Kreuzigung

Kreuzigung

Die Kreuzigung war eine im Alten Orient und in der Antike verbreitete Hinrichtungsart. Sie entwickelte sich aus dem Erhängen, sollte aber anders als dieses die Todesqual möglichst verlängern. Dazu wurde eine Person an einen aufrechten Pfahl, mit oder ohne Querbalken, gefesselt oder genagelt.[1]

Im Römischen Reich wurden vor allem Nichtrömer und entlaufene oder aufständische Sklaven gekreuzigt. Nach der Konstantinischen Wende (313) wurde die Kreuzigung in Europa durch andere Hinrichtungsmethoden ersetzt. In einigen vom Islam geprägten Staaten ist sie bis heute als Strafe im Gesetz verankert.

Inhaltsverzeichnis

Phönizier, Assyrer und Perser

Das Kreuzigen ist zuerst von den Phöniziern bekannt, einem See- und Handelsvolk im Mittelmeerraum. Dort fesselte man Verurteilte an einen Baum – bei den Römern später arbor infelix („Unglücksbaum“) genannt – und überließ sie dann dem Erfrieren oder Verdursten. Daher dauerte der Todeskampf oft Tage.

Um 1000 v. Chr. erlebte diese Hinrichtungsmethode ihre erste Hochphase. Durch die Handelskontakte der Phönizier gelangte sie ins Zweistromland zu den damals dort herrschenden Assyrern und nach Persien. Dort wurde ein Verurteilter nur festgebunden, aber noch nicht angenagelt. Herodot berichtet im 5. Jahrhundert v. Chr. von Kreuzesstrafen besonders bei den Persern.[2]

Griechen

In Athen sind Kreuzigungen in literarischen Texten des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts kaum erwähnt; allerdings ist aus Gerichtsreden bekannt, dass Kreuzigung bei Eigentumsdelikten die übliche Strafart war. Daraus wird gefolgert, dass sie häufig praktiziert wurde und überwiegend Angehörige der verarmten Unterschichten betraf.

Seit dem Makedonischen Großreich wurde auch das Annageln häufig praktiziert. Nun schuf man auch besondere Richtplätze für die Kreuzigung – meist auf einem Berg oder Hügel – und benutzte eigens dafür vorgesehene Pfähle. 332 v. Chr. ließ Alexander der Große nach der Eroberung von Tyros etwa 2.000 Männer im wehrfähigen Alter kreuzigen.[3]

Römisches Reich

Betroffene Gruppen und Zweck

Von den Makedonen und Karthagern übernahmen die Römer das Kreuzigen. Im Römischen Reich kreuzigte man vorzugsweise Sklaven, um andere Sklaven von der Flucht oder anderen Vergehen abzuschrecken. Auch Aufständische wurden besonders in eroberten Gebieten so hingerichtet. Die Kreuzigung war demnach eine politische Strafe zur Sicherung und Aufrechterhaltung der Pax Romana nach innen und außen.

Julius Caesar ließ etwa 30 Seeräuber, die ihn 76 v. Chr. auf einer Seereise überfallen hatten, später kreuzigen.[4] Nach der endgültigen Niederlage des aufständischen Sklavenheerführers Spartacus 71 v. Chr. wurden um die 6.000 seiner Anhänger entlang der Via Appia von Rom bis Capua gekreuzigt.[5] Seither verbreitete sich die Kreuzigung auch als Strafe gegen Nichtrömer.

Römische Bürger durften von Rechts wegen nicht gekreuzigt werden, sondern wurden zumeist enthauptet, der Möglichkeit des Freitodes ausgesetzt oder verbannt. Für die römische Klassenjustiz galt Kreuzigung als äußerst demütigender, schmachvoller Sklaventod, von dem römische Bürger nichts wissen wollten. So schrieb Cicero:[6]

Nomen ipsum crucis absit non modo a corpore civium Romanorum, sed etiam a cogitatione, oculis, auribus.
„Was Kreuz heißt, soll nicht nur vom Leib der Bürger Roms fernbleiben, sondern auch schon von ihrer Wahrnehmung, ihren Augen und Ohren.“

Dennoch erwähnen römische Quellen gelegentlich die Kreuzigung von römischen Bürgern als drastische Maßnahme tyrannischer Kaiser oder Statthalter.

Varus ließ um 4 v. Chr. jüdische Aufständische, die nach dem Tod Herodes des Großen ein jüdisches Königtum aufrichten wollten, massenhaft kreuzigen (Flavius Josephus, Bellum Judaicum 2,75; Antiquitates 17,296). Den Nachfolgern des Herodes wurde der Titel König der Juden aberkannt.

Der römische Feldherr und spätere Kaiser Titus ließ 70 n. Chr. täglich 500 und mehr vor Hunger flüchtende Juden während des jüdischen Krieges vor der Stadtmauer Jerusalems geißeln, foltern und dann kreuzigen, um die Widerstandskraft der Belagerten zu schwächen. Bald wurde laut Josephus sogar Holz wegen der vielen aufgestellten Kreuze knapp (Bellum Judaicum 5. 449ff):

Die Soldaten nagelten nun in ihrer gewaltigen Erbitterung die Gefangenen zum Hohn in den verschiedensten Körperlagen an, und da ihrer gar so viele waren, gebrach es bald an Raum für die Kreuze und an Kreuzen für die Leiber.

Methoden

Die römische Hinrichtungsmethode des Kreuzigens sollte einen dazu Verurteilten absichtlich besonders langsam und grausam töten. Es konnte Tage dauern, bis sein Tod eintrat. Das möglichst lange qualvolle Sterben der Gekreuzigten sollte den Verurteilten demütigen, und den Betrachter einschüchtern und abschrecken. Es gab aber keine römische Vorschrift, wie eine Kreuzigung genau durchzuführen war. Den oft aus abgeordneten Soldaten bestehenden Henkerkommandos wurde dabei ein hohes Maß an Freiheit zugestanden. Sie mussten die Verurteilten allerdings streng bewachen, bis die Strafe vollzogen und der Tod eingetreten war. Römische Wachmänner mussten selbst mit der Todesstrafe rechnen, wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllten und die Flucht eines zum Tode Verurteilten ermöglichten.

Die vollständige römische Hinrichtungsprozedur bestand in der Kaiserzeit aus vier Teilschritten, die jedoch nicht immer und überall nacheinander vollzogen wurden:

  • der vollständigen Entkleidung des Verurteilten und dessen öffentlicher Geißelung;
  • dem erzwungenen Querbalken- oder Furcatragen zum Hinrichtungsplatz;
  • dem Fesseln oder Annageln seines Körpers an eine Furca oder den Querbalken;
  • dessen Befestigung an einem Baum oder auf dem vorbereiteten Pfahl. Dabei wurden Mensch und Querbalken hochgehoben und mit dem senkrechten Pfahl verbunden.

Die Geißelung des Entkleideten mit einer Peitsche, oft zusätzlich mit Nägeln besetzt, quälte und erniedrigte den Betroffenen zusätzlich, schwächte seinen Organismus durch die Anstrengung und Verspannung unter den Schlägen, Schmerzen und Blutverlust. Dies konnte bereits tödlich sein und verkürzte die Sterbedauer am Kreuz, so dass die Zahl der Schläge meist begrenzt wurde.

Anfangs benutzte man in Rom häufig ein Balkendreieck (lateinisch furca), eigentlich ein landwirtschaftliches Nutzgerät (Forke). Man hängte es dem Verurteilten um den Hals und band dessen Arme an den Schenkeln der furca fest. In dieser Haltung wurde er ausgepeitscht und musste den Weg vom Richtstuhl zur Richtstätte gehen. Dann wurde die Furca mit ihm an einen eingerammten Pfahl gehängt. Später wurde sie durch einen Querbalken ersetzt, der am oberen Ende des Pfahls angebracht oder mit einem Strick am oberen Drittel des Pfahls oder an einem Baum aufgehängt wurde. Daraus ergaben sich die beiden bekanntesten Kreuzformen (crux commissa in T-Form, crux immissa in †-Form).

Arme und Beine wurden an Pfahl und Querbalken gefesselt oder genagelt. Damit begann die eigentliche Kreuzigung. Das Annageln geschah so, dass der Blutverlust gering gehalten wurde. Anatomischen Tests zufolge mussten die Nägel nicht durch die Handflächen, sondern durch Handwurzelknochen oder den Raum zwischen Elle und Speiche sowie durch die Fußwurzel oder das Fersenbein getrieben werden, um das Körpergewicht tragen zu können. Für die Füße bestätigt dies ein Skelettfund in Jerusalem aus dem 1. Jahrhundert, bei dem der Nagel noch im Fersenbein steckte. Dies ist zugleich der erste physische Beleg einer römischen Kreuzigung.[7]

Bei seitlich angenagelten Fersen wurde manchmal ein Sedile genanntes Querholz auf halber Höhe ergänzt, auf dem der Gekreuzigte sein Gesäß zeitweise abstützen konnte. Dies entlastete auch die am Querbalken befestigten Arme des Gekreuzigten, um ihm das Atmen zu erleichtern. Oft wurden auch die Beine des Verurteilten auf einen kleinen Querbalken (Suppedaneum) gestellt, damit er nicht sofort durch sein Eigengewicht nach unten gezogen und ohnmächtig wurde bzw. bei angenagelten Gliedmaßen zu viel Blut verlor. Wo dies üblich war, galt es als Begünstigung, dem Gekreuzigten nach einiger Zeit die Füße bzw. Unterschenkel zu brechen, um ihm das Abstützen zu verwehren und so seinen Todeskampf abzukürzen. Dazu bestachen Angehörige mitunter die Henker.

Oft verabreichte man dem Gekreuzigten mit einem Schwamm über mehrere Tage etwas Flüssigkeit, damit er nicht vorzeitig verdurstete, um seine Qualen zu verlängern: meist Wasser, zum Teil mit Weinessig (posca), und mit schmerzlindernden oder betäubenden Heilkräutern.

Besonders grausam war das Aufhängen mit dem Kopf nach unten. Davon konnten Angehörige den Verurteilten jedoch freikaufen. Wo es geschah, wurde der Hingerichtete schneller ohnmächtig und starb früher.

Beim Crurifragium wurden den Hingerichteten die Beine gebrochen. Sie hingen dadurch noch schwerer an den Armnägeln oder -seilen und starben dadurch schneller, aber schmerzhafter.

Der Tod durch Ersticken, Kreislaufkollaps oder Herzversagen trat bei nicht schon vorher geschwächten Menschen meist innerhalb von drei Tagen ein. Ihm gingen Qualen wie Durst, Wundbrand und Verkrampfung der Atemmuskulatur voraus.

Nach dem eingetretenen Tod prüften römische Soldaten durch einen Stich in den Bauch mit einer Lanze (Pilum), ob der Hingerichtete wirklich tot war. Üblicherweise ließen sie den Leichnam am Kreuz hängen, bis seine Teile nach völliger Verwesung herunterfielen. Nach ihrer religiösen Vorstellung konnte der Schatten des Toten durch den fehlenden Kontakt zur Erde nicht in die Unterwelt gelangen. In manchen Regionen nahm man jedoch auch Rücksicht auf religiöse Vorschriften, die eine fristgerechte Bestattung anordneten.

Judentum

Tanach

In der Tora war nicht die Kreuzigung, sondern die Steinigung als Todesstrafe für als todeswürdig geltende Vergehen vorgesehen. Das „Aufhängen“ wurde nicht gefordert und galt, wo es geschah, als Zeichen für den Ausschluss aus Gottes erwähltem Volk: Verflucht ist, wer am Holz hängt (Dtn 21,22f EU). Darin spiegelte sich ein Wissen um die ausländische Herkunft dieser Todesart und ihre Absicht, den Hingerichteten zu entehren und die Zuschauer abzuschrecken.

Das Judentum übernahm nur das Aufhängen, nicht jedoch das Annageln von den umgebenden Völkern und wandte es selber nur gegen Fremdherrscher oder bei extremen religiösen Vergehen wie Gotteslästerung an. Man ließ den Verendeten nur bis zum Abend nach seinem Tod zur Abschreckung hängen und begrub ihn dann, um das Land nicht im religiösen Sinn zu verunreinigen. Dies zeigen Notizen über ausländische Herrscher (Gen 40,18f; Esr 6,11; Est 9,13ff) ebenso wie über Hinrichtungen in Israel (Jos 8,29 EU).[8]

Geschichte

Das jüdische Königsgeschlecht der Hasmonäer jedoch war vom Hellenismus beeinflusst und übernahm von Makedonen und später von Römern auch deren Kreuzigungsstrafe. Um 267 v. Chr. etwa ließ der damalige König Judäas, Alexander Jannäus, 800 seiner innerjüdischen Gegner auf einmal kreuzigen (Flavius Josephus, Antiquitates Iudaeos XIII 13,5-14,2). Darin zeigte sich für diese deutlich seine Abhängigkeit von ausländischen Herrschern und deren Bräuchen.[9] Texte der Schriftrollen vom Toten Meer (200-100 v. Chr.) passten Dtn 21,22f der damaligen Praxis an und deuteten es als Verflucht ist, wer gekreuzigt wird. Das Kreuz (Holz) selber, nicht das Aufgehängtwerden daran, war zum Zeichen des Gottesfluchs geworden.

Zwischen 200 v. Chr. und 135 n. Chr. waren jüdische Aufstandsversuche gegen Fremdherrscher und von ihnen abhängige Vasallenkönige häufig; daher waren jüdische Aufständische oft Opfer von Kreuzigungen. Doch bisher wurden nur einmal (1968) Überreste eines gekreuzigten Juden in einem Jerusalemer Massengrab mit 30 Skeletten gefunden.[10] Dass er nicht abgesondert von den übrigen Toten bestattet wurde, gilt als Zeichen dafür, dass die Kreuzigung damals nicht mehr als Gottesfluch aufgefasst wurde: jedenfalls nicht, wenn sie als Todesmarter für Lebende, zumal gegen aufständische Juden, verhängt worden war.[11]

Auch Könige aus der Herodes-Dynastie, darunter der Herrscher Judäas um die Zeitenwende, Herodes Archelaus, und der Herrscher Galiläas zur Zeit Jesu, Herodes Antipas, ließen ihre Gegner mitunter kreuzigen. Nachdem Galiläa mit Judäa direkt der römischen Präfektur unterstellt worden war, fiel die Exekution von Kapitalverbrechern jedoch in römische Kompetenz.

Nach dem Ende der Eigenstaatlichkeit Israels und nachdem die unter Alexander Jannai verfolgten Pharisäer zur Führungsgruppe des Judentums aufgestiegen waren, verbot der Talmud (Traktat Sanhedrin 46b) das Hängen und damit das Kreuzigen als Hinrichtungsmethode und ließ nur das symbolische Aufhängen des bereits Getöteten zur befristeten Abschreckung zu, um der Toravorschrift zu genügen.

Christentum

Neues Testament

Die Kreuzigung Christi steht im Zentrum der Passionsberichte im Neuen Testament. Danach geschah sie durch Römer, die auf jüdische Initiative hin tätig wurden. Den Hinrichtungsbefehl gab der römische Statthalter Pontius Pilatus (Mk 15,15 EU). Er ließ Jesus zudem geißeln und foltern (Mk 15,16-19 EU).

Nach Joh 19,25 EU wurde Jesus an ein σταυρός (staurós) gehängt: Dieser griechische Ausdruck bezeichnet einen aufrecht stehenden, meist angespitzten hölzernen Pfahl, im Strafkontext ein Marterwerkzeug. In diesem Sinn erscheint der Begriff im NT etwa 40-mal, oft zusammen mit dem dazugehörigen Verb anastauroo im Sinne von „kreuzigen“.[12]

Seltener wird das Hinrichtungswerkzeug ξύλον – xýlon: „Holz, Stab, Baum“ – genannt (zum Beispiel in Apg 5,30 EU und Gal 3,13 EU). Alle NT-Stellen mit diesem Wort spielen auf Dtn 21,22f EU an: ...denn ein Gehenkter [ans Holz Gehängter] ist ein von Gott Verfluchter. Damit deuteten Juden Jesu Kreuzigung als Ausschluss aus Gottes Volk und Heil.[13]

Anlass der Festnahme Jesu durch die sadduzäischen Tempelpriester war wohl seine Tempelreinigung am Vortag (Mk 11,15-18 EU), die Aufruhr (gr. stasis) am Pessach in Jerusalem, dem höchsten jüdischen Fest, auslösen konnte (Mk 14,1f EU). Jedoch durfte der Sanhedrin, das oberste Religionsgericht des damaligen Judentums, zur Zeit Jesu zwar Todesurteile fällen, aber nicht vollstrecken (Joh 18,31 EU). Er war zur Auslieferung von des Aufruhrs Verdächtigten an die Römer verpflichtet.[14] Darum wird die Anklage der Sadduzäer gegenüber Pilatus (Mk 15,1-5 EU) im Kern für plausibel gehalten.

Ob dem ein regulärer Prozess vorausging oder ob Jesu Fall ein Justizmord war, ist historisch umstritten. Nach dem ältesten Passionsbericht (Mk 14,55-64 EU) warfen Zeugen seiner Tempelaktion Jesus Falschprophetie vor: Dieses Vergehen wäre nach der Tora mit Steinigung zu ahnden gewesen. Diese erfolgte nach dem Ende der Amtszeit des Pilatus aufgrund ähnlicher Tatvorwürfe bei dem tempelkritischen Urchristen Stephanus (Apg 6,11-14 EU).

Pilatus ließ Juden nach römischen Quellen häufig ohne Prozess kreuzigen und wurde deswegen im Jahr 36 als Statthalter Judäas abgesetzt. Da er am höchsten jüdischen Feiertag jedoch nicht ohne formale Rechtsgrundlage gehandelt hätte, halten viele Exegeten ein öffentliches Verhör des Angeklagten für plausibel. Pilatus musste dessen Schweigen bei öffentlicher Anklage nach römischem Recht als Geständnis werten.

Die synoptischen Passionsberichte erwähnen weder ein Annageln noch äußere Verletzungen Jesu (Mk 15,23ff EU). Möglicherweise wurden seine Arme nur festgebunden. Die liturgische Wendung „sein Blut vergossen“ aus der Abendmahlsüberlieferung lässt nicht auf einen blutigen Hinrichtungsvorgang schließen; eher schon die vorherige Geißelung. Nur das Johannesevangelium ergänzt aus theologischen Motiven – der später Auferweckte soll als der Gekreuzigte identifizierbar sein – Wundmale von durch die Handflächen getriebenen Nägeln (Joh 20,25 EU) und einen Stich in Jesu Seite, bei dem Blut und Wasser ausgeflossen sein sollen (19,34 EU). Dies sollte eine biblische Prophezeiung (Ps 34,21 EU) erfüllen (Joh 19,36 EU).

Für ein Kreuz mit Querbalken spricht, dass alle Evangelien ausdrücklich eine daran angebrachte Tafel erwähnen, die Namen und Vergehen (crimen) des Verurteilten nannte. Die Inschrift lautete (Dies ist) der König der Juden (Mk 15,26 EU; Lk 23,38 EU) oder Jesus von Nazaret, der König der Juden in den drei Sprachen Hebräisch, Griechisch und Lateinisch (Joh 19,19ff EU). Sie gilt als Indiz dafür, dass Jesus nicht nur eines Messiasanspruchs beschuldigt wurde, sondern diesen im Sinne des apokalyptischen Menschensohns tatsächlich erhoben haben könnte.[15] (siehe dazu INRI)

Dann hätte Pilatus diesen Anspruch als politischen Herrschaftsanspruch aufgefasst, wie es Joh 18,36ff EU andeutet. Für ihn bestand Jesu Staatsverbrechen also darin, dass er die Herrschaft über die Juden angestrebt und damit das Privileg des römischen Kaisers angegriffen habe: Nur dieser durfte Könige ein- und absetzen. Mit der demonstrativen Hinrichtung des an sich ungefährlichen Messiasanwärters am Passahfest wollte Pilatus demnach die Messiaserwartung aller damaligen Juden treffen und sie von Aufstandsversuchen abschrecken.

Nach Joh 19,31 EU wurden den zwei mit Jesus gekreuzigten Männern, die den Synoptikern zufolge „Aufrührer“ (Zeloten) oder „Übeltäter“ waren, die Beine gebrochen, um ihren Todeskampf abzukürzen, doch Jesus nicht. Das apokryphe Petrusevangelium (14,4) meint, dies habe Jesu Qualen verlängern sollen; für wahrscheinlicher halten Historiker die Annahme, dass Jesus schon gestorben war. Er wäre dann aufgrund der nachlassenden Kraft, sich hochzuziehen, durch Lungenversagen am eigenen Körpergewicht erstickt. Ein Verdursten legt dagegen Mk 15,36f EU nahe, wonach Jesus zwar noch Weinessig verabreicht bekam, um seinen Tod zu verzögern, aber unmittelbar darauf starb.

Nach den vier kanonischen und einigen apokryphen Evangelien erhielt Joseph von Arimathia, ein „angesehener Ratsherr“, die Erlaubnis, Jesu Leichnam noch am selben Abend vom Kreuz abnehmen und begraben zu dürfen (Mk 15,42-47 EU). Denn das Hängenlassen der Exekutierten über Nacht war Juden nach Dtn 21,23 EU verboten. Da die Sadduzäer Jesus nach Mk 14,64 EU als Gotteslästerer verurteilten, der ohne Namensgrab verscharrt werden musste, wird angenommen, dass Josef von Arimathia zur Fraktion der Pharisäer im Sanhedrin gehörte und dessen Todesurteil gegen Jesus nicht zugestimmt hatte.[16]

Geschichte

In der Christentumsgeschichte wurde die Kreuzigung als römische Hinrichtungsart zurückgedrängt, da sie durch den stellvertretenden Sühnetod Jesu Christi am Kreuz nicht mehr fortsetzbar erschien. 320 verbot Konstantin der Große die Kreuzigung im Römischen Reich.[17]

Jedoch wurden im Hochmittelalter als Ketzer, Hexen oder andere Glaubensfeinde Verdächtigte und Verurteilte häufig an Pfählen aufgehängt und dann öffentlich verbrannt. Auch das Rädern und andere grausame Hinrichtungsarten, die in der frühen Neuzeit zunahmen, kombinierten Folter und Tötung miteinander.

Islam

Koran

Der Koran erwähnt das Kreuzigen an sechs Stellen.[18] In Sure 7:124, 20:71 und 26:49 droht der Pharao seinen Hofzauberern schwere Strafen, darunter das Kreuzigen, dafür an, dass sie sich angesichts der Machtdemonstration des Mose von den vielen Göttern Ägyptens zum einen Schöpfergott bekehrt und diesem gehuldigt haben. Damit erscheint Kreuzigung in der koranischen Version der biblischen Exoduserzählung (Ex 1ff EU) als ungerechte Strafe eines Ungläubigen.

In Sure 5:33 heißt es:[19]

Der Lohn derer, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und (überall) im Land eifrig auf Unheil bedacht sind (?), soll darin bestehen, daß sie umgebracht oder gekreuzigt werden, oder daß ihnen wechselweise (rechts und links) Hand und Fuß abgehauen wird, oder daß sie des Landes verwiesen werden. Das kommt ihnen als Schande im Diesseits zu. Und im Jenseits haben sie (überdies) eine gewaltige Strafe zu erwarten.

Hier ist Kreuzigung als Strafe für diejenigen Muslime oder Nichtmuslime vorgesehen, die den Islam aktiv bekämpfen oder gefährden. Gemäß Sure 5:34 sind diejenigen nicht zu bestrafen,

…die umkehren, (noch) bevor ihr Gewalt über sie habt. Ihr müßt wissen, daß Gott barmherzig ist und bereit zu vergeben.

Hadith

Die klassischen Hadithsammlungen berichten, dass Mohammed in einem Fall die Kreuzigung von Mördern und Kameldieben anordnete. Anderen Traditionen zufolge hingegen wurden die Täter geblendet, und Mohammed ließ ihnen Hände und Füße abschlagen.[20]

Geschichte

Islamische Rechtsgelehrte haben Sure 5:33 meist auf Hadd-Vergehen wie Mord, Raubmord, Diebstahl bezogen. Umstritten blieb, ob auch Apostasie zu den Hadd-Vergehen zählt und ob Sure 5:33 für jedes Vergehen eine bestimmte Strafe fordert oder aber der jeweilige Herrscher oder Richter diese aus den hier angebotenen Strafarten auswählen soll. Letzteres vertraten zum Beispiel Ibn 'Abbās, Ḥasan al-Baṣrī und Sa'īd ibn al-Musayyab. Die meisten Rechtsgelehrten, zum Beispiel Shafi'ī, stellten dagegen einen Strafkatalog auf, der bestimmten Vergehen bestimmte Strafen zuordnete und dann die Kreuzigung als Strafe für „Töten und Rauben“, also Raubmord oder Raub mit Todesfolge (Totschlag), vorsah.[21]

In der Geschichte des Islam wurden aber auch als Apostaten Verurteilte gekreuzigt, etwa unter dem dritten Kalifen 'Umar II. Der Mystiker Mansur al-Halladsch wurde 922 in Bagdad als Ketzer verurteilt und gekreuzigt.[22]

Das heutige Strafrecht des Iran (eingeführt 1991) sieht Kreuzigung nach Artikel 190 als zweite von vier möglichen Hadd-Strafen für die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und (überall) im Land eifrig auf Unheil bedacht sind, vor. Artikel 195 legt fest, dass der Verurteilte nicht am Kreuz sterben darf. Im Todesfall muss er abgenommen, im Überlebensfall darf er nicht anderweitig hingerichtet werden.[23]

Der Jemen, Saudi-Arabien, Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate lassen Verurteilte, die bereits enthauptet, gehängt oder gesteinigt wurden, anschließend an ein Kreuz hängen, um sie so einen Tag lang zur Schau zu stellen. Bekanntgewordene Fälle dieser Art werden etwa durch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zum Anlass für Proteste gegen die Todesstrafe in diesen Ländern genommen.[24] Nach neueren Länderberichten Amnestys werden mit Kreuzigung verbundene besonders grausame Todesurteile heute jedoch oft nicht mehr vollstreckt, sondern in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.[25]

Japan

In Japan entstand als Reaktion auf europäisch-christliche Missionsbestrebungen im 16. Jahrhundert eine Variante der Kreuzigung, genannt Haritsuke (jap. ). Dort wurden christliche Missionare und neugetaufte Japaner gekreuzigt – zum Beispiel die Märtyrer von Nagasaki 1527 –, später meist Männer und Frauen aus unteren sozialen Schichten, an denen ein Exempel statuiert werden sollte.

Bei der japanischen Kreuzesstrafe wurde meist der Leib zerstückelt. Diese Strafart wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein ausgeübt.

Siehe auch

Literatur

Griechen

  • M. Derbrunner Hall: Even Dogs have Erinyes. Sanctions in Athenian Practice and Thinking. In: L. Foxhall, A. D. E. Lewis (Hrsg.): Greek Law in Its Political Setting. Justifications not Justice. Oxford University Press, Oxford u. a. 1996, ISBN 0-19-814085-1, S. 73–89.

Römer

Juden und Christen

  • Otto Betz, Rainer Riesner: Kreuz/Kreuzigung. In: Helmut Burkhardt (Hrsg.): Das grosse Bibellexikon. Band 2: Haar – Otniel. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1988, ISBN 3-417-24612-1, S. 840–845.
  • Martin Hengel: Mors turpissima crucis. Die Kreuzigung in der antiken Welt und die „Torheit“ des „Wortes vom Kreuz“. In: Johannes Friedrich u. a. (Hrsg.): Rechtfertigung. Festschrift Ernst Käsemann. Mohr u. a., Tübingen u. a. 1976, ISBN 3-16-138452-0, S. 125–184 (englische erweiterte Fassung: Crucifixion in the Ancient World and the Folly of the Message of the Cross, Philadelphia 5/1989).
  • Frederick T. Zugibe: Crucifixion of Jesus. A Forensic Inquiry. M. Evans & Co Inc., New York NY 2005, ISBN 1-59077-070-6.

Weblinks

 Commons: Kreuzigung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Allgemein

Christentum

Einzelnachweise

  1. Heinz Wolfgang Kuhn: Die Kreuzesstrafe, insbesondere in Palästina von 63 v. Chr. – 66 n. Chr., In: Artikel Kreuz II, Theologische Realenzyklopädie Band 19, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1990, S. 713f
  2. Heinz Wolfgang Kuhn: Die Kreuzesstrafe, insbesondere in Palästina von 63 v. Chr. – 66 n. Chr., in: Artikel Kreuz II, Theologische Realenzyklopädie Band 19, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1990, S. 714
  3. Diodor: Siculus, 17. Kapitel 46.4: Der König verkaufte alle Frauen und Kinder in die Sklaverei und kreuzigte alle Männer im wehrfähigen Alter. Dies waren nicht weniger als 2000.; Curtius: 2000 Männer wurden an Kreuze geheftet/genagelt („crucibus affixi“)
  4. nach Plutarch, vitae parallelae, und Sueton, De vita Caesarum; siehe Stephen B. Aranha: Caesars politische Anfänge. Vom Amt des Flamen Dialis bis zu seinem Kriegstribunat (72 v. Chr.) (1999/2000)
  5. nach Appian von Alexandria, Bürgerkriege 1.120; übersetzt ins Englische von John Carter
  6. in: Pro C. Rabirio perduellionis reo 5,16; zitiert nach Jürgen Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 1976, S. 36
  7. Ulrich W. Sahm: Sensationen biblischer Archäologie (mit Abbildung)
  8. E. Brandenburger: Artikel stauros II.1, in: Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Brockhaus Verlag, 4. Auflage der Studienausgabe, Wuppertal 1986, S. 819
  9. Martin Noth, Geschichte Israels 8. Auflage 1976, S. 348
  10. Ute Eberle: Kruzifix, noch mal. In: Die Zeit wissen, Februar 2007
  11. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. 1998, S. 78
  12. Art. Kreuz/Kreuz Christi in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage, Bd. 4, S. 1745f, Tübingen 2001.
  13. Artikel Kreuz, in: Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, R. Brockhaus Verlag, 7. Auflage, Wuppertal 1986, ISBN 3-417-24849-3, S. 816f
  14. Ekkehard W. Stegemann: Warum Jesus gekreuzigt wurde (Link nicht mehr abrufbar)
  15. so zuerst N.A. Dahl, Der gekreuzigte Messias, in: H. Ristow und K. Matthiae, Der historische Jesus und der kerygmatische Christus, Berlin 1960, S. 149–169; ihm folgend Klaus Haacker: Wer war Schuld am Tode Jesu?, in: Theologische Beiträge 25, 1994, S. 23–36
  16. Bertold Klappert: Die israelitische Kontur des Prozesses Jesu, in: Israel und die Kirche 1980
  17. Heinz Wolfgang Kuhn: Die Kreuzesstrafe, insbesondere in Palästina von 63 v. Chr. -66 n. Chr., in: Artikel Kreuz II, Theologische Realenzyklopädie Band 19, a.a.O. S. 714
  18. Quran online, Suchergebnis „kreuz“
  19. Der Koran, Übersetzung von Rudi Paret, 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, S. 82
  20. F. E. Vogel in: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Stichwort: SALB
  21. Adel Theodor Khoury, Kommentar zu Sure 5:33, in: Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1991, Bd. 2
  22. Otto Spies: Über die Kreuzigung im Islam. In: Religion und Religionen. Festschrift für Gustav Mensching zu seinem 65. Geburtstag, dargebracht von Freunden und Kollegen. Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn 1967, S. 145
  23. Die Wiedereinführung des islamischen Strafrechts in Iran (Teil 1) Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, 23. Februar 2008
  24. Amnesty International Deutschland: Beispielfälle, Suchergebnis „Kreuzigung“
  25. Amnesty International Deutschland: Länderkurzbericht der Koordinationsgruppe Saudi Arabien und Golfstaaten, November 2006 (PDF) gleichlautend im Länderkurzbericht Januar 2008.

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