Bäder

Bäder

Bäder. Die Gewohnheit zu baden ist wohl so alt als das Menschengeschlecht und war bei den ersten Menschen eine größere Nothwendigkeit als in spätern Zeiten, weil den Urvölkern die Bequemlichkeiten der Toilette ganz fehlten. Sie mußten auch, wie noch jetzt die Insulaner, den Säugling im kalten Wasser der See oder im Flüsse unter freiem Himmel baden, und Männer und Frauen verstanden das Schwimmen. Im Morgenlande, wo zuerst die Kultur den Menschen aus dem Naturzustande und zur Weichlichkeit führte, finden sich auch zuerst Spuren von warmen Bädern in der religiösen Gesetzgebung Moses. Dieser große Geist erhob alle Bedürfnisse für die Gesundheit zum Gesetz, und die Priester mußten vor der Stiftshütte sich waschen und salben; Judith badete und salbte sich, ehe sie zu Holofernes ging, und das Bad der Susanna und Bathseba haben große Künstler verewigt. Die Bäder im Jordan sind noch heute heilig. Dem Ulysses ließ Circe ein Bad bereiten und ihn salben und die schöne Nausikaa führte ihn nach griechischer Sitte in's Bad. Spuren von Bädern finden sich in den Ueberlieferungen aller Völker des Morgenlandes, besonders bei den Hindu, deren Waschungen im Ganges heilige Bäder sind. Den Völkern des Alterthums war aber das Bad auch ein großes Bedürfniß. Leinene Unterkleider gab es nicht, man trug wollene Stoffe, in welche der Staub sich setzte, und ließ Kopf, Hals, Vorderarme und Beine unbedeckt; man trug Sandalen, lebte viel im Freien, beschäftigte sich täglich mit Kampfspielen aller Art, mußte also sehr unreinlich aussehen; darum war seit Homer's Zeitalter die Bade- und Reinigungsstunde vor der Mahlzeit, also Abends um acht Uhr; man aß um neun oder zehn. Der Gebrauch der Bäder steigerte sich immer mehr. Die Athenienser, die in der kräftigen Zeit ihre Kinder noch kalt badeten, singen mit andern griechischen Völkern den Luxus der Bäder an, zu deren Erbauung und Ausschmückung alle Künste beitragen mußten. Die harten Spartaner blieben noch lange bei ihrem kalten Bad und trockenen Schwitzbad, weil ihrer Kräftigkeit das feuchtwarme Bad zuwider war. Das Baden wurde bald eine Sucht und so häufig wie jetzt das Spazierengehen. Schon Homer sagt, daß Bäder für weichliche Müßiggänger seien, und allerdings wurden sie eine Ueppigkeit, besonders aber in Rom, wo die Sitten so sehr in Verfall kamen. Früher badeten sich nur Sänger, Schauspieler, Herolde, Saitenspieler häufig, später aber klagt Galen über das tägliche Baden von Männern, Weibern und Kindern. Vielesser gingen in's Bad, um besser zu verdauen und den Magen zu neuen Thaten zu stärken. Ja die ausgesuchte Ueppigkeit ging so weit, daß Reiche ihre Salbärzte oder Badediener mit Falerner und seinen Speisen traktirten, um durch's Zusehen sich im Bade Hunger zu bereiten. Man schwelgte die Nächte hindurch in den Bädern und den eingerissenen Mißbräuchen wurde durch strenge Gesetze einiger Kaiser, und weil auch die Christen mit hingerissen wurden, durch Verbote der Bischöfe und des Conciliums von Laodicea gesteuert. Die römischen Bäder übertreffen Alles, was Kunst und Reichthum jetzt zu schaffen vermöchte. Man staunt, wenn der Griffel des Schriftstellers von den städtegleichen Badeanlagen, von den herrlichen Säulen, den Wänden aus edeln Steinarten und Fußboden aus Mosaik mit Gemmen ausgelegt, und von den herrlichen Gemälden und Bildhauerarbeiten, dem Gold und andern Zierathen, spricht, die reichlich darin verschwendet worden waren; aber der Beschauer staunt auch noch heute, wenn er über die ungeheuern Schutthaufen klimmt, durch eine Spalte hinabsteigt in die versunkenen Hallen, die von Moder und Fackeldunst geschwärzten Wände abkratzt, und noch Spuren des Goldes und der Malerei findet, und sich sagen muß, er sei an der Stelle, wo einst der Menschen Fuß auf Gold und Edelstein gewandelt. In diesen großen Badeanlagen waren Gärten, Spiel- und Kampfplätze aller Art, große Fischbehälter und alle Einrichtungen zu damaliger Unterhaltung. Die berühmtesten sind die Bäder des Diocletian, Antonin, Caracalla, Trajan, Domitian und andere. In Rom gab es allein 800 öffentliche und zahllose Privatbäder, die entweder Balnea, Badestuben, oder Thermae, die erwähnten mannichfaltigen Anlagen waren, die wegen der Bäder so prachtvoll ausgeführt wurden. Die innere Einrichtung der griechischen und römischen Bäder war folgende: im Kellergeschoß war das Hypocaustum, wo das Feuer brannte, über diesem die Badestube (Balneum), wo eine Wanne mit breitem Rande, auf dem man sitzen konnte, und Bänke von Marmor sich befanden. Das Bad Antonin's hatte sechszehnhundert solcher Bänke. Neben dem Bade war die Schwitzstube (Sudatio), mit Nischen in der Wand, wo die Badegäste saßen und schwitzten. Daran stieß das Laconicum, die nach spartanischer Art eingerichtete trockene Schwitzstube, und aus dieser kam man in das Tepidarium, wo es lauwarm war. Von hier aus gelangte man in das Frigidarium, die Kühlstube, wo sich die Badegäste aus- und anzogen, eingerieben und frottirt wurden. Hinter dem Kühlzimmer endlich war das Salbezimmer, Elaeothesium, wo man die Körper salbte. Diese Zimmer wurden von einem Badenden nach und nach alle oder nur einige benutzt. Die steigende Temperatur muß sehr angenehm gewesen sein. Man badete in süßem oder auch in Meerwasser, welches durch herrliche Aquäducten zu den Bädern geleitet wurde. Mit den Salben wurde großer Luxus getrieben. Nachdem der Körper auf diese Art gereinigt, die Haare mit Zängelchen ausgerauft worden waren, nahmen die Alipten die wohlriechenden Oele und rieben den Körper ein. Jeder Römer hatte zu Hause seine Striegel, Schabeisen, Oelfläschchen, Salbenbüchsen, Badegefäße und Zängelchen zum Ausraufen der Haare. – Außer diesen künstlichen Bädern benutzte man auch die warmen Quellen. In vielen italienischen, französischen und deutschen Bädern findet man römische Ueberreste. Karl der Große liebte Aachen (s. d.) besonders wegen der Bäder. In den neuern Zeiten ist der Gebrauch der Bäder, der eine Zeit lang fast ganz verschwunden war, mehr in Aufnahme gekommen, doch steht dieß in keinem Vergleiche mit der alten Zeit. Eigenthümliche Badeanstalten haben in Europa nur die Russen (s. Dampfbad,) und die Türken, weil die türkischen Frauen täglich, die Männer aber oft sich baden müssen. Die öffentlichen Bäder sind in jeder Stadt, wo eine Moschee ist, und die asiatische Ueppigkeit zierte dieselben mannichfaltig. Sie haben aber auch trockene Bäder, d. h. Zimmer mit Marmorboden, die durch Röhren geheizt werden. Man entkleidet sich in einem Nebenzimmer, hüllt sich in eine Decke, zieht hölzerne Pantoffeln wegen des heiß gewordenen Fußbodens an und geht in das heiße Badezimmer und schwitzt. Hierauf wird man gekämmt, mit wollenen Tüchern gerieben und gesalbt, ruht auf einem Bette aus und trinkt Kaffee, Sorbet, u. s. w. In Indien verfährt man beim Baden anders. Der Badende legt sich auf eine Tafel, der Badewärter begießt ihn mit warmem Wasser und bearbeitet nun den Körper mit unnachahmlicher Geschicklichkeit, drückt, preßt, knetet, renkt ihn aus, wendet ihn um, hebt ihn, läßt ihn fallen, macht daß alle Gelenke und Rückenwirbel knacken und schlägt sanft auf die fleischigen Theile; dann frottirt er ihn mit einem härenen Tuche, bis er in Schweiß geräth, reibt die harte Haut mit Bimstein ab, seift und salbt ihn ein und ordnet Haare und Bart. Ein himmlisches Gefühl von Wohlsein durchströmt den Körper und ein erquickender Schlaf folgt der angenehmen Anstrengung. – In unsern Ländern schien zwar öffentliche Badeanstalten, aber in größern Städten und an den Orten, wo Heilquellen entspringen, ist für Bäder gesorgt, wenn auch nicht mit dem Luxus der Alten. Wir sind aber nicht weniger von der Wichtigkeit des Bades für die Gesundheit des Körpers überzeugt, und es ist sehr zu bedauern, daß gerade hinsichtlich der Bäder so große Vorurtheile herrschen, die eine ordentliche Wasserscheu erregen. Manches Menschenleben würde länger dauern, mancher Kranke gerettet werden können, wenn die Menschen an Bäder gewöhnt würden, aber die Anwendung hindern die Vorurtheile oder der Mangel an Gewöhnung besonders bei Kindern, für welche das Bad ein naturgemäßer wohlthuender Genuß ist, den man gleich nach der Geburt anfangen und nicht aussetzen darf. Erwachsene fürchten das kalte Bad, weil sie weichlich frieren, und das warme, weil sie die Erkältung fürchten. Die Wirkungen des Bades sind unendlich wohlthätig für den Körper, und man kann wohl sagen, daß es ein wahrhaftes Schönheitsmittel sei. Der zartere Körper des schönen Geschlechts verträgt die zu kalten und zu heißen Bäder nicht, aber das frische Bad in den warmen Sommermonaten und das laue in der kältern Jahreszeit stärken und erfrischen denselben mehr als Crême de Rose und dergl. So wie das zu kalte und zu heiße Bad, Schminke und Schönheitsmittel die Haut härtlich und gelb machen, so belebt das kühle und laue Bad die Gefäßthätigkeit der Hautorgane; die Haut wird elastisch, biegsam und glänzend, die Gefäße schwellen an, das Colorit hebt sich, die Augen strahlen, die Muskeln bekommen Spannkraft, das Blut strömt schneller, und die dadurch beförderte Ernährung verkündet der zunehmende Appetit. Die Zeit zum Gebrauche der frischen Bäder bestimmt sich in unsern Gegenden, wo keine feste Temperatur ist, nach der herrschenden warmen Witterung. Da Damen nur in eingeschlossenen Räumen baden und nicht durch Schwimmen sich erwärmen können, muß die Luft und das Wasser wärmer sein, als für andere Badende. Die besten Badestunden sind vor unsern gebräuchlichen Mittags- und Abendmahlzeiten. Als Kurmittel braucht man nicht bloß Wasserbäder, sondern auch Bäder aus Milch, Wein, Spülicht und mit arzneilichen Stoffen versetzte. Die Art zu baden ist sehr mannichfaltig; Man braucht ganze, halbe, örtliche, und Einsatzbäder; Douchebäder mit Dampf oder Wasserstrahl, letztern kalt und heiß; Spritz-, Tropf- und Sturzbäder; elektrische, Dampf-, Schwitz- und Luftbäder. Ueber eine besonders wirksame Art von Bädern, die Schlammbäder. Marienbad, und über das so heilkräftige und stärkende Seebad und die Soolbäder, s. diese Artikel.

D.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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