Alfred Schnittke

Alfred Schnittke
Alfred Schnittke (1989)

Alfred Schnittke (russisch Альфред Гарриевич Шнитке/Alfred Garrijewitsch Schnitke; * 24. November 1934 in Engels, Sowjetunion; † 3. August 1998 in Hamburg) war ein russlanddeutscher Komponist und Pianist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Alfred Schnittke, Porträt von Reginald Gray aus dem Jahr 1972
Schnittkes Grab auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau

Schnittke wurde als Sohn des aus Frankfurt am Main stammenden Journalisten Harry Schnittke und einer Deutschlehrerin in der einstigen Hauptstadt der Wolgadeutschen Republik, Engels, geboren. 1946 begann er in Wien seine musikalische Ausbildung und setzte sie 1953-1958 am Moskauer Konservatorium bei Jewgeni Golubew und Nikolai Rakow fort. Am dortigen Konservatorium übernahm er 1961 bis 1972 eine Lehrtätigkeit. Ab 1973 widmete sich Schnittke nur noch der Komposition.

Nach anfänglichen Versuchen mit Kompositionstechniken wie Aleatorik und Serialismus wandte sich Schnittke einer polystilistischen Kompositionsweise zu, die sich auf Charles Ives, Luciano Berio und Bernd Alois Zimmermann beruft. Erste Aufmerksamkeit im Westen erzielten seine Werke bei den Tagen für Neue Musik in Donaueschingen 1966. 1990 siedelte Schnittke, nachdem er über 40 Jahre in Russland gelebt und gearbeitet hatte, mit seiner Familie nach Hamburg über, wo er an der Musikhochschule eine Professur für Komposition übernahm. Seine letzten Lebensjahre waren von schwerer Krankheit (drei Schlaganfälle) gezeichnet, aber seine Schaffenskraft ließ deshalb nicht nach.

Alfred Schnittke ist auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof begraben.

Auszeichnungen

1986 erhielt Schnittke den Staatspreis der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik genannt Krupskaya-Preis. 1989 wurde er mit dem Filmpreis Nika geehrt und 1992 wurde Schnittke mit dem Praemium Imperiale und dem Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet.

1995 wurde Schnittke Preisträger des Staatspreises der Russischen Föderation.

Erste Werke

Auf der Suche nach seiner kompositorischen Identität schrieb Schnittke anfänglich viel szenische Musik und Filmmusik. Die 2. Violinsonate von 1968 markiert den Beginn dieses neuen Kompositionsstiles, gleichzeitig begab sich Schnittke aber auch kompositorisch auf eine mit jedem Werk neu entstehende Reise nach Klängen und Konzepten. Gleich seine 1. Sinfonie (1972-74) betitelte er selbst als „Un-Sinfonie“; sie ist ein auskomponiertes Fragezeichen in gigantischen Ausmaßen und behandelt die Suche nach einer zeitgemäßen sinfonischen Form des 20. Jahrhunderts. Gestische und theatralische Elemente, ein weiteres wichtiges Merkmal Schnittkes Musik, sind hier ebenso einbezogen wie traditionelle Formen und Stile, selbst Jazz wird als „Möglichkeit“ inszeniert, es ist eine sinfonische Apokalypse. John Neumeier verwendete diese Musik zu seinem Ballett Endstation Sehnsucht nach Tennessee Williams.

Filmmusik

Seit 2001 wird Alfred Schnittke auch zunehmend als Komponist von Filmmusiken wahrgenommen. Dies ist in erheblichem Maß das Verdienst des Dirigenten des Rundfunk-Sinfonie Orchesters Berlin, Frank Strobel. Strobel hat seit dieser Zeit die Filmmusik zu u.a. Agonia, Die Kommissarin, Clowns und Kinder, Rikki-Tikki-Tavi und Sport, Sport, Sport aufgenommen. Dies war durchaus im Sinne von Alfred Schnittke, der seine Filmmusiken als gleichwertig neben den „ernsten“ Kompositionen sah. 2005 und 2006 wurde dies gewürdigt mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“.

Werke

Opern

Ballette

  • Labyrinthe (1971)
  • Peer Gynt (1986-88)

Filmmusiken (Auswahl)

Chormusik

  • Oratorium Nagasaki (1958)
  • Kantate Lieder von Krieg und Frieden (1959)
  • Requiem (Bühnenmusik zu Schillers Drama Don Karlos) (1974/75)
  • Konzert für Chor (1984/1985), großer gemischter Chor, Text: Gebetbuch des Gregor von Narek, viersätzig
  • 12 Bußpsalmen (1988)

Sinfonische Musik

  • Sinfonie (Nr. 0, 1956-57)
  • Pianissimo für großes Orchester (1968)
  • 1. Sinfonie (1972-74), viersätzig
  • In Memoriam (1977-78), Orchesterfassung des Streichquintetts (1972-76)
  • 2. Sinfonie (1979/80), „St. Florian“, sechs Sätze
  • Passacaglia für Orchester (1979-80)
  • Gogol-Suite (1980)
  • 3. Sinfonie (1981), viersätzig
  • 4. Sinfonie (1984), für Countertenor, Tenor, Kammerchor und Kammerorchester (Text: Ave Maria), einsätzig
  • Ritual für Orchester (1984-85)
  • (K)ein Sommernachtstraum für Orchester (1985)
  • Triosonate für Streicher (1987), Orchesterfassung des Streichtrios (1985), arrangiert von Juri Bashmet
  • Suite im alten Stil für Kammerorchester (1987)
  • Vier Aphorismen für Orchester (1988)
  • 5. Sinfonie (1988) = 4. Concerto Grosso, viersätzig
  • Sutartines für Schlagwerk, Orgel und Streicher (1991)
  • 6. Sinfonie (1992), viersätzig
  • Hommage à Grieg (1993)
  • 7. Sinfonie (1993), dreisätzig
  • Sinfonisches Vorspiel für Orchester (1994)
  • 8. Sinfonie (1994), fünfsätzig
  • For Liverpool für Orchester (1994)
  • 9. Sinfonie (1996-97), dreisätzig, Rekonstruktion von Alexander Raskatov, UA 16. Juni 2007 in Dresden

Konzertante Musik

  • 4 Violinkonzerte
  • 2 Violakonzerte (1985 & 1996/97)
  • 2 Cellokonzerte
  • Konzert für Oboe, Harfe und Streicher
  • 6 Concerti Grossi
  • (Concerto grosso No.1 für Flöte, Oboe,Cembalo, Präpariertes Klavier und Streicher)
  • (4. = 5. Sinfonie)
  • Poème für Klavier und Orchester (1953, verschollen)
  • Konzert für Klavier und Orchester (1960)
  • Musik für Klavier und Kammerorchester (1964)
  • Konzert für Klavier und Streicher (1979)
  • Konzert für Klavier vierhändig und Kammerorchester (1988)

Kammermusik

  • 3 Klaviersonaten
  • 3 Violinsonaten
  • 3 Violoncellosonaten
  • A Paganini Für Solo-Violine (1983)
  • Streichtrio (1985)
  • Klaviertrio
  • Klavierquintett
  • Suite im alten Stil
  • 4 Streichquartette
  • "Schall und Hall" für Posaune und Orgel

Literatur

  • Christian Storch: Der Komponist als Autor. Alfred Schnittkes Klavierkonzerte (= Schriftenreihe der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar 8), Köln, Wien und Weimar: Böhlau, 2011, ISBN 978-3-412-20762-5
  • Amrei Flechsig & Christian Storch (Hrsg.): Alfred Schnittke : Analyse, Interpretation, Rezeption (= Schnittke-Studien 1), Hildesheim, Zürich und New York: Olms, 2010, ISBN 978-3-487-14464-1
  • Amrei Flechsig: "Requiem auf die Sowjetunion: Alfred Schnittkes Leben mit einem Idioten, in: Osteuropa 59 (2009), Heft 4, S. 109-118. ISSN 0030-6428
  • Melanie Turgeon: Composing the sacred in Soviet and Post-Soviet Russia. History and Christianity in Alfred Schnittke's Concerto for Choir, Saarbrücken: VDM, 2009, ISBN 978-3-639-03333-5
  • Peter J. Schmelz: Such freedom, if only musical. The beginning of unofficial Soviet music during the thaw, Oxford: Oxford University Press, 2009, ISBN 978-0-19-534193-5
  • Christian Storch: "Tanz an die verstorbene Mutter? – Der B-A-C-H-Walzer in Alfred Schnittkes Klavierquintett", in: L’art macabre, ed. Uli Wunderlich (= Yearbook of the Europäische Totentanzvereinigung 9), Düsseldorf 2008, S. 201-212.
  • Victoria Adamenko: Neo-Mythologism in Music: From Scriabin and Schoenberg to Schnittke and Crumb (= Interplay 5), Hilldale: Pendragon Press, 2007, ISBN 978-1-57647-125-8
  • Maria Kostakeva: Im Strom der Zeiten und der Welten. Das Spätwerk von Alfred Schnittke, Saarbrücken: Pfau, 2005, ISBN 3-89727-279-2
  • Jürgen Köchel: Schnittke, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 328–330.
  • Alla Bogdanova und Elene Dolinskaja: Al'fredu Schnittke posvjaschtschajetsja (=Alfred Schnittke gewidmet), 3 Bde., Moskau 2003-2006. (russisch)
  • Alexander Ivashkin: A Schnittke Reader, Bloomington und Indianapolis 2002. (englisch)
  • Alla Bogdanova (Hrsg.): Al'fredu Schnittke posvjaschtschajetsja (=Alfred Schnittke gewidmet), 2 Bde., Moskau 1999 und 2001. (russisch)
  • Alfred Schnittke: Über das Leben und die Musik. Gespräche mit Alexander Iwaschkin, München und Düsseldorf: Econ, 1998, ISBN 3-430-18033-3
  • Alexander Ivashkin: Alfred Schnittke, London: Phaidon, 1996. (englisch)
  • Jürgen Köchel (Hrsg.): Alfred Schnittke zum 60. Geburtstag. Eine Festschrift, Hamburg: Sikorski, 1994, ISBN 3-920880-53-6

Diskografie

  • Die Sinfonien 0-9 und weitere Kompositionen sind beim schwedischen Label BIS erschienen, die 9. Sinfonie auch bei ECM, weitere Aufnahmen von Schnittkes Musik u. a. bei den Labels Chandos und Melodiya

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Alfred Schnittke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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