Neuböhmen

Neuböhmen

Als Neuböhmen werden seit Anfang des 20. Jahrhunderts des Öfteren diejenigen Gebiete der Oberpfalz, Mittel- und Oberfrankens bezeichnet, die ab 1353 von Karl IV. dem Königreich Böhmen „inkorporiert“ wurden. Einerseits verschmolz so das Territorium mit dem staatsrechtlichen Komplex der kaiserlichen Hausmacht, andererseits wurde aber auch die Eigenständigkeit bezüglich Nutzung und Verwaltung gewahrt. Diese Eingliederung wurde neben anderem 1356 durch die Goldene Bulle rechtlich kodifiziert. Die im „Böhmischen Salbüchlein“ von 1368 verzeichneten Orte gehörten zwar nur relativ kurz zu Böhmen, trotzdem war dieser Zeitraum besonders für die weitere Entwicklung der nördlichen Oberpfalz von Bedeutung.[1]

Diese für die Hausmachtpolitik des Kaisers wichtige Territorialeinheit trug von Anfang an den Charakter einer Herrschaft, eines Landes, allerdings begann sich diese Einheit schon nach zwanzig Jahren wieder aufzulösen. Vermutlich deshalb setzte sich ein einprägsamer Name für die in der Oberpfalz gelegenen luxemburgischen Besitzungen nicht durch. Das Gebiet wurde von Böhmen aus Bavaria trans silvam Boemicalem oder „des kaisers herrschaft zu Baiern“ genannt. Städte wie Hersbruck und Auerbach sind „in dem lande zu Sulczbach gelegen“ .[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Zeitalter Karl IV. zielte die Erwerbspolitik der Luxemburger auf die Bildung einer Landbrücke von Prag (als Hauptstadt des böhmischen Königreiches) über Nürnberg (als Ort der Hoftage) bis Frankfurt (als Wahlort der römisch-deutschen Kaiser). Nach der Krönung von Karl IV. zum römisch-deutschen König 1346 und seiner Heirat mit Anna von der Pfalz 1349 kam er seinem Ziel näher, dass „die hochgeboren kunige zu Beheimb durch dieselben lande desto sicherer ziehen und komben mugen zu der wal und chur eines römischen kunigs und diesselben kunige zu Beheimb den kayserlichen hof, den die durchleuchtigen kunige zu Nürnberg gewonlich haben, desto baß und friedsamer gesuchen mugen“[3].

Die Entstehung Neuböhmens vollzog sich vor allem auf dem Weg der Verpfändung von Ländereien und Orten. Schon 1322 wurde die Reichspfandschaft Eger von Kaiser Ludwig IV. an den Kurfürsten und König von Böhmen Johann, dem Vater von Karl IV., verpfändet. Nach seiner Wahl zum deutschen König erlangte Karl IV. durch Willebriefe der Kurfürsten eine staatsrechtliche Bindung der Reichsstadt Eger an die Krone Böhmens.[2] Die Morgengabe für Anna wurde vom Brautvater Rudolf II. der Blinde nicht in bar, sondern mit Zustimmung seiner wittelsbacher Vettern ebenfalls in der Form von Pfändern ausgezahlt.[4] Da Karls Gattin Anna 1353 noch vor ihrem Vater verstarb, konnte Karl sich die Territorien der pfälzischen Wittelsbacher im bairischen Nordgau, „der Pfalz Lande zu Baiern“ oder „der kurfürstlichen Pfalz hieoben zu Baiern“, nicht durch Erbrecht sichern. Die Bezeichnung „Obere Pfalz“ oder „Oberpfalz“ bürgerte sich erst ab dem 16. Jahrhundert ein.[2]

Da aber sowohl Rudolf II. als auch Ruprecht I. der Rote bei Karl IV. stark verschuldet waren, war ihm die Schaffung eines gebietlich zusammenhängenden Besitzes möglich. Die wirtschaftliche Stärke Böhmens ermöglichte Karl von den „ewig geldbedürftigen Pfalzgrafen“[5] umfangreiche Ländereien[6] zu erwerben. Zusätzlich wurde das Lehen Veldener Forst vom Bischof von Bamberg zugunsten des böhmischen Königs neu verliehen. Im Gegenzug übertrug Karl den Wittelsbachern verschiedene Besitzungen.[7] Schon 1347 hatte Karl die als Reichspfand an die Burggrafen von Nürnberg gekommenen Burghuten Floß und Parkstein eingelöst. Damit war im Herbst 1353 das Gebiet Neuböhmens in etwa flächenmäßig gerundet.

Bis 1363 hat Karl IV. sein Stammland planmäßig und zielbewusst erweitert.[8] [9] Seit den 1350er Jahren schuf er für Neuböhmen eine modern anmutende Verwaltung, die direkt dem böhmischen König unterstellt war. An der Spitze der erstmals eingeführten königlichen Beamten stand ein Landeshauptmann mit Sitz in Sulzbach.[10]

Ab 1373 änderte Karl IV. seine Hausmachtpolitik und strebte einen Zugang zur Ostsee an. Deswegen trat er den südlichen Teil wieder an die Wittelsbacher ab, um dafür von Markgraf Otto V. die Mark Brandenburg zu erwerben. Der Sitz des Pflegers und des Landgerichts wurden nach Auerbach verlegt.

Noch bis 1400/01 hatte Karls Sohn und Nachfolger Wenzel die Herrschaft über das verbliebene neuböhmische Gebiet. Als er von den deutschen Kurfürsten abgesetzt wurde, fiel das Land zum überwiegenden Teil wieder in die Hände des pfälzischen Königs Ruprecht. Nur wenige Gebiete verblieben böhmisches Lehen.[11]

Wirtschaftliche Entwicklung

Sulzbach wurde zum Verwaltungssitz ausgebaut. Mit der Goldenen Straße führte eine wichtige Verkehrsverbindung durch das Territorium. Mit dem 1368 veröffentlichtem Steuerverzeichnis ("Böhmisches Salbüchlein") sollte das Gebiet eindeutige fiskalische Regeln bekommen. Trotz weiterer Erwerbungen gelang es Karl jedoch nie, aus den zusammengefügten Einzelterritorien ein geografisch geschlossenes Gebilde zu formen. Karl förderte die Region intensiv durch Steuererleichterungen für Handwerker und Händler sowie durch Privilegien für Ansiedlungen und Märkte.

Literatur

  • Fritz Schnelbögl: Das „Böhmische Salbüchlein“ Kaiser Karl IV. über die nördliche Oberpfalz 1366/68. München/Wien 1973, ISBN 3-486-47621-1
  • Heribert Sturm: Des Kaisers Land in Bayern. In: Kaiser Karl IV., Staatsmann und Mäzen. Prestel, München 1978, ISBN 3-7913-0435-6

Anmerkungen

  1. Fritz Schnelbögl: Das „Böhmische Salbüchlein“ Kaiser Karl IV., S. 38
  2. a b c Heribert Sturm: Des Kaisers Land in Bayern, S. 209
  3. zitiert nach Heribert Sturm: Des Kaisers Land in Bayern, S. 208
  4. Orte: Burg Neidstein, Velden, Eisenerzbaugebiet um Auerbach und Plech, Veste Hartenstein
  5. Fritz Schnelbögl: Das „Böhmische Salbüchlein“ Kaiser Karl IV., S. 20
  6. Orte: Veste Störnstein, Neustadt an der Waldnaab, Veste Hirschau, Veste Hohenstein, Hersbruck, Auerbach
  7. Orte: Burg Waldeck, Veste Murach, Veste Treswitz
  8. Fritz Schnelbögl: Das „Böhmische Salbüchlein“ Kaiser Karl IV., S. 26
  9. Orte (Auswahl): Stadt und Veste Pegnitz, Veste Rothenberg, villa Bernaw, Markt Weiden, Dorf Erlangen
  10. statt der sonst üblichen Lehensleute, vgl. Heribert Sturm: Des Kaisers Land in Bayern, S. 210
  11. Orte und Dauer nachtragen

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