Paradies

Paradies

Paradies, der Garten Gottes, das Eden, der Wohnsitz unserer ersten Eltern, wo sie von des Ewigen Gnade geschaffen und beschirmt, weilten in kindlicher Unschuld, in der Einfalt ihres Herzens im Genuß eines nie versiegenden Segensquells. Hier wohnte Friede, Ruhe und Glückseligkeit, hier glänzte ein ewig blauer Himmel, hier welkte keine Blume, hier sank kein Blatt vom Baume, hier wandelte der Tiger friedsam neben der Gazelle, der Löwe neben dem Lamm, und dasselbe Laubdach deckte schützend den Geier und die Taube. Hier erinnerte nichts an Tod, an Hinfälligkeit und Vergänglichkeit. Hier war Alles Harmonie, denn Himmel und Erde schmolz in einander, und der Gedanke des Ewigen umschloß seine Welt und seine Kinder, die er nach seinem Ebenbilde geschaffen, mit Liebe. Befreundet waren die Sterne den Blumen, das Menschenauge der Sonne; denn sie waren ja gleich ewig, gleich rein! – Da kam die Sünde in die Menschenbrust, und der Mensch erlag der Sünde. Der Hochmuth vergiftete seine Seele; er wollte Gott nicht ähnlich, er wollte ihm gleich sein – und das Paradies war verloren, für ewig verloren. Gottes Donnerwort und des Engels feuriges Schwert trieb die sündhaften Undankbaren: die Verführerin und den Verführten aus dem Eden hinaus in die Welt; sie mußten von nun an Thränen säen, um Schmerzen zu ernten, im Schweiße des Angesichtes ihr Brod erwerben, und die Reue ward ihr Labsal, der Schmerz ihr Genosse, die Sorge ihr Lager. Und der Tiger schonte des Lammes nicht mehr und der Geier zerfleischte die Taube und die Furie der Vernichtung kam in die Welt. Also die Mythe der heiligen Schrift! – Wir sprechen auch von einem Paradiese, von dem Paradiese der Kindheit, wo wir uns sorglos auf Blumen wiegen, von dem Paradiese der ersten, reinsten Liebe, von dem Paradiese des beglückenden Ehestandes. Das wahre Paradies, das einzig unvergängliche, das an keinen Lebensabschnitt gebunden, wohnt allein in unserm Busen: es ist die Tugend, der Seelenfriede, die Herzensreinheit, der fromme Glaube und die Menschenliebe. Wo dieses Paradies wohnt, da naht kein Engel mit dem feurigen Schwerte, wohl aber der Engel des Segens, des Trostes und der Zuversicht senkt sich herab und wacht an seinen Pforten, ein schützender Bote des Herrn! – O strebt nach diesem Paradiese und wahret es sorgsam und rein; denn außer ihm gibt es keinen Himmel auf Erden. Es ist unsere schönste Heimath, durch deren Blumengänge wir nach der ewigen gelangen. S. Eden. –n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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