Paris, Texas

Paris, Texas
Filmdaten
Deutscher Titel Paris, Texas
Produktionsland Frankreich, Deutschland
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1984
Länge 147 Minuten
Altersfreigabe FSK 6
Stab
Regie Wim Wenders
Drehbuch L. M. Kit Carson, Sam Shepard
Produktion Don Guest
Musik Ry Cooder
Kamera Robby Müller
Schnitt Peter Przygodda
Besetzung

Paris, Texas ist ein deutsch-französischer Spielfilm aus dem Jahr 1984. Bei dem in englischer Sprache gefilmten Drama führte Wim Wenders Regie, das Drehbuch schrieb L. M. Kit Carson nach einer Vorlage des Bühnenautors Sam Shepard. Argos Films, Channel Four Films und Road Movies Filmproduktion produzierten das Roadmovie. Die Hauptrolle übernahm Harry Dean Stanton. Die deutsche Erstaufführung in den Kinos erfolgte am 11. Januar 1985. Bis Jahresende 1985 gab es rund 1,1 Millionen Kinobesucher in der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Travis, die Hauptfigur des Films, wandert verwahrlost und ziellos durch eine weite texanische Landschaft. Auf der Suche nach etwas Trinkbarem kehrt er in eine vereinsamte Bar ein, nimmt eine Handvoll Eiswürfel zu sich und bricht zusammen. Mittels einer Visitenkarte macht ein Arzt Travis’ Bruder Walt in Los Angeles ausfindig. Dieser reist an, um seinen seit vier Jahren vermissten Bruder abzuholen.

Doch Travis spricht nicht, isst nicht und schläft nicht. Auch weigert er sich, in einem Flugzeug zurück nach Los Angeles zu fliegen, so dass die beiden Brüder den Weg mit dem Auto zurücklegen müssen. Erst allmählich beginnt Travis wieder zu sprechen und zu essen.

Im Haus seines Bruders Walt warten dessen Frau Anne und Travis’ Sohn Hunter auf die Rückkehr der Brüder. Hunter war zum Zeitpunkt des Verschwindens seines Vaters drei Jahre alt. Er wuchs in der Obhut von Walt und Anne auf und sieht diese als seine Eltern an. Die Wahrheit über seine eigentlichen Eltern wurde ihm zwar nie verschwiegen, doch dem plötzlich wieder aufgetauchten Vater nähert sich der Junge nur zögerlich.

Travis erfährt, dass Hunters Mutter Jane jeden Monat an einem bestimmten Tag von einer Bank in Houston Geld an Hunter überweist. Er beschließt, über die Bank Jane wiederzufinden. Als er Hunter in seine Pläne einweiht, möchte dieser ihn begleiten. Gegen den Widerstand von Walt und Anne machen sich beide auf den Weg nach Houston.

Jane arbeitet inzwischen in einer Peepshow: In einer Kabine mit Spiegelwand, nur durchsichtig für zahlende Männer, präsentiert sie sich, hört zu, zieht sich aus. Travis, der sich noch nicht zu erkennen geben will, besucht ihre Kabine. Doch er kann sich kaum überwinden, etwas zu sagen und kehrt zu Hunter zurück. Sie übernachten in einem Hotel.

Am nächsten Tag kehrt Travis in Janes Etablissement zurück. Wieder besucht er ihre Kabine, ohne sich zu erkennen zu geben. Er redet mit ihr über ein Zimmertelefon, über das sie seine Stimme nicht erkennt. Nach und nach versteht Jane, dass die Geschichte, die ihr der unsichtbare Fremde erzählt, ihre eigene ist, und dass der Fremde Travis sein muss.

Travis erzählt die Geschichte ihrer Liebe, die für ihn so groß war, dass er es „für undenkbar gehalten hätte“. Das junge, kaum 18-jährige Mädchen und der deutlich ältere Travis leben in einem Wohnwagen und lieben sich scheinbar grenzenlos. Seine Liebe wird so übermächtig, dass er es nicht mehr aushält, von ihr getrennt zu sein. Als er seine Arbeit kündigt, um mehr Zeit mit ihr verbringen zu können, führt dies zu Geldproblemen. Er fängt wieder an zu arbeiten, kündigt ein weiteres Mal. Jane beginnt, sich Sorgen zu machen, während Travis immer eifersüchtiger wird.

Als Jane ein Kind erwartet, scheint die Beziehung ins Lot zu kommen. Travis, sich jetzt ihrer Treue sicher, beginnt wieder zu arbeiten. Doch nach Hunters Geburt verändert sich Jane. Sie wird zunehmend depressiv, fühlt sich gefangen und leidet unter Albträumen. Als sie Travis von einem Traum erzählt, in dem sie davonrennt, kehren seine Verlustängste heftiger als je zuvor zurück. Er fürchtet Janes und Hunters Flucht, so dass er sie, wann immer er den Wohnwagen verlassen muss, ankettet. Eines Tages brennt der Wohnwagen in seiner Abwesenheit. Bei Travis’ Rückkehr sind Jane und Hunter verschwunden. In Panik rennt er tagelang davon. Seither hat er Jane und Hunter nicht wiedergesehen.

Zur Wiedervereinigung des Paares kommt es nicht, es bleibt bei der Begegnung durch die Spiegelwand. Aber Travis teilt Jane mit, wo sie Hunter treffen kann. Vom Parkplatz des Hotels aus beobachtet Travis, wie sich Jane und ihr Sohn Hunter am Fenster des Hotelzimmers umarmen. Dann fährt er davon.

Rezeption und Wirkung

Der Film feierte seine Premiere am 19. Mai 1984 im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. In der folgenden Zeit wurde er auf mehreren weiteren Festivals gezeigt, unter anderem auf dem Toronto Film Festival. Am 19. September 1984 kam Paris, Texas in die französischen, am 9. November in die US-amerikanischen und am 11. Januar 1985 in die deutschen Kinos. In den USA spielte der Film circa 777.000 US-Dollar ein.

Fast alle Kritiker nahmen den Film positiv auf. Der US-Amerikaner Roger Ebert meinte in der Chicago Sun-Times 1984, Paris, Texas sei ein Film mit der Art von „Leidenschaft und der Bereitschaft zum Experimentieren“, die vor fünfzehn Jahren üblicher als in der heutigen Filmbranche gewesen seien.[1] Auch deutschsprachige Kritiker waren von Paris, Texas angetan. Das Lexikon des internationalen Films lobte: „Eine filmästhetisch bestechende und emotional mitreißende Synthese aus Publikums-wirksamem Genrefilm und europäischem Autorenkino als realistisches Amerikabild, Road Movie, Liebesgeschichte und mythische Allegorie gleichermaßen glaubhaft und faszinierend.“

Die Band Texas benannte sich nach dem Independentfilm, die Band Travis nach der Hauptfigur des Films.

Auszeichnungen

Bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 1984, dem neben der Berlinale und den Filmfestspielen von Venedig bedeutendsten Filmfestival, erhielt der Film den Hauptpreis, die Goldene Palme. Auch wurde er mit dem FIPRESCI-Preis und dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet.

Den Deutschen Filmpreis gewann Paris, Texas als Bester Spielfilm in Silber. Den Deutscher Kamerapreis erhielt Robby Müller in der Kategorie Kamera Spielfilm. Er gewann auch den Bayerischen Filmpreis in der Kategorie Beste Kamera. Bei der Verleihung des David di Donatello gewann Wim Wenders den René-Clair-Preis. Den Fotogramas de Plata-Preis, den Sant Jordi Award und den French Syndicate of Cinema Critics-Preis erhielt der Film als Bester ausländischer Film, die dänische Bodil als Bester europäischer Film.

Bei den BAFTA Awards 1985 gewann der Film in der Kategorie Beste Regie und war auch in den Kategorien Bester Film, Beste Filmmusik und Bestes adaptiertes Drehbuch nominiert. Bei den London Critics Circle Film Awards erhielt er den ALFS Award. Paris, Texas war außerdem für den Golden Globe in der Kategorie Bester ausländischer Film nominiert, musste sich aber David Leans Reise nach Indien geschlagen geben.

Product-Placement

Für die Produktion des Spielfilms wurde mit einem Zigarettenhersteller ein Vertrag über Product-Placement im Umfang von 60.000 DM abgeschlossen, der vorsah die Marke ausschließlich durch die Hauptfigur präsentieren zu lassen. Die Marke sollte stets positiv hervorgehoben werden. Laut Vertragstext waren Einstellungen, in den Produktpackungen mit übervollen Aschenbechern gezeigt werden, … zu vermeiden. Der Zigarettenname musste insgesamt mindestens 45 Sekunden vollständig und deutlich erkennbar sein.[2]

Streit um den Kinostart

Die ursprüngliche Planung sah vor, dass Paris, Texas in den deutschen Kinos bereits am 28. September 1984 anlaufen sollte. Die Produktionsfirma Road Movies Filmproduktion und der Filmverleih Filmverlag der Autoren, dessen Mitglied Wenders bereits seit seiner Gründung 1971 war, hatten vereinbart, zunächst mit 40 Filmkopien in kleineren Kinos zu starten. Nachdem der Film in Cannes ausgezeichnet und von der Kritik gelobt wurde erschien Wenders jedoch eine andere Strategie erfolgsversprechender. Er wollte mindestens 80 Kopien verleihen und den Film in größeren Kinos zeigen lassen. Dabei spielte auch die Erfahrung mit seinem früheren Film Der Stand der Dinge eine Rolle, der beim Festival von Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hatte, im Verleih des Filmverlags jedoch kein Erfolg an den Kinokassen wurde. Der Filmverlag andererseits berücksichtigte zwar auch den Erfolg in Cannes, plante aber nur eine Erhöhung auf 64 Kopien. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die vorhergehenden Filme von Wenders nicht die erhofften guten Einspielergebnisse erzielten.[3]

Anfang August 1984 kündigten Wenders und sein Produzent Sievernich den Verleihvertrag mit dem Filmverlag der Autoren. Im Gegenzug ließ der Filmverlag Wenders per einstweiliger Verfügung öffentliche Stellungnahmen untersagen. Ein Interview mit Wenders in der ZDF-Sendung aspekte wurde daraufhin ohne Ton ausgestrahlt.[4]

Road Movies suchte einen neuen Verleih und fand ihn in der Firma Tobis Film. Der Filmverlag war jedoch nicht bereit die Verleihrechte abzugeben. Unterdessen lief der Film in ausländischen Kinos mit großem Erfolg an. Aus Deutschland wurden Busfahrten zu Vorstellungen in der Schweiz organisiert.[5] Auf dem Filmfestival in Hof wurde Paris, Texas in englischer Sprache erstmals in Deutschland gezeigt.

Im November unterstellte Sievernich Rudolf Augstein, dem Hauptgesellschafter des Filmverlags, eine Vernichtungsstrategie. Hark Bohm, Uwe Brandner und Hans W. Geissendörfer bezogen daraufhin Stellung für den Filmverlag und forderten Wenders zum Einlenken auf. Dennoch verließen Brandner und Geissendörfer im Dezember 1984 den Filmverlag der Autoren. Wenders trat ebenfalls aus dem Filmverlag aus, und auch Rudolf Augstein verkaufte noch 1985 seine Anteile an Theo Hinz, unter dem sich der Filmverlag zunehmend von seinen ursprünglichen Zielen entfernte und kommerzieller wurde.

Am 11. Januar 1985 brachte der Filmverlag der Autoren den Film schließlich doch in die deutschen Kinos, nachdem Wenders erklärt hatte, dem Kinostart nicht weiter im Wege stehen zu wollen.[4]

Literatur

  • Reinhold Rauh: Wim Wenders und seine Filme. Heyne, München 1990

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Roger Ebert
  2. Aktuell ’89, Seite 229, ISBN 3-611-00035-3
  3. Im Palmenrausch. Der Spiegel 33/1984
  4. a b Ein Kampf um Paris, Texas. Der Spiegel 2/1985
  5. Hymnische Klänge. Der Spiegel 41/1984

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