Alkohol

Alkohol

Alkohol (arab., Äthylalkohol, Äthyloxydhydrat, Äthanol, Methylkarbinol, Weingeist) C2H6O findet sich im Harn und in den Muskeln des Menschen 24 Stunden nach dem Tod, im Harn der Diabetiker (in Form von Estern), in Blättern, Keimpflanzen, in unreifen Früchten mancher Umbelliferen, in humusreichem Boden, in der Atmosphäre, in Gewässern (1 g in 1 cbm Regenwasser), als der berauschend wirkende Bestandteil in den gegornen Getränken (daher alkoholische Getränke: Wein, Bier, Obstwein, Met) und reiner in den aus diesen gewonnenen Destillaten. Er entsteht meist aus Traubenzucker, der unter dem Einfluß von Hefe und andern Pilzen in A. und Kohlensäure zerfällt. In unverletzten Äpfeln, Kirschen etc. bildet sich A. beim Aufbewahren unter Abschluß der Luft. A. entsteht, wenn man Äthylen C2H4 in konzentrierter Schwefelsäure löst und die gebildete Äthylschwefelsäure mit Wasser kocht. Da sich Äthylen im Leuchtgas findet, so hat man letzteres mit Schwefelsäure gewaschen, um das Äthylen zu gewinnen, und mithin aus Steinkohlen A. dargestellt (Mineralspiritus). Auch bei Behandlung von Aldehyd mit Natriumamalgam entsteht A., in geringer Menge bei trockner Destillation von Holz (daher im Holzteer und im Methylalkohol). Von praktischer Bedeutung ist nur die Darstellung des Alkohols durch Gärung zuckerhaltiger Flüssigkeiten, die man aus zuckerhaltigen, häufiger aus stärkemehlhaltigen Rohmaterialien bereitet (s. Spiritus). Spiritus ist mit Wasser verdünnter A., aus dem durch Rektifikation hochgradiger Spiritus (Sprit) mit 90–95 Proz. A. gewonnen wird, der bei Destillation über gebranntem Kalk, wasserfreiem Kupfersulfat oder Baryumoxyd wasserfreien A. (Alcohol absolutus) liefert. A. ist eine farblose, leicht bewegliche, angenehm riechende und brennend schmeckende Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,789 bei 20°, 0,806 bei 0°, erstarrt bei -130,5°, siedet bei 78,3°, brennt mit blauer, wenig leuchtender Flamme, zieht begierig Wasser an, mischt sich mit Wasser unter Wärmeentwickelung und Volumverminderung (s. Alkoholometrie), löst Brom, Jod, Alkalien, Schwefelalkalien, Fette, Harze, ätherische Öle, Seifen, Alkaloide, Ammoniak, Chlorwasserstoff etc. und bildet mit einigen Körpern kristallinische Verbindungen, in denen er die Rolle von Kristallwasser spielt. Mit Natrium bildet er Natriumäthylat. In der Hitze zerfällt sein Dampf in Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoffe. Reiner A. verändert sich nicht an der Luft, bei Gegenwart von Platinmohr wird er aber bei gewöhnlicher Temperatur zu Aldehyd, Essigsäure, Acetal, Ameisensäure oxydiert. Verdünnter A. bildet an der Luft unter Einwirkung eines Ferments Essigsäure C2H4O2. Saures chromsaures Kali oder Braunstein und Schwefelsäure oxydieren A. zu Aldehyd. Chlor wirkt energisch auf A. ein, bildet eine Reihe von Substitutionsprodukten und als Endglied derselben Chloralhydrat C2Cl3HO.H2O. Mit Chlorwasserstoff entsteht Äthylchlorid, mit Iodphosphor Äthyljodid, mit Jod und Alkali Iodoform. Chlorkalk liefert bet Destillation mit A. Chloroform, rote rauchende Salpetersäure gibt bei Gegenwart von Quecksilber oder Silber knallsaures Salz. Mischt man A. mit konzentrierter Schwefelsäure, so entsteht Äthylschwefelsäure; und bei der Destillation geht Äther über. Wenn man aber Alkoholdampf durch siedende Schwefelsäure (165°) leitet, so zerfällt er in Äthylen und Wasser. Schwefelsäureanhydrid bildet Karbylsulfat. Organische Säuren bilden mit A., namentlich bei Gegenwart von Salzsäure, zusammengesetzte Äther (Ester). Diese Reaktionen lassen die vielseitige Verwendbarkeit des Alkohols erkennen. Er dient als Lösungsmittel (Tinkturen, Firnisse, Parfüme, in der Färberei und Rübenzuckerfabrikation, zur Bereitung von Extrakten), zur Darstellung von Soda, Pottasche, Teerfarben und vielen andern Präparaten, dann zum Füllen von Thermometern, zur Regeneration der Ölgemälde, zur Konservierung fäulnisfähiger Substanzen (anatomische und zoologische Präparate in A.), als Desinfektionsmittel (schon bei Homer werden die Wunden mit starkem Wein gewaschen, desinfiziert), als Brennspiritus, Leuchtmaterial (Spiritusglühlampen), zum Betrieb von Motoren und in den gegornen Getränken und den daraus bereiteten Destillaten als Genußmittel.

Über die Wirkung des Alkohols auf den menschlichen Organismus haben im Laufe der Zeit die verschiedensten Meinungen einander abgelöst. Während man früher dem A. direkt erregende, stärkende und belebende Wirkungen zuschrieb, erklärt man heute durchweg diese Wirkung als Folgen von Lähmungen. Die Anregung der geistigen Funktionen (Gesprächigkeit, rasche Ideenverbindung etc.) beruht auf einer Lähmung gewisser Gehirnteile, ist bedingt durch den Fortfall von Hemmungen, die Angst vor dem Publikum fällt beim Reden fort, der Soldat wird mutiger. Die anscheinend größere Muskelkraft nach Alkoholgenuß ist dadurch bedingt, daß der Nüchterne gern seine Kräfte schont, der Trunkene keine Rücksicht auf Schaden nimmt. Das Wärmegefühl ist nicht durch eine vermehrte Produktion von Wärme hervorgerufen, sondern eine Lähmung der kleinern Gefäße der Haut bewirkt vermehrten Zufluß warmen Blutes aus dem Körperinnern. Daher wird durch größere Gaben die Temperatur des Körperinnern herabgesetzt; darauf beruht es, daß Betrunkene leichter erfrieren wie Nüchterne. Auf die Herz- und Atemtätigkeit wirkt A. nur ganz vorübergehend anregend. Große Quantitäten erzeugen den Rausch und schließlich die volle Betrunkenheit, Zustände, bei denen die lähmende Wirkung des Alkohols vor allem zu Tage tritt. Absoluter A. wirkt schon in kleinen Dosen ätzend. Bei anhaltendem übermäßigen Genuß von A. entsteht der als Alkoholismus bezeichnete Zustand, bei dem zunächst der Verdauungsapparat leidet und trotz geringer Nahrungszufuhr eine bedeutende Fettansammlung stattfindet. In welcher Weise der A. diese Wirkungen hervorbringt, ist noch nicht festgestellt; im Magen erzeugt er zunächst eine gesteigerte Absonderung des Magensaftes, auch soll er die Bewegung des Magens anregen, und so erklärt sich das Wärmegefühl im Magen, die Unterdrückung des Hungergefühls sowie der günstige Einfluß, den eine geringe Menge A., nach dem Essen genommen, auf die Verdauung ausübt. Der A. wird im Organismus oxydiert und schützt, wie Fette und Kohlehydrate, das Körpereiweiß vorder Zersetzung. Er wirkt also als Sparmittel, aber er tut dies nur bei eiweißreicher Kost, bei der erheblich größere Mengen A. gut vertragen werden als bei schlechter, eiweißarmer Kost, bei der, abgesehen von andern Schädigungen, allmählich fortschreitender Verfall eintritt, wenn A. anhaltend in größerer Menge genossen wird. Faßt man alle Erfahrungen zusammen, so ist zuzugeben, daß ein mäßiger Genuß des Alkohols eine Reihe von Vorteilen bietet. Ein kleiner Schnaps, besonders mit einem aromatisch bittern Zusatz, hat sich nach dem Genuß fetter Speisen wohl bewährt. Dem Armen ersetzt der Branntwein das Gewürz, und bei naßkaltem Wetter schafft der A. dem durch bedeutende körperliche Anstrengung abgespannten und ermüdeten Arbeiter eine gewisse geistige Erregung und erhöhte Leistungsfähigkeit, die aber nur scheinbar ist, und daher auch nur vorübergehenden Erfolg haben kann; andre Mittel, z. B. warmer Kaffee, erreichen dasselbe, ohne die Schädigungen des Alkohols herbeizuführen. Allen Vorteilen gegenüber steht die sehr große Gefahr des Mißbrauchs, der wesentlich dadurch herbeigeführt wird, daß die durch den A. hervorgerufene Erregung bald einer um so größern Erschlaffung Platz macht, so daß das Bedürfnis, abermals zu trinken, erwacht (s. Trunksucht).

Als Arzneimittel wird A. meist in der Gestalt von Wein oder Kognak benutzt. Von der Darreichung des Alkohols bei schwerern Krankheiten ist man mehr und mehr zurückgekommen. Als Genußmittel ist derselbe auch für den Kranken von großer Bedeutung. Als Heilmittel ist dagegen nicht viel vom A. zu erwarten. Jedenfalls sollen größere Dosen nur bei akut fieberhaften;Krankheiten, Lungenentzündung, Gelenkrheumatismus etc., verabreicht werden; äußerlich dient er zu Waschungen bei profusen Schweißen (Hand- und Fußschweißen), zu Einreibungen bei torpiden Entzündungen, zur Anregung und Desinfektion schlechter Wundflächen, zu Einspritzungen in gutartige Geschwülste und zur Verödung von Krampfadern. Eine durch Anwendung von A. auf Haut und Schleimhäuten hervorgerufene Gefäßerweiterung und verstärkte Zufuhr von arteriellem Blut gestattet die bakterienfeindliche, aufsaugende und die Ernährung bessernde Wirkung des Blutes bei manchen Erkrankungen zu benutzen, deshalb verwendet man neuerdings den A. lokal bei Rotlauf, Zellgewebsentzündung, Zahnfleischatrophie etc. – Im Hebräischen und Arabischen heißt der Spießglanz Al-kohl, im Mittelalter wurde Alcool jedes sehr seine Pulver benannt, dann das Subtilste der Dinge, alcool sulfuris, Schwefelsäure, daher auch Alcool vini, Branntwein. Raimundus Lullus spricht von der Verstärkung des Weingeistes durch Destillation über Pottasche, und als vorzügliches Heilmittel nannte er ihn consolatio ultima corporis humani (des Menschen letzter Trost). In der lateinischen Übersetzung von Gebers Schriften heißt er aqua vitae (auch vitis), spiritus vivus, bei Basilius Valentinus spiritus vini. Der Name A. kam im 16. Jahrh. in Gebrauch (vielleicht aus vinum alcalisatum, durch Destillation über Alkali verstärkter Weingeist). 1796 stellte Lowitz wasserfreien A. dar, und 1808 ermittelte Saussure seine Zusammensetzung. Geistige Getränke wurden schon in den ältesten Zeiten bei sehr vielen Völkern aus zucker- oder stärkemehlhaltigen Pflanzenstoffen, aus Honig oder Milch durch Gärung dargestellt (vgl. Bier). Über Geschichte und Literatur der Spiritusfabrikation s. Spiritus. Vgl. Rosenfeld, Der Einfluß des Alkohols auf den Organismus (Wiesbad. 1901); Rauber, Wirkungen des Alkohols auf Tiere und Pflanzen (Leipz. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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