Vorbeugende Verbrechensbekämpfung

Vorbeugende Verbrechensbekämpfung

Die Vorbeugende Verbrechensbekämpfung war ein Maßnahmenkatalog des NS-Regimes zur planmäßigen und präventiven Überwachung von potenziellen Straftätern und auch zum Terror gegen politisch und anderweitig unliebsame Personen. Der Katalog sollte, indem der Anwendungsbereich der „polizeilichen Vorbeugehaft“ um „Asoziale“ erweitert wurde, dazu dienen die „durch die kriminalbiologischen Forschungen gewonnenen Erkenntnisse aus[zu]werten“.

Die beiden Hauptinstrumente waren die „Polizeiliche planmäßige Überwachung“ und die „Polizeiliche Vorbeugehaft“, mit denen die Kriminalpolizei, analog zu der von der Gestapo verhängten „Schutzhaft“, das Recht bekam, Menschen ohne richterlichen Beschluss zu überwachen oder – in der Regel in einem Konzentrationslager – unbegrenzt festzuhalten. Die Maßnahmen richteten sich insbesondere gegen „Berufsverbrecher“, „Arbeitsscheue“, Obdachlose, Sinti und Roma, Prostituierte und Homosexuelle.

Mit dem RunderlassGrundlegender Erlaß über die vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“ des Reichsinnenministeriums vom 14. Dezember 1937 auf Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat wurde die „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ „reichsweit“ vereinheitlicht. Die Vertreter des „völkischen Polizeibegriffs“ verneinten individuelle Abwehrrechte und sahen in der „institutionelle[n] Ermächtigung“ die Polizei als „Staatsschutzkorps“, als „Instrument in der Hand des Führers“ mit der „Verpflichtung [...] die Gemeinschaft vor jedem Schädling durch die hierzu erforderlichen Maßnahmen zu schützen“. Die örtlichen Polizeidienststellen hatten so in der Praxis einen fast unbegrenzten Ermessensspielraum, gegen wen sie die Maßnahmen der „Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ verhängen wollten.

Gemäß den Durchführungsbestimmungen vom 4. April 1938 konnten Personen, die „mindestens dreimal“ zu einer Haftstrafe „von mindestens 3 Monaten rechtskräftig verurteilt worden“ waren, unter „Polizeiliche planmäßige Überwachung“ gestellt werden. Wer „mindestens dreimal“ zu einer Haftstrafe „von mindestens 6 Monaten rechtskräftig verurteilt worden“ war, konnte in „Polizeiliche Vorbeugehaft“ in „geschlossenen Besserungs- und Arbeitslagern […] genommen werden“.

Bestandteil des Verfahrens war, dass Polizeibeamten anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Daten „Kriminelle Lebensläufe“ der betreffenden Personen erstellten. Sowohl bei der „Polizeilichen planmäßigen Überwachung“ als auch bei der „Polizeilichen Vorbeugehaft“ wurden auch Verurteilungen im Ausland berücksichtigt, die nicht länger als fünf Jahre zurücklagen, wobei aber Haftzeiten nicht mitgezählt wurden.

Gegen die „Polizeiliche planmäßige Überwachung“ und gegen die „Polizeiliche Vorbeugehaft“ konnten keine Rechtsmittel eingelegt werden. „Beschwerden und Gesuche“ konnten beim Reichskriminalpolizeihauptamt eingereicht werden, „über Beschwerden gegen die Entscheidungen des Reichskriminalpolizeiamtes [entschied] endgültig der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei“, Heinrich Himmler.

Der Erlass und die Durchführungsrichtlinien wurden insbesondere vom SS-Standartenführer Paul Werner, Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt, verfasst.

Quellen

  • Reichssicherheitshauptamt – Amt V – (Hrsg.): Vorbeugende Verbrechensbekämpfung – Erlaßsammlung. Bearbeitet von SS-Hauptsturmführer Kriminalrat Richrath im Reichssicherheitshauptamt, o. O., o. J., (Berlin 1943).

Forschungsliteratur

  • Andreas Schwegel: Der Polizeibegriff im NS-Staat. Polizeirecht, juristische Publizistik und Judikative 1931-1944. Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148762-1, (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 48), (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 2004).
  • Karl-Leo Terhorst: Polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugungshaft im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte vorbeugender Verbrechensbekämpfung. Müller Juristischer Verlag, Heidelberg 1985, ISBN 3-8114-4085-3, (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts A, 13), (Zugleich: Bonn, Univ., Diss., 1984/85).
  • Patrick Wagner: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Christians, Hamburg 1996, ISBN 3-7672-1271-4, (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte 34), (Zugleich: Hamburg, Univ., Diss., 1995: Kommissar Sisyphus träumt vom letzten Fall).

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