Ulrich Wildgruber

Ulrich Wildgruber
Ulrich Wildgruber (1985)

Ulrich Wildgruber (* 18. November 1937 in Bielefeld; † 30. November 1999 auf Sylt) war ein deutscher Schauspieler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines Bielefelder Buchbindemeisters war seit seiner Schulzeit und der Mitarbeit an einem Amateurtheater davon beseelt, Schauspieler zu werden. Zunächst begann er seine schauspielerische Ausbildung in mehreren Stationen bei privaten Schauspiellehrern, die jedoch immer wieder unterbrochen wurde, und er musste sich mit zahlreichen Jobs durchs Leben schlagen, ohne aber sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Erst 1960 gelang es ihm, am Max-Reinhardt-Seminar in Wien für ein Schauspielstudium angenommen zu werden, das er jedoch wegen Kontroversen wieder verließ. Er debütierte 1963 am Wiener Volkstheater in Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder unter der Regie von Gustav Manker als Schweizerkas in einer Aufführung, die in Österreich den Brecht-Boykott brach.

Bis 1972, als seine bis zu seinem Tode währende Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Zadek begann, war Ulrich Wildgruber an Theatern Basel, Heidelberg, Oberhausen und Stuttgart engagiert, 1971 kurzzeitig auch an der Berliner Schaubühne von Peter Stein.

Am Schauspielhaus Bochum gelang ihm dann unter Peter Zadek 1972 der Durchbruch. Hier wuchs er zum Protagonisten der Zadek-Inszenierungen heran und spielte bei ihm alle großen Shakespeare-Rollen, wobei der korpulente Schauspieler dabei häufig gegen den gängigen Rollentypus besetzt wurde, was auch zu Theaterskandalen führte. Seine eigenwillige Diktion und Sprechmelodik veranlassten ebenfalls immer wieder zu Kritik. Für Zadek war er jedoch der ideale Resonanzkörper für seine Theaterspektakel, da Wildgrubers Spielweise in gleichem Maße kraftvoll wie zart sein konnte.

Ulrich Wildgruber (rechts), 1985 beim Spiel mit dem späteren Schachweltmeister Garry Kasparov in Hamburg.[1]

Nach Beendigung der Intendanz Zadeks in Bochum 1975 wechselte Wildgruber zum Deutschen Schauspielhaus nach Hamburg und blieb dort bis 1991. Seine letzte Rolle war der Polonius in Shakespeares Hamlet unter der Regie von Peter Zadek für die Wiener Festwochen 1999. Nach Gastspielen in Zürich und Straßburg spielte Ulrich Wildgruber diese Rolle noch einmal an der Berliner Schaubühne. 35 Vorstellungen im Oktober und November 1999 waren ausverkauft.

In seinen letzten Lebensjahren machte Wildgruber eine Herzkrankheit zu schaffen, die in ihm die Angst weckte, einer Bühnentätigkeit nicht mehr nachgehen zu können. Am 29. November 1999 fuhr Wildgruber von Berlin nach Sylt, wo er seit Jahren sein Feriendomizil hatte. In der Nacht zum 30. November ertränkte er sich in der Nordsee. Am Tag darauf fanden ihn Spaziergänger tot am Strand. Eine Obduktion ergab, dass Wildgruber zum Todeszeitpunkt weder alkoholisiert noch narkotisiert gewesen war und somit gezielt – als Nichtschwimmer – in das Wasser ging. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Brackwede seiner Heimatstadt Bielefeld.

Auf die Frage, ob es für einen Schauspieler besonders schwierig sei, älter zu werden, antwortete Ulrich Wildgruber 1994 in einem Interview: „Eine Stradivari wird im Laufe der Jahre vielleicht besser. Aber wenn Du einen Körper hast, der immer fetter wird, der keinen Salto schlagen kann, – viele Dinge kann ich gar nicht mehr ausdrücken, selbst wenn ich möchte. Hätte ich das gewusst, ich wäre ja nie Schauspieler geworden. Ich war eigentlich zu faul, Artistik zu lernen, habe somit meinen Beruf nie richtig ausgeführt. Nur wie sich meine Phantasie bewegt, das mag ich.“[2]

In Hamburg lebte er von 1975 bis Ende der 1980er Jahre gemeinsam mit Ehefrau Vera Wildgruber (Dramaturgin) und einer Tochter. Von 1991 bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Schauspielkollegin Martina Gedeck in Berlin.

Seit 2000 wird zu seinem Andenken der Ulrich-Wildgruber-Preis als Theaterpreis zur Förderung junger Schauspieler verliehen.

Wichtigste Rollen am Theater

Filmographie

Literatur

Ulrich Wildgruber: Der Lachszug der Wörter. Alexander Verlag, Berlin 2002.

Weblinks

 Commons: Ulrich Wildgruber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel, Nr. 24/1985, Seite 108: Bericht zum Simultan-Kampf von Garry Kasparov gegen 31 Gegner.
  2. CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film – Peer Moritz: Ulrich Wildgruber – Schauspieler – Biografie

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ulrich-Wildgruber-Preis — Der Ulrich Wildgruber Preis ist ein Theaterpreis zur Förderung junger Schauspieler, der im Gedenken an den 1999 verstorbenen Schauspieler Ulrich Wildgruber verliehen wird. Das Magazin stern hatte den Preis zusammen mit der Münchner Theateragentin …   Deutsch Wikipedia

  • Ulrich Waller — (* 1. Januar 1956 in Marburg an der Lahn) ist ein deutscher Regisseur, Theaterleiter und Autor. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Regiearbeiten (Fernsehen) 3 Bücher …   Deutsch Wikipedia

  • Wildgruber — ist der Familienname folgender Personen: Adolph Wildgruber (1820−1854), Tiroler katholischer Priester Ulrich Wildgruber (1937−1999), deutscher Schauspieler Sepp Wildgruber (* 1959), deutscher Skirennläufer Diese Seite …   Deutsch Wikipedia

  • Wildgruber — Wịldgruber,   Ulrich, Schauspieler, * Bielefeld 18. 11. 1937, ✝ (tot aufgefunden) vor Westerland 30. 11. 1999; Theaterdarsteller (seit 1964), der schon 1968 als Titelheld in P. Handkes »Kaspar« großen Erfolg hatte. Bedeutsam war seine… …   Universal-Lexikon

  • Peter Zadek — (* 19. Mai 1926 in Berlin Wilmersdorf; † 30. Juli 2009 in Hamburg) war ein deutscher Regisseur und Theater Intendant am Schauspielhaus Bochum (1971 bis 1975) und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (1985 bis 1989). Darüber hinaus führte er… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Wil — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Berliner Theatertreffen/1970-1979 — Sämtliche zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen von 1970 bis 1979: Inhaltsverzeichnis 1 7. Theatertreffen 1970 2 8. Theatertreffen 1971 3 9. Theatertreffen 1972 4 10. Theatertreffen 1973 5 …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsches Schauspielhaus Hamburg — Deutsches Schauspielhaus …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsches Schauspielhaus in Hamburg — Deutsches Schauspielhaus …   Deutsch Wikipedia

  • Hamburger Schauspielhaus — Deutsches Schauspielhaus …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”