Joachimsthalsches Gymnasium

Joachimsthalsches Gymnasium

Das Joachimsthalsche Gymnasium (auch: Joachimsthaler Gymnasium – „Stall“ war der traditionsreiche, liebevolle Spitzname der Schule bei ihren Schülern) war eine 1607 in Joachimsthal gegründete Fürstenschule für begabte Knaben, die sich seit 1636 in Berlin und ab 1912 in Templin befand.

Das ehemalige Gebäude des Joachimsthalschen Gymnasiums, Berlin-Wilmersdorf, Bundesallee 1–12

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1601–1636: Anfänge in Brandenburg

Joachim Friedrich von Brandenburg

Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg fasste 1601 den Plan, nach dem Vorbild der Fürstenschulen Sachsens eine Eliteschule für begabte Knaben im Jagdschloss Joachimsthal bei Eberswalde zu gründen.[1] Die Schule wurde bewusst mit einer christlich-humanistischen Zielsetzung geplant und geführt. Sie sollte die Knaben auf das Studium hin ausbilden und sie zu fähigen Mitarbeitern im Staats- und Kirchendienst machen. Zusammen mit Christoph Pelargus, dem Dekan der Universität Viadrina, dem Hofprediger Johannes Fleck sowie dem Hofprediger und Superintendenten Simon Gedike wurde ein Konzept für die Schule entwickelt. Am 23. und 24. August 1607 wurde die Schule unter dem Namen „Gymnasium Electorale Brandenburgium in valle Joachimica“ (Kurfürstliches Gymnasium) in Joachimsthal festlich eröffnet. Anfangs hatte das Joachimsthalsche Gymnasium 120 Schüler.

1636: Umzug nach Berlin

Berliner Schloss um 1685. Gemälde eines unbekannten Künstlers.

Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde das Schulgebäude zerstört. Schüler und Lehrer flohen nach Berlin. Der Lehrbetrieb wurde um 1656 erneut eröffnet [2] zunächst im Berliner Stadtschloss, danach (1667) in einem Gebäude "an der langen Brücke" an der Spree und ab 1688 in der Heiliggeiststraße.[3] Diese Straße existiert nicht mehr und befand sich in der Nähe der heutigen Burgstraße 12 in Berlin-Mitte. Auf das Gymnasium zum Grauen Kloster anspielend erhielt es daher den Spitznamen „Gymnasium zum Heiligen Geist“.

1707: Königlicher Titel

Die lange Brücke (q) und die Heilige Geist Straße (t) auf einem Stadtplan von 1688

Zum 100-jährigen Schuljubiläum 1707 verlieh der preußische König Friedrich I. der alten Fürstenschule den Ehrennamen „Gymnasium Regium Joachimicum“ (Königlich Joachimsthalsches Gymnasium). Wilhelm Heinrich von Thulemeyer wurde 1739 einer der Direktoren. Sein Sohn Friedrich Wilhelm von Thulemeyer schenkte dem Gymnasium im Jahr 1811 5.000 oder 6.000 Bücher und eine bedeutende Musikaliensammlung.[4]

1880: Umzug in die Kaiserallee

Lage des Gymnasiums auf einer Karte von 1894

1880 bezog das Joachimsthalsche Gymnasium einen Neubau in der Kaiserallee 1–12 (heute Bundesallee 1–12). Das Gebäude, das noch besteht, wurde zwischen 1876 und 1880 von dem Architekten Ludwig Giersberg (1824–1883) nach Plänen von Johann Heinrich Strack mit vorgelagertem Arkadengang und Terrasse errichtet. Formal ist es Bauten der italienischen Hochrenaissance nachempfunden; es steht in der Bautradition Karl Friedrich Schinkels.

Das Gymnasium war aus der Berliner Stadtmitte in diese damalige Vorstadtidylle gezogen. Die Schule nahm das gesamte Gelände mit mehreren Gebäuden, Unterkünften für Lehrer und Schüler, Sporthalle und dergleichen bis zum Fasanenplatz ein. Der zur Eröffnung des Gymnasiums im Jahre 1880 anwesende Kaiser Wilhelm I. zeigte sich überrascht über die luxuriöse Ausstattung.

Im Jahr 1901 ließ Otto Schroeder Primaner einen Aufsatz über die Siegesallee schreiben. Das Thema lautete: Die Beinstellung der Denkmäler in der Siegesallee. Die Schüler hatten die Aufgabe, von der Beinstellung der steinernen Herrscher auf ihren Charakter zu schließen. Vier dieser Aufsätze schrieben Geschichte, da sie zu Wilhelm II. gelangten und vom Kaiser höchstpersönlich – teilweise sehr abweichend von der Lehrerzensur – bewertet und mit Randbemerkungen versehen wurden, siehe Aufsätze zur Siegesallee.

1912–1953: Templin

Bereits ab 1890 entstanden um das Gelände die neuen Quartiere des Berliner Westens. Deshalb, und weil sie sich finanziell übernommen hatte, zog die Internatsschule schon 1912 wieder aus dem Gebäude aus, das danach noch bis 1919 vom Joachim-Friedrich-Gymnasium genutzt wurde. Ab 1920 residierte hier das Bezirksamt Wilmersdorf. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, danach aber wieder aufgebaut. Heute wird es von der Stadtbücherei Berlin-Wilmersdorf und von der Universität der Künste Berlin genutzt.

Das Joachimsthalsche Gymnasium selbst wurde 1912 nach Templin in der Uckermark verlegt, wo es einen eigenen großzügigen Neubau (53° 7′ 28″ N, 13° 31′ 31″ O53.12446613.525156) bezog. Es bestand bis Kriegsende 1945 fort (endgültige Auflösung 1953 durch Beschluss der örtlichen Kreisverwaltung). Die Gebäude des Joachimsthalschen Gymnasium sind heute noch in Templin vollständig erhalten, aber größtenteils leerstehend und sehr reparaturbedürftig.

Der Neubau in Templin, von Rektor August Nebe und Regierungsbaumeister Fritz Bräuning gemeinsam geplant, wurde als ein Alumnat (Familienalumnat, s. o. „Stallaner“) zu je drei Doppelwohnhäusern in U-Form um einen großen Innenhof („Schmuckhof“) gruppiert. Die Alumnatshäuser wurden von nicht mehr als jeweils 25 Alumnen bewohnt. Dazu war je eine Villa angebaut, die von einem Oberlehrer (Studienrat) mit seiner Familie bewohnt wurde. Er war der Vorsteher (Alumnatsinspektor) eines der sechs Alumnatshäuser. Ein Adjunkt (Referendar) und eine Hausdame kümmerten sich um das Wohl der Alumnen und sorgten auch für einen geregelten Tagesablauf der Knaben. Der erste Adjunkt war Fritz Arendt, der 1915 im Ersten Weltkrieg fiel.

Das Joachimsthalsche Gymnasium war ein christlich-humanistisches Stift, mit einer eigenen evangelischen Kirchengemeinde in Templin.

In der Nazidiktatur musste die Leitung der Schule einige Zugeständnisse an die Machthaber machen, die den Alltag der Schüler bestimmten. In den letzten anderthalb Jahren versuchten die Machthaber, vor allem nach der Absetzung des letzten Rektors, eine Umwandlung zur Erziehungsanstalt des „Dritten Reiches“.

Im Innenhof befand sich bis 4. März 1950 eine Bronzestatue des Stifters, Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg. An diesem Tag wurde sie (aus politischen Gründen) zur Verschrottung abgeholt und ist seither spurlos verschwunden.

Die Schule hatte schon in Joachimsthal, in Berlin-Wilmersdorf und dann auch wieder in Templin sehr schöne und bedeutende Schulgärten. Der Schulgarten in Templin ist wieder kultiviert, er besteht heute als Lehmann-Garten fort.

Die Gebäude heute und Neugründung 2005

Das Berliner Gebäude wird heute von der Universität der Künste für ihren Fachbereich Musik genutzt. Die heute zum Gelände des ehemaligen Joachimsthalschen Gymnasiums gehörende Gerhart-Hauptmann-Anlage zwischen Bundesallee, Meierotto- und Schaperstraße – ist entgegen den Hochhausplanungen 2005 – nicht bebaut worden. Die Grünanlage grenzt heute an das Areal der Berliner Festspiele (ehemals Freie Volksbühne) und an das ehemalige Lehrerhaus, welches heute eine Kindertagesstätte beherbergt. Die Bronzebüste von Gerhart Hauptmann stammt von Fritz Klimsch und wurde am 6. Juni 1966 enthüllt.

Zum Schuljahr 2005/06 wurde die Schule neu gegründet. Initiiert vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Kreisverband Barnim e.V., nahm das Freie Joachimsthaler Gymnasium seine Arbeit auf. Zum Schuljahr 2009/10 erreicht das einzügige Gymnasium nun auch die Sekundarstufe II. Zeitgleich beginnt der Bau eines neuen, moderneren Schulgebäudes.

Grundsatz und Leitspruch/Schullied/Traditionspflege

Der christliche Glaube gehörte von Anfang an zum Fundament der Schule. Der erste Grundsatz in der maßgebenden Grundordnung vom Jahre 1607, die in den Auditorien aushing, hieß: „Pietatem ante omnia – quia sine, omnis sophia est panurgia – studiose colant et perpetuo cogitent, sapientiae initium esse timorem Dei“, zu Deutsch: „Vor allem um den christlichen Glauben (nicht nur: um die Frömmigkeit), ohne den alle Weisheit Falschmünzerei ist, sollen sich die Schüler eifrig bemühen und ständig daran denken, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit ist.

Der Leitspruch der Joachimsthaler lautet: Dic cur hic („Sag, warum Du hier bist. bzw. Sag, warum Du hier auf Erden weilst“) - ein von Johann Michael Moscherosch geprägter Leitspruch des lutherisch geprägten Humanismus[5]

Es gibt auch ein eigenes Lied für das Joachimsthalsche Gymnasium („Joachimsthaler Lied“: Wir sind Joachimsthaler Jungen …). Verfasser ist Otto Schroeder (Professor, Adjunkt und Oberlehrer von 1875 bis 1910 am Joachimsthalschen Gymnasium). Gesungen wird es auf die Melodie des Trios aus dem Parademarsch Nr. 1, Armeemarsch III/51 (Möllendorf).

Die ehemaligen Schüler haben sich in der „Vereinigung Alter Joachimsthaler e. V.“ zusammengeschlossen. „Alma Mater Joachimica“ ist ihre Vereinszeitschrift.

Bekannte Personen

Bekannte Schüler

Bekannte Lehrer

Rektoren des Joachimsthalschen Gymnasium

(Rector Joachimicus)

Joachimsthaler Zeit (Gründung 1607 bis 1636/1650):

  • 1607 bis 1610: Karl Bumann (1551–1610)
  • 1610 bis 1636: Samuel Dresemius (1578–1638)

Berliner Zeit im Schloss Berlin (Kriegsbedingte Übergangszeit, 1650 bis 1688):

  • (?)
  • 1653 bis 1658: Ernst Wulstorp (1595–1660)
  • 1659 bis (?): Johannes Vorstius (1623–1676)
  • (?)

Berliner Zeit in der Burgstraße (1688 bis 1880):

  • (?)
  • 1707 bis 1721: Paul Volckmann (1669–1721)
  • 1729 bis 1768: Johann Philipp Heinius (1688–1775)
  • 1775 bis 1800: Johann Heinrich Ludwig Meierotto (1742–1800)
  • 1802 bis 1826: Bernhard Ludwig Snethlage (1753–1842)
  • 1826 bis 1857: Johann Albert Friedrich August Meineke (1790–1870)
  • 1857 bis 1872: Friedrich Wilhelm Gustav Kießling (1809–1884)
  • 1872 bis (1886): Karl Julius Heinrich Schaper (1828–1886)

Berliner Zeit in der Kaiserallee (heute: Bundesallee) (1880 bis 1912):

  • (1872) bis 1886: Karl Julius Heinrich Schaper (1828–1886)
  • 1887 bis 1909: Carl Bardt
  • 1909 bis (1921): August Nebe (1864–1943)

Templiner Zeit (ab 1912):

  • (1909) bis 1921: August Nebe
  • 1921 bis 1925: Rudolf Graeber (1866–1940)
  • 1925 bis 1930: Carl Kappus
  • 1930 bis 1935: Gustav Kuhlmann (1882–1954)
  • 1935 bis 1944: Walther Hertzberg (1890–1977)

Leiter des Freien Joachimsthaler Gymnasiums

  • Seit 2005: Susanne Drutschmann

Literatur

  • Helmut Caspar: Die Beine der Hohenzollern. Was Primaner des Joachimsthalschen Gymnasiums über die Siegesallee schrieben und was Wilhelm II. von den Aufsätzen hielt, Berlin Story Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-929829-58-7.
  • Jan Feustel: "Alma mater Joachimica", In: "Die Mark Brandenburg", Heft 63, Marika Großer Verlag Berlin, 2006 ISBN 978-3-910134-22-5.
  • Jonas Flöter / Christian Ritz (Hrsg.): Das Joachimsthalsche Gymnasium. Beiträge zum Aufstieg und Niedergang der Fürstenschule der Hohenzollern, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2009, ISBN 978-3-7815-1655-7.
  • Hermann Franck: "Wenn Du dies liest…", Tagebuch für Hugo. München (Hanser) 1997, München (dtv) 2000 (über den Schulalltag in der Mitte des 19. Jahrhunderts).
  • Siegfried Joost: Das Joachimsthalsche Gymnasium. (Festschrift zum Gedenken an die 375-jährige Wiederkehr der Gründung des Joachimsthalschen Gymnasiums am 24. August 1982). Wittlich, Knoop 1982.
  • Heinz Wegener: Das Joachimsthalsche Gymnasium - Die Landesschule Templin. Ein Berlin-Brandenburgisches Gymnasium im Mahlstrom der Deutschen Geschichte 1607–2007, Berlin Story Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-929829-62-4.
  • Erich Wetzel: Festschrift zum dreihundertjährigen Bestehen des Königl. Joachimsthalschen Gymnasiums am 24. August 1907, Buchhandlung des Waisenhauses, Halle a. S. 1907.

Weblinks

 Commons: Joachimsthalsches Gymnasium – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Einzelnachweise

  1. Tobias Schwinger: Die Musikaliensammlung Thulemeier und die Berliner Musiküberlieferung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, S. 389. Ortus-Musikverlag, Beeskow 2006 ISBN 3-937788-08-5 bzw. ISBN 978-3-937788-08-1.
  2. http://www.gymnasium-joachimsthal.de/html/geschichte.html
  3. Tobias Schwinger: Die Musikaliensammlung Thulemeier und die Berliner Musiküberlieferung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, S. 389.
  4. Tobias Schwinger: Die Musikaliensammlung Thulemeier und die Berliner Musiküberlieferung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, S. 382.
  5. Zitatenlexikon - Eintrag Moscherosch

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