Kreativität

Kreativität

Kreativität ist eine Eigenschaft lebender Systeme. Neurobiologisch findet sich von frühester Kindheit eine Plastizität des Gehirns, das in seiner autopoietischen Organisation in ständigem kreativen Austausch mit der Umwelt steht. Menschliche Kreativität findet in einem System von Individuum, Domäne und anerkennender Umwelt statt (Csikszentmihalyi 1996). Außergewöhnliche Kreativität lässt sich von der alltäglichen durch ihre besondere Bedeutung auch für andere Menschen abgrenzen. Sie benötigt besondere Begabungen, intrinsische Motivation, Persönlichkeitseigenschaften wie Widerstandsfähigkeit und unterstützende Umgebungsbedingungen. Neben guten, aber nicht Höchstbegabungen ist für Kreativität flüssiges Denken und Assozaitionsfreude bedeutsam (Gardner 2002). Die nordamerikanischen Kreativitätsforscher Sternberg und Lubart beschreiben eine spezifische Erfolgsintelligenz (2006). Eine einfache, aber implikationsreiche Definition stammt von Holm-Hadulla (2011): Kreativität besteht in der Neukombination von Informationen. Die Anwendung erworbener Fähigkeiten auf ein neues Problem wird als kreativer Prozess bezeichnet. In jüngerer Vergangenheit wurde diese Fähigkeit vermehrt zum Gegenstand des Interesses von Wirtschaft und Wissenschaft. Die Erforschung kreativer Prozesse und ihre Beherrschbarkeit und Berechenbarkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ursprünglich wurde der Begriff Kreativität als Bezeichnung für alle Arten von schöpferischer Tätigkeit verwendet. In den frühen Schöpfungsmythen findet Kreativität immer in einem Kampf zwischen Ordnung und Chaos, konstruktiven und destruktiven Mächten statt (Holm- Hadulla 2011). In der Periode des Sturm und Drang entstand der Geniebegriff aus der antiken Vorstellung der Führung durch einen Genius. Nach der Korrumpierung des Genie-Begriffs durch "geniale" Despoten des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff obsolet und durch "Kreativität" ersetzt. Seit 1950 begannen, ausgelöst durch den Psychologen Guilford (1950), intensive empirische Forschungen, die das Wesen der Kreativität aber nur wenig erhellen konnten. Alltägliche Kreativität lässt sich aus methodischen Gründen leichter untersuchen als außergewöhnliche.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der Begriff Kreativität geht auf das lateinische Wort creare zurück, was so viel bedeutet wie „etwas neu schöpfen, etwas erfinden, etwas erzeugen, herstellen“, aber auch die Nebenbedeutung von „auswählen“ hat. Der Begriff enthält als weitere Wurzel das lateinische "crescere", das "geschehen und wachsen" bedeutet. Diese Doppelgesichtigkeit der Kreativität zwischen aktiven Tun und passivem Geschehen-Lassen findet sich auch in modernen Kreativitätskonzepten (s. Csikszentmihalyi 1996, Holm-Hadulla 2010).

Forschungsgeschichte der Kreativität

Die Psychologie und Neurobiologie kann nur alltägliche Kreativität untersuchen. Außergewöhnliche Kreativität lässt sich empirisch-psychologisch und experimentell nicht untersuchen (s. Andreasen 2005). In einem Test müsste die Person "auf Kommando" kreativ sein, was aber mit dem spontanen Charakter vieler kreativer Leistungen unvereinbar ist. Außerdem wird die außergewöhnlich kreative Leistung oft erst nach langer Zeit erkannt. Dasselbe Problem haben die modernen Neuroimaging-Verfahren: Die kreative Leistung müsste ausgelöst werden, wenn die Testperson im Scanner liegt.

Ab 1950 befasste sich Joy Paul Guilford intensiv mit dem Thema Kreativität. Dabei kam er zu der Annahme, dass Kreativität durch folgende grundlegende psychische Merkmale erfasst wird:

  • Problemsensitivität (erkennen, dass und wo ein Problem besteht)
  • Flüssigkeit (in kurzer Zeit viele Ideen hervorbringen)
  • Flexibilität (gewohnte Wege des Denkens verlassen; neue Sichtweisen entwickeln)
    • Redefinition (bekannte Objekte neu verwenden, improvisieren)
  • Elaboration (anpassen der Ideen an Realität)
  • Originalität.[1]

In Guilfords Auffassung ist Kreativität eine spezielle Form des Denkens; er unterschied konvergentes Denken (bei klar umrissener Problemstellung mit genau einer Lösung) von divergentem Denken („the kind that goes off in different directions“; bei unklarer Problemstellung und mehreren Lösungsmöglichkeiten)[2]. Es zeigte sich jedoch bald, dass die Kreativität eines Menschen nicht mit seinem IQ korreliert. Beispielsweise können Lernbehinderte und sogar schwer Geisteskranke künstlerisch außerordentlich kreativ sein. Andererseits gibt es hochintelligente Menschen, deren Kreativität sich auf dem Niveau eines Kleinkindes bewegt. Er steuerte weitere Aspekte wie sozioökonomische, wissenschaftliche und pädagogische Gesichtspunkte in Bezug auf die Möglichkeiten einer Definition von Kreativität bei, und schuf somit zum ersten Mal die Grundlage zur Messung kreativer individueller Problemlösungen.

Guilford war es auch, der mit seiner Rede vom 5. September 1950 vor der Jahrestagung der American Psychological Association einen Wendepunkt in der Kreativitätsforschung markierte. Er stellte zum Einen fest, dass in den 25 Jahren zuvor von 121.000 erschienenen psychologischen Arbeiten nur etwa 186 relevante Titel zum Thema Kreativität verfasst worden waren, und rief dazu auf, diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Anderen gipfelte seine Rede in der These: "Jeder Mensch ist kreativ!"; damit widersprach er dem bis dahin vorherrschenden Hochbegabten-Paradigma und öffnete die Tür für ein breiteres Kreativitätsverständnis und nachfolgende spezielle Kreativitätsforschungen.

Auch Wissenschaftler wie Stein (1953), Drevdahl (1956) und Edward de Bono (1957) versuchten, Kreativität zu definieren, um sie messbar zu machen. De Bono prägte unter anderem den Begriff des lateral thinking, der in der deutschen Sprache als Querdenken in die Umgangssprache Einzug hielt[2].

1962 wurde der Versuch von Getzel und Jackson unternommen, Kriterien festzulegen, die den kreativen Menschen als solchen erkennbar machen sollten. Dabei legten sie vier Hauptmerkmale fest, die sie als kreative, intelligente, moralische und psychologische Fähigkeiten bezeichneten [2]. Auch D. W. MacKinnon (1962) und F. Barron (1965) gingen daran, Kreativität zu definieren [3]. Dabei definierte McKinnon Kreativität als eine Idee, die neu ist und gleichzeitig selten von mehreren Menschen gedacht wird, die jedoch dennoch zu verwirklichen ist und der Verbesserung oder der Veränderung dient.

Dorsch kam 1994 (wie andere Forscher auch) zu dem Schluss, dass Kreativität kein scharf eingrenzbarer Begriff ist, dass sie also Raum zur Spekulation bietet.[3]

Seit Ende der 90er Jahre wird auch der Begriff Kultur- oder Kreativwirtschaft verwandt, um alle Aktivitäten zur Herstellung und zum Vertrieb von urheberrechtlich geschützten Produkten zu beschreiben, die dem Ziel dienen, Geld zu verdienen. Heute gibt es in Europa eine Vielzahl von Ansätzen, wie man Kreativität als Wirtschaftstätigkeit verstehen und interpretieren kann. Das Kulturministerium Großbritanniens spricht von Creative Industries und hat dazu verschiedene Studien veröffentlicht.

Entscheidende Impulse erhielt die Kreativitätsforschung aus der sprunghaften Entwicklung der Hirnforschung durch die Anwendung neuer bildgebender Verfahren, die es ermöglichen, Denkprozesse im Gehirn in verschiedenen Arealen genau zu lokalisieren und so voneinander abzugrenzen.

Definitionen von Kreativität

Die kürzeste, aber implikationsreiche Definition der Kreativität lautet: "Neukombination von Informationen" (Holm-Hadulla 2011). Kreativität im weitesten Sinn beruht auf der Fähigkeit, die Lücke zwischen nicht sinnvoll miteinander verbundenen oder logisch aufeinander bezogenen Gegebenheiten durch Schaffung von Sinnbezügen (freier Assoziation) mit bereits Bekanntem und spielerischer Theoriebildung (Phantasie) auszufüllen. Das Spiel – auch als Gedankenspiel – gehört als wesentliches Element zur Kreativität.

Beim Menschen kommt der weniger begrifflich-isolierenden und logisch-kausalen, dafür aber nonverbal, assoziativ und ganzheitlich denkenden (in der Regel rechten) Hirnhälfte eine besondere Bedeutung zu. Beteiligt sind aber letztlich beide Hirnhälften. Da die kreativen Denkprozesse weitgehend unbewusst ablaufen, werden kreative Einfälle oft als Eingebung einer überpersönlichen Intelligenz oder Wesenheit (Inspiration, Musenkuss usw.) oder als ein mystisches Geführtwerden erlebt.

Im kreativen Schaffensprozess tritt oft ein besonderer Bewusstseinszustand – eine Trance – auf, der als Floating (Fließen) bezeichnet wird und meist mit einem vorübergehenden Verlust des Zeitbewusstseins einhergeht. Dieser Zustand ist zugleich konzentriert und dissoziativ. Kreative Denkprozesse können auch im Schlaf ablaufen.

Die kreative Sinnproduktion ist besonders in jungen Jahren ausgeprägt und wird später zunehmend durch wissensbezogene, logische Sinnproduktion ersetzt. Sie kann durch Übung bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Andererseits kann diese Fähigkeit auch durch eine einseitig auf verbalisierbares Wissen orientierte Erziehung und Bildung überlagert werden.

Vielen Schulsystemen wird vorgeworfen mit einer zu starken Orientierung auf Wissenserwerb und Begrifflichkeit viel zur frühzeitigen Verkümmerung von Kreativität beizutragen. Die Lerntheorien des Konstruktivismus kombinieren deshalb den klassischen Wissenserwerb mit freien Unterrichtsmethoden, damit der Lernende seine Umwelt als ein Feld von Hürden, die er mit Hilfe kreativer Lösungsansätze überwinden kann, erlebt. Der kreative Denkprozess kann durch spezielle Kreativitätstechniken gefördert und beschleunigt werden.

Kreativität ist laut Joy Paul Guilford und seinen Kollegen jede neue, noch nicht da gewesene, von wenigen Menschen gedachte und effektive Methode, ein Problem zu lösen beziehungsweise die Miteinbeziehung von Faktoren wie Problemsensitivität, Ideenflüssigkeit, Flexibilität und Originalität. Demzufolge wäre Kreativität die zeitnahe Lösung (Flexibilität) für ein Problem mit ungewöhnlichen, vorher nicht gedachten Mitteln (Originalität) und mehreren Möglichkeiten der Problemlösung (Ideenflüssigkeit), die für das Individuum vor der Problemlösung in irgendeiner Weise nicht denkbar ist (Problemsensitivität).

Bei der Definition von Kreativität spielen folgende Faktoren eine entscheidende Rolle:

  • die individuellen Möglichkeiten einer einzelnen Person
  • die Möglichkeiten der Kreativität und deren Entstehung im sozialen Kontext und deren mögliche Bewertungen
  • die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsformen und deren Bewertungsformen der Kreativität im Einzelnen

„Alltägliche Kreativität“ kann geweckt oder erlernt werden (Knieß 2006). Neben Begabungsprofilen hat Holm-Hadulla (2010) das intrinsische Interesse, Neugier und Selbstwertsteigerung als wichtige Motivationsfaktoren beschrieben. Kreativität im eigentlichen Sinn setzt Anlagen voraus: Intuitive Begabung und Widerstandsfähigkeit.

Die kreativen Bausteine

Mel Rhodes, ein amerikanischer Wissenschaftler, gab dem Begriff Kreativität in den 60er Jahren eine bis heute noch immer gültige Unterteilung in vier verschiedene Grundelemente, die so genannten vier Ps der Kreativität [4]. Sie helfen, den oftmals noch diffusen Begriff praxisbezogen zu unterteilen, und umfassen

  • die kreative Person
  • den kreativen Prozess
  • das kreative Produkt
  • das kreative Umfeld (orig.: press)

Diese Beschreibung hat, aus konzeptionell-beschreibender Sicht, bis heute noch eine fundamentale Bedeutung und wird vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum mit dem Begriff „absichtliche Kreativität“ in Verbindung gebracht. Es gab und gibt wiederholte Versuche, die vier Ps um weitere P-Begrifflichkeiten zu ergänzen, die aber bislang weder schlüssig waren, noch sich in der Kreativanwendung durchsetzen konnten. Jüngere Forschungen von Luther zielen auf die systemischen Zusammenhänge der vier Elemente ab und entwerfen ein neues Modell, das die funktionalen Abhängigkeiten deutlicher herausstellt.

Der kreative Prozess

Der kreative Prozess wird traditionell als Abfolge von fünf Schritten oder Phasen definiert. (Csikszentmihalyi, 1996)

  • Vorbereitungsphase
  • Inkubations-/Reifungsphase
  • Einsicht/Aha-Erlebnis
  • Bewertung
  • Ausarbeitung

Diese Phasen treten jedoch selten in Reinform auf und sind eher rekursiv als linear.

Diese Einteilung geht zurück auf das 4-Phasen-Modell von Graham Wallas aus dem Jahr 1926, das auch heute noch vielen Phasen-Theorien zugrunde liegt.

Individuelle Möglichkeiten einzelner Personen

Hier spielt einerseits die Eigenbewertung eine Rolle: Wie bewertet der Einzelne seine Kreativität und sein daraus entstehendes Problemlösungsverhalten im Vergleich zu anderen Personen? Andererseits gilt es aber auch die Bewertung durch andere Menschen einzubeziehen, also die Frage, wie der Einzelne von außen über seine Kreativität und die dadurch entstehenden Problemlösungsfähigkeiten bewertet wird.

Eine subjektive Sichtweise jeder einzelnen Person ist in der Bewertung nicht auszuschließen, da jedes Individuum nach eigenen Kriterien bewertet, wenn es keine Normwerte zur Verfügung hat und keine allgemeingültige, weil bekannte und gleichzeitig gültige und verläßliche Definition von Kreativität zur Bewertung herangezogen wird. Das bedeutet, dass durch die mangelnde Definition des Begriffs die Wertung eines einzelnen Individuums fast immer subjektiv ausfällt und erst eine Gruppe von Menschen mit ihren verschiedenen Maßstäben zur Messung von Kreativität und einer internen Absprache von Regeln zur Definition dazu in der Lage ist, Kreativität neutral und nach verschiedenen, vorher festgelegten Gütekriterien zu bewerten und zu messen. Eine Gruppe legt die Normwerte fest, der Einzelne kann mit diesen konform gehen oder nonkonform sein.

In der Kunst erfordert der hier geltende Innovationszwang, dass Kreativität mit Normenbruch, also dem Verstoß gegen tradierte Normen einhergeht. Eine dichterische Pointe: Goethe und Thomas Mann haben in ihren Fassungen des Faust-Mythos den kreativen Anstoß dem Teufel zugeschrieben (Faust I: Prolog im Himmel; Doktor Faustus: Kapitel XXV).

Besonders eingehend hat sich Goethe mit dem kreativen Prozess auseinandergesetzt. In seinen biografischen Schriften finden sich zahlreiche Hinweise, wie er aus seinen psychischen Krisen schöpferische Impulse gewann (s. Holm-Hadulla: Leidenschaft - Goethes Weg zur Kreativität. 2009). Auch in vielen seiner Werke - vom "Werther" bis zum "Faust" - stellt er dar, wie Kreativität aus ständiger Selbstüberwindung und -erneuerung erwächst. In seinem Gedicht "Selige Sehnsucht" resümiert er:

„Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist Du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.“

Johann Wolfgang von Goethe

Aus Goethes lebenslangem Ringen mit sich selbst und seiner Umwelt kann man wesentliche Anregungen für eine kreative Alltagsgestaltung erhalten (s. Holm-Hadulla: Leidenschaft: Goethes Weg zur Kreativität. 2009)

Der soziale Kontext: Entstehung und Bewertung der Kreativität

Die Bewertung von Kreativität durch eine soziale Gruppe erweist sich als Barriere, wenn eine Problemlösung von der Gruppe für nicht durchführbar gehalten und verworfen wird. Das kann bei Spracharmut der Gruppenmitglieder ohne jegliche Begründung geschehen. Ein nonkonformes Individuum wird bei dieser Konstellation unterdrückt oder ausgegrenzt [5]. In krassen Fällen werden Kreative als verrückt angesehen, etwa wie Leonardo da Vinci, James Watt oder Sir Alexander Graham Bell, die jedoch nach ihrem Ableben gefeiert wurden. Diese Reaktion entspringt dem Gruppengefühl und dem Bild, das eine Gruppe von sich selbst hat. Jeder, der mit der Gruppe konform ist, bringt weniger Störungen und vermeintlich weniger Rückschläge in den Erfolgen der Gruppe.

Forschungen in der Sozialpsychologie von Schlenker und Weigold zufolge gehen Kreative in dem Maße nicht konform, in dem das Problem nach ihren Kriterien nicht anders zu bewältigen ist. Albert Einstein, der Erfinder der Relativitätstheorie, wird in seiner Biografie als aufbrausend und von Selbstvorwürfen geplagt beschrieben. Die Gründe hierfür dürften in dem anfänglichen Unverständnis der Fachkollegen für die Kreativität Einsteins und deren Resultate gelegen haben, wie auch in seinem nonkonformistischen Durchsetzungswillen.

Anregung und Herausforderung spielen bei der Entwicklung einer kreativen Lebenseinstellung eine besondere Rolle. Eine Herausforderung kann zu existenziellen Veränderungen führen. Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, in denen auf Ermutigung Wert gelegt wird, fördern die Kreativität (Frederick Mayer).

Wird eine Idee von verschiedenen Menschen nacheinander gedanklich einer Überprüfung unterzogen, kann es geschehen, dass diese doch für durchführbar erklärt wird. So zum Beispiel das erste Fluggerät nach den Zeichnungen von da Vinci oder die Entwicklung des ersten Fernglases durch die Entdeckung Galileo Galileis. Picassos kubistische Werke wie Der Mann an der Gitarre von 1918 und seine Collagen entstanden durch die Vorstellungskraft des Einzelnen. Joan Miró und sein Werk sind ein Beispiel für die bildhauerische Kunst, und Friedensreich Hundertwasser mit seinen architektonischen Höchstleistungen sollte auf diesem Gebiet erwähnt werden [6].

Vielfach wird Kreativität erst als solche bezeichnet und bewertet, wenn sie einhergeht mit einer völligen Neudefinition bekannter und akzeptierter Gesetzmäßigkeiten oder Bereiche; berühmte Beispiele dafür sind Arnold Schönberg (Zwölftonmusik), Pablo Picasso (Kubismus), Albert Einstein (relative Sicht von Zeit und Raum). Der Bruch mit alten Vorstellungen und Normen, und die Schaffung eines neuen Paradigmas, verbunden mit der dazugehörigen Unsicherheit des Unbekannten, Unbewiesenen oder Spekulativen, verdeutlichen gleichzeitig, warum Kreativität im sozialen Kontext immer wieder einen schweren Stand hatte und bis heute in vielen Gesellschaftsbereichen um Anerkennung ringen muss.

Unterschiede zwischen Gesellschaftsformen, Bewertungsformen, Kreativität im Einzelnen

Die Menge der unterschiedlichen Kulturen der Menschheit, deren Gepflogenheiten und das Lebensumfeld bringen immer wieder neue Formen der Verarbeitung der in ihr vorhandenen Materialien hervor, denn sie sind auf Bearbeitung und Verarbeitung sowie die Gestaltung ihrer Umgebung angewiesen. Das bedeutet, die Eigenschaften der Umgebung bedingen die Kreativität der in ihr lebenden Individuen.

Sichtbar werden diese Unterschiede z. B. im architektonischen Baustil: In Spanien ist z. B. der maurische Baustil, eine Mischung aus römischen und arabischen Elementen, vorherrschend. Er ist auch in weiten Teilen Nordafrikas vertreten. Man vergleiche z. B. die Alhambra in Granada oder beispielsweise die Stadt El Djem in Tunesien, die bekannt ist für ihr Amphitheater. Selbst in Südamerika (Peru) machen sich diese maurischen Einflüsse bemerkbar. Hier spricht man von Mestizen-Barock (z. B. die Gotteshäuser in Arequipa).

In Nordamerika werden Häuser z. B. aus den dort vorhandenen Materialien gebaut: Im alten Stil vornehmlich Holzhäuser, im neuen Stil vornehmlich mit Beton, Glas und Stahl. Die einzelnen Baustile und Stilepochen spielen dort nur eine untergeordnete Rolle und die vorhandenen Materialien sind als solche Gegenstand der Betrachtungen. Vorhandene Unterschiede sind die typischen noch auf die Stammesgeschichte zurückgehenden Bauten der Ureinwohner Nordamerikas und die Unterschiede die in den einzelnen Bauweisen auftauchen: Tipis, Wigwams, Erdhäuser und Pueblos, aber auch die Entwicklung der Häuser der amerikanischen Einwanderer, die Festungen[1] die vor den Indianern schützten, von der Blockhütte über die Villen der Südstaatler, die Farm- und Ranchhäuser der Nordstaatler zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges bis zur heutigen Stahlbetonkonstruktion wie dem Empire State Building in New York.

In Südamerika sind die Entwicklungen der Baustile durch die Kulturen der Inka, Maya, Olmeken, Tolteken und Azteken beeinflusst, die Pyramiden aus Stein und Lehmziegeln erbauten, während die indigene Bevölkerung aus Palmwedeln, Holz und anderen Materialien ihre Hütten und Behausungen auch heute noch baut. Wird in Rio de Janeiro in den Slums mit Wellblech, Lehmziegeln und Palmenzweigen eine Bude zum Unterschlupf gebaut, so wird in den feineren Vierteln aus Stein und Ziegel ein Haus gebaut.

Anders sieht es hingegen im asiatischen Raum aus. In China hat sich die Bauweise der Häuser bis ins 19. Jahrhundert kaum verändert und auch heute finden sich Pagoden und Paläste im alten Stil.

Literatur

Nachschlagewerk
  • Duden. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. Bibliographisches Institut, Mannheim 1963, ISBN 3-411-00907-1.
Grundlagen und Allgemeines
Kreativitätstechniken
  • Michael Knieß: Kreativitätstechniken. Methoden und Übungen. dtv, München 2006, ISBN 3-423-50906-6.
  • Michael Luther, Jutta Gründonner: Königsweg Kreativität. Powertraining für kreatives Denken. Junfermann, Paderborn 2000, ISBN 3-87387-379-6.
  • Karsten Noack: Kreativitätstechniken. Schöpferisches Potenzial entwickeln und nutzen. Cornelsen, Berlin 2005, ISBN 3-589-21956-4.
  • Alex F. Osborn: Applied Imagination. Principles and Procedures of Creative Problem-Solving. Scribner, New York 1953, ISBN 0-02-389520-9.
  • Helmut Schlicksupp: Innovation, Kreativität & Ideenfindung. 5. Auflage. Vogel, Würzburg 1999, ISBN 3-8023-1786-6.
  • Peter Thiesen: Ideenmischmaschine. Beltz, Weinheim 2001, ISBN 3-407-55854-6.
Bildung und Schulung
Kreativität und Lernen
  • Achim Bröcher: Kreative Intelligenz und Lernen. Eine Untersuchung zur Förderung schöpferischen Denkens und Handelns unter anderem in einem universitären Sommercamp. Minerva-Publikation, München 1989, ISBN 3-597-10642-0.
  • Joachim Bröcher: Hochintelligente kreativ begaben. Lit, Münster/Hamburg 2005, ISBN 3-8258-8383-3.
  • journal für begabtenförderung. Band 2. Studienverlag, Innsbruck 2004 (Heftthema Kreativität).
  • Peter Thiesen: Kreatives Spiel mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. 5. Auflage. BildungsverlagEins, Troisdorf 2007, ISBN 978-3-8237-8112-7.
Kreative Gruppen
  • Ari Bosse: Das kollektive Genie. Die Innovationsleistung rollengestützter Gruppen. Tectum-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9332-0.
  • Olaf-Axel Burow: Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural. Klett-Cotta, Stuttgart 1999, ISBN 3-608-91977-5.
  • Olaf-Axel Burow: Ich bin gut – wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-94006-5.
  • Paul B. Paulus, Bernard A. Nijstad (Hrsg.): Group Creativity: Innovation Through Collaboration. Oxford University Press, London 2003, ISBN 0-19-514730-8.
Berufliche Innovationskultur
Design und Produktentwicklung
  • Frank Berzbach: Kreativität aushalten. Psychologie für Designer. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2010, ISBN 978-3-87439-786-5.
  • Tobias Deigendesch: Kreativität in der Produktentwicklung und Muster als methodisches Hilfsmittel. Dissertation, Fak. f. Maschinenbau, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2009. Volltext
  • Mario Pricken: Visuelle Kreativität. Kreativitätstechniken für neue Bilderwelten in Werbung, 3D Animation & Computer-Games. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2003, ISBN 3-87439-637-1.
Kreative Persönlichkeiten
  • Jean-Peter Braun: Mysterium Kreativität – 13 Künstler geben Antworten. ars momentum, Witten 2010, ISBN 978-3-938193-36-5.
  • Howard Gardner: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Campus-Verlag, Frankfurt 1999, ISBN 3-593-36180-9. (Originalfassung: Extraordinary Minds. Portraits of Four Exceptional Individuals and an Examination of Our Own Extraordinariness. Basic Books, New York 1997, ISBN 0-465-02125-5)
  • Rainer M. Holm-Hadulla: Leidenschaft: Goethes Weg zur Kreativität. Eine Psychobiografie. 2. Aufl. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-40409-6.

Siehe auch

Video

Referenzen

  1. Amelang, M. u. a.: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, Stuttgart: Kohlhammer, 2006
  2. a b c http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/lehre/Ptm/Ptm_KreaGrdl.htm
  3. a b http://visor.unibe.ch/SS00/Bestseller/Folien/kreativitt%20internetversion.pdf
  4. Rhodes, M.: An Analysis of Creativity. Phi Delta Kappan, April, 1961, S.305-310
  5. http://www.nume.it/decrea.php
  6. Sozialpsychologie, 4. aktualisierte Auflage, Elliot Aronson, Timothy D. Wilson, Robin M. Akert, Pearson Studium, München, 2004, ISBN 3-8273-7084-1

Weblinks


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