John Rabe

John Rabe
Denkmal vor John Rabes Haus in Nanjing (China)

John H. D. Rabe (* 23. November 1882 in Hamburg; † 5. Januar 1950 in Berlin) war ein deutscher Kaufmann. Er wird wegen seiner humanitären Verdienste um die chinesische Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg auch als der „Oskar Schindler Chinas“, in US-amerikanischen Quellen als der „zweite Schindler“ und von Chinesen als der „deutsche lebende Buddha“ oder „der Gute Deutsche von Nanjing“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

John Rabe wurde 1882 in Hamburg geboren. Er machte eine kaufmännische Lehre, arbeitete von 1903 bis 1906 in Afrika und ging 1908 nach China.

Siemens-Repräsentant in Nanjing

In China arbeitete Rabe von 1911 bis 1938 bei der Siemens China Co., einer Tochtergesellschaft des Siemens-Konzerns. Ab 1931 war er Geschäftsführer der Siemens-Niederlassung in Nanjing, der damaligen Hauptstadt von China.

Rabe setzte sich während des Massakers von Nanking (auch Nanjing) 1937/38 für die Errichtung einer etwa zwei mal zwei Kilometer großen Schutzzone ein, um der chinesischen Zivilbevölkerung Schutz vor den japanischen Soldaten zu bieten. Damit rettete er mehr als 200.000 Chinesen das Leben.[1]

Neben der Schutzzone ließ Rabe auf seinem Grundstück eine drei mal sechs Meter große Hakenkreuzfahne aufspannen, um die japanischen Piloten von der Bombardierung seines Hauses abzuhalten. Der Plan schien auf Grund des deutsch-japanischen Bündnisses (Antikominternpakt) aufzugehen. Zu dem Umstand, dass sich Flüchtlinge nachts unter der Fahne schlafen legten, schrieb er in sein Tagebuch: „Dieser Platz gilt als bombensicher.“

Nachdem die Stadt wenige Monate nach Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges am 12. Dezember 1937 eingenommen worden war, richteten die japanischen Truppen ein Blutbad an. Über mehr als acht Wochen hinweg kam es zu Massenexekutionen sowie systematischen Vergewaltigungen. Schätzungen gehen von etwa 300.000 Todesopfern aus.

Die in der Stadt verbliebenen Ausländer versuchten den chinesischen Einwohnern zu helfen, indem sie eine Sicherheitszone aufbauten. John Rabe wurde zum Vorsitzenden eines internationalen Komitees gewählt (ursprünglich 16 Mitglieder, wovon sieben Nanking bei Beginn der Belagerung verließen; übrig blieben drei deutsche Geschäftsleute und sechs amerikanische Missionare). Man hatte gehofft, er als Deutscher und vor allem als NSDAP-Mitglied könne auf die japanischen Militärs Einfluss nehmen. Es hatte jedoch wenig Wirkung. 250.000 Menschen konnten nur zeitweise Unterschlupf innerhalb der etwa 4 km² großen Schutzzone finden. Rabe selbst nahm in seinem Einfamilienhaus und auf seinem Grundstück (500 m²) mehr als 650 Menschen auf. Sein Mut, sein unermüdlicher Einsatz und seine Großzügigkeit brachten ihm die Verehrung der chinesischen Bevölkerung („Du hast das Herz eines lebenden Buddhas“) ein.

Rückkehr nach Berlin

Nachdem er im Februar 1938 auf Anordnung von Siemens China Co. Nanjing verlassen hatte, machte Rabe in Berlin durch Vorträge auf die japanischen Kriegsverbrechen aufmerksam. Als er einen Bericht an Adolf Hitler sandte, damit er auf die Japaner einwirken sollte, keine Gräueltaten mehr zu begehen, wurde er kurzzeitig von der Gestapo verhaftet. Dabei wurden die Filmaufnahmen des Massakers, die der US-amerikanische Missionar John Magee aufgenommen hatte, beschlagnahmt – seine Tagebücher über den Krieg in Nanking durfte Rabe behalten. Weitere Vorträge und Veröffentlichungen wurden ihm untersagt.

John Rabes Grabstein im Museum in Nanjing

Die Lebensumstände im Berlin der Kriegs- und Nachkriegsjahre machten Rabe gesundheitlich schwer zu schaffen, zumal er schon lange an Diabetes mellitus gelitten hatte. In den Jahren 1945 bis 1946 lebte er mit seiner Familie in Berlin. Sie machten eine schwere Zeit durch, während der sie fast verhungert wären. Vor der Entnazifizierung konnte er nicht wieder bei Siemens beschäftigt werden. Sein Gesuch auf Entnazifizierung wurde zunächst von den Briten zurückgewiesen. Grund war die Tatsache, dass Rabe Mitglied der NSDAP war und sich zumindest während einer Versammlung als Nationalsozialist bezeichnet hatte. Weiterhin hatte er den Ortsgruppenführer Lautenschlager in Nanjing kurzfristig vertreten. Erst in der Berufungsinstanz wurde Rabe 1946 auf Grund seiner humanitären Arbeit in Nanjing entnazifiziert und konnte weiter für Siemens als Übersetzer arbeiten – eine verantwortungsvolle Position wurde ihm nicht wieder übertragen.

Verarmt starb Rabe am 5. Januar 1950 nach einem Schlaganfall in Berlin. Er wurde auf dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof in Berlin-Charlottenburg, Fürstenbrunner Weg 69, beigesetzt. Die Stadt Nanking schenkte Berlin eine Bronzebüste mit Sockel, die im Sommer 2010 auf seinem Grab aufgestellt wurde. Im Oktober 2011 war sie wieder weg.

Wirkung

Im Dezember 1996 wurde Rabes umfangreiches Tagebuch über das Massaker von Nanking veröffentlicht, das als eine herausragende historische Quelle gilt. Es erschien in Deutschland, China, Japan und den USA. Die New York Times titelte: „Der gute Nazi“.

John-Rabe-Haus in Nanking

1997 wurde Rabes Grabstein von den Chinesen in die Gedenkstätte von Nanjing überführt. Während eines China-Besuchs 2003 wurde das John-Rabe-Haus in Nanking durch Bundespräsident Johannes Rau auch von deutscher Seite offiziell gewürdigt. Der Bundespräsident legte an einer Büste von Rabe im Innenhof der Firma Siemens Numerical Control in Nanjing ein Blumengebinde nieder.

Der ehemalige Wohnsitz von John Rabe in Nanjing wurde, entsprechend einer 2005 unterzeichneten Vereinbarung zwischen der Universität Nanjing und dem deutschen Generalkonsulat in Shanghai, renoviert. Mit Unterstützung von Siemens in China, der Bosch Siemens Haushaltsgeräte (BSH) in China, dem deutschen Generalkonsulat in Shanghai und der Nanjing Universität wurden 2,25 Millionen Yuan (ca. 250.000 Euro) zur Verfügung gestellt, um den Wohnsitz zu renovieren und eine Gedenkhalle für John Rabe und die internationale Sicherheitszone bzw. das „Rabe-Forschungszentrum für die Friedens- und Konfliktlösung“ zu errichten. Seit Dezember 2006 ist die renovierte Gedenkstätte zu besichtigen.

In Heidelberg eröffnete Thomas Rabe, der Enkel von John Rabe, das John Rabe Kommunikationszentrum e.V.[2] Das Zentrum ist wie das John-Rabe-Haus in Nanking ein Friedensinstitut, das einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung leisten soll. Im Garten steht eine Bronzebüste von John Rabe, die 2005 von chinesischen Studenten in Deutschland gestiftet wurde. Am 13. August 2005 wurde eine Büste Rabes als Denkmal enthüllt, in Anwesenheit u. a. von Erwin Wickert. Thomas Rabe setzt sich im Rahmen der Völkerverständigung China und Japan als Friedensidee für eine Städtepartnerschaft zwischen Nanking (Nanjing)/China und Hiroshima/Japan ein.

Im Herbst 2007 begann unter der Regie von Oscar-Preisträger Florian Gallenberger in Shanghai die Verfilmung von Rabes Leben mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle.[3] Der Film wurde auf der Berlinale 2009 uraufgeführt.

2009 haben 56 Millionen Internetnutzer von Radio China International (CRI) die „Top Ten International Friends“ aus dem Ausland in den letzten 100 Jahren gewählt. Nach der Stimmenzahl kam John Rabe auf Platz 4 der Liste . Die feierliche Zeremonie fand am 8. Dezember 2009 in Gegenwart eines Vertreters der chinesischen Regierung (Herr Jia Qinglin, Vorsitzender des Chinese People's Political Consultative Conference National Committee, Beijing) statt.

Literatur

  • Iris Chang: Die Vergewaltigung von Nanking. Das Massaker in der chinesischen Hauptstadt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, München, 1999, ISBN 3-85842-345-9
  • Gerhard Krebs: Rabe, John. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 063.
  • Thomas Rabe: John Rabe - eine Biographie. John Rabe Kommunikationszentrum e.V. Heidelberg, 2009 (www.john-rabe.de)
  • Erwin Wickert (Hrsg.): John Rabe. Der gute Deutsche von Nanking. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1997 (Tagebücher Rabes).[4] 443 Seiten. ISBN 3-421-05098-8. Hörbuch, Random House Audio, Verlagsgruppe Random House, München, 2009, ca. 234 Minuten, ISBN 978-3-8371-0078-5.
  • Thomas Rabe: John Rabe - eine Biographie", erscheint 2009; erste chin. Ausgabe erscheint 2009.
  • John Rabe: Peking - mit meinen Augen", erste chinesische Ausgabe 2009.
  • Thomas Rabe: John Rabe - eine Biographie. erste chinesische Ausgabe 2009

Film

  • Nanking 1937 – Tagebuch eines Massakers. Die Geschichte des Hamburgers John Rabe. Dokumentarfilm von Raymond Ley, Deutschland 2007, NDR, 52 Minuten.
  • John Rabe. Drama, Regie Florian Gallenberger, Deutschland/Frankreich/China 2009, 134 Min. Verleih: Majestic (Fox).
  • City of Life And Death (oder: Nanking, Nanking) - Regie Lu Chuan, China 2009, 130 Min.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erwin Wickert: John Rabe und das Massaker von Nanking. In Irmtrud Wojak (Hrsg.), Susanne Meinl (Hrsg.): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus Verlag 2004, ISBN 978-3-593-37282-2, S. 245-269 (eingeschränkte Online-Version in der Google Buchsuche)
  2. Interview mit Thomas Rabe, Radio China International
  3. Ulrich Tukur spielt John Rabe
  4. Personenregister seiner Tagebücher: John Rabe – Der gute Deutsche von Nanking



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