Arier

Arier

Die Bedeutung von Arier (Sanskrit आर्य, persisch ‏آریا‎: āryā: „edel“; erweiterte Formen aryāna, ari oder arya, von proto-indogermanisch *ar-yo: etwa „wohlgefügt“) ist vielfältig. Der Begriff wird im völkerkundlichen, sprachwissenschaftlichen und „rassenkundlichen“ Zusammenhang verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Von der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts wurden die sprachwissenschaftlich definierten Indogermanen auch als Arier bezeichnet. Sie galten als Urvolk der indoeuropäischen Sprachgruppe. Belegt ist die Selbstbezeichnung arya jedoch nur aus dem Iran (Inschrift von König Darius in Naqsh-i Rustam) und Indien (Rigveda). Man stellte sie sich als Nomaden vor, die sich seit dem 3. Jtd. v. Chr. von ihrer Urheimat in den Steppen westlich des Urals in die zentralasiatische Steppe, nördlich des Kaspischen Meeres und des Aralsees, ausbreiteten und sich dabei in einen indischen (Indo-Arier) und einen iranischen (Irano-Arier) Zweig spalteten.[1]

Die Existenz eines zentralasiatischen nomadisierenden Hirtenvolkes, das sich Arier (Aryas) nannte, kann ausweislich heiliger Texte wie der Avesta und der Veden als gesichert gelten.[2] Eine Gleichsetzung mit der sprachwissenschaftlich definierten Gruppe ist aber nicht zulässig.[Quelle?] Im 2. Jahrtausend v. Chr. wanderte der indische Zweig der Arier (आर्य), deren Sprache Vedisch war, über den Hindukusch nach Nordwestindien ein, wo sie auf die Reste der Harappa-Kultur trafen.[3] Die iranischen Arier, die zu den Vorfahren der heutigen Perser, Paschtunen, Kurden und Belutschen wurden, wanderten 11. bis 10. Jh. v. Chr. ein.[4] Die Migration der Arier in das Gebiet des heutigen Iran und Indiens ist in der Völkerkunde anhand der altiranischen heiligen Schriften des Avesta und der altindischen heiligen Schrift der Veden nachgewiesen.[2][3] Deswegen nennt man in der Sprachwissenschaft die heutigen indoarischen und iranischen Sprachen „arisch“.

Kultur und Religion

Sprachwissenschaftler nehmen an, dass Indoiranisch (arisch) sprechende Ethnien während der späteren Kupfersteinzeit bis zur frühen Bronzezeit existierten. Ihre Kultur und Religion bleiben größtenteils im Dunkeln.

Basierend auf archäologischen Funden und der Rekonstruktion des Ur-Indoiranischen versucht man, Merkmale ihrer Kultur zu erschließen. Danach lebten die Arier als Nomaden. Ihre Gesellschaft war kriegerisch, patriarchalisch und hierarchisch and sie betrieben Sklaverei. Die Kultur der Arier zeichnete sich durch die Domestizierung des Pferdes (ek'wos) und der Kuh (gwous), die Erfindung des Streitwagens mit Speichenrädern sowie die Nutzung von Bronze und Kupfer aus.[3] Aller Wahrscheinlichkeit nach hielten sie auch Schafe, Hunde, Ziegen und Schweine. Der Ackerbau wird erst in späterer Zeit durch die Eroberung von Völkern übernommen.[5] Töpferei und Weberei waren bekannt. Die militärische Überlegenheit der Indo-Arier gegenüber den Nachkommen der untergegangenen Harappa-Kultur wird darauf zurückgeführt, dass die Arier im Gegensatz zu dieser Pferd und Streitwagen kannten.

Diese Völker hingen animistischen oder polytheistischen Religionen an. Sie verehrten mindestens einen Gott, vermutlich eine als "Himmelvater" zu übersetzende Gottheit; daneben existierten aber wahrscheinlich weitere Gottheiten. Religiös bedeutsam war ihr patrilineares Verwandtschaftsystem, das sich von der Vaterlinie ableitete. Modell war die vaterrechtlich organisierte Großfamilie.

Oft wird die zentralasiatische Andronowo-Kultur den bronzezeitlichen Ariern zugeordnet.

Wanderung in das Gebiet zwischen Indien und Persien

Die Einzelheiten der Migrationen, insbesondere deren Abfolge, sind weiterhin stark umstritten:[1]

  • Die Arier dehnten sich in mehreren Schüben sowohl nach Süden als auch nach Westen in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten aus. Um 2000 bis 1500 v. Chr. erreichten die Arier den indischen Subkontinent, wo sie auf die einheimische Bevölkerung der Drawider stießen, die sie unterwarfen. In den 1920er Jahren ging man noch davon aus, dass die Arier erst ein halbes Jahrtausend nach dem Untergang der Harappa-Kultur im 18. Jh. v. Chr. (etwa 13. Jh. v. Chr.) nach Indien vorstießen, was an dem Alter der Veden festgemacht wurde. Infolge archäologischer Funde datiert man heute die Invasion der Indo-Arier wesentlich früher.[6] Wegweisend dafür waren Keramikfunde des Wissenschaftlers Vats in Harappa in den 1930er Jahren (Gräberfeld H), auf denen Vögel abgebildet waren, die in ihrem Körper ein Lebewesen einschließen. Diese Darstellungen deuten auf die Verbindung mit dem vedischen Glauben der Seelenwanderung und der Wiedergeburt hin. Ausgrabungen in Baluchistan (Mehrgarh VIII und Nausharo III), die auf 2000 v. Chr. datiert werden, brachten Übereinstimmungen zur iranischen Bronzekultur in Nordwestpersien (Tepe Hissar III) und im südlichen Turkmenistan (Namazga V; siehe BMAC). Erhellend sind auch Funde von Feueraltären in Kalibangan und Lothal, welche in der Hochzeit des Indus-Kults noch unbekannt waren, und eines Goldschatzes in Quetta 1985, welcher mit ähnlichen Funden in Baktrien in Zusammenhang gebracht wird.[7]
  • Eine andere Theorie weist prähistorische arische Sprach- und Kulturreste in Sumer, Akkad und Ägypten nach, die eine frühe Präsenz der Arier im nahen Osten seit mindestens dem Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr. nahelegen. (siehe: Sprache der Mitanni)
  • Zudem werden gelegentlich auch Verbindungen zur noch kaum erforschten Oasenkultur in der Wüste Karakum postuliert.
  • Einen anderen Ansatz verfolgt die Schwarzmeer-Überschwemmungs-Hypothese. Diese wurde 1996 von William Ryan and Walter Pitman, beides Geologen an der Columbia University, in einem populären Artikel der New York Times vorgestellt. Laut dieser These lebten die Arier in unmittelbarer Umgebung des prähistorischen Schwarzen Meeres. Eine Flutkatastrophe soll der Auslöser für die Völkerwanderung der Arier gewesen sein.

Indogermanisches Urvolk

Hauptartikel: Indogermanische Ursprache

Im 18. Jh. verglich Sir William Jones die Göttervorstellungen der Ägypter, Inder, alten Griechen und Römer miteinander. Er fand bemerkenswerte Ähnlichkeit in der Mythologie und im Kult dieser Völker. Er erkannte als erster die sprachgenetische Verwandtschaft der klassischen Sprache der Brahmanen, des Sanskrit, mit dem Griechischen, Lateinischen, Gotischen, Germanischen, Slawischen und Keltischen. William Jones verwandte den Begriff „Arisch“ für sämtliche Sprachen der Indogermania. Jones vertrat noch nicht die Annahme eines gemeinsamen Ursprungs und lehnte die vergleichende Sprachforschung als Mittel nach der Suche des „Urvolkes“ ab.

Friedrich Schlegel verglich in seinem Buch „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ Sanskrit mit anderen europäischen Sprachen und wies viele Gemeinsamkeiten in Vokabular und Grammatik nach. Die Behauptung der Gemeinsamkeiten dieser Sprachen ist nach einigen Bearbeitungen und Umformulierungen heute allgemein anerkannt. Die Sprachen werden als Indogermanische Sprachen bezeichnet.

Die Ähnlichkeiten vieler europäischer Sprachen mit indischen und iranischen Sprachen führten Ende des 18. Jh. in der Ethnolinguistik zu der Annahme, dass es ein hypothetisches Trägervolk der ur-indogermanischen Sprache gebe, welches das Ur-Indogermanische einerseits nach Alteuropa und anderseits nach Persien bis Indien über die Arier und Hethiter gebracht habe. Dort haben die Ur-Indogermanen ältere Sprachschichten verdrängt, die als Substrat in die indogermanischen Sprachen eingeflossen sind.

Mit dem hypothetischen Trägervolk des Ur-Indogermanischen wurden bisher mehrere prähistorische Volksgruppen in Verbindung gebracht. Herrschende Meinung ist heute, dass die Kurgankultur dieses Trägervolk gewesen sei. Eine Mindermeinung betrachtet die Schnurkeramiker als das indogermanische Urvolk. Man geht heute nicht mehr davon aus, dass die prähistorischen Arier das Trägervolk des Ur-Indogermanischen gewesen seien, die Arier stellten aber das Trägervolk des Proto-Indoiranischen dar. Deshalb ist die Bezeichnung „Arier“ für alle Sprecher indogermanischer Sprachen nicht ganz korrekt.

Die Archäologie blieb einen endgültigen Beweis für das indogermanische Urvolk bisher schuldig, da weder die Arier noch die Kurgan-Kultur noch die Schnurkeramiker Schrifttum hinterließen. Nicht geklärt ist auch, ob die Weitergabe der indogermanischen Sprache nach Alteuropa einerseits und an die Arier und Hethiter anderseits über einen kulturellen Austauschprozess oder durch Eroberung der Altschichtvölker und durch Vermischung mit diesen erfolgte.

Ariertum als Ideologie

Thesen über die Urheimat

Die Kurgan-Hypothese wird und wurde von nationalistischen und rassistischen Strömungen angegriffen, die „ihre“ Nation als die wahre Urheimat propagieren.

Ein Beispiel für eine nationalistisch geprägte Theorie ist die Indigenous Aryan Theory. Die hindu-nationalistische Indigenous Aryan Theory im Umfeld der Bharatiya Janata Party betrachtet die Arier als autochthone Bevölkerung des indischen Subkontinents, von wo aus die Arier eine Wanderung nach Europa begannen. Die Harappa-Zivilisation basiere nicht auf dravidischen Wurzeln, sondern sei vedischen Ursprungs.

Die Theorie, dass die Arier ihren Ursprung in den Steppen Russlands gehabt hätten, wurde von rassistischen Kreisen im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend abgelehnt. Es wurde pseudowissenschaftlich argumentiert (z. B. Hans F. K. Günther), die Arier seien ursprünglich in Deutschland oder Skandinavien heimisch gewesen, oder zumindest seien dort die ursprünglichen Eigenschaften insbesondere rassischer Art besonders klar erhalten. Daneben wurden die Arier den Goten, Vandalen oder anderen Stämmen der Völkerwanderung nahegestellt. 1905 veröffentlichte Hermann Hirt in seinem Buch Die Indogermanen, dass die Ebene Norddeutschlands die Urheimat der Arier sei (S. 197) und brachte den blondhaarigen Menschen mit der Kernbevölkerung der frühen reinen Indogermanen in Verbindung (S. 192). Die Übereinstimmung der Arier mit der norddeutschen Streitaxtkultur wurde von Gustaf Kossinna im Jahre 1902 eingeführt. Weitere Beispiele dieser Art der Verklärung findet man auch im Iran. So sollen sich die Arier in dessen Hochebenen gebildet und von dort ausgebreitet haben.

Rassenkundliche Theorien

Rassevorstellungen im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert lösten neue Weltanschauungen den Begriff des Ariers von der Sprachwissenschaft und von völkerkundlichen Vorstellungen und erweiterten ihn auf eine biologische Abstammungsgemeinschaft. Man behauptete, dass Personen, welche heute in Europa, Iran und Indien leben, genetisch Abkömmlinge des durch die Sprachwissenschaft erschlossenen vorgeschichtlichen Volks, der Arier, seien. Die Arier, welche in Indien die dravidische Harappa-Kultur eroberten, bewegten sich nicht nur in einem Prozess des kulturellen Austauschs, sondern vermischten sich wohl auch mit der einheimischen Bevölkerung genetisch.

Auf Europa bezogen kann eine Abstammung nicht geklärt werden, weil die Eroberung der Megalithkulturen durch die Arier nicht nachgewiesen ist. Im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts verbreiteten sich Weltanschauungen, die postulierten, dass alle hellhäutigen Europäer, die „Kaukasier“, von den Ariern abstammen sollen. Solche „rassenkundlichen“ Anschauungen dienten dazu, „die Arier“ zu einer körperlich und geistig überlegenen und auf Reinheit bedachten „Herrenrasse“ zu mystifizieren, die in der Geschichte als Kriegeradel und Kulturbringer gewirkt habe. Vere Gordon Childe behauptete z. B. 1926 in seinem Werk Die Arier: Eine Studie der Ursprünge der Indogermanen, dass die Überlegenheit der nordischen Rasse im Körperbau sie erst mit der Fähigkeit ausstatte, Träger einer höheren Sprache zu sein.

Arier und Semiten

Durch dieses biologische Verständnis wurde die Gemeinschaft der Arier ausschließend. Man konnte sich nicht mehr durch die Aneignung von Sprache und Kultur integrieren. So wurden europäische Juden trotz ihrer hellen Hautfarbe und der ihrer jeweiligen Nationalität entsprechenden Muttersprache aus dieser Definition ausgeschlossen. Die Juden seien als Nachkommen des biblischen Volks der Israeliten Semiten. Das „Blut“ der Semiten habe sich über die Generationen auf die Juden des 19. Jahrhunderts weitervererbt. Daher spielt es nach dieser rassischen Ansicht keine Rolle, ob Juden zum Christentum übertreten, die Nationalsprache sprechen usw., weil sie nach wie vor „semitische Gene“ in sich trügen.

Zuerst tauchte die Idee einer „arischen Rasse“ bei Arthur de Gobineau in Frankreich auf. Anschließend trat sie in England bei Houston Stewart Chamberlain in Erscheinung. In Indien suchte die britische Kolonialregierung die Zusammenarbeit mit der Elite. Die hohen Kasten galten dabei als Nachkommen der Arier, die die dunkelhäutigen Dravidier nach Süden verdrängt hätten. Dies führte zu gesellschaftlichen Spannungen zwischen Nord- und Südindern.

Ebenfalls aus Frankreich – veröffentlicht in einem Beitrag der Pariser Medizinischen Gesellschaft im Jahre 1917 – wurden der deutschen Rasse bestimmte Krankheitsmerkmale zugeschrieben. So litten Deutsche angeblich an „Polychesia“ und an „Bromhidrosis“. Deutsche Spione glaubte man durch Urintests enttarnen zu können, da der arische Urin 20 Prozent gegenüber normalen 15 Prozent Stickstoff enthalte.[8]

Begriff im Nationalsozialismus

Im Nationalsozialismus ging man mehrheitlich davon aus, dass die Urheimat der Arier in Norddeutschland oder Skandinavien gelegen habe. Der Begriff des Ariers erfuhr durch die Nationalsozialisten noch weitere Veränderungen. Die „Arier“ wurden als rein indogermanische Herrenrasse umgedeutet, deren Mission es sei, alle angeblich nichtarischen Völker zu unterwerfen oder gar auszulöschen. Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren wurden als bester Typ der „arischen Rasse“ betrachtet. Die romanischen Völker, deren Sprachen auch indogermanisch sind, seien hingegen durch die Völkerwanderung teilweise germanisiert worden. Die Juden waren dieser Weltanschauung gemäß als Semiten die eigentliche Gegenrasse. Obwohl Arabisch eine semitische Sprache ist, wurden die Araber durch ausdrücklichen Beschluss von der „Rasse“ der Semiten ausgenommen.[9]

Umgekehrt wollte man die Finno-Ugrier als nordisches Volk in die Herrenrasse mit einbeziehen. Völker wie Ungarn, Esten und Finnen, deren finno-ugrische Sprachen nicht Teil der indogermanischen Sprachfamilie sind, könnten „nach strengen wissenschaftlichen Maßstäben“ nicht als „arisch“ bezeichnet werden. „Arisch“ wurde deshalb als amtlicher Rechtsbegriff ab dem Jahre 1935 nicht mehr verwandt. Anstelle des in dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verwendeten Begriffs des Ariers[10] kam die ausweislich des Gesetzestextes und seiner Begründung in den Nürnberger Gesetzen gebrauchte Formulierung „Person deutschen oder artverwandten Blutes“.[11]

An die Stelle „deutsches oder artverwandtes Blut“ sollte nach einem Runderlass vom 26. November 1935 der Begriff „deutschblütig“ treten.

Die Nationalsozialisten rechtfertigten mit dieser zentralen Ideologie die Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung der Juden, Sinti und Roma sowie die Deklassierung der Slawen zu „Untermenschen“. Die Menschen im Dritten Reich und den von den Nationalsozialisten beherrschten Gebieten mussten zum Beweis ihrer „rassischen Reinheit“ sogenannte Ariernachweise erbringen. Mit der Idee der Reinhaltung der arischen Rasse wurden weiter der Mord oder die Zwangssterilisation geistig behinderter oder unerwünschter Menschen betrieben.

Esoterik

Die Theosophie, eine von Helena Blavatsky und Henry Steel Olcott auf buddhistischen, gnostischen, hinduistischen und anderen Vorstellungen gegründete mythologisch-religiöse Weltanschauung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, nahm ebenfalls Ideen über die Arier auf. Innerhalb ihres eigenen Geschichtsbildes bezeichnete Blavatsky (eigentlich Blavatskaja, geb. v. Hahn) mit den Ariern die „fünfte Wurzelrasse“, die ihrerseits wiederum in vier „Unterrassen“ aufgeteilt sei (nordisch, fälisch, mittelländisch und ostisch). Laut Blavatsky kamen die Arier weit aus dem Norden, aus Hyperborea. Auch glaubten viele Theosophen und später auch Ariosophen, der Ursprung der Arier sei Platons Atlantis gewesen, die Arier somit die Atlanter. Diese Rassenlehren hatten Fortsetzungen bis ins 20. Jahrhundert hinein, z. B. in der Anthroposophie des Rudolf Steiner.[12] Die in der Theosophie entwickelte Vorstellung der Arier wurde durch die Ariosophie und die Guido-von-List-Gesellschaft verfälscht und fand ihren Weg nach Deutschland. Nicholas Goodrick-Clarke kommt in seinem Buch Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus zu dem Schluss, dass die Ariosophie die Ideologie des Nationalsozialismus antizipiert habe. Insgesamt sei sie aber eher ein Symptom als eine historische Beeinflussung des Nazismus.[13]

Begriffsgebrauch

  • Der Begriff war und ist als ethnische Bezeichnung der Iraner im Buche Avesta im Zoroastrismus, ferner als Begriff für einen edlen Geist im Buddhismus, im Hinduismus und im Jainismus in Gebrauch. Auch der frühere Schah von Persien gab sich den Königsnamen „Licht der Arier“ (āryā-mihr آريا مهر) im Sinne des neuerstandenen iranischen Nationalismus seit 1935. Auch im überlieferten Staatsnamen Iran, der sich aus dem altpersischen Begriff būm-ī aryānam („Land der Arier“) herleitet, also aus dem Genitiv Plural aryānam (altpersisch) in den westiranischen Dialekten zum mittelpersischen ērān und neupersischen īrān wurde, bezeichnet der Begriff eine Volksgruppe. So ist der neupersische Begriff īrān nichts weiter als eine verballhornte Form des altpersischen „Land der Arier“. Das ostiranische Äquivalent ist Aryāna, das heute noch in Tadschikistan und Afghanistan sehr beliebt ist.
  • In der wissenschaftlichen westlichen Literatur werden als Arier Kulturgruppen bezeichnet, aus denen vedische und zoroastrische Glaubenssysteme hervorgegangen sind. Linguistisch werden die von Sanskrit abgeleiteten Sprachen als Indoarische Sprachen bezeichnet, um sie von den nicht-indoeuropäischen Sprachen Indiens zu unterscheiden.
  • Aufgrund des Missbrauchs, den die Nationalsozialisten mit dem Begriff „Arier“ getrieben haben, verwendet man die Bezeichnung heute in Deutschland nicht mehr als Synonym für „Indogermane“. Die (hypothetischen) Sprecher der indogermanischen Ursprache nennt man heute meist Urindogermanen (synonym auch, nach dem Englischen Begriff, Proto-Indoeuropäer).
  • Von Gruppen, die eine Überlegenheit der „weißen Rasse“ über andere Menschen propagieren, wird der Begriff „Arier“ heute noch als Bezeichnung dieser „weißen Rasse“ benutzt, zum Beispiel von der Aryan Nation in den USA oder von Neonazis in Deutschland.

Sonstiges

  • Seit alten Zeiten benutzen die Perser den Begriff des Ariers für eine ethnische Selbstbenennung wie alle anderen iranischen Stämme auch, um ihre Sprache und ihre Abstammung zu beschreiben. Diese Tradition hat sich bis heute unter den modernen Iranern fortgesetzt.[14] Der Name Iran ist mit dem Wort Arier verwandt und bedeutet „Land der Arier“ und leitet sich vom altpersischen Begriff Aryanam-Vaej/Aryana(m), genauer būm-ī aryānam, ab. Dareios I., König von Persien (521 bis 486 v. Chr.) proklamierte in einer Inschrift in Naqsh-i Rustam, in der Nähe des heutigen iranischen Schiraz: Ich bin Darius der große König [...] ein Perser, Sohn eines Persers, ein Arier, welcher eine arische Abstammung hat. Er nannte auch Altpersisch die arische Sprache.
  • Gemäß der Encyclopedia Iranica wurde dasselbe ethnische Konzept in den späteren Jahrhunderten aufrechterhalten und mit Vornehmheit und Herrschaft in Verbindung gebracht (S. 681). Die Bezeichnung des Ariers wurde aber weiterhin von den Iranern in einem ethnischen Sinne verwendet. Im Jahre 1967 legte sich der Schah Moḥammad Reżā aus der seit den 1920er-Jahren regierenden Herrscherfamilie Pahlavi den Königstitel Āryāmehr, „Licht der Arier“, zu, wobei er den aus dem Westen reimportierten Begriff āryā (آريا) benutzte, der im Persischen in dieser Form nicht mehr existierte.
  • Die staatliche Fluggesellschaft Afghanistans ist die Ariana Afghan Airlines unter Bezugnahme auf Airyanem Vaejah, das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Arier.

Literatur

Quellenforschung

  • Jahanshah Derakhshani: Die Arier in den nahöstlichen Quellen des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. Teheran, 1998. ISBN 964-90368-6-5.

Wirkungsgeschichte

  • Jean Haudry: Die Indo-Europäer: Eine Einführung. Wien: Karolinger, 1986. ISBN 3-85418-025-X. (Über die okkulten Hintergründe der NS-Rassenideologie.)
  • Marija Gimbutas: Das Ende Alteuropas. Der Einfall von Steppennomaden aus Südrußland und die Indogermanisierung Mitteleuropas. In Archeolingua. Series Minor 6. Budapest, 1994.
  • Nicholas Goodrick-Clarke: Hitler's Priestess: Savitri Devi, the Hindu-Aryan Myth, and Neo-Nazism. New York/London: NYU, 1998. ISBN 0-8147-3110-4. (Über die Hintergründe faschistischen Arier-Verständnisses am Beispiel von Savitri Devi.)
  • Edward Bryant: The Quest for the Origins of Vedic Culture. The Indo-Aryan Migration Debate. Oxford 2001.
  • G. Fussman / J. Kellens / H.-F. Francfort / X. Tremblay: Aryas, Aryens et Iraniens en Asie Centrale. Institut Civilisation Indienne, 2005, ISBN 2-86803-072-6.

Mythenforschung

  • Bal Gangadhar Tilak: The Arctic Home in the Vedas: Being also New Key to the Interpretation of Many Vedic Texts and Legends. Poona: Shri J.S. Tilak, 1971.
  • Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus. Aus dem Franz. Junius-Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-88506-220-8. (Orig. "Le mythe aryen")
  • Bal Gangadhar Tilak: The Orion; or Researches into the Antiquity of the Vedas. 7. Aufl. Poona: Shri J.S. Tilak, 1994.
  • Julius Evola: The Doctrine of Awakening: The Attainment of Self-Mastery According to the Earliest Buddhist Texts. Rochester, Vermont: Inner Traditions, 1996.
  • James P. Mallory, À la recherche des Indo-Européens, Paris, Editions du Seuil, 1997.
  • N.S. Rajaram / David Frawley: Vedic Aryans and the Origins of Civilisation. A Literary and Scientific Perspective. Quebec 1997.
  • J. P. Mallory: In Search of the Indo-Europeans: Language, Archaeology and Myth., ISBN 0-500-27616-1.
  • Reinhard Schmoeckel: Die Indoeuropäer. Aufbruch aus der Vorgeschichte. Bergisch Gladbach 1999, ISBN 3-404-64162-0.
  • Michael Bergunder / Peter Rahul Das (Hrsg.): „Arier“ und „Draviden“. Konstruktionen der Vergangenheit als Grundlage für Selbst- und Fremdwahrnehmungen Südasiens. Halle 2002, ISBN 3-931479-34-X.
  • Bernard Sergent: Les Indo-Européens. Payot, Paris 2005.
  • Y. Lebedynsky: Les Indo-Européens. Faits, débats, solutions., Paris, Errances, 2006.

Linguistische Forschung

  • Josef Wiesehöfer: Zur Geschichte der Begriffe "Arier" und "arisch" in der deutschen Sprachwissenschaft und Althistorie des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: H. Sancisi-Weerdenburg/J. W. Drijvers (Ed.): Achaemenid History V - The Roots of the European Tradition. Leiden 1990, S. 149-167.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Arier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Hermann Kulke/ Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute, München 2006, S.45, ISBN 3-406-54997-7.
  2. a b Autochthone Arier? Der Beweis aus altindischen und iranischen Texten (eng.)
  3. a b c Hermann Kulke/ Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute, München 2006, S.44.
  4. R. Schmitt 1987 „Aryans“ Encyclopaedia Iranica II 7:685b; kritisch zur Migration in den Iran überhaupt: J. Derakhshani, Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte Irans. Geschichte und Kultur des alten Ostiran, Band I Heft I: Die Zeiten Zarathustras, Rekonstruktion der Altiranischen Chronologie, Teheran 1995
  5. dtv-Atlas Weltgeschichte S.33
  6. Hermann Kulke/ Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute, München 2006, S.46.
  7. Hermann Kulke/ Dietmar Rothermund: Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute, München 2006, S. 46 f.
  8. Das Beispiel finde sich bei Jacques Barzun: Race, New York 1937, auf das Hannah Arendt hinweist: Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, 4. Aufl., München / Zürich 1986, S. 270, ISBN 3-492-11032-0.
  9. Weisung vom 17. Mai 1943 Verbot des Begriffes Antisemitismus
  10. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, §3 Abs.1
  11. Reichsbürgergesetz §2 Abs.1, Blutschutzgesetz §§1ff.
  12. Kocku von Stuckrad: Was ist Esoterik?. Beck, München 2004, S. 156f.
  13. „Ariosophy is a symptom rather than an influence in the way that it anticipated Nazism.“ Goodrick-Clark 1985: 202
  14. Encyclopedia Iranica, S. 681, Artikel „Arier“.

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  • Arier — Ari|er 〈m. 3; Bez. für〉 1. Inder u. Iraner 2. 〈fälschl. für〉 nicht semit. Angehöriger der weißen Rasse [<grch. Arioi; zu idg. *ario „Herr, Gebieter“, indoiran. arya „rechtmäßig, edel“; wurde zum Namen der idg. Einwohner auf pers. u. ind. Boden …   Universal-Lexikon

  • Arier — A|ri|er 〈m.; Gen.: s, Pl.: 〉 1. Inder u. Iraner 2. 〈nationalsozialist. Sprachgebrauch〉 nicht semitische Angehörige der weißen Rasse [Etym.: <grch. Arioi; zu idg. *ario »Herr, Gebieter«; zu indoiran. arya »rechtmäßig, edel«; wurde zum Namen der …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Arier — Ari|er [ a:ri̯ɐ] der; s, <aus sanskr. árya »der Edle«>: 1. Angehöriger frühgeschichtlicher Völker mit indogerm. Sprache in Indien u. im Iran; vgl. ↑indoarisch u. ↑iranisch. 2. in der nationalsozialistischen Rassenideologie Angehöriger der… …   Das große Fremdwörterbuch

  • ...arier — ari|er [... a:ri̯ɐ] <aus lat. arius (vgl. ↑...arius) bzw. arii (Plur. von arius); Zugehörigkeitssuffix> Endung von Substantiven od. Ableitungen von Eigennamen im Sing. u. Plur. zur Bez. der Anhängerschaft, z. B. Antiskriptuarier,… …   Das große Fremdwörterbuch

  • arier — a|ri|er sb., en, e, ne (HISTORISK medlem af et indoeuropæisk folkeslag; I NAZISMEN menneske af den nordiske type) …   Dansk ordbog

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