Europäischer Stabilitätsmechanismus

Europäischer Stabilitätsmechanismus

Out of date clock icon.svg 00Dieser Artikel beschreibt vergangene und aktuelle Entwicklungen. Die Informationen können sich deshalb rasch ändern.

Der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) ist ein geplanter Teil der umgangssprachlich Euro-Rettungsschirm genannten Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Die Unterstützungsregelung der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Stabilisierung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion soll dazu dienen, „Staatspleiten“ aufgrund der Überschuldung der Staatshaushalte einzelner Mitgliedsländer und deren negative Folgen für die Gemeinschaftswährung abzuwenden. Sie ist als Ablösung der vorläufigen Maßnahmen des Euro-Rettungsschirms unter Beibehaltung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) geplant.[1]

Inhaltsverzeichnis

Übersicht über die geplanten Maßnahmen

Mit dem Stabilitätsmechanismus sollen im gegenseitigen Einvernehmen der Euro-Länder und unter definierten Auflagen zahlungsunfähige Mitgliedstaaten der Eurozone finanziell mit Krediten der Gemeinschaft der Euro-Staaten unterstützt werden. Der Vertrag zur Einrichtung des ESM wurde am 21. Juli 2011 auf einem Gipfeltreffen von den 17 Mitgliedstaaten der Eurozone unterzeichnet und soll bis Ende 2012 von den Parlamenten der einzelnen Staaten ratifiziert werden. Er soll dann als offizielles Instrument den im Mai 2010 als Provisorium gegründeten Europäischen Stabilisierungsmechanismus ersetzen, der im Juni 2013 ausläuft.

Das wesentliche Instrumentarium des ESM sind Notkredite und Bürgschaften (auch als „Haftungsgarantien“ bezeichnet): überschuldete Mitgliedstaaten sollen Kredite mit subventionierten Konditionen (z. B. mit günstigen Zinssätzen) erhalten. Im ESM-Vertrag ist zudem festgeschrieben, dass jeder Mitgliedstaat, der Hilfe durch den ESM erhält, ein makroökonomisches Anpassungsprogramm umsetzen muss sowie eine tiefgehende Analyse über die Nachhaltigkeit seiner Staatsschuldensituation unternehmen soll.[2] Eine enge parallele technische und finanzielle Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls Voraussetzung für ESM-Maßnahmen.

Rechtlicher Rahmen

Im Vertrag von Maastricht, in dem die Währungsunion 1992 beschlossen wurde, waren keine finanziellen Unterstützungen für überschuldete Mitgliedstaaten vorgesehen. Vielmehr sollte durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der den Mitgliedstaaten bestimmte Verschuldungsgrenzen auferlegte, sowie durch eine strenge Nichtbeistands-Klausel („No-Bailout-Klausel“), die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt, die Eigenverantwortung der einzelnen Staaten gewährleistet werden. Dadurch sollte das Moral-Hazard-Problem verhindert werden, dass Mitgliedstaaten die Erwartung hegen, bei ungenügender eigener Haushaltsdisziplin auf die finanzielle Unterstützung anderer EU-Staaten hoffen zu können (siehe auch Too Big to Fail). Allerdings wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt wiederholt von Mitgliedstaaten verletzt, ohne dass die für diesen Fall vorgesehenen Sanktionen beschlossen wurden. Anlass für die Verabschiedung des ESM war schließlich eine nach der Finanzkrise ab 2007 bzw. der Wirtschaftskrise 2009/2010 einsetzende eskalierende Haushaltskrise mehrerer Mitgliedstaaten. Beginnend mit der griechischen Finanzkrise gelten spätestens ab 2010 mehrere Staaten der Eurozone (siehe PIIGS) als krisenhaft überschuldet (siehe Staatsschuldenkrise im Euroraum). Zur Eindämmung einer sich selbst verstärkenden krisenhaften Entwicklung mit der Gefahr von Staatsbankrotten wurde im Mai 2010 als Notmaßnahme der provisorische Stabilisierungsmechanismus für drei Jahre eingerichtet. Da dieser jedoch zur Beherrschung der Krise nicht ausreichte, beschloss der Europäische Rat im Dezember 2010 einen permanenten Stabilitätsmechanismus, der auch nach 2013 in Kraft bleiben soll.

Verhältnis zur Nichtbeistandsklausel

Problematisch am Europäischen Stabilitätsmechanismus ist sein Verhältnis zur Nichtbeistandsklausel in Art. 125 AEU-Vertrag, die eine Haftung von Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union als Ganzes für die Schulden anderer Mitgliedstaaten ausschließt. Zur Rechtfertigung des vorläufigen Stabilisierungsmechanismus wurde zunächst Art. 122 AEU-Vertrag angeführt, der finanzielle Hilfen für einen Mitgliedstaat erlaubt, der „aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht“ ist. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften. Allerdings können als Zahlungsbilanzhilfen für Nicht-Eurostaaten Kredite aufgenommen werden, für die alle Mitgliedstaaten der EU haften.

Um dieses vertragsrechtliche Problem zu lösen, wurde für den dauerhaften Stabilitätsmechanismus, der ab 2013 in Kraft treten soll, eine Änderung des AEU-Vertrags vereinbart. Dabei soll zwar die Nichtbeistandsklausel unangetastet bleiben, aber Art. 136 AEU-Vertrag um einen Absatz erweitert werden, der ausdrücklich die Einrichtung eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus durch die Staaten der Eurozone ermöglicht. Dieser soll aktiviert werden können, um „im Notfall die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu sichern“; Finanzhilfen im Rahmen des dauerhaften Stabilitätsmechanismus sollen „strikten Bedingungen unterworfen“ sein.[3]

Klagen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht

Gegen das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, durch das die Beteiligung an der EFSF beschlossen wurde, wurden in Deutschland mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben.[4]

Besondere Aufmerksamkeit fanden zwei Klagen der Wissenschaftler Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Nölling und des Managers Dieter Spethmann einerseits und des Politikers Peter Gauweiler andererseits. Die Klagen richteten sich sowohl gegen die deutsche Zustimmung zur EFSF als auch gegen das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz, das die deutsche Beteiligung an den Hilfskrediten für Griechenland regelt. Diese Kredite für Griechenland erfolgten vor Einrichtung der EFSF, hatten aber eine ähnliche Funktionsweise wie die, die im EFSF vorgesehen ist. Die Klage wurde zur Entscheidung angenommen, die mündliche Verhandlung fand im Juli 2011 statt. Die Kläger argumentierten u.a. unter Berufung auf die Nichtbeistands-Klausel, der deutsche Bundestag sei nicht ausreichend einbezogen worden und die Europäische Union werde durch die Griechenlandhilfe zu einer „Haftungs- und Transfergesellschaft“.[5][6][7][8]

Am 7. September 2011 verwarf das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden der Wissenschaftler und des Abgeordneten Gauweiler. Mit der Höhe der Bürgschaften sei noch keine Obergrenze überschritten. Dies wäre erst der Fall, wenn die Haushaltsautonomie des Bundestags „für einen nennenswerten Zeitraum nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe“. Das Gericht stärkte in seinem Urteil jedoch die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestags. Künftige Finanzhilfen koppelten die Richter an die Vorgabe, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags jedem neuen Rettungspaket zustimmen muss.[9][10][11][12] Am 27. Oktober 2011 erließ das Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung, wonach das Parlament seine Verantwortung nicht auf ein sog. 9er-Sondergremium delegieren darf.[13]

Hintergrund

Hauptartikel: Euro-Rettungsschirm

Einrichtung des provisorischen Stabilisierungsmechanismus

Die Einrichtung eines provisorischen Stabilisierungsmechanismus wurde im Zuge der Euro-Krise auf einer Sondersitzung des europäischen Finanzministerrats in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2010 beschlossen.[14] Dem vorausgegangen war die griechische Finanzkrise, die am 25. März 2010 zu einem Notfallplan geführt hatte, bei dem Griechenland jeweils bilaterale Kreditgarantien der übrigen Euro-Staaten sowie des Internationalen Währungsfonds in Höhe von insgesamt rund 110 Milliarden Euro zugebilligt wurden.[15] Allerdings stiegen schon kurz nach diesem Notfallplan die Zinsen für die wirtschaftlich schwächeren Länder wieder stark an, sodass neue Maßnahmen erforderlich erschienen.

Die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel schlug als Lösungen zunächst den Ausschluss von überschuldeten Staaten aus der Europäischen Währungsunion[16] sowie die Einrichtung einer Staateninsolvenzordnung vor, also ein geregeltes Verfahren, durch das ein überschuldeter Staat einen Teil seiner Schulden nicht zurückbezahlen müsste.[14] Beide Vorschläge wurden jedoch von anderen Mitgliedstaaten abgelehnt. Nachdem der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner seine G7-Kollegen am 7. Mai 2010 zu einer raschen Lösung gedrängt hatte, willigte schließlich auch Deutschland auf dem Gipfel am 9./10. Mai 2010 ein, einen „Stabilisierungsmechanismus“ einzurichten. Dieser entstand an einem Wochenende vor allem auf französische Initiative und unter massivem Zeitdruck, da die Beteiligten ihn vor dem Öffnen der Börse Tokio am 10. Mai 2010 um 2 Uhr europäischer Zeit beschlossen haben wollten. In Deutschland war am 9. Mai 2010 um 18 Uhr die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu Ende gegangen.[17] Der Stabilisierungsmechanismus stützte sich dabei auf Art. 122 AEU-Vertrag,[18][19] demzufolge der Rat einem Mitgliedstaat, der „aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht“ ist, „unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union“ gewähren kann.

Am Tag nach dem Beschluss sanken die Risikoaufschläge für Staatsanleihen der Krisenstaaten wie Griechenland und Spanien zunächst.[20][21] Silvio Berlusconi sagte: „Wenn das Haus brennt, ist es egal, woher das Wasser kommt. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Abend, Frankreich und Italien haben sich durchgesetzt.“[17]

In der darauf folgenden Nacht wurden bei einem weiteren Sondertreffen der EU-Finanzminister im Rat für Wirtschaft und Finanzen weitere Beschlüsse zu den Einzelheiten gefasst. Für das Inkrafttreten des Stabilisierungsmechanismus wurden parallel entsprechende Gesetze in den einzelnen Euro-Ländern verabschiedet; so beschloss der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Zu einer Blockade kam es durch die Slowakei, wo der ESM Wahlkampfthema für die Parlamentswahl am 12. Juni 2010 wurde. Am 16. Juli bewilligte jedoch auch die neue slowakische Regierung unter Iveta Radičová den Rettungsschirm.[22]

In der provisorischen Fassung besteht der Europäische Stabilisierungsmechanismus aus garantierten Krediten über insgesamt 750 Milliarden Euro, die sich aus drei verschiedenen „Töpfen“ speisen:

  • 60 Milliarden Euro können Mitgliedstaaten in einer Schuldenkrise aus dem Haushalt der Europäischen Union zur Verfügung gestellt werden.
  • Weitere 440 Milliarden stammen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), einer Zweckgesellschaft, die Anleihen am Kapitalmarkt aufnimmt, für die alle Mitgliedstaaten der Eurozone gemeinschaftlich haften.
  • Zudem stellt der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite von bis zu 250 Milliarden Euro zur Verfügung.

In jedem Fall handelt es sich bei diesen Unterstützungsleistungen um Kredite; das betroffene Land muss sie also später zurückzahlen. Die im Rahmen des ESM vereinbarten Zinssätze sind deutlich niedriger als diejenigen, die das Land auf dem freien Markt bezahlen müsste. Dafür vereinbart das Land mit der EU und dem IWF ein Programm von Wirtschaftsreformen, durch das künftigen Schuldenkrisen vorgebeugt werden soll.[23]

Ergänzung durch die Europäische Zentralbank

Parallel zu den Maßnahmen des Europäischen Rates begann die Europäische Zentralbank, Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten zu kaufen. Diese Maßnahme ist formal allerdings nicht Teil des ESM, sondern folgte einer eigenen Entscheidung der Zentralbank, die damit von ihrem bisherigen Grundprinzip abwich, niemals Staatsanleihen von Mitgliedstaaten zu kaufen.[24] Art. 123 AEU-Vertrag, der den unmittelbaren Erwerb von mitgliedstaatlichen Schuldtiteln durch die Zentralbank verbietet, wurde dadurch umgangen, dass die Staatsanleihen von der EZB nicht direkt den Emittenten abgekauft, sondern – mittelbar – auf dem Sekundärmarkt gekauft wurden.[25][26]

Beschluss eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus

In den folgenden Monaten setzte sich die Euro-Krise fort; neben Griechenland waren auch Irland und Portugal betroffen. Daher wurden Forderungen lauter, auch nach dem Auslaufen des provisorischen Rettungsschirms 2013 einen Mechanismus für Krisenfälle zu etablieren. Nachdem verschiedene Vorschläge wie die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen der EU-Staaten, sogenannter Eurobonds, oder die Einrichtung einer Staateninsolvenzordnung von mehreren Staaten abgelehnt worden waren, beschlossen die Regierungschefs der 17 Euro-Länder auf dem Gipfel des Europäischen Rates („EU-Gipfel“) am 16./17. Dezember 2010, Art. 136 AEU-Vertrag um einen Absatz zu erweitern, der die dauerhafte Einrichtung eines Stabilitätsmechanismus ermöglicht. Diese Vertragsänderung muss nun von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden und soll zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.[3]

Die Ausgestaltung des dauerhaften Stabilitätsmechanismus wurde am 21. März 2011 von den Finanzministern der Euro-Gruppe beschlossen[27] und am 24. März 2011 von den Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel des Europäischen Rates bestätigt.[28] Dabei fallen die unmittelbar aus dem EU-Haushalt gestellten Kredite weg; stattdessen wird ein neuer ESM-Fonds eingerichtet, in den die Mitgliedstaaten (anders als in die EFSF) 80 Milliarden Euro als Grundkapital direkt einzahlen. Die Einzahlung soll über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgen. Außerdem kann der ESM-Fonds ebenso wie die EFSF eigene Anleihen bis zur Höhe von 420 Milliarden Euro ausgeben, für die die Mitgliedstaaten bürgen. Eine Neuerung gegenüber der EFSF ist zudem, dass der dauerhafte ESM auch direkt Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ankaufen kann, so wie es während der Euro-Krise die Europäische Zentralbank getan hatte. Eine weitere Neuerung ist, dass Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ab 2013 grundsätzlich eine Regelung beinhalten sollen, durch die in Notsituationen unter bestimmten Bedingungen auch private Gläubiger an Verlusten beteiligt werden können. Dies entspricht faktisch der zunächst von Deutschland geforderten Staatsinsolvenzordnung.[29]

Vergleich mit dem vorläufigen Stabilisierungsmechanismus

Der provisorische Stabilitätsmechanismus, der bis 30. Juni 2013 in Kraft ist, wird von drei Säulen getragen:[23][30]

  • Bis zu 60 Milliarden Euro können den betroffenen Staaten aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden.
  • 440 Milliarden Euro können den betroffenen Staaten von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bereitgestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Zweckgesellschaft, die am Kapitalmarkt Anleihen aufgibt, für die die Mitgliedstaaten der Eurozone mit unterschiedlich hohen Anteilen garantieren.[31] Der jeweilige Anteil richtet sich nach der Höhe des Kapitalanteils der Staaten an der Europäischen Zentralbank, der sich wiederum je zur Hälfte aus der Bevölkerungszahl und dem Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedstaaten ergibt. Für Deutschland ergibt sich damit eine Beteiligung von rund 28 %, was zunächst einer Verpflichtung von bis zu 123,2 Milliarden Euro entspricht. Bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf kann die Garantieermächtigung – mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags – jedoch um 20 Prozent überschritten werden, woraus sich für Deutschland eine maximale Verpflichtung von rund 148 Milliarden Euro ergeben würde.
  • Weitere Kredite in Höhe von rund 250 Milliarden Euro können gegebenenfalls vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Verfügung gestellt werden. Daran beteiligt sind von den Eurozone-Mitgliedstaaten des IWF Deutschland mit 5,98 %, Vereinigtes Königreich mit 4,94 %, Frankreich mit 4,94 %, Italien mit 3,24 %, Niederlande mit 2,37 %, Belgien mit 2,12 %, Spanien mit 1,40 % Kapitalanteil.

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)

Die Europäische Finanz-Stabilisierungs-Fazilität (EFSF, englisch European Financial Stability Facility) ist eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht mit Sitz in Luxemburg (Stadt). Sie wurde am 7. Juni 2010 gegründet.[31][32][33]

Gesellschafter der EFSF sind die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe, Leitungsorgan ist ein Direktorium, das aus jeweils einem Vertreter pro Staat besteht.[33] Als Geschäftsführer wurde am 1. Juli 2010 der Deutsche Klaus Regling berufen, der von 2001 bis 2008 die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission geleitet hatte.[34][35][36] Nachdem 90 % der Mitgliedstaaten die Gründung der EFSF ratifiziert hatten, wurde diese am 4. August 2010 voll aktionsfähig.[37] Die vollständige Ratifizierung der letzten Mitgliedstaaten (Belgien, Slowenien und die Slowakei) folgte bis Anfang Dezember 2010.[38] In Österreich erfolgte die Zustimmung einen Tag darauf.

Im Krisenfall kann die EFSF Kredite von bis zu 440 Milliarden Euro aufnehmen, indem sie Anleihen begibt, für die ihre Mitgliedstaaten bis zu dem vereinbarten Betrag haften. Als Dienstleister für die EFSF tritt dabei die Deutsche Finanzagentur auf, die die Begebung der Anleihen organisiert. Diese Kredite werden an die finanziell angeschlagenen Mitgliedstaaten weitergereicht, die sich am Kapitalmarkt nicht mehr selbst zu bezahlbaren Zinsen finanzieren können. Jeglicher Hilfe muss allerdings ein einstimmiger Beschluss des Direktoriums, also aller Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe, vorausgehen.[33] Die Kreditbedingungen, zu denen die EFSF die Kredite an die betroffenen Mitgliedstaaten weitergibt, sollen von der Europäischen Kommission ausgearbeitet werden. Dazu können insbesondere auch Auflagen zu Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen zählen.[39]

Um von den Ratingagenturen für die von der EFSF zu vergebenden Anleihen die Bestnote – Ratingcode AAA – zu erhalten, sind die Kredite zu 120 Prozent abgesichert. Jedes Land der Eurozone haftet bei einzelnen Emissionen also für 20 Prozent mehr, als es seinem Anteil gemäß EZB-Kapitalschlüssel entspräche.[40] Grund dafür ist, dass von den 16 Euro-Ländern zum Zeitpunkt der EFSF-Gründung nur sechs eine AAA-Einstufung hatten. Ohne die Übersicherung hätte eine Durchschnittsbewertung daher nicht die Bestnote AAA ergeben, was die Kreditaufnahme durch die EFSF verteuert hätte.[33][41][42] Nachdem festgestellt wurde, dass auch eine zwanzigprozentige Übersicherung nicht ausreichte, um eine AAA-Bewertung über die volle Kreditsumme von 440 Milliarden Euro zu erreichen, wurde Ende März 2011 noch einmal eine Ausweitung der EFSF beschlossen.[43] Dieser Ausweitung, mit der sich auch die von Deutschland gewährten Garantien erhöhten, stimmte der Bundestag am 29. September 2011 mit großer Mehrheit zu. [44] Die Slowakei lehnte die Reform als einziges der 17 Länder in der Euro-Zone am 11. Oktober 2011 zunächst ab, wodurch die Ausweitung vorerst gestoppt war. In einem zweiten Votum am 13. Oktober 2011 sprach sich jedoch eine Mehrheit von Abgeordneten aus Regierungsparteien und Opposition für die Reform aus.[45][46]

Am 25. Januar 2011 begab die EFSF ihre erste Anleihe mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro, einer Laufzeit von 5 Jahren und einer Anfangsrendite von 2,89 %. Das erzielte Volumen wird Irland zur Verfügung gestellt.[47]

Auf einem Sondergipfel des Europäischen Rates am 21. Juli wurde eine Reform der EFSF beschlossen, durch die diese auch Staatsanleihen überschuldeter Staaten auf dem Sekundärmarkt aufkaufen kann, wenn die 17 Mitgliedstaaten der Eurozone dem zustimmen.[48]

Um die Schlagkraft für den EFSF zu erhöhen, seine Wirkung[49] durch einen Kredithebel auf mindestens eine Billion Euro zu vervielfachen und damit mehr Geld für die Bekämpfung der Schuldenkrise bereitstellen zu können, stimmte der Deutsche Bundestag noch am 26. Oktober 2011, dem Tag des sog. Euro-Krisengipfels in Brüssel, mit den Stimmen aller Fraktionen – außer der der LINKEN – einem gemeinsamen Entschließungsantrag zum Euro-Rettungsfonds EFSF zu. Grundlage der Abstimmung waren Brüsseler Absprachen der Finanzminister, wie die „Kreditvergabekapazität der EFSF“ maximiert werden könne[50].

Beteiligung der Mitgliedstaaten im Einzelnen

Die folgende Tabelle zeigt die jeweiligen Garantien der Mitgliedstaaten der Eurozone am vorläufigen ESM zum Zeitpunkt seiner Einrichtung (d.h. ohne Estland und ohne die im März 2011 beschlossene Erweiterung der EFSF). Die tatsächlich von den einzelnen Staaten zu zahlenden Beträge können die Höchstgrenze der vereinbarten Garantien überschreiten, da die Kosten der EFSF selbst und die Kosten für die Vergabe der Kredite sowie für die Zinsen, die die EFSF an ihre Gläubiger zahlt, von den Mitgliedstaaten in jedem Fall getragen werden, ohne dass diese auf die Höchstgrenze angerechnet werden (vgl. für Deutschland § 1 Abs. 1 S. 7 im Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus).

Die Staaten sind jeweils sowohl über Garantieleistungen an die EFSF als auch über ihren Anteil am Internationalen Währungsfonds mit an der Finanzierung beteiligt. In keinem Fall fließen jedoch unmittelbar zusätzliche Gelder: Die EFSF-Garantie kann lediglich dann abgerufen werden, wenn die EFSF selbst nicht in der Lage ist, ihre aufgenommenen Anleihen zurückzuzahlen (was nur dann der Fall ist, wenn die Mitgliedstaaten, die von der EFSF gestützt wurden, trotz deren Hilfe insolvent werden). Der IWF-Kredit wiederum wird aus dem regulären Haushalt des IWF bezahlt, an dem die EU-Mitgliedstaaten – ebenso wie die anderen IWF-Mitgliedstaaten, insbesondere die USA als Hauptfinanzier – ohnehin in Höhe ihres jeweiligen Anteils am IWF beteiligt sind. In der folgenden Tabelle sind Beträge nur für diejenigen Mitgliedstaaten angegeben, die sich mit mehr als 1 % am IWF-Kredit beteiligen. Zudem handelt es sich bei dem Betrag von 250 Milliarden Euro um die Maximalhöhe des Kredits; faktisch wurde bislang lediglich ein Teil davon für Irland und Portugal in Anspruch genommen.

Land Garan-tie-leis-tung
in Mill-ionen €
Anteil an Gesamt
in Pro-zent
Anteil am IWF-Kredit
in Pro-zent
Anteil am IWF-Kredit
in Mill-ionen €
Anteil am ESM (Bar-ein-zahlung)
in Mill-ionen €
Anteil am ESM (Bürg-schaften)
in Mill-ionen €
Anteil am IWF-Rettungsplan für Griechen-land
in Millionen €
Anteil am EU-Rettungsplan für Griechen-land
in Mill-ionen €
Anteil am EZB-Staats-anleihen-kauf
in Mill-ionen €
Anteil an den Target-Verbindlich-keiten
in Millionen €
Gesamt-Anteil pro Staat
in Millionen €
OsterreichÖsterreich Österreich 12.241,43 2,78
BelgienBelgien Belgien 15.292,18 3,48 2,12 5.300
Zypern RepublikRepublik Zypern Zypern 863,09 0,20
FinnlandFinnland Finnland 7.905,20 1,80
FrankreichFrankreich Frankreich 89.657,45 20,38 4,94 12.350
DeutschlandDeutschland Deutschland 119.390,07 27,13 5,98 14.950 22.000 168.000 2.000 27.000 32.000 113.000 379.000
GriechenlandGriechenland Griechenland 12.387,70 2,82
IrlandIrland Irland 7.002,40 1,59
ItalienItalien Italien 78.784,72 17,91 3,24 8.100
LuxemburgLuxemburg Luxemburg 1.101,39 0,25
MaltaMalta Malta 398,44 0,09
NiederlandeNiederlande Niederlande 25.143,58 5,71 2,37 5.925
PortugalPortugal Portugal 11.035,38 2,51
SlowakeiSlowakei Slowakei 4.371,54 0,99
SlowenienSlowenien Slowenien 2.072,92 0,47
SpanienSpanien Spanien 52.352,51 11,90 1,40 3.500
Eurozone (16) ohne Estland 440.000,00 100,00

Anteiliges finanzielles Risiko für die Bundesrepublik Deutschland

Anteiliges finanzielles Risiko für die Bundesrepublik Deutschland:

IWF: Das Rettungspaket des Internationalen Währungsfond (IWF) hat einen Gesamtumfang von 250 Milliarden Euro. Daran wäre Deutschland im Fall eines Ausfalls von Griechenland, Italien, Portugal und Spanien mit 15 Milliarden Euro beteiligt.

ESM (Bareinzahlung): Insgesamt 80 Milliarden Euro in bar haben die beteiligten Staaten zum Euro-Rettungsschirm ESM beigesteuert. Deutschland trägt im Fall eines Ausfalls von Griechenland, Italien, Portugal und Spanien mit 22 Milliarden Euro fast ein Drittel.

ESM (Bürgschaften): Zu den Bareinzahlungen haben die Euro-Länder Garantien in Höhe von insgesamt 620 Milliarden Euro übernommen. Im Ernstfall müsste Deutschland die Kosten bis zu 168 Milliarden Euro mittragen.

IWF-Rettungsplan für Griechenland: Für die Rettung Griechenlands hat der IWF 30 Milliarden Euro bereit gestellt. Zwei Milliarden Euro davon kommen aus Berlin.

EU-Rettungsplan für Griechenland: Die Europäische Union hat für die Griechenland-Rettung ein Paket von 80 Milliarden Euro geschnürt. Die Bundesregierung ist mit 27 Milliarden Euro beteiligt.

EZB-Staatsanleihenkäufe: Die Europäische Zentralbank hat für rund 96 Milliarden Euro Staatsanleihen gefährdeter Euro-Länder erworben. Mit 32 Milliarden Euro trägt Deutschland davon ein Drittel.

Target-Verbindlichkeiten: Die Target-Verbindlichkeiten Griechenlands, Portugals, Irlands und Spaniens machen mit 340 Milliarden Euro einen Großteil der Gesamtsumme aus. Deutschlands Anteil: 113 Milliarden Euro.

Gesamt: Insgesamt umfassen sämtliche Rettungspakete ein Volumen von 1496 Milliarden Euro. Im denkbar schlechtesten Fall entfielen auf die Bundesrepublik Deutschland also 379 Milliarden Euro. [51]

Dauerhafter Stabilitätsmechanismus

Ab 2013 soll ein dauerhafter Stabilitätsmechanismus in Kraft treten, über dessen Ausgestaltung der Europäische Rat auf einem Gipfeltreffen in Brüssel am 21. März 2011 entschied.[27] Ende Juni einigte sich der Finanzministerrat auf einen entsprechenden Vertrag.[52][53] Der dauerhafte Stabilitätsmechanismus soll gegenüber dem provisorischen ESM ausgeweitet werden, sodass er anfänglich insgesamt 700 Milliarden Euro umfasst (Artikel 8 Nr. 1 des Vertrages). Auch hier richtet sich der jeweilige Anteil nach der Höhe des Kapitalanteils der Mitgliedstaaten an der Europäischen Zentralbank, wobei allerdings Mitgliedstaaten, deren Bruttoinlandsprodukt unterhalb von 75 % des EU-Durchschnitts liegt, zu einem etwas geringeren Anteil beteiligt sind.[43] Für Deutschland ergibt sich eine Beteiligung von insgesamt rund 27,1464 %.[43]

Gegenüber dem vorläufigen ESM wurde ein etwas abgeändertes Modell gewählt. Die EFSF wird durch einen neuen ESM-Fonds abgelöst, in den die Mitgliedstaaten einen bestimmten Beitrag unmittelbar einzahlen. Anders als die EFSF hat der ESM-Fonds damit eigenes Grundkapital. Dieses Grundkapital kann der Gouverneursrat des ESM gemäß Artikel 10.1 jederzeit ändern; auch die Nachschusspflicht ist gemäß Artikel 8.4 "bedingungslos und unwiderruflich" und hat "fristgerecht" zu erfolgen. Da in den einzelnen Mitgliedstaaten gegebenenfalls noch die jeweiligen Parlamente zustimmen müssen, sieht Artikel 9 vor, dass der Gouverneursrat für die Zahlung "angemessene Fristen" setzen kann. Die im vorläufigen ESM vorgesehenen Kredite aus dem EU-Haushalt entfallen dagegen. Darüber hinaus stellen die Mitgliedstaaten ebenso wie bei der EFSF wiederum Kreditgarantien für ESM-Anleihen zur Verfügung. Insgesamt setzt sich der dauerhafte ESM also zu Beginn aus folgenden drei Bestandteilen zusammen:

  • 80 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten direkt einbezahlt (die Zahlungen fließen ab dem Jahr 2013 in fünf Raten zu jeweils 16 Milliarden Euro) und stehen dem ESM unmittelbar zur Verfügung.
  • 420 Milliarden Euro werden von den Mitgliedstaaten als Kreditgarantien für ESM-Anleihen bereitgehalten. Um für ESM-Anleihen insgesamt eine AAA-Einstufung zu erzielen, muss jeder Mitgliedstaat allerdings für mehr als nur seinen eigenen Anteil bürgen. Die Garantiesumme ist damit insgesamt höher, nämlich rund 620 Milliarden Euro.
  • 250 Milliarden Euro stellt gegebenenfalls weiterhin der IWF als Kredit zur Verfügung.

Leitungsorgan des ESM ist der Gouverneursrat, der sich aus den Finanzministern der Euro-Gruppe oder anderen für Finanzen zuständigen Mitgliedern der nationalen Regierungen zusammensetzt. Mit den laufenden Geschäften des ESM ist das Direktorium befasst, in das ebenfalls jeder Mitgliedstaat einen Vertreter entsendet. Die Kredite des ESM sollen Mitgliedstaaten in Notsituationen zur Verfügung gestellt werden, sofern der Gouverneursrat das einstimmig beschließt und es für das Land keine andere Möglichkeit zur Refinanzierung gibt. Entsprechend dem Modell des Internationalen Währungsfonds soll der Zinssatz jeweils um einen Prozentpunkt, ab dem dritten Jahr um zwei Prozentpunkte über den Refinanzierungskosten des ESM liegen.[43] Der ESM soll dabei gegenüber anderen Gläubigern einen Vorzugsstatus erhalten, der lediglich dem IWF untergeordnet ist.[43] Zudem kann der ESM auch gewöhnliche Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ankaufen.[27]

Neben den Krediten des ESM sollen in Notsituationen zudem private Gläubiger an der Refinanzierung beteiligt werden können. Dafür findet eine Schuldentragfähigkeitsanalyse von Europäischer Kommission und IWF statt. Sofern diese zu dem Ergebnis kommt, dass die Schuldenlast des Landes nicht dauerhaft tragfähig ist, kommt es zu einem Re-Strukturierungsplan, bei dem ein Teil der Schulden nicht zurückgezahlt wird. Entsprechende Regelungen sollen ab 2013 in allen Staatsanleihen europäischer Staaten aufgenommen werden.[27][43] Faktisch entspricht dies einer Staatsinsolvenzordnung.

Kritik

Deutschland

Kritik staatlicher Institutionen

Die Bundesbank warnte in einer offiziellen Stellungnahme vom 19. September 2011: „[…] Mit den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets und der EU-Organe vom 21. Juli 2011 wurden an entscheidenden Stellen erneut Änderungen an den Reformvorhaben vorgenommen. Es wurde beschlossen, den Instrumentenkasten der EFSF (und des zukünftigen ESM) deutlich auszuweiten. […] Mit diesen Beschlüssen erfolgt ein weiterer großer Schritt in Richtung gemeinschaftlicher Haftung und geringerer Disziplinierung durch die Kapitalmärkte, ohne dass im Gegenzug die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf die nationalen Finanzpolitiken spürbar verstärkt werden.“[54]

Am 13. und 14. September 2011 fand in Wiesbaden die Konferenz der Rechnungshofpräsidenten des Bundes und der Länder statt. Die Teilnehmer sprachen sich dafür aus, eine wirksame, mit Prüfungsrechten ausgestattete öffentliche Finanzkontrolle des ESM einzurichten.[55]

Weitere Kritik

Der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer kritisiert das Folgende: „Im Gegensatz zu anderen EU-Institutionen, wie der EU-Kommission, ist keine parlamentarische Kontrolle vorgesehen. Es gibt auch keinen parlamentarischen Einfluss auf sein Wirken. Der ESM wird mit wenigen Ausnahmen (z. B. EuGH-Zuständigkeit bei Schlichtungsverfahren) in kein vorhandenes System der Gewaltenteilung eingebunden. Seine Tätigkeit ist nicht öffentlich und nicht transparent.“ Das Direktorium würde somit das eingezahlte Grundkapital nach eigenem Ermessen veranlagen. Der ESM hätte zudem die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen. Obwexer kritisiert, dass trotz dieser erlaubten Finanzgeschäfte keine Prüfung durch den EU-Rechnungshof vorgesehen ist. Die Rechnungsprüfung erfolge laut Vertrag durch externe Prüfer, die vom Gouverneursrat beauftragt würden.[56]

Die Einführung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus wurde unter anderem vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert, dessen Präsident Hans-Werner Sinn davor warnte, dass der Rettungsschirm für Deutschland „ein unkalkulierbares Abenteuer“ und „eine sichere Wachstumsbremse“ darstelle. Er begründete dies unter anderem damit, dass Deutschland de facto die Gewährleistung für die Schulden der anderen Eurostaaten übernehme und dadurch die Refinanzierungskosten für den deutschen Staat steigen würden.[57] Er plädiert für die kontrollierte Beendigung des Milliardentransfers in hilfsbedürftige Länder und kritisiert die Bundesregierung und den Bundestag dafür, durch Versäumnisse zur Forderung nach eindeutigen Kreditbedingungen den Euro zu schwächen und das europäische Einigungswerk zu gefährden.[58]

Der Vorsitzende der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik, Lüder Gerken, kritisiert, dass der Stabilitätsmechanismus den Kern des Problems der südeuropäischen Länder nicht erfasse: Dieses liege nicht in der Staatsverschuldung allein, sondern in der Verschuldung der Gesamtvolkswirtschaft aufgrund des anhaltenden Leistungsbilanzdefizits. Diesem könne nur durch realwirtschaftliche Reformen begegnet werden. Solche Reformen seien zwar in den vereinbarten Mechanismen vorgesehen, indem die Gewährung der Finanzhilfen an „strenge Auflagen“ geknüpft werden soll; Gerken gibt aber zu bedenken, dass diese Auflagen in der Praxis nicht mit der notwendigen Strenge durchgesetzt werden können, da die übrigen Euro-Staaten einem insolvenzgefährdeten Mitgliedstaat Finanzhilfen kaum versagen könnten und daher ihre Verhandlungsposition geschwächt sei. Gerken sieht in dieser Verschleppung notwendiger staatsinterner Reformen die Gefahr einer dauerhaften Inanspruchnahme des Stabilitätspakts durch einige Länder und betrachtet die Maßnahmen als – nicht beabsichtigten, aber hingenommenen – Weg in die „Schuldenunion“.[59]

Insbesondere der FDP-Bundestagsabgeordnete und -Finanzpolitiker Frank Schäffler kritisierte den Rettungsschirm vehement. Unter anderem warf er dem Europäischen Rat vor, „kollektive Rechtsbrüche“ der Nichtbeistandsklausel zu begehen sowie eine „wirtschaftspolitische Zentralisierung und den grenzenlosen Primat der Politik über die Wirtschaft in der Europäischen Union“ und eine „monetäre Planwirtschaft“ anzustreben.[60] Ein FDP-Mitgliederentscheid wird von ihm und anderen FDP-Politikern wie Burkhard Hirsch vorbereitet.[61]

Ebenso kommt Kritik von einigen CSU-Politikern, die das Vorhaben der Regierung Merkel nicht mittragen wollen.

Der Ökonom Max Otte kritisierte die geplante europäische Regelung für einen Stabilisierungsmechanismus zur Euro-Absicherung und die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Milliardäre und Oligarchen - das sind die Akteure, die wir ,retten'.“[62]

Auf dem Treffen der EU-Finanzminister und Notenbankchefs in Breslau am 17. September 2011 lehnte Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Anleihenkäufe durch den europäischen Rettungsfonds EFSF ab. Die Variante, den Rettungsfonds mit einer Banklizenz auszustatten, um bei der EZB frisches Geld für Anleihenkäufe zu besorgen, negierte Weidmann mit der Begründung, die politische Unabhängigkeit der EZB dürfe nicht zur Finanzierung von Staatsschulden herangezogen werden, „egal ob über einen Umweg oder direkt“.[63]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Information der Bundesregierung vom 25.3.2011, hier online (Abruf am 10.11.2011).
  2. Pressemitteilung der Europäischen Kommission, 11. Juli 2011: Treaty establishing the European Stability Mechanism (ESM) signed
  3. a b Der Standard, 16. Dezember 2010: EU-Gipfel über permanenten Krisenmechanismus einig.
  4. Süddeutsche Zeitung, 5. Juli 2011: Karlsruhe prüft Griechenland-Hilfe.
  5. Verfassungsklage gegen Rettungsschirm und Griechenlandhilfe: Wie solidarisch darf Deutschland sein?, tagesschau.de, 5. Juli 2011, abgerufen am 5. Juli 2011
  6. Frankfurter Allgemeine, 7. Juli 2010: Warnung vor Transferunion.
  7. W. Hankel, W. Nölling, K.A. Schachtschneider, D. Spethmann, J. Starbatty: Presseerklärung zur Verfassungsklage gegen den Rettungsschirm für den Euro, Klageschrift im Volltext.
  8. Wilhelm Hankel: Danksagung an die Spender und Stand der Klage
  9. Frederik Obermaier: Gerade noch mal gutgegangen. In: sueddeutsche.de. 7. September 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  10. David Böcking: Euro-Retter müssen mehr Demokratie wagen. In: Spiegel Online. 7. September 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  11. Bundesverfassungsgericht: Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm erfolglos – Keine Verletzung der Haushaltsautonomie des Bundestages. Pressemitteilung Nr. 55/2011 vom 7. September 2011. 7. September 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  12. Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senates vom 7. September 2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10 –.
  13. BVerfG, Beschl. v. 27.10.2001 - 2 BvE 8/11 -. Abgerufen am 15. November 2011.
  14. a b Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai 2010: Das Endspiel um den Euro.
  15. Pressemitteilung des Internationalen Währungsfonds, 2. Mai 2010: IMF Reaches Staff-level Agreement with Greece on €30 Billion Stand-By Arrangement (englisch).
  16. Handelsblatt, 26. März 2010: Sarkozy und Brown schmettern Merkels Ausschluss-Idee ab
  17. a b Eine detaillierte Chronologie der Sitzungen und Ereignisse veröffentlichte der Spiegel am 17. Mai 2010: „Wir haben nur einen Schuss“.
  18. ECOFIN-Presseerklärung, 9./10. Mai 2011, S. 6, Zitat “The mechanism is based on Art. 122.2 of the Treaty and an intergovernmental agreement of euro area Member States.”],
  19. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai 2010: „Wir werden den Euro verteidigen“
  20. Euronews, 10. Mai 2010: Positives Echo auf Rettungsnetz an den Börsen.
  21. Euronews, 10. Mai 2010: EU-Rettungspaket wirkt
  22. EurActiv, 16. Juli 2010: Neue slowakische Regierung ebnet Weg für Euro-Rettungsfonds
  23. a b Spiegel Online, 10. Mai 2010: EU beschließt Multi-Milliarden-Stütze für den Euro
  24. Spiegel Online, 29. Mai 2010: EZB kauft griechische Anleihen. Bundesbanker vermuten französisches Komplott
  25. Legal Tribune Online, o.D. (Mai 2010): Euro-Krise und Rettungsschirm. Weicht das Recht der Politik?
  26. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Mai 2010: Wie der Euro-Rettungstopf funktioniert. (hierin: Welche Rechtsgrundlage hat der Rettungsschirm?)
  27. a b c d Süddeutsche Zeitung, 21. März 2011: Deutschland muss 22 Milliarden Euro zahlen.
  28. Die Presse: EU-Gipfel: Einigung auf 700 Milliarden-Rettungsschirm, 25. März 2011
  29. Financial Times Deutschland, 9. Juni 2010: Wie der Super-Rettungsfonds für den Euro funktioniert
  30. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Mai 2010: Euro-Rettungspaket. 148.000.000.000 Euro sind beschlossen
  31. a b Spiegel Online, 7. Juni 2010: Finanzminister besiegeln Euro-Rettungsmechanismus
  32. Die Zeit online, 8. Juni 2010: Euro-Finanzminister besiegeln 440-Milliarden-Bürgschaft
  33. a b c d Bundesfinanzministerium, 9. Juni 2010: Eurogruppe billigt Verträge zur Gründung der Zweckgesellschaft, hier auch als pdf: Rahmenvertrag der Garantiegeber und Gesellschaftervertrag]
  34. EFSF: European Financial Stability Facility CEO Takes Office vom 1. Juli 2010
  35. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Juni 2010: Im Porträt: Klaus Regling. Europäischer Feuerwehrmann
  36. Financial Times Deutschland, 9. Juni 2010: Kopf des Tages: Klaus Regling – Brüssels Milliardenmann
  37. Pressemitteilung der EFSF, 4. August 2010: EFSF becomes fully operational (englisch).
  38. Pressemitteilung der EFSF, 3. Dezember 2010: Belgium, Slovakia and Slovenia now full EFSF members (englisch).
  39. Focus Money, 12. Januar 2011: Schuldenkrise: Unter welchen Bedingungen erhält ein Land Geld?
  40. EFSF: Rating agencies assign top credit rating to EFSF vom 20. September 2010
  41. Financial Times Deutschland, 9. Juni 2010: Wie der Super-Rettungsfonds für den Euro funktioniert
  42. Euronews, 8. Juni 2010: Rettungsschild der EU steht.
  43. a b c d e f Financial Times Deutschland, 21. März 2011: Deutschland schultert ein Viertel der Euro-Rettung.
  44. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,788998,00.html
  45. Slowakische Regierung zerbricht am Euro sueddeutsche.de, 11. Oktober 2011
  46. Slowakei stimmt für Ausweitung des Euro-Rettungsschirms Zeit Online, 13. Oktober 2011
  47. EFSF: EFSF places inaugural benchmark issue vom 25. Januar 2011
  48. Spiegel online, 21. Juli 2011: Sarkozy drückt Europäischen Währungsfonds durch.
  49. Hierzu HANDELSBLATT-Chefredakteur Gabor Steingart: "...mit jenen derivativen Superinstrumenten, unter deren Einsatz einst die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach"; zit. nach "HANDELSBLATT Morning Briefing" v. 27. Okt. 2011
  50. Vgl. hierzu „Vorläufige Terms of Reference - Maximierung der vorhandenen Kreditvergabekapazität der EFSF“, inoffizielle deutsche Arbeitsübersetzung vom 23. Oktober 2011, veröffentlicht durch die RHEINISCHE POST
  51. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/das-risiko-beim-euro-schirm-ist-nicht-mehr-kalkulierbar/5737230.html?p5737230=all „Das Risiko beim Euro-Schirm ist nicht mehr kalkulierbar“
  52. EurActiv, 20. Juni 2011: ESM-Vertrag: EU einig zum Euro-Rettungsfonds.
  53. Entwurf für einen Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus.
  54. bundesbank.de: Stellungnahme von Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank
  55. rechnungshof-hessen.de: Rechnungshofpräsidenten tagten in Wiesbaden (PDF)
  56. Die Presse: Euroschirm: Der nächste problematische Vertrag
  57. Handelsblatt, 20. Mai 2010: „Fehlentscheidung“: Ifo-Institut verdammt Euro-Rettungsschirm
  58. Süddeutsche Zeitung, 2. April 2011, Nr. 77, S. 24: Tickende Zeitbombe, Was Merkel und die Bundesbank verschweigen: Der Rettungsschirm rettet den Euro nicht - aber er lastet Deutschland ungeheure Risiken auf
  59. Lüder Gerken, „Ein Fass ohne Boden“, F.A.Z. vom 30. März 2011.
  60. www.frank-schaeffler.de: Orwellsche EU (6. Juni 2011)
  61. welt.de: Liberale Euro-Rebellen haben fast 900 Unterschriften
  62. Interview mit Max Otte: Die Euro-Rettung ist Demagogie focus.de (8. Juli 2011)
  63. Anleihenkäufe der EZB: Bundesbank-Chef warnt vor Milliarden-Risiken spiegel.de (17. September 2011)

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