Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski

Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski

Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski (russisch Константин Константинович Рокоссовский, oder polnisch Konstanty Rokossowski; * 21. Dezember 1896 in Warschau; † 3. August 1968 in Moskau) war ein sowjetischer Offizier und Verteidigungsminister der Volksrepublik Polen. Er war Marschall der Sowjetunion und Marschall von Polen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Konstantin Rokossowski (1916)

Rokossowski stammte aus einem verarmten Zweig der bereits im 15. Jahrhundert bekannten Familie des polnischen Uradels des Wappenstammes Glaubicz (Glaubitz), die ihren Namen vom Familienbesitz Rokosowo in Großpolen, Kreis Kościan (deutsch Kosten) genommen hatte. Durch Teilnahme an beiden polnischen Aufständen von 1830 und 1863 verloren seine Ahnen ihre Güter und mussten bürgerliche Berufe ergreifen. Rokossowskis Vater Ksawery Wojciech, (1853–1910) war Lokomotivführer, ein damals sehr geachteter und gut bezahlter Beruf, seine Mutter Antonina Owsjannikowa stammte aus dem russischen Kleinadel und war Lehrerin. Rokossowskis Vater starb 1910 bei einem Zugunglück, seine Mutter starb kaum ein Jahr später.

Rokossowski besuchte die private Laguna-Grundschule und das Realgymnasium der Kaufmännischen Genossenschaft in Warschau, das er 1910, nach dem Tod seiner Mutter verlassen musste, um Arbeit in einer Strumpffabrik aufzunehmen. 1912 wurde er als Teilnehmer der Demonstration zum 1. Mai verhaftet und verlor seine Arbeit, wonach er eine Lehrlingsstelle in einer Steinmetzwerkstatt erhielt. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Freiwilliger bei der russischen 5. Kavalleriedivision, die in der Nähe von Warschau stationiert war. Als Soldat des 5. Kargopolschen Dragoner–Regiments nahm er an den Kämpfen bei Warschau, Lodz, in Litauen und Lettland teil. 1915 beendete er einen Unteroffizierlehrgang erfolgreich und wurde zum Korporal befördert. Um diese Zeit änderte er sein Patronym von „Ksawerowitsch“ zu „Konstantinowitsch“, um weniger polnisch zu wirken und in der Hoffnung, im Russischen Kaiserreich Karriere machen zu können. Er ließ auch den Geburtsort in seinen Papieren ändern und war nun in Welikije Luki, Gouvernement Pskow geboren (so heißt es noch in der Sowjetischen Enzyklopädie von 1972).

Russischer Bürgerkrieg

Nach der Oktoberrevolution weigerte er sich, in das in Russland entstehende Polnische Korps einzutreten und schuf nach der Auflösung seines alten Regiments eine Kargopoler Abteilung der Roten Armee. Als Soldat der Roten Armee nahm er am Bürgerkrieg teil, unter anderem in der Ukraine und im Ural- Gebiet und an den Kämpfen gegen die Armee des Admirals Koltschak. Seit 1919 Mitglied der Partei der Bolschewiki, war er am Ende des Bürgerkrieges Regimentskommandeur bei der Kavallerie.

Nachkriegsphase und Stalinismus

Von 1920 bis 1936 wirkte Rokossowski nach Beendigung der Ausbildung an der Offiziersschule (1924–1925; zusammen mit Georgi Schukow) als Regiments- und später Brigadekommandeur im Fernen Osten, wo er eine Zeit lang als militärischer Berater von Chiang Kai-shek wirkte. Später war er in Weißrussland stationiert, wo er 1936 zum Generalmajor befördert wurde.

1937 wurde ihm im Rahmen der Stalinschen Säuberungen der Roten Armee Spionagetätigkeit für den polnischen und japanischen Nachrichtendienst durch Mitarbeiter der Geheimpolizei des NKWD vorgeworfen. Bei Verhören wurden ihm mehrere Zähne ausgeschlagen, Rippen gebrochen und Scheinerschießungen durchgeführt. Im anschließenden Prozess wurde er degradiert, zu zehn Jahren Gulag verurteilt und nach Norilsk verbracht. Im März 1940 wurde er ohne Angabe von Gründen begnadigt und nach einem Kuraufenthalt in Sotschi wieder mit seinem alten Dienstgrad in die Armee aufgenommen.

Zweiter Weltkrieg

Konstantin Rokossowski (1940)

Zu Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges befehligte Rokossowski das 9. mechanisierte Korps in der Panzerschlacht bei Dubno-Luzk-Riwne, wo er einen erfolgreichen Gegenstoß bei Dubno durchführen konnte. Im Juli 1941 wurde Rokossowski deswegen zum Kommandeur einer ad hoc zusammengestellten operativen Gruppe der 16. Armee ernannt, die der sowjetischen Westfront unterstellt war und den Frontabschnitt bei Smolensk verteidigte. (→Kesselschlacht bei Smolensk) Rokossowski konnte in seinem Abschnitt eine wirksame Verteidigung aufbauen und den deutschen Vormarsch erheblich verzögern. Nachdem Rokossowski im Oktober 1941 mit seinem Stab aus dem Kessel von Wjasma entkommen war, wurde er zum Befehlshaber der 16. Armee ernannt und stellte sie aus verfügbaren Einheiten quasi neu auf. Während der Schlacht um Moskau verteidigte die 16. Armee den Frontabschnitt bei Istra.

Am 8. März 1942 wurde er bei einem nächtlichen deutschen Beschuss seines Quartiers, eines ehemaligen Bauernhauses, durch Granatsplitter schwer verwundet. Er verbrachte zwei Monate im Lazarett und kehrte unmittelbar nach seiner Genesung im Mai 1942 zur Armee zurück.

Von 1942−1943 war er Befehlshaber der Donfront nördlich von Stalingrad und Hauptverantwortlicher für die Durchführung der Operation Uranus, welche zur Einkesselung der deutschen 6. Armee führte. Am 2. Februar 1943, um 4 Uhr nachmittags, verhörte er den am 31. Januar in Gefangenschaft gegangenen Feldmarschall Friedrich Paulus. Das bei dieser Gelegenheit aufgenommene Foto erschien in allen Zeitungen der Alliierten und machte Rokossowskis Gesicht weltbekannt.

Rokossowski wurde zum Armeegeneral befördert und zum Kommandeur der Zentralfront (später in 1. Weißrussische Front umbenannt) erhoben. In dieser Position spielte er eine wichtige Rolle in der Schlacht bei Kursk, später in den Kämpfen in Weißrussland und bei der sowjetischen Offensive, die 1944 das Gebiet seiner alten Heimat Polen erreichte. Wie allen Oberbefehlshabern der Roten Armee war auch Rokossowski ein hoher Parteifunktionär als „Mitglied des Militärrats“ zugeteilt; diese Aufgabe oblag Nikolai Bulganin. Am 26. Juni 1944 ernannte Stalin Rokossowski zum Marschall der Sowjetunion.

Am 30./31. Juli 1944 erreichten die sowjetischen Verbände nach einem Vormarsch über mehrere hundert Kilometer das rechte Ufer der Weichsel und befreiten Warschaus östliche Vorstadt, Praga. Die polnische Heimatarmee löste daraufhin ohne jede Abstimmung mit der Führung der Sowjetunion am 1. August den Aufstand aus. Diese Kämpfe, die bis zum 4. Oktober 1944 dauerten, führten zur weitgehenden Zerstörung der Stadt und endeten mit der Niederlage der der prowestlichen Exilregierung nahe stehenden Aufständischen.

In der Januaroffensive von 1945 war Rokossowski Befehlshaber der 2. Weißrussischen Front, deren Kampfoperationen Ostpreußen und Westpreußen umfassten (siehe: Schlacht um Ostpommern, Schlacht um Ostpreußen). In der letzten Phase des Krieges in Norddeutschland erreichten Rokossowskis Verbände die Elbe, eroberten Rügen und kamen bis vor Wismar, welches bereits von den Briten eingenommen war. Hier traf er nach der deutschen Kapitulation am 9. Mai 1945 mit dem britischen Feldmarschall Bernard Montgomery anlässlich einer gemeinsamen Siegesfeier zusammen.

Nachkriegszeit

Konstantin Rokossowski, Ausweis des Zentralkomitees der PZPR, Unterschrift rechts: Bierut, 13. November 1949

Nach Kriegsende kommandierte Rokossowski die Siegesparade in Moskau am 24. Juni 1945. Bis 1949 war er Oberbefehlshaber der Nordgruppe der Sowjetarmee.
Stalin, der eine energischere Sowjetisierung der polnischen Volksarmee wünschte, ließ Rokossowski in diesem Jahr durch den von der Sowjetunion eingesetzten Präsidenten Bolesław Bierut nach Polen berufen und zum Marschall von Polen und zum Verteidigungsminister ernennen. Rokossowski wurde von einer großen Gruppe von sowjetischen Beratern und Experten begleitet. Bald darauf wurden viele Hunderte von polnischen Offizieren, besonders die, die im Heer der 2. Republik als Unteroffiziere gedient hatten (vom alten Offizierskorps gab es nur einige wenige, die zu den Kommunisten übergingen), entlassen. Die meisten Polen sahen in Rokossowski nichts weiter als einen „Agenten“ Stalins und vertrauten ihm nicht. Rokossowski hatte mehr als 35 Jahre nicht mehr in Polen gelebt und sprach deswegen nur noch gebrochen Polnisch. Er bestimmte, dass polnische Soldaten nur Russisch mit ihm sprechen sollten.

Während der politischen Umwälzungen im Oktober 1956, die mit der Wahl des als liberal geltenden Władysław Gomułka zum 1. Sekretär der polnischen KP (PZPR) endeten, war Rokossowski auf der Seite der Kommunisten und befahl die Konzentration der in Polen stationierten sowjetischen Truppen um Warschau. Er fuhr nach Moskau, um Chruschtschow davon zu überzeugen, wie unangebracht die Wahl des „liberalen“ Gomułka sei.[1] Am 8. November 1956 trat er als Verteidigungsminister zurück und reiste in die Sowjetunion, wo er 1957 zum Generalinspekteur der Streitkräfte und stellvertretendem Verteidigungsminister ernannt wurde. Seine letzte Ehrenfunktion war die des Mitglieds der Gruppe der Generalinspekteure der Sowjetarmee.

Er war mit der Russin Julia Rokossowskaja (geb. Barmina) verheiratet und bekam von ihr eine Tochter namens Ada. Seine jüngere Schwester Helena Rokossowska verbrachte ihr ganzes Leben in Warschau und starb dort 1982. Rokossowski starb 1968 in Moskau; seine Urne wurde an der Kremlmauer in Moskau beigesetzt, wo auch Stalin und Schukow begraben sind.

Kommandos

  • 7. Samaraer Kavalleriedivision "Englisches Proletariat" ca 1932 innerhalb des 3. Kavalleriekorps - Bh Timoschenko
  • 5. Kavalleriekorps 1936-1937
  • 9. mech. Korps im Kiewer Besonderen Militärbezirk / Südwestfront - Dezember 1940 - Juli 1941
  • 16. Armee – August 1941 bis Juli 1942
  • Brjansker Front – Juli bis September 1942
  • Donfront – September 1942 bis Februar 1943
  • Zentralfront – Februar bis Oktober 1943
  • Weißrussische Front – Oktober 1943 bis Februar 1944
  • 1. Weißrussische Front – Februar bis November 1944
  • 2. Weißrussische Front – November 1944 bis Kriegsende
  • Nordgruppe der Streitkräfte 1945 bis 1949
  • Verteidigungsminister der Volksrepublik Polen 1949 bis 1956
  • Transkaukasischen Militärbezirks 1957 bis 1958

Auszeichnungen (Auswahl)

sowie zahlreiche ausländische Orden und Ehrenzeichen.

Literatur

  • Bolschaja Sowjetskaja Enciklopedija, Band 22, Moskau 1975
  • Konstantin Rokossowski: Soldatskij dolg, Moskau 1968 (deutsch Soldatenpflicht)
  • Heerführer des Großen Vaterländischen Krieges 1941–1945. 1. Auflage, Militärverlag der DDR 1978, 2. Halbband, S. 7-51

Weblinks

 Commons: Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.wprost.pl/ar/?O=77573&C=57

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