Tremor

Tremor

Als Tremor (lat. tremere „zittern“) wird das unwillkürliche, sich rhythmisch wiederholende Zusammenziehen einander entgegenwirkender Muskelgruppen bezeichnet. Der sogenannte physiologische Tremor von Gesunden ist messbar, allerdings kaum sichtbar. Deutlich sichtbarer Tremor kann ein Symptom verschiedener Erkrankungen darstellen.

Tremores unterscheiden sich nach betroffener Körperpartie, Frequenz, Stärke, Ursache und Vorkommen. Bei krankhaftem Auftreten ist der Tremor meist das Symptom einer anderen zugrundeliegenden Erkrankung. In einigen Fällen kann der Tremor auch isoliert auftreten (essentieller Tremor).

Inhaltsverzeichnis

Betroffene Körperpartien

Betroffen werden können Rumpf, die Extremitäten und der Kopf, jeweils separat. Wenn der Tremor z. B. in beiden Händen auftritt, kann es sein, dass die Seiten jeweils unterschiedlich stark betroffen sind.

Erscheinungsform des Tremors

Es gibt verschiedene Arten des Tremors, die Begleitsymptome unterschiedlicher Krankheiten sein können. Die verschiedenen Tremores unterscheiden sich beispielsweise in den Frequenzen und den Bedingungen, unter denen der Tremor aktiviert wird – in Ruhe, in Aktion, beim Halten, bei un- oder zielgerichteten Bewegungen.

Nicht jeder Tremor ist krankhaft. Der physiologische Tremor beispielsweise ist beteiligt an jeder Muskelbewegung eines gesunden Menschen.

Am häufigsten tritt der Tremor in den oberen Extremitäten auf. Je nach Krankheitsbild erscheint der Tremor nur in bestimmten Situationen. Es ist möglich, dass ein Patient nur eine oder zwei der möglichen Ausprägungen hat.

Aktionstremor

Es wird zwischen vier verschiedenen Unterarten des Aktionstremors unterschieden:

  • Haltetremor
    Der Haltetremor erscheint unter reiner Schwerkraftbelastung, also wenn der Patient seine Hände nach vorne streckt und hält.
  • Isometrischer Tremor
    Der isometrische Tremor tritt auf, wenn der Betroffene einen schweren Gegenstand hebt und ihn hält.
  • Bewegungstremor
    Der Bewegungstremor tritt auf, wenn der Patient die betroffenen Extremitäten bewegt, jedoch ohne zielgerichtete, präzise Intention, beispielsweise indem er die Hände horizontal vor sich herbewegt.
  • Intentionstremor
    Ein Intentionstremor tritt mit einer zielgerichteten Bewegung auf, beispielsweise dem Hinführen eines Fingers an einen bestimmten Punkt. Mit zunehmender Näherung an das Ziel verstärkt sich der Intentionstremor.

Ruhetremor

Diese Form erscheint, wenn die betroffenen Partien des Patienten in Ruhestellung sind, also z. B. Hände, die ruhig auf einer Oberfläche liegen. Es ist möglich, dass der Ruhetremor nach Einnehmen der Ruhestellung auftritt und dann nach einiger Zeit verschwindet, vgl. Parkinsontremor.

Aufgabenspezifischer Tremor

Der aufgabenspezifische Tremor tritt bei den betroffenen Personen nur bei bestimmten Tätigkeiten, wie z. B. dem Spielen eines Vibratos auf einem Instrument oder beim Gesang auf.

Tremorfrequenz

Die Tremorfrequenz hängt von den jeweiligen Muskelsystemen und ggf. von den Krankheitsbildern ab. Man unterscheidet:

  • niederfrequenten, grobschlägigen Tremor (seltener, aber ausfahrender),
  • mittelfrequenten Tremor und
  • hochfrequenten, oft feinschlägigen Tremor, eine Art feines Zittern.

Die Frequenzen liegen im ersten Fall unter 4 Hz, beim mittelfrequenten Tremor bei 4 bis 7 Hz, beim feinschlägigen Tremor bis zu 15 Hz.

Ursachen, Krankheitsbilder

Physiologischer Tremor

Dies ist die häufigste Form des Zitterns und tritt bei jedem gesunden Menschen auf. Der physiologische Tremor hat offensichtlich eine Funktion in der Bewegungssteuerung, demnach kann mit ihm die so genannte Willkürbewegung rascher als ohne Tremor umgesetzt werden.
Dieser Tremor ist leicht sichtbar z. B. an den Fingern, an körpernahen Gelenken aber kaum. Mit einer hohen Frequenz und einer niedrigen Amplitude wird er als nicht pathologisch angesehen.
Der physiologische Tremor kann verstärkt als Folge eines Reizes auftreten (z. B. Schmerz, Koffein, Angst, Kälte, Muskelüberanstrengung) und ist dann deutlich sichtbar, meist bei Haltebedingungen des Muskels. Meist findet sich aber auch hier keine krankhafte Ursache. Dieser Tremor ist meistens reversibel, wenn der auslösende Reiz nicht mehr vorhanden ist. Es gibt auch Medikamente, die als Nebenwirkung einen verstärkten "physiologischen" Tremor auslösen können.

Essentieller Tremor

Der essentielle Tremor (ET) ist ein typischer Haltetremor mit einer Frequenz von fünf bis sechs Hertz. Er tritt alleinstehend auf und ist bei etwa 60 % der Patienten erblich bedingt und damit bei anderen Familienmitgliedern nachweisbar (autosomal-dominanter Erbgang über die Chromosomen 2, 3 und 6 wird vermutet), kann aber auch spontan auftreten.

Die Symptome des ETs können in jedem Alter beginnen, von der Kindheit bis ins hohe Alter. Jedoch ist ein Beginn in der Kindheit seltener. Die Häufigkeitsgipfel liegen im zweiten und sechsten Lebensjahrzehnt. Männer und Frauen können gleichermaßen vom ET betroffen sein. Die Symptome und die Möglichkeit, dass z. B. die Hände/Arme und die Beine betroffen sind, wachsen mit zunehmendem Alter. Während die Krankheit fortschreitet, kann die Tremorfrequenz sich verringern; der Tremorumfang (die Tremoramplitude) kann jedoch zunehmen. Außerdem kann der Tremor bei Erregungszuständen verstärkt auftreten, so dass zeitweise keine Gegenstände mehr gehalten werden können.

Bei den meisten Betroffenen verläuft der ET als eine langsam progrediente (fortschreitende) Störung. Jedoch kann es Perioden geben, in denen die Symptome unverändert bleiben und sich nicht verschlechtern. Es gibt aber auch Fälle, bei denen der ET abgeschwächt vorhanden ist und ein Leben lang zu keiner großen Beeinflussung der Lebensqualität führt.

Der orthostatische Tremor

Der orthostatische Tremor ist zwar mit dem essentiellen Tremor verwandt, kann von diesem jedoch klar abgegrenzt werden. Er tritt im Stehen auf, selten auch beim Gehen. Das kann soweit gehen, dass die Betroffenen stürzen. Betroffen sind meistens Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Einmal angefangen, eskaliert der orthostatische Tremor derart, dass das Zittern auch auf den ganzen Körper übergeht. Oft schon in niedriger Dosierung ist Gabapentin hilfreich. Primidon gilt beim orthostatischen Tremor als Mittel der zweiten Wahl. Anders als beim essentiellen Tremor ist Propranolol unwirksam.

Der aufgabenspezifische Tremor

Tritt nicht nur bei hoch spezialisierten motorischen Beanspruchungen auf, sondern auch bei ganz einfachen Tätigkeiten wie z. B. dem Schreiben (Schreibtremor).

Der psychogene Tremor

Bei dieser Art des Tremors handelt es sich um plötzlich auftretende Tremorattacken, die so plötzlich wie sie aufgetreten sind auch wieder verschwinden. Er konnte bei Rückkehrern aus dem 1. Weltkrieg beobachtet werden, aber auch nach Unfällen, tätlichen Angriffen, Angst, Schreck oder seelischen Belastungen (Akute Belastungsstörung).

Im Rahmen der Therapie von traumatischen Ereignissen (vgl. Berceli 2007) wird dem Tremor auf Basis seiner spannungsabbauenden Funktion eine heilende Funktion zugewiesen.

Dystoner Tremor

Dieser Tremor ist gekennzeichnet durch eine Fehlfunktion bei der Kontrolle von Bewegungen. Der Betroffene leidet unter plötzlich auftretenden Fehlbewegungen und Verkrampfungen der Muskulatur, die sehr schmerzhaft sein kann.

Parkinsontremor

Der Parkinson-Tremor tritt auch in Ruhe auf. Ursache ist ein Parkinson-Syndrom.

Flapping Tremor

Der Flapping Tremor fällt vor allem im Halteversuch auf. Dabei tritt ein plötzlicher Verlust des Haltetonus auf, gefolgt von einer reflektorischen Korrekturbewegung. Dies wird auch als Asterixis bezeichnet. Zum Flapping Tremor kommt es z. B. bei hepatischer Enzephalopathie (Grad II) und anderen Lebererkrankungen.

Isolierter Stimmtremor

Bei einem isolierten Stimmtremor ist lediglich die Aussprache vom Tremor betroffen.

Diagnose

Bei Auftreten eines Tremors ist üblicherweise eine aufwändige Differentialdiagnostik notwendig, um eine zugrundeliegende Erkrankung entweder zu finden oder auszuschließen. Zunächst kann in einer direkten Untersuchung Erscheinungsform, Lokalisierung und Stärke des Tremors erfasst werden. Zugleich muss der behandelnde Arzt den Patienten nach weiteren neurologischen Auffälligkeiten untersuchen und die Krankengeschichte erkunden.
Danach kann der Tremor mittels einer EMG-Ableitung gerätemedizinisch genauer erfasst werden; da hiermit die Muskeltätigkeit der betroffenen Region sichtbar gemacht werden kann, lässt sich die Frequenz des Tremors genau bestimmen. Die Frequenz lässt ebenfalls Rückschlüsse auf eine mögliche Ursache zu, da unterschiedliche Krankheiten jeweils tendenziell bestimmte Frequenzen produzieren. Danach müssen Krankheitsbilder ausgeschlossen bzw. überprüft werden: Morbus Wilson durch eine Blut- und Urinuntersuchung sowie eine augenärztliche Überprüfung auf Vorhandensein eines Kayser-Fleischer-Rings. Die Parkinson-Krankheit kann mit der Gabe von L-Dopa überprüft werden. Hirnschäden oder Tumore erscheinen in einem MRT, eine Multiple Sklerose erscheint durch Untersuchung des Liquors nach einer Lumbalpunktion. Der Essentielle Tremor kann üblicherweise durch die Gabe von Alkohol und Frage nach weiteren Fällen in der Familie erschlossen werden.

Behandlung

Medikamentös

Je nach Ursache des Tremors sind andere Behandlungsmethoden erforderlich. Wird der Tremor von einer anderen Krankheit verursacht, muss diese behandelt werden; der Tremor klingt beispielsweise bei erfolgreicher Behandlung eines Morbus Wilson ab. Der Essentielle Tremor kann mit Betablockern oder Antikonvulsiva nur gedämpft werden, bislang gibt es keine Möglichkeit zur gezielten Behandlung. Bei dystoner Ursache können Botulinumtoxin-Injektionen helfen; sie müssen jedoch immer wieder aufgefrischt werden.

Chirurgisch

Der Essentielle Tremor und der Parkinson-Tremor werden letztlich verursacht durch eine synchron „feuernde“ Region von Zellen im Gehirn, deren Störsignal den Tremor erzeugt. Der chirurgische Ansatz sieht mithin die Deaktivierung dieses Areals vor. Da die betroffene Zellregion sehr klein ist und tief im Gehirn liegt, wird diese Operation minimalinvasiv per Stereotaxie vorgenommen. Während der Operation kann der Chirurg dann direkt eine Ableitung der Nervenaktivität im Gehirn vornehmen und daran erkennen, ob er die entsprechende Region erreicht hat oder nicht. Gibt man dann einen Störstrom an die entsprechende Stelle, wird der Tremor im Erfolgsfall „abgeschaltet“, da das Störsignal überlagert wurde. Daher wird die Operation nur unter örtlicher Betäubung durchgeführt, um direkt den Erfolg zu sehen.
Wenn die Stelle gefunden ist, gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann die Stelle mittels einer Sonde für kurze Zeit auf über 60 °C erhitzen, wodurch das Nervengewebe dort zerstört wird. Dieser Eingriff ist jedoch nicht reversibel und birgt die Gefahr, versehentlich zu viel zu zerstören, was schlimme Nebenwirkungen haben kann (etwa eine Halbseitenlähmung). Daraus wurde die Idee eines Hirnschrittmachers entwickelt, der statt dessen ein beständiges Störsignal sendet; in diesem Fall wird eine Sonde an der Stelle belassen und ein kleines, batteriebetriebenes Gerät wird in die Brust des Patentien gepflanzt, das die Sonde versorgt. Dieses kann mittels eines starken Permanentmagneten an- und abgestellt werden.
Die Operation ist nicht bei allen Patienten erfolgreich.

Sonstige Behandlungsmöglichkeiten

Es ist nicht möglich, einen Tremor durch Krankengymnastik zu verbessern oder zu beseitigen. Mit Entspannungsübungen, wie Autogenem Training oder Yoga und Meditation lassen sich Symptome allerdings kurzfristig verringern. Als weitere Behandlungsmöglichkeit können Gewichtsmanschetten an den betroffenen Extremitäten den Tremor verringern. Hierbei tritt jedoch recht schnell ein Gewöhnungseffekt ein.

Tremor als Behinderung

Der Tremor an sich kann das Leben des Patienten mehr oder minder stark beeinträchtigen, abhängig von Stärke, Erscheinungsform und betroffenen Regionen. Es gibt allerdings auch sehr leichte Formen, die den Betroffenen nicht einmal als Krankheit auffallen. Vor allem ein ausgeprägter Intentionstremor kann sehr behindernd sein, da letztlich so ziemlich jede Bewegung des alltäglichen Lebens zielgerichtet ist, und Dinge wie Essen, Trinken, Schreiben erschwert bis unmöglich macht. Ein leichter Ruhetremor hingegen, der beispielsweise am Kopf auftritt, ist zwar weniger direkt behindernd, dafür aber auffällig.
Gerade in stressigen, etwa sozialen Situationen, verstärkt sich der Tremor meistens, und ist noch dazu stigmatisiert als „nervös, unsicher“ oder gar „alkoholkrank“. Es besteht mithin das Risiko, dass sich Betroffene aus dem öffentlichen Leben zurückziehen.

Siehe auch

Literatur

  • H. C. Diener, W. Hacke (Hrsg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2003. ISBN 3-13-132412-0
  • Gabi Wittland (Hrsg.): Warum zittern Sie denn so? Der Essentielle Tremor – eine neurologische Bewegungsstörung. Gabi Wittland, Bünde 2003. ISBN 3-00-012092-0
  • David Berceli: Körperübungen für die Traumaheilungen. In Special. Bonn 2007. ISSN 0946-8846

Weblinks

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