Eisenbahn

Eisenbahn

Eisenbahn (railway, railroad; chemin de fer, voie ferrée; ferrovia, strada ferrata).


Inhalt: Einleitung. Begriffserläuterung auf geschichtlicher Grundlage. – A. Einteilung der E. – B. Bedeutung der E. für den Verkehr; Verminderung der Reisezeit; Massenbeförderung; Regelmäßigkeit des Verkehrs; Sicherheit des Verkehrs; höhere Gütestufe der Beförderung; Leistungsfähigkeit der Lokomotiven und Wagen. – C. Wirkungen der E. I. Im Wirtschaftsleben; II. Politische und soziale Wirkungen; III. Einfluß auf Volksbildung, auf die Wissenschaften und Künste; IV. Militärische Bedeutung. – D. Entwicklung der E. der Erde. – Literatur.


E. ist im weitesten Sinne jede mit eisernen Schienensträngen als Spur der Fahrzeuge ausgerüstete Bahn. Unter Bahn (line, trackway ligne, voie) versteht man eine künstliche Unterlage für Fuhrwerke, die zu dem Zwecke hergestellt wird, die Bewegung der Fuhrwerke durch Verminderung der Bewegungswiderstände zu erleichtern (Fahrbahn der Straße). Erhält die Bahn ein Gleis, durch das der Weg des Fahrzeuges geregelt und sein Widerstand noch weiter vermindert wird, dann wird sie zur Spurbahn. So hatten die alten Griechen ihre Straßen, auf denen die Opferfuhrwerke zu den großen Festspielen befördert wurden, mit Spurrillen für die Räder versehen; auch Ausweichen waren angelegt. Ebenso pflegten die Römer den Verkehr auf manchen Straßen durch Spurrillen zu erleichtern; auf den alten Römerwegen in Bosnien finden sich noch Rillen in der felsigen Fahrbahn.

In anderer Form und als Ausgangspunkt der Eisenbahn begegnet man der Spurbahn zu Ende des Mittelalters in deutschen Bergwerken, von wo aus sie durch Bergleute nach England gebracht wurde und zuerst (um das Jahr 1620) in Südwales bei der Förderung in Bergwerken über Tag Verwirklichung fand. Das Gleis bestand aus Holzbohlen, die auf Querhölzern festgenagelt waren. Schrittweise vervollkommnete man diese Holzbahnen; von den Verbesserungen ist als wesentlichste die Anbringung einer Leiste an der Innenseite der Bohlen zu erwähnen, die das Abgleiten der Räder von der Bahn verhinderte. Ein Preissturz des Eisens i. J. 1767 veranlaßte den Mitbesitzer der Colebrook Dale-Werke, Mr. Reynolds, das im Vorrat erzeugte Eisen in starke, oben konkave Platten zu gießen und mit diesen die Holzbohlen der Spurbahnen zu belegen, um so bei dem starken Verkehre die rasche Abnutzung der Bohlen auf seiner Kohlenbahn zu verhindern. Die Anordnung bewährte sich so vorzüglich, daß Reynolds die Absicht, bei höheren Eisenpreisen die Platten wieder abzunehmen, nicht verwirklichte; vielmehr wurden auch anderwärts die Holzbahnen durch Colebrook Dale-Schienen verbessert.

Ein vollkommeneres Schienenprofil wurde i. J. 1776 von B. Curr in Sheffield eingeführt, der einen Rand an die Außenkante der Platten angoß und dadurch die Fuhrwerke in der Spur festhielt. Der Abstand, der Ränder war, der englischen Straßenspur entsprechend, 5' engl. (= 1∙525 m). Dieses Maß wurde auch später bei Schienen mit flachem Kopfe von Außenkante zu Außenkante beibehalten, woraus sich für den Abstand der Innenkanten 4' 81/2'' engl. (= 1∙435 m) – die seitherige Regel-, Voll- oder Normalspur (s.d.) – ergab. Diese Schienen wurden 1789 von Jessop verbessert; die ersten schmiedeeisernen Schienen wurden von Birkenshaw verwendet. Im Jahre 1793 goß Outram 3' lange Schienenstücke, unten durch eine Rippe in Fischbauchform versteift, und verlegte sie auf Steinwürfeln; die Karren erhielten, wie dies in Gruben schon längere Zeit üblich war, Spurkränze an den Rädern, um sie auf der hohen Schiene festzuhalten. Das Gleis konnte mithin nicht mehr von jedem Straßenfuhrwerke befahren werden; die eiserne Spurbahn tritt als selbständiges Verkehrsmittel auf; die Entwicklung der Spurbahn als solche ist abgeschlossen; es beginnt das Zeitalter der E.

Die erste Spurbahn wurde durch Menschenkraft betrieben, an deren Stelle sehr bald außerhalb der Bergwerke tierische Betriebskraft (Pferdebetrieb) trat.

Im Jahre 1801 wurde die erste Konzession zum Betrieb einer E. vom englischen Parlament erteilt. Es war dies eine für den Transport von Kohlen, Getreide sowie anderer Güter bestimmte, mit Pferden betriebene E. von Wandworth nach Croydon (bei London). Die Konzession wurde der »Surrey E.-gesellschaft« erteilt und ihr gleichzeitig auch bewilligt, Personen zu festgesetzten Preisen zu befördern. Die Erteilung weiterer Konzessionen erfolgte nun fast in jedem Jahre. 1821 wurde die gleichfalls für Pferdebetrieb eingerichtete E. von Stockton-on-Tees konzessioniert, auf der Stephenson seine, eine neue Ära begründenden Versuche zur Einführung der Dampflokomotive erfolgreich durchführte. Hiermit ist erst die E. im eigentlichen Sinne des Wortes fertig und unterschieden die Engländer fortan, indem sie den Namen »railway« nur den Dampfbahnen vorbehalten, diese gegen die lokalen Bahnen mit Pferdebetrieb, die sie »tramway« benennen.

Mit den ersten eisernen Gleisbauten setzten schon die Versuche ein, die Fahrzeuge mit Dampfkraft fortzubewegen.

1830 gelangte auf der Liverpool-Manchester-E. die auf Grund eines Wettbewerbs von George Stephenson erbaute Lokomotive zur Verwendung, die ansehnliche Lasten mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit zu befördern vermochte. Dieses Ereignis wirkte bahnbrechend für das gesamte Verkehrswesen der Erde.

Allerdings waren die Dampflokomotiven bis nahezu gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von der Anwendung auf Steilrampen ausgeschlossen, über die die Züge durch feststehende Dampfmaschinen befördert wurden; dann aber eroberten sie sich auch rasch die Gebirge.

Der Dampf bildete also fast ausschließlich die Betriebskraft der E. und wird auch jetzt noch unter den maschinellen Kräften, die als Motoren im Eisenbahnwesen dienen, am meisten angewendet, so daß der Begriff der E. mitunter auf Dampfbahnen eingeschränkt wird (Sax, Gleim u.a.). Da auch die Gesetzgebung sich eigentlich erst seit Entwicklung der Lokomotiveisenbahnen mit dem Eisenbahnwesen zu befassen anfing, werden bei zahlreichen Bestimmungen des Eisenbahnrechtes nur Dampfbahnen berücksichtigt. Auch heute noch wird das Eisenbahnrecht in vollem Umfange nur auf die mit Dampfkraft betriebenen E. angewendet.

Die weitere Entwicklung des Eisenbahnwesens führte wieder zu einer ausgedehnten Anwendung des Pferdebetriebes bei den Straßenbahnen innerhalb der Städte, für die die Dampflokomotive sich – besonders wirtschaftlich – als ungeeignet erwies. Der wachsende Verkehr der Straßenpferdebahnen aber drängte zur Benutzung maschineller Kräfte. Über Gas- und Benzinmotoren, Preßluftwagen und Petroleummotoren gelangte man zur Elektrizität, die die Pferde von den Straßenbahnen (Trambahnen) fast vollständig verdrängte und auch auf den bisher ausschließlich mit Dampf betriebenen E. den Kampf gegen die Dampflokomotive in vielen Fällen mit Erfolg führt. Der Betrieb der Bergbahnen, deren Bau in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts einsetzte, ging ebenfalls von der Anwendung des Dampfes bei den Zahnbahnen aus, griff aber bei ihrer weiteren Entwicklung namentlich als Seilbahnen zu anderen motorischen Kräften, wie Wasserdruck und Elektrizität. So wurden also und werden auch zurzeit die Fahrzeuge auf Eisenbahnen in weitaus überwiegendem Umfange durch maschinelle Kraft bewegt, eine Tatsache, die so ausschlaggebend erscheint, daß einzelne Schriftsteller sie als Voraussetzung für die Einreihung eines Verkehrsmittels unter den Begriff der E. erklären (Ulrich, Haushofer, v. der Leyen).

Die tierische und die menschliche Muskeltätigkeit werden aber noch immer und wohl auch in Zukunft zur Erzeugung der Zugkraft benutzt werden; die so betriebenen Spurbahnen erfüllen innerhalb ihres engeren Wirkungskreises ihre Aufgabe, die Ermöglichung einer wirtschaftlichen Beförderung, in gleicher Weise wie die maschinell betriebenen E. bei umfangreicheren Anlagen. Wenn auch erst durch die Anwendung der maschinellen Kraft die E. in den Stand gesetzt wurden, die großartige Aufgabe auf dem Gebiete des Verkehrswesens zu erfüllen, so mußte doch dieser Anwendung zunächst der zweckmäßige Bau des Gleises der eisernen Spurbahn vorausgehen. Die Gegenwart kennt auch bereits auf der gewöhnlichen Straße die Anwendung maschineller Kraft zur Fortbewegung von Fahrzeugen neben animalischer oder menschlicher Muskeltätigkeit (Automobil, s. Gleislose Bahnen); es bildet also gerade das eiserne Gleis infolge der hierdurch bewirkten Verminderung der Bewegungswiderstände und der erzielten bedeutenden Ausnutzung maschineller und tierischer Kraft das Kennzeichen der E., während die Art der Triebkraft für die Fortbewegung der Fahrzeuge auf diesem Gleis wohl den Bau und die Betriebsweise beeinflußt, aber den Begriff der E. nicht berühren kann. In diesem Sinne wird auch sehr zutreffend in einer Entscheidung des deutschen Reichsgerichtes v. 17. März 1879 die E. als ein Unternehmen bezeichnet, »gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen und Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, die durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen, bzw. die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist und durch diese Eigenart, in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Elektrizität, tierische oder menschliche Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung), beim Betrieb des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige Wirkung zu erzeugen fähig ist.«

A. Die Einteilung der E. läßt sich von den verschiedenartigsten Gesichtspunkten aus durchführen:


1. Nach dem Verkehrszweck unterscheidet man im allgemeinen E. für den öffentlichen Verkehr und Bahnen für Privatzwecke (Privatanschlußgleise); letztere sind nach ihrem besonderen Zweck wieder als Arbeits-, Fabriks-, Industrie-, Schleppbahnen u.s.w. zu unterscheiden. Ferner spricht man von Personen- (Touristen-) und Güterbahnen, Landwirtschafts- und Forst- (Holz-, Wald-) Bahnen zur Beförderung der landwirtschaftlichen und Forsterzeugnisse, weiter Erz-, Kohlen-, Salinenbahnen u. dgl. Militärbahnen dienen zur Beförderung von Militär oder zu militärischen Versuchszwecken.

2. In bezug auf die Person des Eigentümers können die E. Staats- oder Reichs-(Bundes-), Landes-, Kreis- (Regional-, Departements-), Bezirks-, Gemeindebahnen oder Privatbahnen sein.

3. Nach den Beweggründen, die für die Erbauung einer Bahn maßgebend sind, unterscheidet man militärische (strategische) und kommerzielle E.

4. Nach der Lage zu anderen Bahnen sind Anschluß-, Zweig-, Verbindungsbahnen zu unterscheiden; als Sackbahnen bezeichnet man Bahnen, die an einem Endpunkt keinen Anschluß haben. Aus dem Verhältnis zu anderen Bahnen entspringen auch die Bezeichnungen: Nachbar-, Wettbewerbs-(Konkurrenz-), Parallelbahnen u. dgl.

5. Nach den Bodenverhältnissen spricht man von Flachland- (Tal-), Hügelland- und Gebirgsbahnen (Alpenbahnen), ferner von Bergbahnen; nach der Führung der Linie von Gürtel-(Ring-), Radial-, quer durchgehende (Transversal-) Bahnen u. dgl.

6. Die bauliche Anlage schafft viele Unterscheidungen; so nach der Zahl der Gleise: ein-, zwei-, mehrgleisige Bahnen; nach der Spurweite: breit-, voll- und schmalspurige Bahnen; nach der Lage des Planums: Gelände-, Tief- (Unterpflaster- und Untergrund-), Hoch- (Pfeiler-) und Straßenbahnen; ferner spricht man von ein- und zweischienigen Bahnen, von Stand- und Schwebebahnen, von festen, tragbaren (Feld-) und fliegenden Bahnen.

7. Je nach der Art, in der die Züge auf den Gleisen fortbewegt werden, unterscheidet man Reibungsbahnen, bei denen lediglich die Reibung zwischen Rad und Schiene als Zugkraft benutzt wird; ferner Zahnbahnen mit Zahnstangen zwischen den Laufschienen zur Überwindung großer Steigungen, endlich Seil- (Tau-) Bahnen, bei denen die Fortbewegung der Fahrzeuge durch Vermittlung eines Seiles erfolgt.

8. Nach der bewegenden Kraft kommen in Betracht: Dampfbahnen (Betrieb mit Lokomotiven oder mit feststehender Maschine), elektrische Bahnen, atmosphärische und Druckluft- (pneumatische) Bahnen, Bremsberge, Bahnen mit Preßwasserbetrieb (Gleitbahnen), Pferdebahnen u.s.w.

9. Nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Verkehres, dem sie dienen sollen, unterscheidet man Haupt- (Voll-) und Nebenbahnen (Bahnen untergeordneter Bedeutung), Lokal-, Vizinal-, Sekundär-, Tertiär-, Kleinbahnen, Stadtbahnen, Tramways u.s.w.; es sind dies auch Bezeichnungen, mit denen man zugleich Unterscheidungen in bezug auf die Anlage und Betriebsverhältnisse verbindet.


Die Einteilung der E. in technischer und wirtschaftlicher Beziehung ist insofern von Bedeutung, als es hiedurch ermöglicht wird, Grundsätze und Vorschriften aufzustellen und anzuwenden, die der Eigenart der verschiedenen Eisenbahngattungen sowohl in technischer Beziehung, als auch in bezug auf Betrieb, Verwaltung und Politik (Verwaltungssystem, Staatsaufsicht, Staatshilfe, Tarifgestaltung u.s.w.) tunlich Rechnung tragen, so daß jede Bahngattung sich ihrem Wesen entsprechend entwickeln kann und ihre zweckmäßige Anwendung in keiner Weise behindert wird. Allerdings hat bisher weder in der Gesetzgebung, noch in der Wissenschaft eine von den vielen vorgeschlagenen Einteilungen der E. allgemeine Zustimmung oder Anwendung gefunden. Mit Rücksicht auf die außerordentliche Vielgestaltigkeit der E. und auf das berechtigte Bestreben nach tunlichem Anschmiegen der E. an die jeweilig obwaltenden Verhältnisse, wie auch im Hinblick auf die hohe Ausbildung der Technik, die diesem Bestreben in weitgehendem Maße gerecht zu werden bemüht ist, erweist sich auch eine allgemeine Einteilung der E. vom technisch-wirtschaftlichen Standpunkte aus sehr schwierig. Max M. v. Weber, der den Grundsatz der »Individualisierung« der E. aufgestellt hat, bezeichnete von diesem Gesichtspunkte aus die Einteilung der E. in Klassen als überflüssig, ja in ihren Folgen unter Umständen sogar als schädlich.


Der VDEV. unterscheidet:

1. Hauptbahnen,

2. Nebenbahnen, das sind vollspurige, dem öffentlichen Verkehre dienende E., auf die Fahrzeuge der Hauptbahnen übergehen können, bei denen aber die Fahrgeschwindigkeit von 50 km/Std. nicht überschritten werden darf, und für die – entsprechend der geringeren Geschwindigkeit und dem einfacheren Betrieb – erleichternde Bestimmungen Platz greifen dürfen.

3. Lokaleisenbahnen, das sind vollspurige oder schmalspurige Bahnen untergeordneter Bedeutung, die dem öffentlichen Verkehr, jedoch vorwiegend dem Nahverkehre dienen, mittels Maschinenkraft betrieben werden und bei denen in der Regel die Fahrgeschwindigkeit von 35 km/Std. nicht überschritten wird.

Diese Einteilung erscheint insofern beachtenswert und zutreffend, als sie vorwiegend auf die Größe der Fahrgeschwindigkeit Rücksicht nimmt und im engen Zusammenhange mit der technischen Anlage und der volkswirtschaftlichen Bedeutung, wie auch z. T. mit der juridischen Behandlung der E. – allerdings im Bereiche des VDEV. – steht.

Ähnlich hat Ulrich (Arch. f. Ebw. 1884) die E. in technischer Beziehung eingeteilt, daneben aber auch eine Einteilung auf wirtschaftlicher Grundlage aufgestellt, wobei er Bahnen von allgemeiner und von örtlich wirtschaftlicher Bedeutung unterscheidet. Wagner (Finanzwissenschaft I, Leipzig 1883) hält an der Zweiteilung fest, während Sax (Verkehrsmittel, II. Bd., Wien 1879) eine Dreiteilung empfiehlt und Haushofer (Grundzüge des Eisenbahnwesens, Stuttgart 1875) vier Klassen von Bahnen unterscheidet. Alle diese Einteilungen, wie auch andere von Kaven, v. Ziffer u.s.w. leiden an der Schwierigkeit oder eigentlich Unmöglichkeit, für die Einteilung in wirtschaftlicher Beziehung scharf umgrenzte, unterscheidende und grundlegende Merkmale aufzustellen.


Auch in den meisten Eisenbahnstaaten sind zumeist gesetzliche Einteilungen durchgeführt; die Begriffsbestimmungen für die einzelnen Arten sind jedoch sehr verschieden. Mitunter ist eine Einteilung ganz vermieden und wird die Einreihung einer Bahnlinie durch die Behörden unter Berücksichtigung aller einschlägigen Verhältnisse auf Grund der Bedeutung der Bahn nach dem Sinne der Gesetze vorgenommen.


In Deutschland unterscheidet man nach der BO.: Hauptbahnen und (voll- und schmalspurige) Nebenbahnen. Welche E. als Nebenbahn zu betrachten und zu behandeln ist, hängt von der Entschließung der zuständigen Landesbehörde ab. Mit Gesetz vom 28. Juli 1892 wurde in Preußen der Begriff der Kleinbahn eingeführt; hierzu werden alle Bahnen gerechnet, die zwar dem öffentlichen Verkehre dienen, aber wegen ihrer geringen Bedeutung dem Gesetze über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. Nov. 1838 nicht unterliegen. Ob die Voraussetzung dieses Gesetzes vorliegt, entscheidet das Staatsministerium. Die Bahnen untergeordneter Bedeutung haben in den verschiedenen außerpreußischen Staaten Deutschlands verschiedene Bezeichnungen erhalten; in Bayern wurden sie früher als »Vizinalbahnen«, später als »Lokalbahnen« angeführt, in Baden nennt man sie Lokal-, Zweig- und Verbindungsbahnen, in neuerer Zeit Lokal- und Nebenbahnen, in Hessen Nebenbahnen und Kleinbahnen; daneben unterscheidet man noch in allen Staaten Privatanschlußbahnen, die nicht dem öffentlichen Verkehre dienen und vorwiegend Güter befördern.

In Österreich werden Hauptbahnen, Lokalbahnen und Kleinbahnen unterschieden. Lokalbahnen sind E., die bezüglich der technischen Anlage und Leistungsfähigkeit hinter den Hauptbahnen zurückstehen, jedoch den Verkehr im weiteren Umkreise, insbesondere die Zufuhr zu den Hauptbahnen vermitteln, während zu den Kleinbahnen die Bahnen gezählt werden, die für den allgemeinen Eisenbahnverkehr von geringerer Bedeutung sind, besonders aber diejenigen, die hauptsächlich den öffentlichen Verkehr innerhalb einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden vermitteln; zu den Kleinbahnen gehören auch Seilbahnen, Schwebebahnen und andere eisenbahnähnliche Transportmittel, sofern sie für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind und von der Regierung als Kleinbahnen anerkannt werden. Ob eine E. als Haupt-, Lokal- oder Kleinbahn zu gelten hat, hängt von der Art der Konzessionierung ab.

In Ungarn teilt ein kürzlich erlassenes Gesetz über Nebenbahnen diese ein: in Lokalbahnen, landwirtschaftliche Bahnen, Stadt- oder Straßenbahnen, Privatbahnen und Anschlußgleise.

In Belgien besteht die gleiche Einteilung wie in Frankreich; nur spricht man hier von Vizinalbahnen, statt von Lokalbahnen.

In Frankreich kennt man auf Grund der gesetzlichen Regelung: Chemins de fer d'intérêt général (Hauptbahnen), chemins de fer d'intérêt local (Lokalbahnen) und Tramways (Straßenbahnen).

Auch in den Niederlanden unterscheidet man Haupt-, Regional- oder Vizinalbahnen und Straßenbahnen; auf den Regionalbahnen darf die Geschwindigkeit 30 km/Std., die Achsbelastung 10 t, auf den Straßenbahnen die Geschwindigkeit 15 km/Std. nicht überschreiten.

In Italien kennt das Gesetz Lokal-, Vizinal- und Straßenbahnen; unter den letzteren genießen die Vorortelinien mit mechanischer Bewegungsart besondere staatliche Berücksichtigung.

In der Schweiz werden nach dem Bundesgesetz vom Jahre 1899 als Nebenbahnen alle Bahnen angesehen, die vorwiegend lokalen oder besonderen Zwecken dienen und den Durchgangsverkehr nicht vermitteln; zu ihnen gehören die Zahnrad- und Drahtseilbahnen, die Straßenbahnen und Trambahnen, alle Schmalspurbahnen und die durch Bundesratsbeschluß bestimmten Vollspurbahnen.

In Spanien hat die Dreiteilung der E. nicht Eingang gefunden; alle Bahnen, die nicht in das Netz der E. von allgemeinem Interesse fallen, werden als Kleinbahnen bezeichnet.

In England und Schottland hat sich neben den Hauptbahnen der Begriff der »light railways« eingebürgert, während in Irland durch Parlamentsakte, die neben den Hauptbahnen und den light railways auch Tramways kennen, die Dreiteilung zur Geltung gelangte.


B. Bedeutung der E. für den Verkehr.

Keine andere Erfindung hat so tief und so umwälzend in die gesamte Tätigkeit der Menschen eingegriffen und alle Kulturverhältnisse so von Grund aus verändert, wie die Erfindung der Lokomotiveisenbahn. Die Ursache dieser Wirkung, die bisher in gleicher Weise noch keine andere Erfindung zur Folge hatte, lag in der durch die Lokomotiveisenbahn gebotenen Möglichkeit einer raschen, billigen, pünktlichen und sicheren Massenbeförderung.

Am schärfsten trat zunächst bei der ersten Verbreitung der E. die Verminderung der Reisezeit hervor, die eine Folge der größeren Fahrgeschwindigkeit und der kürzeren Aufenthalte war (vgl. im einzelnen den Artikel: Fahrgeschwindigkeit). Schon dadurch wurden die Kosten der Reisen und der Güterbeförderung vermindert; aber auch in der durch die Lokomotivbahn ermöglichten Beförderung großer Massen lag eine weitere, in ihren Folgen besonders wirksame Ursache der Verbilligung des Personen- und Güterverkehrs. Nach Sax wurden durch die E. die Kosten der Personenförderung um mehr als 50%, die der Güterförderung um etwa 75% gegenüber den Gebühren der Straßenbeförderung herabgemindert. Die Kohlenbeförderung kostete im Rheinlande Westphalen um die Zeit, da die ersten E. geplant wurden, für den tkm berechnet durch Frachtfuhrwerk 40 Pf., die anfängliche Fracht auf der E. betrug 13–14 Pf. Die heutige normale Fracht beträgt 2∙2 Pf. und der Frachtsatz der Ausnahmstarife bis zu 1∙25 Pf. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Eisen, Getreide u.s.w. Perdonnet berechnete für das Jahr 1864 den Minderaufwand infolge der E. im Personen- und Frachtverkehr für Frankreich auf 500 Millionen Frcs. jährlich, d. s. die Zinsen eines Kapitales von 10 Milliarden Francs.

Die Regelmäßigkeit des Verkehrs wurde durch die E. in einer Weise zur Geltung gebracht, wie man sie früher nicht annähernd gekannt hatte. Für die Personenbeförderung war durch die Post allerdings eine gewisse Regelmäßigkeit geschaffen; dennoch war sie sehr von Zufälligkeiten mannigfaltiger Art, die Störungen und Unterbrechungen herbeiführten, abhängig. Ungünstiger war es mit der Regelmäßigkeit im Frachtenverkehre bestellt, da er von den Witterungsverhältnissen abhängig war, u. zw. nicht nur, weil die Tiere und ihre Begleiter der ungünstigen Witterung nicht standzuhalten vermochten, sondern auch, weil die Erhaltung der Tiere zu Rücksichten nötigte und weil der Zustand der Straßen, der schon bei gutem Wetter meist sehr mangelhaft war, bei Regen und Schnee geradezu elend wurde. Auch die Seeschiffahrt ist ähnlichen Störungen der Regelmäßigkeit durch Gegenwind, die Fluß- und Kanalfahrt durch Trockenheit, Frost u. dgl. ausgesetzt. So erreichte z.B. eine Fracht von Steinkohlen, die im November 1834 in Gleiwitz auf dem Klodnitzkanal verladen worden war, ihren Bestimmungsort Breslau erst nach zweimaliger Überwinterung und Umladung auf kleinere Fahrzeuge im Herbst 1836. Zudem war der frühere oder spätere Abgang des Gutes, wenn man nicht die teuere Eilgutbeförderung wählte, davon abhängig, ob und wann der Fuhrmann volle Ladung hatte.

Entgegen diesem Zustande gleicht die Regelmäßigkeit des Eisenbahnverkehrs einem Uhrwerk, und die dadurch gewonnene Sicherheit in der Verkehrszeitberechnung ist sowohl für das persönliche wie für das Güterleben höchst wertvoll, wenn sich auch der Gewinn zahlenmäßig nicht feststellen läßt. Nicht nur, daß die E. die Unbilden und Hindernisse der Witterung ohne Gefahr für Reisende und Güter überwindet, findet die Beförderung ohne Unterschied der Tageszeit und ohne Unterbrechung in feststehenden Zeitabständen und nach festen Fahrplänen statt. Der Reisende kann auf die größten Entfernungen die Zeit seiner Ankunft am Reiseziel auf Stunde und Minute vorausbestimmen. Die Güterbeförderung ist zwar durch die Fahrpläne ebenfalls in bestimmter Weise geordnet; indessen kann hier der Versender den Zeitpunkt des Eintreffens des Gutes am Bestimmungsort derzeit in der Regel noch nicht so genau berechnen.

Größere Störungen in der Regelmäßigkeit des Bahnverkehres werden – von Unfällen abgesehen – lediglich durch Einwirkung von Elementarkräften (Überschwemmungen, Rutschungen u. dgl.), sowie durch Stauungen infolge übermäßigen Personen- und Güterandranges oder durch absichtliche Verzögerungen in der Betriebsabwicklung (Streik u.s.w.) herbeigeführt. Kleinere Zugsverspätungen kommen wohl aus verschiedenen Anlässen vor; doch sind sie weder in bezug auf die Zahl der verspäteten Züge, noch auch auf die Dauer der Verspätungen so bedeutend, daß sie eine ungünstige Rückwirkung auf den Eisenbahnverkehr ausüben und dessen Wert schmälern könnten; auch wird in dieser Hinsicht eine strenge staatliche Überwachung ausgeübt.


Freilich wurde der hohe Grad der Regelmäßigkeit im Eisenbahnbetriebe nur allmählich erreicht. Noch im Jahre 1844 war – um nur ein Beispiel zu erwähnen – für die auf der Düsseldorf-Elberfelder Bahn zur Personenbeförderung dienenden gemischten Züge ein Größtwert für die Fahrzeit nicht vorgesehen, weil, wie es in dem Geschäftsbetriebe hieß, die auf der Fahrt eintretenden Hindernisse sich nicht voraussehen ließen; auch pflegte man fast allgemein, selbst noch in den Vierzigerjahren, die Abfahrts- und Ankunftszeiten der Züge nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt eines Spielraumes von 10–15 Min. anzugeben. Mit der stetigen Erweiterung des Eisenbahnnetzes, namentlich infolge des Baues durchgehender Linien und von Anschlußbahnen, wie auch mit der fortwährenden schnellen Zunahme des Verkehrs und des rasch wachsenden Einflusses des Eisenbahnverkehrs auf alle Lebensverhältnisse wuchs die Notwendigkeit einer streng geregelten und geradezu peinlich genauen Abwicklung des Betriebes; denn nur bei gewissenhafter Einhaltung der Fahrordnung ist es möglich, den Anschlußverkehr im kleinen und großen, d.i. im Bereiche engerer Gebiete, wie eines ganzen Festlandes, zufriedenstellend zu bewirken und auch bei einem lebhaften Nahverkehre größere Störungen zu vermeiden.


Die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs ist – wie die Statistik lehrt – weitaus größer als die des Landstraßenverkehrs. So wurde für Frankreich berechnet, daß der Eisenbahnverkehr eine Steigerung der körperlichen Sicherheit bis zum 16fachen gegenüber dem Reisen mittels Post und Messagerien herbeigeführt habe. Für England hat man nachgewiesen, daß es bei weitem nicht so gefährlich sei, daselbst einen Tag mit der E. zu reisen, wie während derselben Zeit in den belebteren Teilen Londons zu gehen, wo durch Straßenwagen jährlich 7–8mal so viel Menschen umkommen, wie auf den E. in ganz Großbritannien. Die Behauptung von der größeren Sicherheit auf den E. gegenüber jener auf den Landstraßen gilt nicht nur für den Personen-, sondern auch für den Güterverkehr. Einzelne Unfälle, die gewöhnlich wegen der Zahl der Opfer und der Größe des Schadens, wie namentlich auch durch ihre oft schrecklichen Begleiterscheinungen weitreichendes Aufsehen verursachen, können an dieser Tatsache nichts ändern, denn die hierbei getöteten oder verletzten Reisenden bilden nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der Gesamtzahl aller durch die E. beförderten Personen. Ebenso betrifft auch der Schaden an Waren nur einen ganz geringen Teil aller bewegten Güter (vgl. die Artikel: Betriebssicherheit und Unfälle).

Auch abgesehen von der Sicherheit steht die Eisenbahnbeförderung auf einer höheren Gütestufe. Die ersten Personenwagen der E. waren den unbequemen Postkutschen nachgeahmt und bestanden aus Plattformwagen mit Sitzen, wobei die Reisenden dem Funkenfluge und den Unbilden der Witterung preisgegeben waren.

Die allmählichen Verbesserungen in der Bauart der Wagen bezweckten, den Reisenden größere Bequemlichkeit und Sicherheit zu gewähren und haben heute zu einer Ausstattung geführt, die mitunter alle berechtigten Ansprüche an Bequemlichkeit übersteigt. Im internationalen Verkehr oder für ganz besondere Züge ist schon das auf einen Fahrgast entfallende Gewicht der Personenwagen auf über 1∙6 t gestiegen. Aber auch in der Güterbeförderung steht der neuzeitliche Eisenbahnverkehr auf einer wesentlich höheren Gütestufe als der Landstraßenverkehr. Der Schutz der Güter gegen den Einfluß der Witterung ist größer, ihre Lagerung und Bergung ist besser und die Erschütterung der Güter ist geringer (vgl. die Artikel über Personen- und Güterwagen).

Die Massenleistung der E. gründet sich einerseits darauf, daß die gleich große Zugkraft auf dem glatten Schienenwege bei wagrechter Gleislage etwa das 12fache gegenüber der Beförderung auf guter Landstraße leistet, ein Vorteil, der bei einer Steigung von 3∙33 (1 : 300) noch immer das 6fache, bei einer Steigung von 33∙33 (1 : 30) noch das Doppelte der Leistung auf der Landstraße beträgt, anderseits auf der höheren Leistungsfähigkeit des mechanischen Motors. Wagen und Motor wirken also zusammen, um Leistungen zu ermöglichen, die in ihrer Großartigkeit durch tierische Kräfte überhaupt nicht zu erreichen sind (vgl. Lokomotiven).


C. Wirkungen der E.

Die Wirkungen der eben besprochenen Verbesserungen der Beförderung durch die E. waren für alle Verhältnisse des persönlichen und Gemeinlebens so mächtig und führten zu einer derartigen Umgestaltung des gesamten Kulturlebens, daß das 19. Jahrhundert, das Zeitalter des Dampfes, ein völlig neues, von allen verflossenen Jahrhunderten abweichendes Gepräge bekommen hat.

I. Wirkungen im Wirtschaftsleben. Die Umwälzung, die das Wirtschaftsleben durch die E. erfahren hat, zeigt sich vorwiegend auf dem Gebiete des Güterverkehres, in geringerem Maße auch auf dem des Personenverkehres. Zu den wichtigsten Wirkungen des Personenverkehres in wirtschaftlicher Beziehung gehört die Ausgleichung des Arbeitslohnes. Die Verbilligung und Erleichterung des Personenverkehrs vermehrt die Freizügigkeit der arbeitenden Bevölkerung. Durch die Erleichterung des persönlichen Verkehrs wird es dem Käufer ermöglicht, unmittelbar mit dem Produzenten in Verbindung zu treten und unter Umständen die Kosten des Zwischenhandels zu ersparen. Noch wichtiger ist aber der persönliche Verkehr bei der Industrie.

Auf dem Gebiet des Warenverkehrs übten die E. eine verkehrsschaffende und preisregelnde Wirkung. Die verkehrsschaffende Wirkung beruht darauf, daß mit der fortschreitenden Ausdehnung der Eisenbahnlinien im Zusammenhang mit der Wohlfeilheit und Schnelligkeit viele Güter, die früher gar nicht oder nur in beschränktem Umfange versandfähig waren, auf die weitesten Entfernungen transportfähig wurden.

Während die E. bei geringwertigen Gütern, besonders bei den Rohprodukten, das Absatzgebiet außerordentlich erweitert hatten, wurden für höherwertige Güter die Frachtkosten geradezu ein im Preis verschwindender Faktor, wodurch die Absatzfähigkeit eine unbegrenzte geworden ist.

Durch die erweiterte Versandfähigkeit der Güter wurden auch ihre Preise mehr ausgeglichen, u. zw. insbesondere die der Rohprodukte, die erst durch die E. versandfähig geworden waren. Außerdem bewirkten die E. auch eine Festsetzung und infolge des größeren Wettbewerbs eine Herabsetzung des Preises der Waren (weniger der Rohprodukte). Die begleitende Folge der Erweiterung der Absatzfähigkeit war die außerordentliche Ausdehnung der produktiven Tätigkeit, die auch dadurch wesentlich erhöht wurde, daß die Vervollkommnung des Umlaufs eine große Kapitals- und Arbeitsersparnis ergab, die für produktive Zwecke verwertet wurde.

In der Urproduktion ergab sich infolge des Eisenbahnverkehrs die bedeutungsvolle Tatsache, daß sich nunmehr Bedarf und Überschuß an Nahrungsmitteln auf die weitesten Entfernungen hin leicht ausgleichen können, während früher teils Mangel, teils Überfluß vorhanden war, so daß bei ungleichem Ernteausfall in einer Gegend empfindliche Not auftreten konnte, in anderer aber der Überschuß mangels Absatzfähigkeit verdarb. Solche örtlichen Notstände sind jetzt fast ganz beseitigt, zumal die E. zu Zeiten von Notständen besonders billige Ausnahmetarife für Lebensmittel einführen. So sind auch für die Getreidepreise heute nicht mehr die Ernteergebnisse eines Landes, sondern ist der Ernteausfall aller produzierenden Staaten maßgebend. Seitdem der Landwirt in dem Absatz seiner Bodenerzeugnisse nicht mehr auf den nächstliegenden Markt angewiesen ist, kann er, der Natur des Bodens und den klimatischen Verhältnissen sich anpassend das anbauen, was er auf dem Weltmarkt am günstigsten zu verwerten in der Lage ist. Auch auf die Verbesserung des Bodens blieb das Eisenbahnnetz insofern nicht ohne Einfluß, als mit den E. die Zufuhr von natürlichen und künstlichen Dungstoffen ermöglicht wurde und der Landwirt nunmehr im stände ist, schlechten Boden fruchtbar zu machen. Gärtnereierzeugnisse, Obst, Gemüse und Schlachtvieh sind durch die E. wesentlich absatzfähiger geworden, u. zw. nicht nur infolge der größeren Billigkeit, sondern auch durch die Beschleunigung der Beförderung.

Hand in Hand mit der größeren Absatzfähigkeit landwirtschaftlicher Erzeugnisse einerseits und der Transportvervollkommnung anderseits geht eine Erhöhung des Werts des Grund und Bodens (dieser stieg z.B. in Frankreich von 1789 bis 1879 nahezu auf das Vierfache), sowie der Grundrente (die Grundrente der den Märkten zunächst gelegenen Gegenden kann allerdings leiden, wenn die E. den Mitbewerb fremder Länder mit umfassender Landwirtschaft ermöglichen). Die E. beeinflussen übrigens die Grundrente auch in anderer Weise, vor allem durch die Umwandlung von Ackerland in Bauland an den Eisenbahnstationen, namentlich in der Nähe großer Städte.

Die Forstwirtschaft mußte vor Beginn der Eisenbahnära häufig für die Holzkultur auch Boden heranziehen, der für die Landwirtschaft geeignet war, weil die Forsterzeugnisse nicht weit befördert werden konnten. Infolge der gesteigerten Versandfähigkeit des Holzes ist dies nicht mehr nötig. Die Forstwirtschaft wird durch die E. immer weiter zurückgedrängt und immer mehr auf den Boden beschränkt, der für die Landwirtschaft ungeeignet ist. Die Absatzfähigkeit und der Preis des Holzes wird durch die E. auch wegen ihres eigenen, nicht unbedeutenden Holzbedarfes gesteigert.

Der Bergbau hat durch die E. einen überaus großen Aufschwung genommen, u. zw. insbesondere der Bergbau auf Kohle, Steine und Eisen. Dieser Aufschwung rührt nicht allein von dem eigenen Bedarf der E., der den Abbau fördert, sondern auch davon her, daß erst durch die E., namentlich für Industrie und Gewerbe, die weitgehendste Anwendung der Steinkohlen ermöglicht wurde. Friedrich der Große mußte noch die Verwendung von Steinkohlen durch namhafte Belohnungen und Preise anregen. Im Jahre 1840 betrug die Steinkohlengewinnung in Deutschland 21/2 Mill. t, 1890 631/2 Mill. t, 1911 bereits 234 Mill. t In Österreich-Ungarn wurden im Jahre 1911 48 Mill. t Kohlen gefördert.

Außer dem Abbau der Kohlen ist jener von Eisen und von Steinen zu erwähnen. In steinarmen Gegenden wurde erst durch die Zufuhr von Baustoffen die Erbauung von Landstraßen ermöglicht.

Auf dem Gebiet der Industrie, die, wie schon an anderer Stelle erwähnt ist, auch durch den Personenverkehr lebhafte Anregung und Förderung fand, machte sich infolge der Entwicklung des Eisenbahnwesens eine bedeutende Preisermäßigung bemerkbar. Die Ursache hierfür lag hauptsächlich in den Ersparnissen an Transportkosten, daneben in mittelbaren Ersparnissen: billigere Rohstoffe (Brennstoffe), Ersparnis an Kapital, indem die Fabrikanten nicht mehr gezwungen waren, große Vorräte zu halten u.s.w. (die Verminderung der Herstellungskosten der Industrieprodukte wird auf 11% veranschlagt, Sax, Die Verkehrsmittel, II. Bd. S. 59, Wien 1879).

Die Gründe, die die Herabsetzung der Preise der Industrieerzeugnisse bestimmten, kräftigten auch das Bestreben der heutigen Industrie, sich zur Großindustrie zu entwickeln, indem die verbesserten Verkehrsmittel durch die Möglichkeit der Massenbeförderung und die Erweiterung der Absatzfähigkeit die Voraussetzung einer Erzeugung in großem Maßstabe schufen. Dazu kommt die Entwicklung des beweglichen Kapitals und der Ersatz der Handarbeit durch Maschinenarbeit. Im Zusammenhang damit ergab sich auch eine Verschiebung der Lage der verschiedenen Industrien. Mit Rücksicht auf die billigeren Beförderungskosten verliert die örtliche Lage eines Industriezweigs inmitten oder in größerer Nähe der Rohproduktion ihre Bedeutung und es treten bei Auswahl des Orts für die Anlage von Fabriken andere Umstände (Arbeits- und Betriebskraft, Kredit oder Absatzmarkt) in den Vordergrund.

So ergibt sich eine ausgeprägte örtliche Arbeitsteilung und eine immer weitgehendere Spezialisierung der Industrien, indem sich eine Industrie in eine Anzahl gesonderter Betriebe teilen kann, die als selbständige Unternehmungen geführt werden.


Was die einzelnen Industriezweige betrifft, so ist es in erster Linie die Eisenindustrie, die durch die E. unmittelbar und mittelbar infolge der Steigerung der Versandfähigkeit des Rohstoffes eine außerordentliche Förderung gefunden hat. Die E. haben gewisse Zweige der Eisenindustrie durch den eigenen Bedarf erst geschaffen und der Technik der Eisenverarbeitung lebhaften Anstoß gegeben. Sie tragen noch fortdauernd zu deren Entwicklung bei.

Außer der Eisenindustrie haben infolge der E. auch die sog. landwirtschaftlichen Industrien (Brauereien, Brennereien, Mühlen, Rübenzuckerfabriken), die Glas-, Kalk- und Ziegelfabrikation, chemische Fabriken u.s.w. bedeutenden Aufschwung genommen.

Erwähnt seien ferner gewisse Industrien, zu denen der Reiseverkehr die Anregung bot: die Industrie der Reisebedürfnisse, Reisebücher, Reisekarten, Reiseplakate, weiters die Reisebüros, der Gasthofsbetrieb in der Nähe der Bahnhöfe, der Vertrieb von Lebensmitteln in Bahnhofswirtschaften u. dgl.; dagegen haben die E. einzelnen Berufsarten und Gewerben in ihrem Bereiche Schaden gebracht, vor allem den Lohnkutschern, deren Zahl anfänglich erheblich abnahm, einzelnen Gasthäusern, Schmieden u.s.w.., die früher an den verkehrsreichen Straßen lagen. Ähnliches gilt von Industrieanlagen, die wegen zu großer Entfernung von einer Eisenbahnstation außer stande waren, den Kampf mit Konkurrenten zu bestehen, die eine günstige Lage an der Bahn hatten.


Hand in Hand mit der Entwicklung der Rohproduktion und der Industrie geht auch die des Handels. Die Sicherheit der Güterbeförderung verringerte im Zusammenhang mit ihrer Pünktlichkeit, sowie mit der Beständigkeit der Tarife die finanzielle Unsicherheit der Handelsunternehmungen. Die Beschleunigung des Verkehrs ermöglichte einen weit rascheren Umsatz und damit zugleich einen erweiterten Wirkungskreis der einzelnen Handelsunternehmungen in bezug auf Menge der Güter und Ausdehnung des Verkehrs.

Die wirtschaftlichen Wirkungen der E. stehen in enger Beziehung zu den Fortschritten des Nachrichtenverkehrs, die durch die Vermittlung der E. ermöglicht wurden. Es gilt dies besonders von dem Brief- und Zeitungsverkehr sowie dem Versand von Warenproben und Mustern, der durch die E. erfolgt. Die durch die E. im Nachrichtenverkehr herbeigeführten Veränderungen bestehen besonders in dessen Ausdehnung bis in die entlegensten Gegenden. Wenn auch die Post dieses Verkehrsgebiet eingerichtet hat, so war ihr dies doch nur durch die Entwicklung des Eisenbahnnetzes möglich. Die billigen Portosätze, die vor Eröffnung der E. z.B. in Preußen je nach der Entfernung des Empfangsortes 1 bis 19 Sgr. betrugen, konnte die Post nur auf Grund der unentgeltlichen Leistungen einführen, die ihr von den E. zuteil werden.

Das Eisenbahnwesen schien anfangs den Bau der Landstraßen überflüssig zu machen, bald aber wurde die E. geradezu die Triebkraft für die weitere Entwicklung der Straßen und ließen ihre große wirtschaftliche Bedeutung erkennen, allerdings in anderer Richtung als vor dem Zeitalter der E. Die Landstraße wurde das örtliche Verkehrsmittel, der Zubringer zur E.; ihr internationaler Wert ging verloren an die E. Erst das Automobil verleiht den Landstraßen wieder größere Bedeutung für den Durchgangsverkehr. Die E. steigerten die Ansprüche an die Güte der Straße namentlich auch innerhalb der Städte und veranlaßten so die fortschreitende Entwicklung der Straßenbefestigung. Durch die E. auf den Straßen (Straßenbahnen) und durch die E. über und unter den Straßen der Großstädte (Hoch- und Tiefbahnen) hat der städtische Verkehr ein neues Bild erhalten, das dem durch die E. geweckten Bedürfnis nach Beschleunigung des Verkehrs entspricht.

II. Politische und soziale Wirkungen der E. Die politischen Wirkungen zeigen sich vorwiegend auf dem Gebiete des Personenverkehrs. Die E. sind das kräftigste Mittel zur Hebung des Nationalbewußtseins und zur Herstellung nationaler Einheit.


Infolge des leichteren Verkehrs, durch den die Bevölkerung näher zusammengerückt wird, verschwinden die Provinzialgefühle, die Verschiedenheiten im Dialekt, der Sitte und Kleidung; es entwickelt sich eine Gemeinsamkeit der Gefühle und Interessen. Durch die E. wird die Zentralgewalt gestärkt, indem jede Nachricht schneller ankommt, jeder Befehl schneller ausgeführt, die Kontrolle selbst über die entferntesten Beamten viel persönlicher und wirksamer durchgeführt wird. Durch die E. wird die Staatsregierung geradezu allgegenwärtig, ein Vorteil, der umsomehr ins Gewicht fällt, je größer die räumliche Ausdehnung eines Staates ist.


Die E. vermehren die Einnahmen des Staates, u. zw. durch die Erhöhung der Verkehrs-, Einkommen- und Grundsteuern, Patentgebühren, Stempel, Zölle u.s.w. Außerdem ersparen die E. dem Staat Auslagen infolge der Leistungen, die den Bahnen für öffentliche Zwecke auferlegt werden (Post- und Militärbeförderung, unentgeltliche Beförderung von Zoll- und Finanzbeamten).


Schließlich verdankt der Staat den E. auch insofern eine Erhöhung an Einnahmen, als durch die E. die Entwicklung der Industrie gefördert und dadurch die Steuerkraft vermehrt wird.


Es ist kein Zweifel, daß die E. auch die verschiedenen Staaten einander näher bringt und durch die gewaltige Steigerung des Verkehrs, Begünstigung der Industrie, des Handels und des wirtschaftlichen Wettbewerbs ausgleichend wirkt.


Schon der ungehinderte Verkehr auf den Schienenwegen, der Übergang der Fahrzeuge aus einem Reich in ein anderes (bei den »Expreßzügen«, wie Paris-Konstantinopel, Petersburg-Nizza, Berlin-Rom u.s.w.) veranlaßte zu einheitlichen internationalen Grundsätzen, wie die verschiedenen internationalen Kongresse, die jetzt auf allen Gebieten stattfinden, beweisen. Sie sind das unmittelbare Ergebnis der ausgleichenden Macht des durch die E. geschaffenen Weltverkehrs, der alle Reichsgrenzen gewaltsam durchbricht.


In sozialer Beziehung ist die E. von besonderer Bedeutung für die unteren Klassen, die erfahrungsmäßig den größten Teil der Reisenden ausmachen. Der nicht seßhafte Arbeiter verdankt dem demokratischen Beförderungsmittel eine wesentliche Verbesserung seiner Lebensverhältnisse; denn die E. ermöglicht ihm, dort den Erwerb zu suchen, wo er seine Arbeitskraft am besten verwerten kann. Regelmäßige Arbeiterzüge und ermäßigte Fahrpreise gestatten dem Arbeiter, seinen Wohnort außerhalb seines Beschäftigungsortes da zu nehmen, wo er billigere Lebensbedingungen vorfindet. Im Zusammenhang damit sind ganze Arbeiterkolonien zufällig oder planmäßig angelegt worden.

Hiermit mildern die E. auch eine ihrer schädlichen Wirkungen, die darin liegt, daß sie den Zuzug zu den großen Städten fort während vermehren (Landflucht) und daher mit dazu beitragen, die sozialen Schäden zu steigern, die der Verminderung der ackerbautreibenden Bevölkerung und einer übermäßigen Anhäufung der Bevölkerung in den Städten anhaften. Es ist nicht zu verkennen, daß die vielfache Berührung der Bevölkerung, die die E. ermöglichen, auch so manche andere geistige und sittliche Schäden mit sich bringt (Herumtreiben von Hochstaplern, Verbreitung gemeingefährlicher Bestrebungen).

Auch auf die Volksgesundheit sind die E. nicht ohne Einfluß, indem sie die Gefahr einer raschen Verbreitung von Epidemien und Tierseuchen heraufbeschwören. Aber gerade dadurch haben sie wieder das Bestreben gesteigert, der Verbreitung solcher Krankheiten nachdrücklich entgegenzuwirken und haben so neue große Erfolge der medizinischen Wissenschaft indirekt herbeigeführt. Nie vorher war es möglich, den Epidemien so wirksam Einhalt zu tun wie jetzt.

III. Einfluß der E. auf Volksbildung, Wissenschaften und Künste.

Die E. sind ein hervorragendes Bildungs- und Erziehungsmittel; sie erleichtern mit der Beseitigung der Entfernung das Studium fremder Kultur und gestatten die Benutzung der Lehranstalten und Kunstschätze in großen Zentren. Die Kunst- und Studienreisen haben ihren gegenwärtigen Umfang erst durch die E. erreicht. Der Besuch höherer Lehranstalten hat erst durch die E. seine jetzige Ausbildung erfahren, weil die Fahrpreisermäßigungen für Schüler auch minder bemittelte Eltern in den Stand setzen, ihren Kindern die Vorteile einer guten wissenschaftlichen Bildung zu teil werden zu lassen; auch steigerte der Eisenbahnbau und Eisenbahnbetrieb den Bedarf nach höher gebildeten Fachleuten. Die Benutzung der Bildungsmittel aller Art, der Zeitungen, Bücher u.s.w., wird durch die E. stark gefördert.

Die Kongresse und Zusammenkünfte zur Förderung wissenschaftlicher, politischer, künstlerischer und gesellschaftlicher Zwecke verdanken – wie schon erwähnt – ihr Dasein den E. Sie führten endlich in den Ausstellungen zu förmlichen Wettkämpfen in den Bestrebungen des Friedens. Diese stellten die vorzüglichsten Erzeugnisse der Industrie und Gewerbe, die verschiedenen gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen, die Fortschritte auf dem Gebiet der Wissenschaften und Künste vor Augen, veranlaßten zum Prüfen und Vergleichen der Leistungen und Einrichtungen und geben zu weiteren Fortschritten auf allen Gebieten des Lebens Anstoß. Kein Vorteil, den Erfindungen und Fortschritte bieten, bleibt so Eigentum eines Volkes; er wird bald Gemeingut der ganzen Welt.

Man kann wohl behaupten, daß die wissenschaftliche Forschung und die Kunstpflege erst vermöge des durch die E. erleichterten Verkehrs im Eisenbahnzeitalter einen besonderen Aufschwung nahmen.

Die Blüte der Ingenieurwissenschaften und fast aller anderen technischen Wissenschaften ist vor allem den E. zu verdanken.


Der Bau der Schienenwege, die an Steigungsgrenzen gebunden sind und in ihren Neigungen auch auf größere Strecken eine gewisse Gleichförmigkeit aufweisen müssen, erfordert tiefe Einschnitte und hohe Dämme, die Durchschneidung von Gebirgsrücken und Tälern, sowie die Überbrückung von Wasserläufen. Die Lösung dieser Aufgaben führt zu großartigen Erdarbeiten, zum Bau von Tunneln, Viadukten, Galerien und Brücken. Dazu kommt die Eigenart in der Anlage des Oberbaues und der Hochbauten. Auf solche Art entwickelte sich der Eisenbahnbau zu einem besonderen Zweige der Bauwissenschaft, wie auch der Bau der Lokomotiven zu einem besonderen Zweige des Maschinenbaues. Hierzu tritt der Bau der Wagen für den Eisenbahnbetrieb, sowie der zahlreichen maschinellen Einrichtungen für Bau- und Betriebszwecke, endlich die Herstellung verschiedener Werkzeuge und Geräte für Eisenbahnzwecke u.s.w.

Im Zusammenhang mit diesen besonderen Zweigen der Eisenbahntechnik sind auch die allgemeinen Ingenieurwissenschaften, vor allem die Meßkunst und Mechanik (Statik und Dynamik) auf eine Höhe gebracht worden, zu deren Erreichung sonst vielleicht Jahrhunderte erforderlich gewesen wären. Die Hüttenkunde ist in ein ganz neues Stadium getreten, und das Eisen zur allgemeinsten Anwendung bei dem Bau von Gebäuden, Brücken, Maschinen und Wagen gekommen.

Die Einflüsse der E. auf Physik, Chemie, Geologie, Geographie, Meteorologie und zahlreiche andere Wissenszweige sind ebenfalls von hoher Wichtigkeit.


IV. Militärische Bedeutung der E.

Die wesentlichsten Vorteile, die sich in der modernen Kriegführung durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens herausgestellt haben, bestehen in der Möglichkeit rascher Beförderung von großen Truppenmassen, in der schnellen Beförderung von Nachrichten, Meldungen und Befehlen in Verbindung mit dem Telegraphen, in der Beschleunigung des Marsches nach dem Kriegsschauplatz, in der leichten und raschen Zusammenziehung entfernt und vereinzelt stehender Truppenteile, in der schnellen Verstärkung einzelner schwach besetzter Punkte des Kriegsschauplatzes, in der raschen Verstärkung bedrohter und der Entsetzung belagerter Festungen, in der beschleunigten Zufuhr von Munition und Verpflegungsmitteln jeder Art, in der leichten Entfernung von Kranken, Verwundeten, Gefangenen, Kriegsbeute u.s.w.


Um die der Kriegführung durch die E. gebotenen Vorteile zu beleuchten, sei angeführt, daß ein Bataillon in Kriegsstärke, das 7 Marschstunden braucht, um 28 km zurückzulegen, in der gleichen Zeit auf E. rund 250 km weit befördert werden kann, daß ferner für den Nachschub der eintägigen Verpflegung für 90.000 Mann und 30.000 Pferde der Fassungsraum eines Zuges genügt, während zur Beförderung dieser Mengen auf der Straße 1000 Fuhrwerke 20mal länger fahren müßten.

Angesichts der durch die E. geschaffenen Möglichkeit raschester Verschiebung großer Truppenmassen ist wohl anzunehmen, daß die Dauer der Kriege für alle Zukunft wesentlich abgekürzt werden wird.

Die Bedeutung der E. für militärische Zwecke wird noch weiter dadurch gehoben, daß sie im Kriege militärisch organisiert werden (s. Feldbahnen) und daß Eisenbahntruppen gebildet sind, denen im besonderen die Aufgabe zufällt, Feldeisenbahnen zu bauen oder aus strategischen Rücksichten E. zu zerstören.


So äußern die E. nach allen Richtungen des Völkerlebens ihre deutlich verfolgbaren Einflüsse. Welche Veränderungen sich noch ferner durch ihren Einfluß ergeben werden, ist nicht vorauszusehen.

D. Die Entwicklung der E. der Erde beginnt mit der Eröffnung der E. von Liverpool nach Manchester, zu deren Bau die günstigen Ergebnisse der ersten Lokomotivfahrten auf der Stockton-Darlingtonbahn Anstoß gaben. Um die Frage der Einführung des Lokomotivbetriebes auf dieser Bahn einer endgültigen Entscheidung zuzuführen, wurde ein Wettbewerb für die Erfindung einer Lokomotive ausgeschrieben, die ihr dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen i. d. Stde. (= 15∙24 km/Std.) fortzubewegen im stände wäre. Am 6. Oktober 1829 erschienen auf der Ebene bei Rainhill in der Nähe von Liverpool 5 Lokomotiven zum Wettkampf, aus denen Stephensons »Rakete« (»Rocket«) als Siegerin hervorging, nachdem sie durch die Anwendung des von dem Franzosen Seguin in Vorschlag gebrachten Siederohrkessels und des von Pelletan erfundenen Exhaustors vervollkommnet, bei 4∙5 t Eigengewicht eine Last von 12∙75 t mit 13∙8 engl. Meil. (= 21∙03 km/Std.) Geschwindigkeit beförderte, also den Bedingungen des Wettbewerbs nicht nur genügt, sondern sie noch übertroffen hatte (vgl. den Artikel: Lokomotiven). Die Eröffnung der Liverpool-Manchesterbahn fand am 15. September 1830 statt. An diesem Tage wurde ein Personenzug mit einer Geschwindigkeit von stellenweise mehr als 15 engl. Meilen (= 22∙86 km/Std.) befördert. Hiermit war das Problem der raschen Beförderung großer Personen- und Gütermassen gelöst.


Der Bau der Eisenbahnen kam von diesem Zeitpunkt an rasch in Aufschwung. Belgien eröffnete i. J. 1835 die Linie zwischen Brüssel und Mecheln. In demselben Jahr noch fuhr auch auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven bewegte Zug auf der Nürnberg-Fürther Bahn. I. J. 1837 wurden in Sachsen die Strecke Leipzig-Althen, in Österreich die Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Floridsdorf und Wagram und in Frankreich die Linie von Paris nach St. Germain dem öffentlichen Verkehr übergeben. Im Frühjahr 1838 wurde in Rußland die Bahn von St. Petersburg nach Zarskoje Selo eröffnet und im Herbst desselben Jahres erfolgte die Eröffnung der Berlin-Potsdamer Bahn und der ersten deutschen Staatsbahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel. I. J. 1839 kam die erste holländische Bahn von Amsterdam nach Harlem und die erste Lokomotiveisenbahn Italiens zwischen Neapel und Portici in Betrieb u.s.w. Fast gleichzeitig mit der Einführung des Lokomotivbetriebs in England wurde er in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingebürgert und bereits Ende 1830 auf der Baltimore-Ohioeisenbahn angewendet. So fand das neue Verkehrsmittel überall rasch die gebührende Würdigung. Die Hindernisse, die sich ihm anfangs unüberwindlich entgegenzustellen schienen, wurden infolge des energischen Vorgehens Englands und Amerikas und durch das von allen Seiten und in genügender Menge bereitgestellte Kapital bald behoben und die allgemeine Einführung dieses Verkehrsmittels nahm einen ungeahnt raschen Verlauf. Die Schienenwege, immer zahlreicher und ausgedehnter, fanden in ihren Hauptrichtungen, wenn nicht im gegenseitigen Anschluß oder an der Meeresküste, bald nur noch an hohen Gebirgswänden ihren Abschluß. Seitdem aber Österreich mit der Überschienung des Semmerings (vollendet 1854) das bis dahin für unmöglich gehaltene Problem steiler Gebirgsbahnen glücklich gelöst hatte, gab es auch in dieser Beziehung für die Verbreitung der E. kein Hindernis mehr.


Während nun in Europa und Amerika mit einem ungeheuren Aufwand von Kapital und Arbeit den großen Aufgaben des Weltverkehrs Rechnung getragen und durch die immer mehr zunehmende, planmäßige Ausdehnung der Eisenbahnnetze in den einzelnen Ländern neben den Handels- und industriellen Interessen auch militärischen und staatlichen Rücksichten anderer Art entsprochen wurde, hatten die Schienenstraßen auch in Asien (Ostindien i. J. 1852), Südamerika (Chile i. J. 1853), Australien (Viktoria i. J. 1854) und Afrika (Ägypten i. J. 1856), ja sogar auf verschiedenen Inselgruppen des atlantischen, indischen und großen Ozeans Eingang und den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen entsprechend überall so rasche Verbreitung gefunden, daß es heute kaum ein Gebiet der Erde von irgend welcher Bedeutung gibt, das nicht schon in den Strom des Eisenbahnverkehrs einbezogen wäre. Hinsichtlich des Entstehens der Bahnnetze, der Förderung und der Art der Bauten, der Kapitalsverhältnisse, des Verhaltens der Staatsregierungen und Privaten, der Konkurrenzen, des Einflusses und der politischen Lage und politischen Ereignisse haben die E. in den verschiedenen Ländern der Welt einen verschiedenen Entwicklungsgang genommen und auch einen verschiedenen Charakter erhalten (s. die Aufsätze über die E. der einzelnen Länder und Eisenbahnpolitik).

Die E. der Erde. Der großartige Aufschwung des Eisenbahnwesens hat sich in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum völligen. Acht Jahrzehnte sind seit der Eröffnung der E. Liverpool-Manchester vergangen. Seitdem sind bis Ende 1910 (1911) über eine Million km dem öffentlichen Verkehre dienende Lokomotiveisenbahnen gebaut worden. Diese verteilen sich auf die einzelnen Erdteile wie folgt:


1910: 1911:
Europa333.848 km,338.880 km,
Amerika526.382 km541.028 km
Asien101.916 km105.011 km
Afrika36.854 km40.489 km
Australien31.014 km32.401 km

In diesen Zahlen sind die Kleinbahnen, also auch die Straßenbahnen, nicht inbegriffen.

Die Zahl der zurzeit benutzten Lokomotiven dürfte über 160.000, die der Personenwagen wohl an 300.000 und die der Güterwagen über 4 Millionen betragen. Der damit bewältigte Verkehr kann im Jahre auf 5000 Millionen Personen und 3000 Millionen t Frachten geschätzt werden, beträgt also täglich auf allen E. der Erde im Durchschnitt schätzungsweise nahezu 14 Millionen Personen und 8 Millionen t Güter.

Die Gesamtanlagekosten der E. der Welt werden mit Ende des Jahres 1910 auf rund 227 Milliarden Mark veranschlagt.

Die Zahl der beim Betrieb aller E. der Erde beschäftigten Menschen beträgt- 10 Personen f. 1 km gerechnet – rund 10 Millionen.

Wie rasch nun das Wachstum der E. der Welt und in den einzelnen Erdteilen und Ländern vorgeschritten ist, zeigt die nachfolgende Übersicht, die nach den Veröffentlichungen im Arch. f. Ebw. (1912) zusammengestellt ist. Hiernach gestaltete sich das absolute Steigerungsverhältnis der Entwicklung der E. der Erde


von 1835bis 1845wie 1 : 8·1
von 1845bis 1855wie 1 : 4·2
von 1855bis 1865wie 1 : 2·2
von 1865bis 1875wie 1 : 2·0
von 1875bis 1885wie 1 : 1·7
von 1885bis 1895wie 1 : 1·4
von 1895bis 1905wie 1 : 1·3

Schärfer noch tritt die Entwicklung der E. hervor, wenn ihre Verbreitung und ihr Anwachsen in den einzelnen Weltteilen und innerhalb dieser in den verschiedenen Ländern verglichen wird. Da die in dieser Übersicht nachgewiesenen absoluten Längen ein richtiges Bild von der Entwicklung des Eisenbahnnetzes in den einzelnen Ländern nur dann geben, wenn sie im Verhältnis zur Flächengröße und der Bevölkerungszahl der einzelnen Länder betrachtet werden, so sind in ihr auch diese Vergleichszahlen für alle die Länder aufgenommen, auf deren Kulturleben die E. einen hervorragenden Einfluß nehmen.

Sehr übersichtlich zeigt die im »Arch. f. Ebw.« 1912 enthaltene bildliche Darstellung die Entwicklung des Eisenbahnwesens in dem Zeitraum von 1840 bis 1910 (vgl. auch Arch. f. Ebw. 1913).


Länge der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen zu Ende des Jahres.


Eisenbahn

Eisenbahn

Literatur: Cancrin, Ökonomie der menschlichen Gesellschaft. 1845. – Haller, Die wahren Ursachen der Verarmung und die einzig wirksamen Abhilfsmittel der allgemeinen Verarmung und Verdienstlosigkeit. 1850. – Knies, Die Eisenbahnen und ihre Wirkungen. Braunschweig 1853. – Jaquemin, De l'exploitation des chemins de fer. Paris 1867. – Cohn, Untersuchungen über die englische Eisenbahnpolitik. Leipzig 1874, 1875, 1883. – Haushofer, Grundzüge des Eisenbahnwesens. Stuttgart 1875. – Rohr, Handbuch des praktischen Eisenbahndienstes. Stuttgart 1877. – Weber, Der staatliche Einfluß auf die Entwicklung der Eisenbahnen minderer Ordnung. Wien 1878. – Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft, II. Bd. Wien 1879. – Engel, Das Zeitalter des Dampfes. 1880. – Foville, La transformation des moyens de transport et ses conséquences économiques et sociales. 1880. – Roscher, System der Volkswirtschaft. Stuttgart 1882. – Picard, Les chemins de fer. Paris 1884, 1885. – Weber, Schule des Eisenbahnwesens, Leipzig 1885. – Ulrich, Das Eisenbahntarifwesen. Berlin 1886. – Picard, Traité des chemins de fer. Paris 1887. – Riegels, Die Verkehrsgeschichte der deutschen Eisenbahnen. Elberfeld 1889. – Geschichte der Eisenb. der österr.-ungar. Monarchie. Teschen 1898 u. 1908. – Haarmann, Das Eisenbahngleis I. Leipzig 1891. – Zanantoni, Die Eisenbahnen im Dienste des Krieges. Wien 1904. – Birk, Die Entwicklung des modernen Eisenbahnbaues. Sammlung Göschen 1911. – Birk, Allgemeine Geschichte der Eisenbahnen. Handbuch der Ingen.-Wissensch., V. Bd., 1. Abt. 1908. – Grimburg, Festvortrag in der Technikerversammlung des VDEV. 1900. Org. 1900, S. 187. – Alf. Schneider, Die Eisenbahnen Deutschlands. – Statistische Daten finden sich im Arch. f. Ebw., in der Ztg. d. VDEV., in der Rev. gén. d. chem., in der Schw. Bauztg. und in den offiziellen Veröffentlichungen der verschiedenen Eisenbahnstaaten.

Birk.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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