Allergen

Allergen

Ein Allergen (griechisch αλλεργενικόdas allergieerzeugende) ist eine Substanz, die über Vermittlung des Immunsystems Überempfindlichkeitsreaktionen auslöst. Ein Allergen ist ein Antigen, die von ihm verursachte Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems heißt allergische Reaktion.

Allergene haben keine chemischen Gemeinsamkeiten. Deswegen ist es nicht möglich, eine Chemikalie zu entwickeln, die Allergene zerstört. Die meisten Allergene sind Eiweiße oder Eiweißverbindungen. Das Immunsystem allergischer Patienten reagiert mit der Bildung von IgE-Antikörpern auf den Kontakt mit Allergenen.

„Pseudoallergene“ sind demgegenüber Stoffe, bei denen das Immunsystem nicht beteiligt ist, wohl aber Mediatoren, wie z. B. die Histamine.

Die verschiedenen Überempfindlichkeitsreaktionen (Allergien, Pseudoallergien und Intoleranzen) sind im Artikel Allergie beschrieben. Dieser Artikel beschreibt die Stoffe.

Allergene können nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt werden:

  • nach der Allergenquelle (z. B. Tierhaarallergene, Pollenallergene, Schimmelpilzallergene, etc.)
  • nach der Art des Kontakts mit den Allergenen (z. B. Inhalationsallergene, Nahrungsmittelallergene, etc.)
  • nach dem Pathomechanismus durch den die Allergene eine allergische Reaktion auslösen (z. B. Kontaktallergene)
  • nach der Frequenz ihrer Erkennung durch IgE-Antikörper in Haupt- und Nebenallergene
  • nach ihrer Aminosäure-Sequenz in bestimmte Allergengruppen (z. B. Gruppe-5-Graspollenallergene, etc.) oder in bestimmte Proteinfamilien (z. B. Lipocaline, Profiline, etc.). Anhand dieser Einteilung sind mögliche Kreuzallergien ablesbar.

Inhaltsverzeichnis

IgE-reaktive Allergene

IgE-reaktive Allergene sind jene Antigene, gegen die sich die fehlgeleitete Immunantwort bei Typ-I-Allergien richtet. Diese Allergene kommen ubiquitär (überall) vor und jeder Mensch kommt auch mit ihnen in Kontakt, und zwar durch Inhalation, Nahrungsaufnahme oder Berührung. Bei gesunden Personen kommt es entweder zu keiner Immunantwort gegen Allergene oder zu einer milden Immunantwort mit der Bildung von Allergen-spezifischen IgG1- und IgG4-Antikörpern. Im Gegensatz dazu kommt es bei Allergikern zu einer Bildung von Allergen-spezifischen IgE-Antikörpern. Diese veränderte Immunantwort wird – vereinfacht dargestellt – einem verschobenen T-Helferzellen Typ 1 – Typ 2 (Th1-Th2)-Gleichgewicht zugeschrieben, mit einer Th2-dominierten Immunantwort bei Allergikern und einer Th1-dominierten Immunantwort bei gesunden Personen.

Allen IgE-reaktiven Allergenen ist gemeinsam, dass sie sehr gut wasserlösliche und eher sehr stabile Proteine oder Glycoproteine sind. Es handelt sich meist um kleine Proteine in der Größe von 5 bis 80 kDa. Sonst sind Allergene von ihrer Struktur, Aminosäure-Sequenz oder biologischen Funktion her, sehr unterschiedlich. Die Frage, „was ein Allergen zu einem Allergen macht“, konnte noch nicht befriedigend geklärt werden. Verschiedene Faktoren, wie z. B. die Art der Allergenaufnahme (z. B. durch Inhalation), die Partikelgröße, die enzymatische Aktivität einiger Allergene und die Tatsache, dass Allergene in ausgesprochen kleinen Mengen aufgenommen werden (nanogramm-Mengen reichen), scheinen einen Einfluss auf die Allergenizität zu haben. Alle Allergene haben gemeinsam, dass sie von dendritischen Zellen aufgenommen werden müssen und eine Differenzierung der dendritischen Zelle in eine Th2-induzierende aktivierte dendritische Zelle induzieren.

IgE-reaktive Allergene kommen in einer Vielzahl von Allergenquellen vor. Eine Allergenquelle kann mehrere verschiedene Allergene freisetzen. So sind für die Hausstaubmilbe Dermatophagoides pteronyssinus mehr als 20 verschiedene Allergene bekannt. Allergiker können gegen nur ein Allergen oder auch gegen mehrere Allergene einer Allergenquelle sensibilisiert sein, also IgE-Antikörper bilden. Unter „Hauptallergenen“ versteht man jene Allergene einer Allergenquelle, gegen die mehr als 50 % der Patienten mit der betreffenden Allergie, IgE-Antikörper bilden. Alle anderen sind „Nebenallergene“.

Kontaktallergene

Kontaktallergene sind Auslöser von Typ-IV-Allergien. Das typische Krankheitsbild ist das allergische Kontaktekzem, das sich genau an den Körperstellen zeigt, die mit dem betreffenden Allergen in Kontakt kommen. Meist sind das die Hände, das Gesicht, die Unterschenkel oder der Nacken.

Zu den häufigsten Kontaktallergenen gehören Nickel, Thiomersal, Parfum, Cobalt, Formaldehyd, Perubalsam, Kolophonium, Isothiazolinone, Chrom, Thiuramix.

Besonders im beruflichen Umfeld spielen Kontaktallergene eine große Rolle. Berufsgruppen, die häufig betroffen sind, sind Köche, Friseure, Bäcker, Reinigungskräfte, Personal in der Möbelherstellung, in Fleisch und Fisch verarbeitenden Betrieben und in Gärtnereien.

Die EU-Richtlinie 94/27/EG („Nickel Directive“) legt fest, dass Nickel nicht in Schmuck und anderen mit der Haut in Berührung kommenden Produkten enthalten sein darf.

Beispiele für Kontaktallergene:

  • tierischen Ursprungs: Seide, Wolle, Wollwachs, Milben
  • pflanzlichen Ursprungs: Wiesenpflanzen und Primeln
  • chemische Kontaktallergene: Latex, Teer, Nickel und Chrom

Inhalationsallergene oder Aeroallergene

verschiedene Pollen

Inhalationsallergene oder Aeroallergene werden über die Atmung aufgenommen. Ein typisches Beispiel sind Birkenpollenallergene.

Beispiele für Inhalationsallergene:

  • tierischen Ursprungs: Wohnungsstaub und Tierhaare
  • pflanzlichen Ursprungs: Gräserpollen, Pilzsporen, Mehl, Holzmehl und Holzstaub
  • chemischen Ursprungs: Dämpfe von Additiven in Kraft-, Kunst- und Beschichtungsstoffen.

Nahrungsmittelallergene

Nahrungsmittel- und Arzneimittel-Allergene werden durch den Mund in den Körper aufgenommen.

Beispiele für Nahrungsmittel- und Arzneimittel-Allergene:

  • tierischer Herkunft: Milcheiweiß, Eier, Krebse, Fisch und Fleisch, Milbenkäse
  • pflanzlicher Herkunft: Erdbeeren, Äpfel, Nüsse, Bohnen
  • Arzneimittel: Schmerzmittel und Penicillin

Es ist sehr schwierig und bisher kaum zufriedenstellend gelungen, die Allergie-auslösende Aktivität verschiedener Allergene miteinander zu vergleichen. Methoden zur Allergen-Bewertung wurden in den USA und in Australien entwickelt: Die FDA verwendet für Lebensmittelallergene die Bewertung nach LOAEL (Lowest Observed Adverse Effect Level), daneben bestehen Schwellenwerte für einige Allergene in ppm (mg Protein pro kg Lebensmittel) gemäß VITALKonzept (Voluntary Incidental Trace Allergen Labelling, Australien).[1]

Zusammenstellung der von der FDA 2006 publizierten LOAELs für Lebensmittelallergene
Nahrungsmittel LOAEL-Bereich (in mg Protein)
Ei 0,13 bis 1,0
Erdnuss 0,25 bis 10
Milch 0,36 bis 3,6
Nüsse (Macadamia, Cashew, Mandeln, Walnuss, Pistazien, Haselnuss und andere) 0,02 bis 7,5
Soja 88 bis 522
Fisch 1 bis 100
Schwellenwerte für einige Allergene in ppm (mg Protein pro kg Lebensmittel) gemäß VITALKonzept
Lebensmittel Action Level 1 Action Level 2 Action Level 3
Milch <5 5–50 >50
Ei <2 2–20 >20
Soja <10 10–100 >100
Fisch <20 20–200 >200
Erdnuss <2 2–20 >20
Haselnuss <2 2–20 >20
Sesamsamen <2 2–20 >20
Krebstiere <2 2–20 >20
Gluten <20 20–100 >100

Obige Tabellen enthüllen zum Einen Widersprüche in der Bewertung des allergenen Potentials verschiedener Lebensmittel, was die Problematik dieser Quantifizerungen belegt. Zum Anderen liefern sie aber doch eine Basis, verschiedene Lebensmittel bezüglich ihrer Allergenität miteinander zu vergleichen und eine grobe Rangfolge abschätzen zu können.

Insektenstich-Allergene und Injektions-Allergene

Insektenstich- und Injektions-Allergene gelangen durch Insektenstiche oder Injektionen in den Körper. Beispiele für Insektenstich- und Injektions-Allergene:

  • tierischer Herkunft: Bienengift, Wespengift, Quallengift.
  • pilzlicher Herkunft: Medikamente wie die Penicilline (aus Pilzkulturen)
  • chemischer Herkunft: jodhaltige Kontrastmittel, Novocain und ähnliche Narkosemittel, Konservierungsmittel wie Epinephrin

Leitallergene

Leitallergene geben wichtige Hinweise darauf, inwieweit andere Stoffe zu einer allergischen Reaktion führen können. So reagieren Birkenallergiker in 50 % der Fälle im Rahmen einer Kreuzallergie auch auf bestimmte Nahrungsmittel wie Äpfel und Birnen.

Deklarationspflichtige Allergene

(Zwölf Allergene laut RL 2003/89/EG. Dies ist der sogenannte „Anhang III a der Richtlinie 2000/13/EG“.)

  1. Glutenhaltiges Getreide (d. h. Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut oder Hybridstämme davon) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse
  2. Krebstiere und Krebstiererzeugnisse
  3. Eier und Eierzeugnisse
  4. Fisch und Fischerzeugnisse
  5. Erdnüsse und Erdnusserzeugnisse
  6. Soja und Sojaerzeugnisse
  7. Milch und Milcherzeugnisse (einschließlich Laktose)
  8. Schalenfrüchte, d. h. Mandel (Amygdalus communis L.), Gemeine Hasel (Corylus avellana), Walnuss (Juglans regia), Kaschunuss (Anacardium occidentale), Pecannuss (Carya illinoiesis (Wangenh.) K. Koch), Paranuss (Bertholletia excelsa), Pistazie (Pistacia vera), Macadamianuss und Queenslandnuss (Macadamia ternifolia) sowie daraus hergestellte Erzeugnisse
  9. Sellerie und Sellerieerzeugnisse
  10. Senf und Senferzeugnisse
  11. Sesamsamen und Sesamsamenerzeugnisse
  12. Schwefeldioxid und Sulfite in einer Konzentration von mehr als 10 mg·kg−1 oder 10 mg·l−1, als SO2 angegeben.

Änderung des Anhangs III a der Richtlinie 2000/13/EG, Hinzunahme von zwei weiteren potentiellen Allergenen (RL 2006/142/EG vom 22. Dezember 2006):

  1. Lupine (auch Wolfsbohne) und Lupineerzeugnisse
  2. Weichtiere (Mollusken) und Weichtiererzeugnisse, wie z. B. Schnecken, Muscheln oder Austern

Ausnahmeregelung zu kennzeichnungspflichtigen Stoffen (RL 2005/26/EG), folgende Zutaten in den genannten Gruppen müssen vorerst (bis zum 25. November 2007) nicht gekennzeichnet werden, da über Studien kein allergenes Potential nachgewiesen werden konnte:

  • aus glutenhaltigem Getreide und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Glukosesirup auf Weizenbasis, einschließlich Dextrose
    • Maltodextrine auf Weizenbasis
    • Glukosesirup auf Gerstenbasis
    • Getreide, das als Ausgangsstoff für Destillate verwendet wird
  • aus Eiern und daraus hergestellte Erzeugnisse:
  • aus Fischen und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Fischgelatine, die als Träger für Vitamine und Aromen verwendet wird
    • Fischgelatine oder Hausenblase, die als Klärhilfsmittel in Wein verwendet wird
  • aus Sojabohnen und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • vollständig raffiniertes Sojabohnenöl und –fett
    • Phytosterine/Phytosterinester, die aus Sojaöl gewonnen werden
    • Phytostanolester, aus Pflanzenölsterinen der Sojabohne gewonnen
    • natürlich gemischte Tocopherole (E306), natürliche D-alpha-Tocopherol, -acetat, -succinat aus Sojabohnenquellen
  • aus Milch (einschl. Laktose) und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Molke, die als Ausgangsstoff für Destillate verwendet wird
    • Laktit
    • Milch-Casein-Erzeugnisse, die als Klärmittel in Wein verwendet wird
  • aus Schalenfrüchten und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Schalenfrüchte, die als Ausgangsstoff für Destillate verwendet werden
    • Mandeln und Walnüsse, die als Aroma für Spirituosen verwendet wird
  • aus Sellerie und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Sellerieblatt- und Selleriesamenöl
    • Sellerieoleoresin
  • aus Senf und daraus hergestellte Erzeugnisse:
    • Senföl
    • Senfsamenöl
    • Senfsamenoleoresin

Pseudoallergene

Häufige luftübertragene, nichtallergische Reizstoffe (Pseudoallergene) sind:

Andere Auslöser allergie-ähnlicher Beschwerden:

  • Medikamente (z. B. Acetylsalicylsäure)
  • Kontrastmittel
  • Narkosemittel
  • Nahrungs- u. Genussmittel mit hohem Histamingehalt
  • Milchzucker (Laktose)

Allergenfreie Stoffe

Garantiert keine Allergien lösen aus:

Bei Arbeitern, die mit Vitamin B1 Umgang haben, sind Allergien beschrieben. Auf die Anwendung von Vitamin B12 sind bei Patienten Soforttyp-Allergien und Allergien vom verzögerten Typ beschrieben. Auch Vitamin E, INCI Tocopherol, kann in kosmetischen Produkten (hier als Antioxidans eingesetzt) Allergien auslösen. Allerdings sind diese Allergien nicht häufig.[2]

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Allergen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Kirsten Beyer: Strategien zur Bestimmung von Schwellenwerten für Lebensmittelallergene aus klinischer Sicht. Expertengespräch im Rahmen der BMELV-Konferenz 2008 „Allergien: Bessere Information, höhere Lebensqualität“ am 15. Oktober 2008 in Berlin (PDF)
  2. Fisher: Contact Dermatitis. 4. Auflage. R. L. Rietschel, J. F. Fowler. Williams and Wilkins, Baltimore, Philadelphia – Hong Kong – London – Munich – Sydney – Tokyo. S. 151–152.

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