Jean-Claude Juncker

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker, 2006

Jean-Claude Juncker (* 9. Dezember 1954 in Redingen, Luxemburg) ist ein luxemburgischer Politiker. Er ist Mitglied der Christlich Sozialen Volkspartei (CSV/PCS). Von 1989 bis Juli 2009 war er Finanzminister Luxemburgs, seit 1995 ist er Premierminister. Juncker ist damit derzeit der dienstälteste Regierungschef in der Europäischen Union. Seit 2005 ist er zudem Vorsitzender der Euro-Gruppe.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Familie und Ausbildung

Jean-Claude Juncker wuchs als Sohn eines Hüttenwerkspolizisten im Süden Luxemburgs auf. Juncker wurde von diesem industrialisierten Landstrich, wo viele Arbeiter und Immigranten (damals hauptsächlich Italiener) lebten, sehr geprägt. Seine Familie war zu jener Zeit bereits politisch in der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) beheimatet, sein Onkel Ed Juncker war Bürgermeister der Stadt Ettelbrück. Sein Vater war während des Zweiten Weltkrieges zum Dienst in der deutschen Wehrmacht gezwungen worden, einige Familienmitglieder starben in deutschen Konzentrationslagern.

Als Mittelschule besuchte er die belgische Klosterschule Clairefontaine im Internat, die von Luxemburger Herz-Jesu-Priestern geführt wurde. 1974 erwarb Jean-Claude Juncker das Diplome de fin d´études secondaires (Abitur, Matura) am Lycée Michel Rodange in Luxemburg. Im gleichen Jahr trat er der CSV bei. Er begann 1975 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Straßburg, das er 1979 abschloss. Im Februar 1980 wurde er von der Anwaltskammer vereidigt und als Rechtsanwalt zugelassen. Er übte diesen Beruf jedoch nie aus, sondern verstand sich von Anfang an als Berufspolitiker.

Juncker ist seit 1979 verheiratet.

Von Mai 2006 bis zur Einstellung des Blattes Ende 2010 war Juncker Mitherausgeber der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur”.

Politische Karriere

Im Jahre 1982 erfolgte seine Ernennung zum Staatssekretär für Arbeit und soziale Sicherheit. 1984 errang Jean-Claude Juncker bei den Wahlen zur Luxemburgischen Abgeordnetenkammer (Chambre des députés) erstmals ein Mandat. Er trat weder dieses noch die bei den folgenden Wahlen errungenen jemals für längere Zeit an, da er auch in den weiteren Legislaturperioden der Regierung angehörte.

Mit der Regierungsbildung nach den Kammerwahlen von 1989 wurde er Minister für die Ressorts Arbeit und Finanzen sowie Gouverneur Luxemburgs bei der Weltbank. Das Amt bekleidete Juncker bis 1995 und gestaltete in dieser Zeit den Vertrag von Maastricht entscheidend mit.

Am 20. Januar 1995 wurde er luxemburgischer Premierminister als Nachfolger von Jacques Santer, nachdem dieser das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission übernommen hatte und aus der Regierung ausschied. Zugleich übernahm Juncker auch das luxemburgische Finanzministerium sowie die Vertretung Luxemburgs als Gouverneur beim Internationalen Währungsfonds. Seine Tätigkeit hatte dabei von Anfang an einen starken Bezug zur internationalen Politik, wo er von seiner Mehrsprachigkeit profitiert. Unter anderem tat er sich mehrfach als Vermittler innerhalb der EU hervor. So hatte er 1996 starken Anteil am „Kompromiss von Dublin“, der eine Einigung zwischen Deutschland und Frankreich zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ermöglichte.[1] In der zweiten Jahreshälfte 1997 sowie in der ersten Jahreshälfte 2005 hatte Luxemburg unter Juncker die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Am 10. September 2004 wurde Juncker für die Dauer von zwei Jahren zum ersten ständigen Vorsitzenden der Euro-Gruppe ernannt, eines informellen Gremiums der Finanzminister der Eurozone. Sein Mandat begann am 1. Januar 2005, es wurde am 6. September 2006 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert. Laut den damaligen Statuten der Euro-Gruppe war die Amtszeit Junckers dann abgelaufen, da ein und dieselbe Person das Amt des Vorsitzenden nicht länger als zwei Mandatsperioden lang besetzen durfte. Am 12. September 2008 wurde seine Amtszeit jedoch in einer Eurogruppen-Sitzung unter Leitung der französischen Finanzministerin Christine Lagarde einstimmig um weitere zwei Jahre verlängert.[2] Nach der luxemburgischen Parlamentswahl 2009 gab Juncker sein Amt als luxemburgischer Finanzminister ab, erklärte jedoch sein Interesse, Vorsitzender der Euro-Gruppe zu bleiben.[3] Im Januar 2010 wurde er erneut für zweieinhalb Jahre als Vorsitzender bestätigt, nachdem die Euro-Gruppe kurz zuvor durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erstmals auch einen formalen europarechtlichen Status erhalten hatte.[4]

Juncker gilt als beliebt bei der Luxemburger Bevölkerung[5] und setzte seine Popularität immer wieder auch politisch ein: So versprach er vor der Luxemburger Wahl 2004, bei einer Wiederwahl auf jeden Fall Premierminister Luxemburgs zu bleiben und kein europäisches Amt anzunehmen; seine Partei fuhr daraufhin einen deutlichen Sieg ein.[6] 2005 drohte er, im Falle eines negativen Ergebnisses beim Referendum in Luxemburg zur neuen EU-Verfassung sein Amt niederzulegen. Die Luxemburger nahmen in der folgenden Abstimmung die Verfassung mit 57 % der abgegebenen Stimmen an.

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 erklärte Juncker sein Interesse am Posten des Präsidenten des Europäischen Rates. Neben Tony Blair war er der bekannteste Kandidat für dieses Amt, wobei zahlreiche Medien davon ausgingen, dass Juncker aufgrund seiner europaföderalistischen Positionen ohnehin keine Mehrheit im Europäischen Rat erringen konnte und mit seiner Kandidatur vor allem einen Erfolg Blairs verhindern wollte.[7][8] Letztlich wurde keiner von beiden, sondern Herman Van Rompuy für das Amt gewählt.

Politische Positionen

Junckers Positionen sind entsprechend denen der CSV gemäßigt konservativ-marktwirtschaftlich und christdemokratisch, wobei jedoch auch die Sozialpolitik einen höheren Stellenwert einnimmt als bei den meisten anderen Mitgliedern der Europäischen Volkspartei. So setzte Juncker sich 2006 für eine „soziale Relance der EVP“ ein.[9] Juncker gilt als dem Europäischen Föderalismus nahestehend[8] und unterstützte den Vertrag von Lissabon. Zudem bemängelte er, dass die soziale Frage in der EU unbeachtet geblieben sei, und setzte sich wiederholt für ein „soziales Europa“ ein.[10][11] Juncker verurteilte den Trend hin zum Sozial- und Lohndumping (wobei er insbesondere die deutsche Regierung aufgrund ihrer Exportstrategie und der Lohnsenkungen kritisch betrachtete)[12] und forderte deswegen unter anderem europäische Mindeststandards im Arbeitsrecht, z.B. beim Kündigungsschutz[13] oder bei Mindestlöhnen.[14]

In Luxemburg gibt es derzeit einen im europäischen Vergleich hohen Mindestlohn („soziales Mindestgehalt“), und es existieren weiterhin vergleichsweise viele staatliche Leistungen, z.B. in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und soziale Absicherung. Steuer- und Staatsquote liegen unter dem EU-Durchschnitt, allerdings noch im Schnitt der OECD-Mitgliedstaaten und damit deutlich höher als in anderen kleinen Ländern mit starker Finanzbranche wie z.B. der Schweiz (Stand 2007/2008).[15] Die Einkommensungleichheit blieb seit seinem Amtsantritt auf demselben Niveau, nämlich etwas unter dem EU-Durchschnitt (Stand 2005).[16]

Zugleich setzte die luxemburgische Regierung auch unter Juncker ihre Strategie fort, mit relativ niedrigen Steuersätzen Finanzdienstleister anzulocken („Nischenstrategie“ für ein kleines Land). So wandte sich Juncker 2009 gegen Vorschläge des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück, europaweit den Zugang zu Steueroasen zu erschweren.[17] Seine zunächst skeptische Haltung gegenüber einer europäischen Finanzregulierung änderte sich allerdings ab der globalen Finanzkrise ab 2007. Er kritisierte insbesondere im Zusammenhang mit der griechischen Finanzkrise ab 2009 die Spekulation und befürwortete unter anderem eine Finanztransaktionssteuer.[10] Zudem setzt sich Juncker seit 2008 für die Einführung gemeinschaftlicher Staatsanleihen der EU-Mitgliedstaaten, sogenannter Euro-Bonds, ein, um eine gemeinsame Krisenbekämpfung zu ermöglichen und den wirtschaftlich schwächeren Staaten den Zugang zu günstigeren Kreditbedingungen zu erleichtern.[18][19]

Auszeichnungen

2003 wurde Juncker (als Freund und Förderer der Stadt) die Ehrenbürgerschaft der Stadt Trier verliehen. In den Jahren 2005 und 2006 übernahm Jean-Claude Juncker die Schirmherrschaft von Prominence for Charity zugunsten von UNICEF.

Am 25. Mai 2006 erhielt Jean-Claude Juncker den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen. Die Laudatio hielt Altbundeskanzler Helmut Kohl. Wie es im Text der Urkunde hieß, die Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden zusammen mit der eigentlichen Auszeichnung in Form einer Medaille mit Inschrift überreichte, erhielt Juncker den Preis „in Würdigung seines vorbildlichen Wirkens für ein soziales und geeintes Europa”.

Am 7. Dezember 2009 würdigte die Fasel-Stiftung (Duisburg) Junckers „herausragende Verdienste als Anwalt für eine sozial gerechte und marktwirtschaftliche europäische Ordnung“, so die Begründung der Stiftungsurkunde. Juncker wurde in Duisburg der „Preis der Fasel-Stiftung – Soziale Marktwirtschaft 2009“ verliehen. Die Laudatio hielt der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Daneben erhielt Juncker zahlreiche weiteren Auszeichnungen:

Weblinks

 Commons: Jean-Claude Juncker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. EU: Finanzpolitik: Drohungen eines Enttäuschten, von Cerstin Gammelin, Süddeutsche, 5. Mai 2009
  2. http://www.gouvernement.lu/salle_presse/actualite/2008/09-septembre/12-pm-eurogroupe/index.html
  3. Financial Times Deutschland, 4. Juni 2009: Juncker gibt Posten als Finanzminister auf.
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Januar 2010: Euro-Gruppe: Juncker will mehr Macht und Einfluss.
  5. Deutsche Welle, 25. Mai 2006: Karlspreis für Jean-Claude Juncker .
  6. Luxemburger Wort, 20. Januar 2010: 15 Jahre an der Spitze der Regierung.
  7. Eurotopics, 28. Oktober 2009: Juncker will Blair verhindern.
  8. a b EurActiv, 28. Oktober 2009: Blair und Juncker kristallisieren sich als Rivalen auf EU-Gipfel heraus.
  9. CSV.lu, Presseschau, 10. Februar 2006:Soziale Relance der EVP.
  10. a b Interview mit Jean-Claude Juncker, AWV-Informationen 4/2010, S. 5.
  11. RP online, 20. November 2006: Juncker fordert soziale Grundsicherung für alle EU-Bürger.
  12. Luxemburger Wort: Juncker wirft Deutschland „Sozialdumping“ vor, 11. August 2010
  13. taz, 30. Dezember 2006: "Wir sehen zu, wie sich die Arbeiter abwenden".
  14. Die Zeit online, 6. Juni 2009: »Mindestlöhne überall«.
  15. OECD: Economic Outlook, Paris 2008, S. 84.; OECD: Tax Levels and Tax Structures, 1965-2007, S. 75.
  16. OECD: Growing Unequal?, 2008, S. 27.
  17. Die Zeit, 20. März 2009: Juncker verbittet sich "deutsche Kraftmeierei".
  18. EurActiv, 19. November 2008: Rezession trifft Europa: EU-Bonds regen Diskussionen an.
  19. Interview mit Jean-Claude Juncker zur Schuldenkrise vom 7. Dezember 2010
  20. European Banker of the Year in: Maleki Group, abgerufen am 7. Dezember 2010
  21. Markus Guhl (23. März 2009): Juncker erhält den Europäischen Preis der Dienstleistungswirtschaft. Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft. Abgerufen am 3. Mai 2009. „Der Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi) ehrt Junckers politisches Wirken.“
  22. „Europa-Union-Medaille“ für Jean-Claude Juncker. www.wort.lu (18. Oktober 2009). Abgerufen am 19. Oktober 2009.
  23. Ministerpräsident Rüttgers würdigt Jean-Claude Juncker. Abgerufen am 5. Januar 2011.
  24. Preis der Fasel-Stiftung an "Mister Euro". Abgerufen am 5. Januar 2011.
  25. Pressedienst der Luxemburger Regierung: Der Premierminister
  26. Winfriedpreis für Jean-Claude Juncker, Fuldaer Zeitung vom 1. Juni 2010, abgerufen am 1. Juni 2010.
  27. Tobias Klingen: Europas heimlicher Präsident – Kempen ehrt Jean-Claude Juncker. Westdeutsche Zeitung, 15. Juli 2010, abgerufen am 24. August 2010.
  28. Treffen der luxemburgischen Staatsregierung und der saarländischen Landesregierung
  29. Ministerpräsident Stefan Mappus verleiht Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg. stm.baden-wuerttemberg.de (30. April 2011). Abgerufen am 19. Mai 2011.
  30. http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/2011/05/150652/juncker-erhaelt-hanns-martin-schleyer-preis.php
  31. Juncker erhält Verdienstorden von Rheinland-Pfalz, Trierischer Volksfreund vom 15. November 2011

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