Karl Rasche

Karl Rasche
Karl Rasche als Angeklagter bei den Nürnberger Prozessen

Karl Emil August Rasche (* 23. August 1892 in Iserlohn; † 13. September 1951 bei Basel) war ein deutscher Jurist, SS-Führer sowie als Bankier Vorstandsmitglied und später auch Sprecher der Dresdner Bank in der Zeit des Nationalsozialismus. Am 11. April 1949 wurde Rasche im Wilhelmstraßen-Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rasche studierte Volkswirtschaft und Jura in Münster, München, Leipzig, Berlin sowie Bonn. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war er als Soldat an der Westfront eingesetzt. Nach einer Verwundung fertigte er 1917 im Lazarett seine rechtswissenschaftliche Dissertation mit dem Titel: „Der Polizeibegriff im heutigen preußischen Recht unter besonderer Berücksichtigung der Spezialgesetze“ an und promovierte. Anschließend war er bis Kriegsende an der Ostfront eingesetzt. Danach engagierte er sich bei der Baltischen Landwehr in Form von Spendensammlungen und der Rekrutierung von Freiwilligen. Ab Juli 1919 war Rasche als Gerichtsreferendar in Hamm tätig und wechselte 1921 zum Barmer Bankverein, wo er zum Sanierungsspezialisten wurde. Ab Anfang 1933 war Rasche Vorstandsmitglied der Bochumer Westfalenbank, wo er auch mit Paul Pleiger zusammenarbeitete.[1]

Aufstieg im Nationalsozialismus

1934 wurde Rasche zunächst stellvertretendes und ab August 1935 ordentliches Vorstandsmitglied der Dresdner Bank. Rasches Beschäftigungsverhältnis bei der Dresdner Bank war auch durch eine Intervention von Wilhelm Keppler zustande gekommen. Gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied Emil Meyer galt Rasche als Vertrauensbankier der SS.[2] Eine Mitgliedschaft Rasches in der NSDAP von Mai 1933 erlangte keine Gültigkeit, da Rasche in der Ortsgruppe Essen keine Mitgliedskarte erhielt beziehungsweise auch keine Mitgliedsbeiträge zahlte. Erst im August 1939 wurde Rasche rückwirkend zum Mai 1937 wieder in die Partei aufgenommen[3] (Mitgliedsnr. 2.207.508). Ab 1933 soll Rasche auch Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), dem NS-Rechtswahrerbund und dem NS-Bund für Leibesübungen gewesen sein. Während der Olympischen Sommerspiele 1936 war Rasche stellvertretender Leiter des Reichfachamts für Leichtathletik. Aufgrund dieser Funktion wurde er Ehrengast des Führers auf dem Reichsparteitag und anschließend durch Fritz Kranefuß im Herbst 1936 in den Freundeskreis Himmler eingeführt. In die SS (Mitgliedsnr. 323.879) erfolgte Rasches Aufnahme im Mai 1939 rückwirkend zum November 1938 als SS-Hauptsturmführer. Als Ehrenführer[4] der SS erreichte er 1943 den Rang eines SS-Obersturmbannführers.[5] Nach dem „Anschluß von Österreich“ engagierte sich Rasche bei der Ausweitung des Bankgeschäfts in Österreich und später auch im Sudetenland und dem Protektorat Böhmen und Mähren. Ab Mitte der 1930er Jahre war er Vorsitzender beziehungsweise Mitglied in Aufsichtsräten kriegswichtiger Unternehmen und leitete auch die Ressorts der Tochtergesellschaften Handelstrust West N. V. (Amsterdam) und Continentale Bank S.A. (Brüssel).[1]

Als Vorstandsmitglied der Dresdner Bank analysierte Rasche in dem Fachblatt Der deutsche Volkswirt die durch das Unternehmen Barbarossa 1941 realisierbaren Chancen zur wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes:

"Die größte Aufgabe in der Geschichte unseres Volkes, vielleicht der Weltgeschichte, liegt nunmehr vor uns: die Gestaltung des Ostraumes - politisch und wirtschaftlich [...] Aus der Enge geht es in eine noch ungewohnte Weite, und aus der Rohstoffknappheit soll ein von Natur gegebener Rohstoffreichtum gefördert, erfasst und bewegt werden [...] Schon aus diesen Andeutungen dürfte ersichtlich sein, welcher Zuwachs an Volksvermögen für die neue Ostarbeit zu erwarten ist [...] Es bleiben dann nur noch die Fragen der technischen Ausführung dieses vielleicht größten Amortisationsplanes der bisherigen Wirtschaftsgeschichte."[6]

Ende Dezember 1942 wurde Rasche zum Vorstandssprecher der Dresdner Bank ernannt und übernahm nach der Umstrukturierung der Dresdner Bank zusammen mit Carl Lüer im Dezember 1943 die Vorstandsgruppe West in Bad Nauheim.[7]

Rasche war an der Vermittlung von Krediten an die SS beteiligt, mit welchen auch Zwangsarbeit in SS-Betrieben sowie Konzentrationslagern finanziert und auch die sogenannte „Germanisierung“ im besetzten Osteuropa betrieben wurden. Im Bankgeschäft war Rasche auch an Arisierungen in den Niederlanden und dem Protektorat Böhmen und Mähren beteiligt. Seine Beteiligung an der NS-Beraubungspolitik zeigte sich beispielsweise an der Überführung tschechischer Rüstungsbetriebe an die Reichswerke Hermann Göring, die er gemeinsam mit Hans Kehrl durchführte.[8]

Zitat

„Wer marschiert hinter dem ersten Tank? Das ist Dr. Rasche von der Dresdner Bank!“[9]

Nach Kriegsende

Im April 1945 wurde Rasche bei Bad Nauheim festgenommen und geriet in französische Kriegsgefangenschaft. Nachdem er in Paris vernommen wurde, konnte Rasche in der Französischen Besatzungszone begrenzt eine Tätigkeit zur „Intensivierung grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen“ für die französische Militärregierung aufnehmen. Im November 1945 wurde Rasche zwecks Informationsaustausch durch OMGUS-Ermittler in die amerikanische Besatzungszone bestellt und gleich nach seiner Ankunft in Frankfurt festgenommen. Zunächst wurde er im Darmstädter Gefängnis inhaftiert und gelangte nach Aufenthalten in Frankfurter Zuchthäusern in das Ludwigsburger Lager 74. Von dort wurde er in das Internierungslager Dachau überstellt und kam im April 1947 schließlich als Beschuldigter nach Nürnberg.[10]

Als einziger Bankier aus der Privatwirtschaft wurde Rasche am 4. November 1947 im Wilhelmstraßen-Prozess, der im Rahmen der Nürnberger Prozesse stattfand, angeklagt. Sein Verteidiger war Egon Kubuschok[11], der schon Franz von Papen im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verteidigt hatte. Am 11. April 1949 wurde Rasche schließlich als Kriegsverbrecher wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Raub und Plünderung, „wegen seiner Beteiligung an der Ausraubung Böhmens und Mährens sowie Hollands“[12], sowie Mitgliedschaft in verbrecherischen Organisationen[13] zu sieben Jahren Gefängnis, beginnend mit dem 8. April 1945 [14], verurteilt.[15] Vom Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord wurde Rasche freigesprochen.[16]

Unter dem Anklagepunkt VII Sklavenarbeit konnte die Anklage nicht schlüssig beweisen, ob Rasche „einmal vor dem Kriege gemeinsam mit anderen Persönlichkeiten zusammen Konzentrationslager besucht habe“ und „spricht den Angeklagten Rasche unter Punkt VII nicht schuldig“ weil: „Wir können nicht einfach die Regel aufstellen, daß ein Beamter einer Anleihebank sich schuldig gemacht hat durch die strafbaren Folgen, die eine Anleihe nach sich zog und die der Leiher vielleicht beabsichtigte“ [17].

Rasche wurde im August 1950 vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen. Im Oktober/November1950 wurde Rasche im Entnazifizierungsverfahren als Entlasteter eingestuft.[18] Rasches erneuter Einstellungswunsch bei der Dresdner Bank wurde nicht entsprochen, allerdings einigten sich Vertreter der Dresdner Bank und Rasche im Mai 1951 auf eine einvernehmliche Regelung bezüglich seiner Abfindung und Pensionsansprüchen. Er war schließlich als Unternehmensberater tätig und verstarb infolge eines Herzschlags auf einer berufsbedingten Zugfahrt nach Basel.[1][19]

Tätigkeit in Aufsichtsräten

Vorsitzender des Aufsichtsrats

  • 1938–1945: Perlmooser Cement AG, Wien
  • 1939–1944: Böhmische Escompte Bank, Prag (Tochterbank der Dresdner Bank)
  • 1939–1944: Poldihütte AG, Prag
  • 1941–1945: Handels-Kreditbank AG, Riga
  • 1943–1945: Westdeutsche Bodenkreditanstalt, Köln
  • 1943–1945: Tatrawerke AG, Prag
  • Engelhardt Brauerei AG, Berlin
  • Hardy & Co GmbH, Berlin

stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats

  • 1944 Allgemeine Versicherungs AG, Wien
  • 1936–1945: Dyckerhoff-Portland-Cement-AG, Mainz-Amöneburg
  • 1939–1945: Rheinische Kunstseide AG, Krefeld

Mitglied des Aufsichtsrats

Literatur

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Ralf Ahrens: Der Exempelkandidat – Die Dresdner Bank und der Nürnberger Prozess gegen Karl Rasche. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 52. Jahrgang, Heft 4, 2004, ISSN 0042-5702, S. 637–670.
  • Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Oldenbourg, München 2006, ISBN 978-3-486-57759-4.
  • Ralf Ahrens, Ingo Köhler, Harald Wixforth, Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank 1945–1957: Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58303-8.
  • Das Urteil im Wilhelmstrassen-Prozess. Amtlicher Wortlaut der Entscheidung im Fall Nr. 11 des Nürnberger Militärtribunals gegen von Weizsäcker und andere, mit abweichender Urteilsbegründung, Berichtigungsbeschlüssen, den grundlegenden Gesetzesbestimmungen, einem Verzeichnis der Gerichtspersonen und Zeugen und Einführungen von Robert M. W. Kempner und Carl Haensel. Hrsg. unter Mitwirkung von C. H. Tuerck. (Amtlich anerkannte Übersetzung aus dem Englischen.) Bürger, Schwäbisch-Gmünd 1950.

Weblinks

Literatur von und über Karl Rasche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Einzelnachweise

  1. a b c Ralf Ahrens: Der Exempelkandidat – Die Dresdner Bank und der Nürnberger Prozess gegen Karl Rasche. In: Institut für Zeitgeschichte München (Hrsg.): Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 52. Jahrgang, Heft 4, 2004, S. 641ff.
  2. Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. 2006, S. 477
  3. Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. 2006, S. 95
  4. Das Urteil im Wilhelmstrassen-Prozess : Amtlicher Wortlaut der Entscheidung im Fall Nr. 11 des Nürnberger Militärtribunals gegen von Weizsäcker und andere, mit abweichender Urteilsbegründung, Berichtigungsbeschlüssen, d. grundlegenden Gesetzesbestimmungen, e. Verz. d. Gerichtspersonen u. Zeugen u. Einführungen von Robert M. W. Kempner u. Carl Haensel., S. 274f
  5. Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth: Die Dresdner Bank im Dritten Reich. 2006, S. 482, 485
  6. Karl Rasche: Gesicherter Ostraum - stabile Gesamtwirtschaft. In: Der deutsche Volkswirt 16. Jg. (19. Dezember 1941) Nr. 12/13, S. 392 ff. Zitiert nach: Rolf-Dieter Müller: Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik. Frankfurt a.M. 1991, S. 174-177
  7. Ralf Ahrens, Ingo Köhler, Harald Wixforth, Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank 1945–1957: Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. 2007, S. 25
  8. Gerald Braunberger: Drittes Reich – Opportunisten des Geldes: Bankiers unter dem Hakenkreuz. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Ausgabe 33, 21. August 2005, S. 36
  9. Spottvers über Karl Rasche nach Beginn des Zweiten Weltkrieges. Zitiert bei: Harold James, Avraham Barkai, Karl Heinz Siber: Die Deutsche Bank und die „Arisierung“. Beck 2001, S. 154
  10. Ralf Ahrens, Ingo Köhler, Harald Wixforth, Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank 1945–1957: Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. 2007, S. 83f.
  11. Das Urteil, S. XXI
  12. Das Urteil, S. 236
  13. Das Urteil, S. 274
  14. Das Urteil, S. 277
  15. Vgl. Rainer A. Blasius: Der Wilhelmstraßen-Prozeß gegen das Auswärtige Amt und andere Ministerien. In: Gerd R. Ueberschär: Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952. Frankfurt am Main 1999, S. 187ff.
  16. Florian Hauswiesner: Der Alien Tort Claims Act vom 12. Dezember 2002]
  17. Das Urteil, S. 270
  18. Ralf Ahrens, Ingo Köhler, Harald Wixforth, Dieter Ziegler: Die Dresdner Bank 1945–1957: Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. 2007, S. 64, 455
  19. Todesanzeige von Dr. jur. Karl Rasche, in: Die Zeit, Ausgabe 38 vom 20.September 1951

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