Musēum

Musēum

Musēum (v. griech. musa, Muse), ursprünglich ein Musentempel; dann überhaupt ein den Musen, d.h. der Gelehrsamkeit, den Wissenschaften und Künsten, geweihter Ort etc. Das bedeutendste und wichtigste M. des Altertums im letztern Sinne war das zu Alexandria, als dessen Stifter gewöhnlich Ptolemäos Philadelphos (285–247 v. Chr.) genannt wird. Es umfaßte eine Halle zum Herumwandeln, eine andre zum Sitzen und einen großen Bau, worin sich der Speisesaal der am M. angestellten Gelehrten befand. Diese wurden auf Staatskosten unterhalten, um ungestört ihren wissenschaftlichen Bestrebungen leben zu können. Ihre Tätigkeit war eine vorherrschend philologische; aber auch Poesie wurde geübt und für die Medizin und die sogen. exakten Wissenschaften ein fruchtbarer Boden gewonnen. Die größte Blüte der Anstalt fällt in die Zeiten der Ptolemäer; aber auch unter der römischen Herrschaft blieb sie in Wirksamkeit. Der römische Kaiser Claudius fügte ein zweites M. zu gleichem Zweck hinzu und benannte es nach sich. Mit dem M. war die große alexandrinische Bibliothek verbunden, die schon zur Zeit Ptolemäos' II. 400,000 Rollen umfaßte; im alexandrinischen Krieg gegen Cäsar ging sie in Flammen auf. Vgl. Parthey, Das alexandrinische M. (Berl. 1838); Klippel, Über das alexandrinische M. (Götting. 1838). Andre berühmte Museen waren zu Pergamon, Antiochia und Konstantinopel.

Seit dem Ende des Mittelalters bezeichnete man mit dem Ausdruck M. im weitern Sinn eine in einem besonders dazu errichteten Gebäude zur Ansicht auf gestellte Sammlung seltener und interessanter Gegenstände aus dem Gebiete der Naturgeschichte oder der Künste; später verstand man darunter ein Gebäude zur Aufbewahrung von Kunstdenkmälern, bis in der Neuzeit das Wort M. für Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen jeglicher Art angewendet wird. Es gibt anatomische, landwirtschaftliche, mineralogische, botanische, zoologische, geologische, naturhistorische, ethnologische (Museen für Völkerkunde), physikalische, historische, prähistorische, hygienische, Waffen-, Volkstrachten- u.a. Museen, in denen die Geschichte und das System jeder Wissenschaft durch Naturerzeugnisse, Präparate oder Kunstprodukte veranschaulicht wird. Sammlungen dieser Art befinden sich in den meisten Großstädten und sind regelmäßig mit den Hochschulen verbunden. Neben diesen wissenschaftlichen Museen bilden die Kunstmuseen, die sich wieder in solche für höhere Kunst (Malerei, Plastik) und in solche für das Kunstgewerbe teilen, eine besondere Gruppe (vgl. Kunstgewerbemuseum). Endlich gibt es Museen, die der Aufbewahrung von Werken einzelner Meister dienen (Thorwaldsen-M. in Kopenhagen, Rauch-M. in Berlin, Ingres-M. in Montauban, Rietschel- und Schilling-M. in Dresden), und solche, die ihren Namen von ihren Stiftern tragen (Städelsches Kunstinstitut in Frankfurt a. M., Suermondt-M. in Aachen, Wallraf-Richartz-M. in Köln). Die ersten Kunst museen wurden in Florenz angelegt. Man ging von Münz- und Gemmensammlungen aus, deren erste die Familie Este bildete; dann sammelte man Büsten und schmückte damit Bibliotheken und Säle, während man andre Bildwerke in geräumigen Hallen und offenen Höfen aufstellte. Das berühmteste Lokal dieser Art war die Villa Borghese (s. d.) vor der Porta del Popolo in Rom. Dann stellte man in Museen überhaupt Kunstgegenstände des Altertums auf, Gemälde, Bildwerke etc., und vereinigte sie auch wohl mit Kunstgegenständen der neuern Zeit. Cosimo I. von Medici gründete mehrere bedeutende Sammlungen, unter denen das Florentiner M. den berühmtesten Namen gewann. In Rom gehen die Museen im Vatikan (s. d.) auf Julius II. zurück. In Italien des 16. Jahrh. wurden vornehmlich Antiken (griechische, römische, ägyptische und etruskische) gesammelt. Gemälde und Handzeichnungen traten erst später hinzu. Die Museen des Vatikans und des Kapitols und das Museo nazionale sind die umfangreichsten Roms. In bezug auf Mannigfaltigkeit und Universalität stehen ihnen zur Seite das Louvre (s. d.) in Paris, das seit dem Ende des 18. Jahrh. Kunstzwecken eingeräumt wurde und zur Zeit Napoleons I. unter dem Namen Musée Napoléon aus allen Ländern zusammengeraubte Kunstschätze enthielt, das Britische M. (s. d.) in London, die königlichen Museen in Berlin (s. d., S. 695), die Eremitage (s. d.) in Petersburg und die kaiserlichen Hofmuseen in Wien (s. d.). In Rom befinden sich außer den genannten noch ein M. im Lateran (s. d.), eine staatliche Gemäldegalerie im Palazzo Corsini und zahlreiche Kunstsammlungen in Privatpalästen und Villen (s. die einzelnen Namen). Die älteste von ihnen ist das M. Kircherianum, von Kircher begründet, im Jesuitenkollegium. Von den übrigen Museen Italiens sind hervorzuheben: das Museo nazionale (früher Museo borbonico) in Neapel (mit den Ergebnissen der Ausgrabungen in den verschütteten Vesuvstädten), die Kunstsammlungen in den Uffizien, im Palazzo Pitti, in der Akademie und im Museo nazionale (Bargello) in Florenz, die Brera, das Museo Poldi-Pezzoli und das archäologische und städtische Museum im Castello zu Mailand, die Sammlung der Akademie und das Museo Correr in Venedig, ferner die Kunstsammlungen in Turin, Verona, Brescia, Genua (Palazzo Rosso), Bologna (Pinakothek) und Palermo. Frankreich besitzt außerhalb von Paris, wo noch das Luxembourg-Museum, das Museum der Stadt Paris im sogen. Petit Palais und das Musée Cluny zu nennen sind, gegen 250 (meist städtische oder von wissenschaftlichen Gesellschaften gegründete) Museen. Die bedeutendsten sind die in Bordeaux, Chantilly, Dijon, Lille, Lyon, Marseille, Montpellier, Nantes, Rouen, St.-Germain, Valenciennes, Versailles (historisches M.). Vgl. Gonse, Les chefs d'œuvre des musées de France (Par. 1900 u. 1904). Von den Museen in Großbritannien und Irland ist das in Oxford das älteste (1679 von Elias Ashmole gestiftet). Kunstsammler in großem Maßstab war schon Karl I., doch wurden seine Sammlungen nach dem Tode zerstreut. In London sind außer dem Britischen M. noch die Nationalgalerie, die nationale Porträtgalerie, das Viktoria und Albert-M. (früher South Kensington-M.), das Wallacemuseum und die Tategalerie zu nennen. Außerdem gibt es noch öffentliche Museen in Hamptoncourt (Schloß), Dulwich, Edinburg, Glasgow, Manchester, Liverpool, Cambridge, Dublin u.a. O. Vgl. Murray, Museums, their history and their use (Lond. 1905, 3 Bde.). Die Mehrzahl der englischen Kunstsammlungen ist jedoch in Privatbesitz. Besonders reich an Museen sind auch Belgien (Brüssel, Antwerpen, Gent, Brügge. Lüttich) und Holland (Amsterdam, Rotterdam, Haag, Haarlem, Utrecht, Leiden). In Österreich-Ungarn bildet Wien den Mittelpunkt mit zahlreichen öffentlichen und Privatgalerien. Daneben kommen noch Budapest (M. der bildenden Künste), Prag, Krakau, Brünn, Graz, Hermannstadt, Innsbruck, Linz, Reichenberg in Betracht. Vgl. »Handbuch der Kunstpflege in Österreich« (3. Aufl., Wien 1902). Die bedeutendsten Museen der Schweiz befinden sich in Basel, Bern, Genf und Zürich (Schweizerisches Landesmuseum). Öffentliche Museen gibt es auch in Spanien (Madrid, Valencia, Sevilla, Granada). Schweden (Stockholm, Gotenburg), Norwegen (Christiania) und Dänemark (Kopenhagen). Die an Museen reichsten Städte Deutschlands sind nächst Berlin Dresden und München. Im ganzen besitzt Deutschland gegen 210 Museen (d.h. öffentliche Kunstsammlungen jeglicher Art), teils den Staaten oder den Landesfürsten gehörig, teils städtische oder von Provinzialverbänden und Privatvereinen gegründete, unter denen die in Aachen, Augsburg, Braunschweig, Bremen, Breslau, Darmstadt, Dessau, Düsseldorf, Frankfurt a. M., Gotha, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Köln, Königsberg, Leipzig, Magdeburg, Mainz (Römisch-Germanisches Zentralmuseum), Nürnberg (Germanisches Nationalmuseum), Oldenburg, Schwerin, Stuttgart, Trier und Weimar die bedeutendsten sind. Vgl. das von der Generalverwaltung der königlichen Museen zu Berlin herausgegebene »Kunsthandbuch für Deutschland« (6. Aufl., bearbeitet von M. Creutz, Berl. 1904). In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt es auch eine Anzahl meist aus Privatmitteln gegründeter Kunstsammlungen, von denen besonders diejenigen in Boston (M. of fine arts und Mrs. Gardner-M.), Chicago, Cincinnati, New York (Metropolitan M. of art), Philadelphia und Washington (National M.) zu nennen sind. – Seit 1904 erscheint in Berlin eine Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen u. d. T.: »Museumskunde« (hrsg. von Koetschau). Vgl. auch Kunstwissenschaft (S. 821); Furtwängler, Über Kunstsammlungen in alter und neuer Zeit (Münch. 1899); »Die Museen als Volksbildungsstätten« (»Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen«, Nr. 25, Berl. 1904).

M. ist auch der Name von Lesegesellschaften u. dgl. sowie Titel von Sammelwerken und Zeitschriften. In der Literaturgeschichte bekannt ist das »Deutsche M.« (Leipz. 1776–88, 26 Bde., hrsg. von Dohm und Boie. fortgeführt als »Neues deutsches M.«, das. 1789–91, 4 Bde.), die unter gleichem Titel von Prutz 1851 (mit Wolfsohn) begründete Wochenschrift, die jener bis 1866, sodann bis 1867 K. Frenzel herausgab, das »Attische M.« von Wieland (1796 ff.), das 1833 von Welcker begründete »Rheinische M. für Philologie« (jetzt hrsg. von Ribbeck und Bücheler).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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