Geburtstag

Geburtstag

Geburtstag. Es liegt in der innersten Natur des Menschen, den Tag zu feiern, wo er geboren worden, wo er zuerst das Licht der Sonne erblickt, wo er hineingetreten ist in die »süße Gewohnheit des Daseins,« wo er zuerst die Luft des Lebens athmete und in den großen Bund von Brüdern und Schwestern trat. Wem je ein geliebtes Kind geboren ward, wer ein theures Weib, einen geliebten Gatten, gute Eltern besaß, begeht gewiß den Tag festlich, wo sie ihm vom Schicksal geschenkt wurden und mit ihrem Dasein sein Dasein verschönerten. An solchen Tagen windet Eltern-, Gatten- und kindliche Liebe Kränze, singt Lieder, ruft Freunde herbei, die sich freuen mit den Freuenden, die Theilnahme um Theilnahme tauschen, und würzt das Mahl mit Jubel Es ist der Geburtstag ein ernster Tag, und geeignet, über unsern Beruf, unsern Lebenszweck und unser Streben nachzudenken. Jeder Geburtstag ist ein Schritt weiter hinein in's Leben und näher zum Grabe; die aufgehende Sonne des Daseins ist zugleich eine untergehende, mit jedem aufkeimenden Blatt am Lebensbaum sinkt ein welkes hinab – die Parze spinnt nur Vernichtung; der erste Schritt des Kindes aus der Wiege ist der erste aus der langen Reihe von Schritten, die wir bis zum Grabe zurückzulegen haben. – Und so feiern wir diesen Tag nicht nur durch Festgaben, durch Blumen und Verse, wir werfen auch einen Blick in uns, auf die vollendete Lebensbahn, auf verrauschte Luft und versunkenes Leid und in die umdämmerte Zukunft. Der Donner des Geschützes verkündet der harrenden Residenz die Geburt des Fürsten, Glockenklang feiert den Tag seines Wiedererscheinens; in der Hütte der Armuth begrüßt freudiger Zuruf, das Wort des Segens, ein lautes Gebet das Erscheinen des jungen Menschen, und die Thräne der Mutter ist die erste Festgabe, welche ihm das Leben reicht. Beglückt, wer recht oft und recht freudig seines Geburtstages gedenken kann, hinter dem das Leben wie ein Seespiegel daliegt, aus dessen heller Flut die Geburtstage wie grüne Eilande, mit Früchten und Blumen geschmückt, auftauchen. So sind uns auch die Geburtstage erhabener Menschen, derer, die sich zum Heile der Welt opferten, der Helden, der segenbringenden Fürsten, der Wohlthäter aller kommenden Generationen heilig und wir begehen sie festlich in ehrwürdiger Erinnerung. Darum hat sie auch die Geschichte verzeichnet. – Die Alten schon feierten den Tag ihrer Geburt auf sinnige Weise in der Mitte ihrer Freunde. Wir wissen von Plato, daß er nach seinem 80. Geburtstage beim freundlichen Mahle im Kreise der Seinigen sanft verschied, wie er es von den Göttern erflehte. Vom reichen Lucullus, vom wirthlichen Atticus, vom heitern Horaz hören wir, daß sie in der Freunde Mitte den Tag feierten, der ihnen das Leben gab und sie dem dunklen Nichtssein entriß. Nur eine Secte der Inder trauert bei der Geburt eines Kindes, weil sie das Leben eine Qual, die Geburt einen schmerzlichen Wechsel ewig kreisenden Lebens nennen. Die civilisirten Nationen heiligen den Tag der Geburt mit Freude und weinen am Scheidetage, der die Liebenden trennt, und nur durch die Hoffnung eines dereinstigen Wiedersehens tröstet. Aber für jeden Gestorbenen ist ein neugeborener Erdenbürger Ersatz, der mit gleicher Anwartschaft auf unsre Liebe in's Dasein tritt.

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http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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