmischen Becken seit der slawischen Landnahme nur einen Stamm (lat. gens) gab, den der Böhmen. Er wurde nach Außen von mehreren Fürsten (duces) vertreten, die im Inneren Verwalter von Burgwardbezirken waren. Auch die Burgward-Theorie ist nicht unumstritten. Fest steht, dass es im 9. Jahrhundert keine „Zentralmacht“ gab, sondern bei Verhandlungen mit ausländischen Mächten immer mehrere, scheinbar gleichberechtigte Fürsten als Landesvertreter erschienen. 14 von ihnen traten 845 vor Ludwig den Deutschen.[6] In Mähren stieg dagegen die Dynastie der Mojmiriden zur Zentralmacht auf, und Sventopulk brachte in den 880er Jahren auch Böhmen unter seine Gewalt. Der erste historisch fassbare Fürst der Přemysliden-Dynastie, Bořivoj I., herrschte in Böhmen als Sventepolks Stellvertreter. Seine Söhne Spytihněv I. und Vratislav I. befreiten sich aus dem mährischen Einfluss. 895 unterwarf sich Spytihněv I. zusammen mit Vitislav und weiteren böhmischen Großen in Regensburg dem König des Ostfrankenreichs, Arnulf von Kärnten.[7] Am Ende des 9. und zu Beginn des 10. Jahrhunderts begannen die ersten Přemysliden auch, die übrigen böhmischen Fürsten unter ihre Kontrolle zu bringen. Ihr Machtbereich beschränkte sich zunächst auf die mittelböhmische Region mit den Zentren in Prag und Levý Hradec.

Ebenfalls in das 9. Jahrhundert fallen die Anfänge der Christianisierung. Die Mission ging einerseits vom fränkischen Reich aus, besonders aus Regensburg und Passau. Andererseits brachte das Wirken der „Slawenapostel“ Methodius und Kyrill von Saloniki Mähren und teilweise auch Böhmen in den Einflussbereich der östlichen Kirche. Aus dem 9. Jahrhundert stammen die ersten Kirchenbauten und die Entwicklung der altkirchenslawischen Schriftsprache. Den hohen Entwicklungsstand der mährischen Kultur offenbaren reiche Grabbeigaben, besonders an Waffen und Schmuck, die sich auch in böhmischen Fürstengräbern finden. Mähren hatte Anschluss an das europäische Fernhandelsnetz und exportierte Rohstoffe, Metallerzeugnisse und Sklaven. In beiden Landesteilen entwickelte sich im 9. Jahrhundert ein Netz von Burgen, die als politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentren die Grundlage staatlicher Organisation bildeten.

Přemysliden

Hauptartikel: Přemysliden

Der erste historisch belegte Přemyslide ist Bořivoj I.. Sein Enkel Herzog Wenzel von Böhmen wurde 935 von seinem Bruder Boleslav ermordet und später Schutzheiliger des Landes. 973 gab Kaiser Otto I. Böhmen ein eigenes Bistum mit Sitz in Prag. Bis dahin war Böhmen ein Teil des Bistums Regensburg. Spätestens ab dem 10. Jahrhundert lebte in Prag eine bedeutende deutsche und jüdische Gemeinschaft. 1003 eroberte Bolesław I. von Polen für kurze Zeit Böhmen. 1038 fiel Břetislav I. von Böhmen in Polen ein. Die böhmische Königswürde, 1085 Vratislav II. persönlich verliehen, seit 1198 (Ottokar I.) erblich, demonstrierte die Sonderstellung Böhmens im Heiligen Römischen Reich. Lange Zeit mächtigster Fürst im Reich, war der Böhmische König mit Unterbrechungen Mitglied des Kurfürstenkollegiums und beteiligte sich an der Wahl des römisch-deutschen Königs, mit dessen Königstitel traditionell die Anwartschaft auf das römisch-deutsche Kaisertum verbunden war. Im 13. Jahrhundert begann in manchen Teilen eine intensive Besiedelung durch deutsche Siedler und Bergleute. Auch in vielen Städten Innerböhmens lebten ab dem 12./13. Jahrhundert Deutsche und Tschechen zusammen.

Ottokar II. nutzte die Schwäche der babenbergischen Herzogin und ihres Sohnes zur Aneignung deren Herrschaftsgebietes: Schon vor seiner Krönung zum König von Böhmen (1253) wurde er 1251 Herzog von Österreich. 1261 wurde er Herzog der Steiermark, 1269 auch von Kärnten und Krain. Damit erreichte die přemyslidische Herrschaft ihre größte Ausdehnung. In seiner Rivalität zu Polen unterstützte er die Eroberungen des Deutschen Ordens. Zum Dank wurde Königsberg nach ihm benannt. Im Machtkampf zwischen ihm und dem 1273 gewählten römisch-deutschen König Rudolf I. von Habsburg besiegte dieser ihn 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld. 1296 wurde Wenzel II. König von Polen. Die böhmisch-polnische Personalunion endete bereits 1306. Sein Sohn Wenzel III. wurde 1306 in Olmütz ermordet. Damit endete die Přemyslidendynastie. Wenzels jüngste Schwester Elisabeth heiratete dann Johann von Luxemburg.

Luxemburger

Hauptartikel: Haus Luxemburg

Mit König Johann kam 1310 die Dynastie der Luxemburger auf den böhmischen Thron und führte die Politik der Přemysliden fort. 1347 wurde sein Sohn Karl (Taufname: Wenzel (Václav)), der spätere Kaiser Karl IV. als Karel I. König von Böhmen. Er bewirkte 1344 die Gründung des Bistums Prag, wodurch die tschechischen Lande eine eigene Kirchenprovinz wurden. Er gründete 1348 in Prag die nach ihm benannte Karls-Universität als erste Universität auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches nördlich der Alpen. Zu jener Zeit war die böhmische Hauptstadt das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Mitteleuropas. Das böhmische Königreich bildete das Zentrum der luxemburgischen Hausmacht und der imperialen Politik Karls IV. Benachbarte Territorien inkorporierte er zur Krone Böhmens. 1335 verzichtete Kasimir der Große von Polen auf Schlesien. Seit dem 14. Jahrhundert gehörten deshalb Schlesien, die Lausitzen sowie zeitweise die Mark Brandenburg und auch Teile der im Norden der heutigen Oberpfalz liegenden Gebiete (sog. Neuböhmen) zum böhmischen Staatsverband. Karl IV. betrieb eine ausgleichende Nationalitätenpolitik: Er schützte und förderte die Deutschen in Böhmen, verlangte von ihnen aber, dass sie ihre Kinder zweisprachig deutsch und tschechisch erziehen. Karls Versuche, die Macht des Königs u.a. mit dem Erlass eines Landrechts (Maiestas Carolina) zu stärken, scheiterten am Widerstand der Landstände.

Zur Zeit seines Todes im Jahr 1378 erreichte die deutsche Besiedlung Böhmens einen Höhepunkt. Schon ab dem späten 14. Jahrhundert ging die deutsche Sprache und Bevölkerung wieder zurück. Wirtschaftlich war Böhmen unter den Luxemburgern eine der führenden Regionen Europas. In Prag wurden gleichzeitig mit dem Prager Kanzleideutsch Grundlagen der modernen deutschen Sprache gelegt und durch die Feder des religiösen Reformators Jan Hus Grundlagen der modernen tschechischen Sprache.

Hussitenkriege und Georg von Podiebrad

Hauptartikel: Hussitenkriege

Jan Hus begab sich unter der Zusage freien Geleits auf das Konzil von Konstanz und wurde dort 1415 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. 1420 begannen die Hussitenkriege. In denen entluden sich nationale, soziale und konfessionelle Spannungen mit großer Heftigkeit. Die hussitischen Einheiten operierten in dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts auch in Bayern, Schlesien, im Glatzer Land, in Österreich, in der westlichen Slowakei, in Brandenburg und in Gebieten bis an der Ostsee. Gleichzeitig richteten sich die Kriegshandlungen der Hussiten gegen katholische Städte, Klöster und Adelsburgen im Inland. Der Bürgerkrieg teilte Böhmen in ein katholisches und ein hussitisches Lager.

Während des Konzils von Basel kehrte der weniger radikale Flügel der Kalixtiner wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurück und verbündete sich mit den kaiserlichen Truppen gegen die radikaleren Taboriten. Diese erlitten in der Schlacht von Lipan und in der zweiten Schlacht von Brüx (beide 1434) eine schwere Niederlage. Im Jahre 1436 wurde in Iglau das Abkommen zwischen Böhmen und dem Basler Konzil bekannt gegeben, welches der hussitischen Bevölkerung gewisse Glaubensfreiheiten gewährleistete.[8]

Nach dem Tod des Habsburgers Ladislaus Postumus wurde Reichsverweser Georg von Podiebrad 1458 zum König von Böhmen gewählt. Podiebrad hielt das Abkommen von Iglau (Jihlava) strengstens ein und versuchte den Frieden in Böhmen trotz weiterer Spannungen zwischen der hussitischen und der katholischen Seite zu erhalten. Der neugewählte Papst Paul II. nahm darauf aber weniger Rücksicht als sein Vorgänger und erklärte 1466 Georg von Podiebrad zum Ketzer. Es folgte sofort ein Aufstand zuerst der katholischen Städte Breslau und Pilsen und danach begannen die Kämpfe mit der Grünberger Allianz. Diese Krise unterdrückte Podiebrad im Jahre 1467 zwar ohne großen Aufwand, ein Jahr später versuchte aber der ungarische König Matthias Corvinus Böhmen militärisch einzunehmen. 1469 ließ sich Matthias Corvinus von dem katholischen Teil der Stände zum böhmischen Gegenkönig wählen. In einer aussichtslosen Situation unterzeichnete der durch Alter und Krankheit erschöpfte Podiebrad einen Nachfolgerschaftsvertrag mit dem polnischen König Kasimir IV. Nach dem Tod Podiebrads wählten seine Anhänger den polnischen Prinzen Vladislav II. zum König von Böhmen.[8]

Der böhmische Ständestaat unter den Jagiellonen (1479–1526)

Hauptartikel: Jagiellonen

Die Stände Böhmens wählten den polnischen Jagiellonen Vladislav II. 1471 zum König. Von seinem Vorgänger, dem Utraquisten Georg von Podiebrad, erbte er den Krieg gegen den Gegenkönig Matthias Corvinus. Mit dem Frieden von Olmütz wurde der Krieg 1479 beendet. Matthias konnte die böhmischen Nebenländer Mähren, Schlesien, Ober- und Niederlausitz behalten. Vladislav II. und Matthias durften den Titel „König von Böhmen“ führen. Mit Matthias' Tod 1490 wurde Vladislav vertragsgemäß alleiniger König von Böhmen. Im Jahr 1500 wurde die nach dem König benannte Vladislavsche Landesordnung im Landtag verabschiedet. Sie sicherte den böhmischen Herren und Rittern weitgehende politische Mitspracherechte und gilt als älteste geschriebene Verfassung Böhmens. Als 1512 das Heilige Römische Reich in 10 Reichskreise eingeteilt wurde, blieb Böhmen mitsamt seinen Nebenländern Mähren, Schlesien und der Lausitz außen vor.

Vladislav II. wurde 1512 von seinem dreijährigen Sohn Ludwig II. beerbt, der 1526 ohne Nachkommen starb.

Der böhmische Ständestaat unter den Habsburgern (1526–1620)

Daraufhin wählten die Stände seinen Schwager Ferdinand I. von Habsburg zum böhmischen König.

1575 wurde auf Betreiben der protestantischen Stände die Confessio Bohemica verfasst. Sie sollte alle evangelischen Strömungen im Land unter einem theologischen Dach vereinen.

1618 rebellierten die evangelischen Stände gegen Kaiser Matthias. Der Prager Fenstersturz war der Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg. Nach dem Tod des Kaisers im März 1619 sagten sich die Stände der böhmischen Länder von den Habsburgern los und schufen sich mit der Böhmischen Konföderation eine neue Verfassung. Danach wählten sie den Calvinisten Friedrich von der Pfalz zum König.

In der Schlacht am Weißen Berg (Bílá hora) am 8. November 1620 unterlagen die böhmischen Stände unter ihrem König Friedrich von der Pfalz den Truppen der katholischen Liga, die von dem Feldherren Graf von Tilly angeführt wurden. Friedrich, der sogenannte Winterkönig, musste aus Böhmen fliehen und Kaiser Ferdinand II. konnte seinen Anspruch auf die Krone Böhmens durchsetzen.

Dreißigjähriger Krieg und Absolutismus

Auf die Schlacht am Weißen Berg folgte die in der älteren nationaltschechischen Historiographie als temno („Dunkelheit“) bezeichnete Zeit. Kaiser Ferdinand II. unterdrückte alle Nicht-Katholiken. Einige Führer des böhmischen Aufstands wurden hingerichtet, die Mehrheit des böhmischen protestantischen Adels wurde enteignet und musste das Land verlassen. Die Güter wurden an – zumeist deutschsprachige – katholische Adlige aus anderen Teilen des Habsburgerreiches vergeben. Ein Teil des böhmischen Adels konvertierte auch zum Katholizismus. Sukzessive wurde Deutsch zur vorherrschenden Verwaltungssprache.

Der dreißigjährige Krieg verwüstete Böhmen schlimm. Fast im ganzen Land wurde mit aller Härte die Gegenreformation durchgesetzt. Entvölkerte Landstriche wurden nach dem Krieg mit Siedlern aus deutschsprachigen Teilen des Habsburgerreiches besiedelt. Seit 1620 wurde Böhmen zunächst streng absolutistisch verwaltet. Nach dem Böhmischen Bauernaufstand wurden wieder mehr lokale Entscheidungen zugelassen.

Die Habsburgerin Maria Theresia war von 1740 bis zu ihrem Tode 1780 Erzherzogin von Österreich und Königin Ungarns und Böhmens. Unter ihrem Sohn Joseph II. wurde 1781 die Leibeigenschaft aufgehoben. Sein – fortschrittlich gemeinter – Ersatz des Lateinischen als erster Amtssprache des Habsburgerreiches durch Deutsch löste bei den Tschechen und anderen Nationalitäten Unmut aus.

Kaisertum Österreich und Österreich-Ungarn

zeitgenössische Bilderreihe mit Szenen des Prager Pfingstaufstandes (12. Juni bis 17. Juni 1848)

1804 wurden die habsburgischen Lande zum Kaisertum Österreich. Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1806 wurde das Egerland, bis dahin ein uneingelöstes Pfandgebiet mit eigenständigen Institutionen, fest nach Böhmen eingegliedert[9]. 1815 wurde der Deutsche Bund gegründet. Seit der französischen Revolution fühlten sich Deutsche wie Tschechen als zu spät gekommene Nationen, was in der Politik Böhmens und der ganzen Monarchie immer wieder zu Konflikten und ungewöhnlichen Allianzen führte. Unter dem böhmischen Adel regte sich schon früh Widerstand gegen die Politik Metternichs. Die Märzrevolution von 1848 fand auch in Böhmen, vor allem in Prag statt. In deren Gefolge wurde im Juni des Jahres, etwa zur gleichen Zeit als in der Frankfurter Paulskirche die verfassunggebende deutsche Nationalversammlung tagte, in Prag ein Slawenkongress veranstaltet, bei dem der Historiker František Palacký eine entscheidende Rolle spielte. Hauptforderung des Kongresses war eine gleichberechtigte Rolle der Slawen in der Donaumonarchie (Austroslawismus). Als die vergleichsweise gemäßigten Forderungen des Slawenkongresses von Österreichs Kaiser Ferdinand I. abgelehnt wurden, kam es am 13. Juni 1848 zum Prager Pfingstaufstand gegen die österreichische Vorherrschaft in Böhmen. Dieser Aufstand wurde jedoch bereits nach drei Tagen mit militärischer Gewalt niedergeschlagen. Die Niederwerfung der tschechischen Nationalbewegung bildete den ersten militärischen Erfolg der Gegenrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes.

Hatte die seit 1620 betriebene Bevorzugung des Deutschen dazu geführt, dass vor allem in den Städten auch Böhmer zu Hause deutsch sprachen, die sich als Tschechen verstanden, so fingen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Nationalen Wiedergeburt viele dieser Familien an, bewusst wieder Tschechisch zu sprechen.

Seit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 gehörte Böhmen zum cisleithanischen Teil der Doppelmonarchie. 1871 beschloss der böhmische Landtag die Schaffung einer autonomen Verfassung (Fundamentalartikel), was jedoch von der Deutsch-Liberalen-Verfassungspartei abgelehnt wurde. Unter dem konservativen österreichischen Ministerpräsident Eduard Taaffe wurde 1880 Tschechisch neben Deutsch wieder Amtssprache in Böhmen. Jedoch wurden nur Gemeinden mit bedeutendem tschechischen Bevölkerungsanteil zweisprachig verwaltet. 1882 spaltete sich von der damals weitgehend deutschen Karls-Universität eine tschechische ab. Ebenfalls 1882 wurde das Wahlrecht etwas demokratischer, ein Vorteil für die im Durchschnitt etwas ärmeren Tschechen. Seit 1883 hatten sie die Mehrheit im böhmischen Landtag. Da es aber immer noch ein Zensuswahlrecht war, hatte die Stadt Budweis zwar seit den 1880er Jahren eine tschechische Bevölkerungsmehrheit, aber bis zum Ende der Habsburgerzeit einen mehrheitlich deutschen Stadtrat.

1897 erließ der österreichische Ministerpräsident Graf Badeni eine Nationalitätenverordnung für Böhmen und Mähren, nach der dort alle politischen Gemeinden zweisprachig zu verwalten waren. Damit avancierte Tschechisch in beiden Kronländern von einer Minderheitensprache zur Nationalsprache. Daraufhin legten deutsche [10] Abgeordnete den österreichischen Reichsrat lahm. Aufgrund der Boykotte im Parlament und vor Ort musste die Regierung schließlich zurücktreten und 1899 wurde die Nationalitätenverordnung wieder aufgehoben. Seither blockierten die tschechischen Abgeordneten die Parlamentsarbeit in Wien und die deutschen die in Prag. Ein Österreichisch-Tschechischer Ausgleich wurde zwar angestrebt, jedoch nie erreicht.

Während die Mischsituation politisch zur Blockade führte, war sie in anderer Hinsicht äußerst produktiv: Böhmen hatte die modernste Industrie unter den österreichischen Kronländern. Die Prager Kulturszene war durch zahlreiche Freundschaften zwischen Deutschen und Tschechen gekennzeichnet. Autoren übersetzten einander in die jeweilige Muttersprache.

20. Jahrhundert

Hauptartikel: Geschichte der Tschechoslowakei, Geschichte Tschechiens

Die Volkszählung am 31. Dezember 1900 zeigte 63 Prozent Tschechen und 36 Prozent Deutschböhmen in Böhmen. Am 28. Oktober 1918 wurde die Tschechoslowakische Republik gegründet. Einen Tag später wurde die Republik Deutschböhmen mit Sitz in Reichenberg ausgerufen. Die Geschichte der Tschechoslowakei und die Geschichte Tschechiens behandeln den weiteren Verlauf der Geschichte Böhmens.

Literatur

  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte der böhmischen Länder. Ditzingen: Reclam 2008. ISBN 978-3-15-010655-6 Inhaltsverzeichnis (aktuelle Überblicksdarstellung)
  • Milena Bartlová, Lenka Bobková: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 4b, Paseka, Praha 2003, ISBN 80-7185-551-0.
  • Lenka Bobková: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 4a, Paseka, Praha 2003, ISBN 80-7185-501-4.
  • Karl Bosl (Hrsg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bde., Hiersemann, Stuttgart 1966–1974; ISBN 978-3-7772-6707-4, ISBN 978-3-7772-7414-0, ISBN 978-3-7772-6827-9, ISBN 978-3-7772-7012-8. Inhaltsverzeichnis (detailliertes Standardwerk auf dem Forschungsstand der 1960erJahre)
  • Collegium Carolinum e.V. (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bände, bislang drei erschienen. Oldenbourg, München 1979ff.; ISBN 978-3-486-49491-4, ISBN 978-3-486-52551-9, ISBN 978-3-486-55973-6. Inhaltsangabe
  • Petr Čornej: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 5, Paseka, Praha 2000, ISBN 80-7185-296-1.
  • Richard Friedenthal: Ketzer und Rebell, Jan Hus und das Jahrhundert der Revolutionskriege. dtv, München 1977, ISBN 3-423-01235-8.
  • Jan Frolík, Marie Bláhová, Naďa Profantová: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 1, Paseka, Praha 1999, ISBN 80-7185-265-1
  • Jörg K. Hoensch: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart. 3., aktualisierte und erg. Aufl., Beck, München 1997 (Beck's historische Bibliothek), ISBN 3-406-41694-2. (wissenschaftliches Standardwerk)
  • Petr Hora-Hořejš: Toulky českou minulostí, Bd. 1–11. 1995–2007.
  • Walter Koschmal, Marek Nekula, Joachim Rogall (Hrsg.): Deutsche und Tschechen: Geschichte – Kultur – Politik. 2., durchges. Aufl., C.H. Beck München 2003. (Becksche Reihe 1414), ISBN 3-406-45954-4
  • Jan Křen: Die Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780–1918. Übers. v. Peter Heumos. 2. Aufl., Studienausg. Oldenbourg, München 1999 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 71), ISBN 3-486-56449-8. (Standardwerk)
  • Jan P. Kučera, Jiří Kaše, Pavel Bělina: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 10, Paseka, Praha 2001, ISBN 80-7185-384-4
  • František Palacký: Dějiny národu českého v Čechách a v Moravě, Nachdruck der Ausgabe von 1907, ISBN 80-7190-552-6
  • Friedrich Prinz: Böhmen im mittelalterlichen Europa. Frühzeit, Hochmittelalter, Kolonisationsepoche. Beck, München 1984, ISBN 3-406-30228-9. (wissenschaftliches Standardwerk zur mittelalterlichen Geschichte Böhmens)
  • Friedrich Prinz: Geschichte Böhmens 1848–1948. Langen Müller, München 1988, ISBN 3-7844-2190-3. (Standardwerk)
  • Friedrich Prinz: Böhmen und Mähren. Siedler, Berlin 1993. (Deutsche Geschichte im Osten Europas), ISBN 3-88680-202-7. (populärwissenschaftlich, aber auf breitem wissenschaftlichen Fundament)
  • Bernd Rill: Böhmen und Mähren – Geschichte im Herzen Mitteleuropas. Zwei Bde., Katz, Gernsbach 2006, ISBN 3-938047-17-8. (ausführlich, populärwissenschaftlich)
  • Ferdinand Seibt: Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas. 3., aktualisierte Aufl., Piper, München u. Zürich 1997. (Serie Piper, 1632), ISBN 3-492-21632-3. (Standardwerk zu den nachbarschaftlichen Beziehungen.)
  • Karel Sklenář, Zuzana Sklenářová, Miloslav Slabina: Encyklopedie Pravěku v Čechách, na Moravě a ve Slezsku. Libri, Praha 2002, ISBN 80-7277-115-9
  • Vratislav Vaníček: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 2, Paseka, Praha 2000, ISBN 80-7185-273-2
  • Vratislav Vaníček: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 3, Paseka, Praha 2002, ISBN 80-7185-433-6
  • Petr Vorel: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 7, Paseka, Praha 2005, ISBN 80-7185-648-7
  • Josef Žemlička: Čechy v době knížecí (1034–1198). Nakladatelství Lidové noviny, Praha 1997, ISBN 80-7106-196-4

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. J. Fridrich, S. Vencl: Investigations into the Palaeolithic and Mesolithic, 1969–1993. In: 25 years of arch. research in Bohemia, Památky archeologické – Supplementa 1, 1994, S. 11–22
  2. S. Vencl: Mezolitické osídlení na Šumavě, Archeologické rozhledy 41, 1989, S. 481–501, 593
  3. Zdeněk Měřínský: České země od příchodu Slovanů po Velkou Moravu. Libri, Praha 2002, ISBN 80-7277-103-5, S. 16ff
  4. vgl. die Reichsannalen zum Jahr 805.
  5. Dušan Třeštík: Počátky Přemyslovců. Lidové noviny. 1998, ISBN 80-7106-138-7, S. 70–73. Die Tributzahlungen erwähnt u.a. Einhard, der Biograf Karls des Großen.
  6. Fuldaer Annalen zum Jahr 845, siehe dazu Dušan Třeštík: Počátky Přemyslovců, S. 74 ff.
  7. Magnae Moraviae fontes historii I
  8. a b P. Čornej u. a.: Dějiny zemí Koruny české I. Paseka, Praha-Litomyšl 1995, ISBN 80-7185-005-5, S. 176ff
  9. Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder 6. Auflage 1999; S. 144
  10. Eigentlich deutschsprachige Abgeordnete, aber der betreffende Personenkreis begriff sich als deutsch im Gegensatz zu den damals zahlreichen deutschsprachigen Tschechen

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