Roman

Roman
Stapel von Roman-Neuerscheinungen in einer Buchhandlung, Februar 2009

Der Roman ist im Spektrum der literarischen Gattungen, das sich im 19. Jahrhundert herausbildete, die Langform der schriftlich fixierten Erzählung.

Historisch benachbarte Gattungen sind die kürzere Novelle, sie gibt heute im Englischen (novel) und im Spanischen (novela) den Gattungsbegriff (ein spätes Ergebnis der Mode des 17. Jahrhunderts, die auf kürzere Romane drang), sowie die Kurzgeschichte, die im späten 19. Jahrhundert[1] eigens eingegrenzt wurde.

Die eingehenderen Definitionskriterien (wie eine Auseinandersetzung mit dem Individuum und der Geschichte, die literarische Schreibweise, die Ästhetik oder Schönheit seiner Prosa, die tiefere Bedeutung seiner Fiktion, seine Stellung in der Literaturgeschichte) entwickelten sich in den Abgrenzungsprozessen der letzten vierhundert Jahre: Der Roman wurde in ihnen aus der öffentlichen Geschichtsschreibung ausgegliedert und dem neuen Bereich der Literatur überantwortet (Tagebuch und Autobiographie, die privateren Felder der Geschichtsschreibung, sind darum nach wie vor benachbarte Gattungen der Geschichtsschreibung). Die Fragen nach künstlerischer Qualität, die die Romandiskussion seit dem 18. Jahrhundert bestimmen, dienen im Wesentlichen dazu, triviale und ohne tiefere Wahrheit skandalöse Titel aus der öffentlichen Romandiskussion herauszuhalten. Mit ihnen wird dem größeren Teil der Romanproduktion der Anspruch darauf verwehrt, diskutierenswerte Literatur zu sein. Die aktuellen Kriterien entwickelten sich hier seit dem frühen 18. Jahrhundert im Rahmen einer Entskandalisierung der öffentlichen Romanrezeption.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Gerard ter Borch um 1680: lesender junger Mann, das Format des Buches ist romanverdächtig, ebenso die abgeschiedene Lektüresituation.
François Boucher, 1756: Madame Pompadour bei der entspannten nachmittäglichen Privatlektüre − religiöse und wissenschaftliche Lektüre wird anders dargestellt.
Winslow Homer 1877: The New Novel, vergleichbare Lektüreumstände
Romanlesender S-Bahn-Pendler, Berlin 2009.

Fiktionale Erzählung

Fiktionalität ist das meistgenannte, jedoch kein hinlängliches Definitionskriterium: Geschichtsfälschungen bieten Fiktionen, gestaltete Realitäten; anders als Romane tun sie das nicht, um von ihren Betrachtern in ihrer Künstlichkeit gewürdigt zu werden. Bei Romanen erhält der Leser in der Regel selbst dann Hinweise auf eine im Raum stehende Kunst der Gestaltung – etwa im Gattungshinweis Roman auf dem Cover oder Titelblatt oder einem Hinweis auf gegebene oder nicht gegebene Mühe in der Gestaltung in der Vorrede oder dem Klappentext –, wenn die Geschichte auf tatsächlichen Ereignissen beruht.

Der Blick auf die Kunst des Romans erlaubt es seit dem 17. Jahrhundert, ihm eigenen Raum gegenüber der Geschichtsschreibung zu geben. Bewertet die Geschichtswissenschaft öffentliche Perspektiven aus dem Wissenschaftsbetrieb heraus, so werden bei Romanen als kulturelle Indikatoren gezielt Fragen nach der Leistung des Individuums und der Wirkung auf Individuen gestellt – seit Mitte des 18. Jahrhunderts mit pädagogischer und gesellschaftskritischer Tendenz: Tiefere, universelle menschliche Einsichten sollen den Roman zum Kunstwerk machen. Wo Leser mit Protagonisten des Romans mitleiden, werden die moralischen Positionen erwogen, die sie dabei einnehmen. Wo Spannung aufkommt und Leser sich möglicherweise unkritisch dem Gang der Erzählung anvertrauen, dem persönlichen Stil des Autors, seiner Erzählkunst, seiner Sprache, liefert die Kritik Interpretationen der offenen und versteckten Aussagen und Intentionen.

Die Entscheidung, Romanen Qualitäten als Kunstwerken abzuverlangen, entskandalisierte im 18. Jahrhundert die Auseinandersetzung mit ihnen. Nahm die Geschichtswissenschaft im frühen 18. Jahrhundert noch Schlüsselromane zur Kenntnis, wenn zu klären schien, welche historischen Wahrheiten sie entdeckbar machten, so erlaubt es die literaturwissenschaftliche Würdigung, die Mitte des Jahrhunderts einsetzte, vergleichbare Texte zu ignorieren, falls sie keine eigene Wahrheit in der Kunst suchen. Die neue Form der Skandalisierung lag im selben Moment in der möglichen Entweihung der Kunst.

Die Frage nach der künstlerischen Gestaltung schuf mit der Literaturwissenschaft eine öffentliche auf das Individuum ausgerichtete Debatte, die sich optimal im Schulunterricht entfaltet. Sie erlaubte es auf der anderen Seite der Geschichtswissenschaft, sich von allen (spät-)mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Historien zu distanzieren, die noch Erzählungen und kunstvolle Ausgestaltungen von Ereignissen aufboten. Die Literaturwissenschaft ist für Kunst der Gestaltung zuständig. Die Geschichtsschreibung stieg, indem sie sich auf die Diskussion des Wissens ausrichtete, das über Vergangenheit besteht, in den westlichen Gesellschaften zum zentralen Verhandlungsort historischer Verantwortlichkeiten auf (dazu im Verlauf).

Formen alter Historik wie das Angebot einer persönlich gestalteten Erzählung überlebten vor allem in der privaten Geschichtsschreibung, in der Biographie und der Autobiographie. Die Erzählung gewann auf Seiten des Romans im weiteren Abgrenzungsprozess Freiraum für künstlerische Experimente. Unzuverlässiges Erzählen war zwar seit der Antike bekannt, gewann jedoch erst im Roman des späten 18. Jahrhunderts an Bedeutung. In der (romantischen) Brechung, im Fragment oder der (modernistischen) Auflösung geschah die weitere künstlerische Auseinandersetzung der Aufgabe, in der Gestaltung ansprechbar zu werden.

Länge und epischer Zugriff auf das Leben in seiner Totalität

Romankritiker des 17. Jahrhunderts monierten vielfach deren „grausame Länge“, wofür der Amadis mit seinen vielen Bänden als typisches Beispiel galt. Romantheoretiker des 17. und frühen 18. Jahrhunderts konzentrierten ihre Definitionen dagegen auf die Fiktionalität. Auch Novellen waren demnach Romane. Im Spanischen und Englischen ging diese Tendenz so weit, dass das Wort Roman, (Romance), dem Wort für die kurze Novelle wich (auch dazu ausführlicher weiter unten).

Als im Lauf des 18. Jahrhunderts epische Länge des Romans wieder legitim wurde, kam es im Spanischen wie im Englischen zur paradoxen Entwicklung, dass das Wort für Kurzgattung zunehmend lange Romane bezeichnete (und dass in beiden Sprachen schließlich neue Worte für die ursprüngliche Novelle benötigt wurden). Literaturhistoriker des 19. und 20. Jahrhunderts sprachen wie Georg Lukács vom „epischen Zugriff des Romans auf das Leben in seiner ganzen Totalität“.[2] Tatsächlich ist für den heutigen Leser von Romanen weniger die Länge als dieser Anspruch, auf das Leben mit breiterer Perspektive zu blicken, bedeutsam. Snoopys im Englischen ein nur 214 Worte langer Roman, wie er 1971 der Bildfolge von 1965 folgte[3] bleibt mit seinen drei Handlungsbögen und seinem tiefen Lebensverständnis ein Roman, obwohl er kürzer als die meisten Kurzgeschichten ist.

Dass im 17. Jahrhundert die Novellistik vorübergehend in der Romangeschichte aufging, revolutionierte den Roman. Das Spiel Rahmenhandlungen und Binnenhandlungen, die Überraschungen der Erzählung sind Erbmasse der Novellistik.

Prosa, schriftliche Fixierung und Papier als Trägermedium

Das Wort Roman gewann im 12. und 13. Jahrhundert gerade mit den in romanischer Sprache verfassten Versdichtungen Geltung. Über die altfranzösische Artus-Epik verläuft im 14. Jahrhundert in Europa der Schritt in die Prosa (hierzu ausführlicher das Kapitel Tradition des Heldenlieds, 1100–1600 im Verlauf). Unabhängig entwickelten sich in Ostasien Prosaerzählungen. Die Verwendung von Papier bestimmte beide Entwicklungen.

Die Bindung an Papier als Trägermedium hat gattungsspezifische Gründe: Vers lässt sich mündlich tradieren (eingehender der Artikel Mündliche Überlieferung), Prosa dagegen benötigt entweder feste Handlungsmuster wie im Witz und der Novelle (bei beiden Gattungen wird auf eine Pointe hin erzählt) oder ein Trägermedium, das den zufälligen Wortlaut festhält. Hier stand im westlichen Kulturraum bis in das 15. Jahrhundert nur Pergament zur Verfügung, ein extrem teures Material, das sich fast nur für mehrfach zu lesende Bücher eignete: Für reich verzierte Prachthandschriften von Versdichtungen, aus denen Besitzer öffentlich vortragen ließen (siehe eine Abbildung dazu weiter unten), oder für wissenschaftliche Bücher, die zwar von einzelnen Lesern gelesen würden, doch im Besitz von Bibliotheken blieben, und so die teure Anschaffung lohnten. Private Pergamenthandschriften kamen im 14. Jahrhundert im Bereich religiöser Erbauungsbücher, etwa mit Heiligenviten auf, die der Kunde je nach Bedarf wiederholt las. Prosaerzählung mit einem Spannungsbogen, den man beim zweiten Lesen nicht mehr gleich genoss, Romane, die man allein für sich und eher nur ein einziges Mal las, verbreiteten sich erst mit dem Papier und dem Buchdruck, als sie so billig wurden, dass sie sich als private Unterhaltungsware anboten.

Auf die spezielle Lektüresituation richteten sich die beliebten Buchformate aus. Romane sind fast durchgängig in Duodez oder Oktav gedruckt, sie lassen sich (anders als viele wissenschaftliche Bücher des Mittelalters und noch der frühen Neuzeit) in bequemer Haltung ohne Tisch lesen und damit in die Öffentlichkeit mitnehmen, in der der Leser mit dem Roman seine Ruhe sucht.[4] Das Trägermedium Papier und der Druck erlaubten im selben Moment neue Inhalte und eine intrikate Positionierung dieser Inhalte in der Öffentlichkeit.

Intimität der Lektüre und ihre partielle Öffentlichkeit im Moment des Buchdrucks

Im Unterschied zu historischen Werken behandelt der Roman in der Regel vergleichsweise private Stoffe aus subjektiven Erzählpositionen. Geschichtswerke sprechen Fachleute mit dem Angebot an, bestehende Sichtweisen im öffentlichen Interesse neu zu bewerten. Der Autor des Romans bietet dagegen private Perspektiven an, als Ich-Erzähler oder aus Sicht seiner Protagonisten; oft bleiben sie unkommentiert nebeneinander stehen. Liebesgeschichten waren bis in das 18. Jahrhundert hinein als privates Sujet gattungsbestimmend.[5] Andere, jedoch in der Regel nicht minder private Stoffe breiteten sich mit untergeordneten Gattungen des Schelmenromans und des satirischen Romans aus (zu beiden mehr im Kapitel Satirische Romane und Romansatiren, 1500–1780). Die Konzentration auf private Perspektiven insbesondere die des Außenseiters und Künstlers ist zum Teil das Ergebnis des Prozesses, in dem die Geschichtsschreibung sich vom Roman absetzte. Sie setzte sich ab dem 16. Jahrhundert zunehmend der Frage nach der öffentlichen Relevanz ihrer Information aus und machte sich damit zum Debattenfeld, auf dem über Verantwortung für die Vergangenheit gesellschaftsweit verhandelt werden kann.

Das inhaltliche Angebot des Romans ist dabei eng gebunden an die Lektüresituation, die er schafft: Der Roman zog im Gegensatz zur öffentlichen Geschichtsschreibung bis in das 18. Jahrhundert hinein keine allgemein zugänglichen Rezensionen oder Literaturkritiken auf sich. Still zu lesende lange Erzählungen erlaubten unter dieser Prämisse einen vergleichsweise intimen Ton, die Präsenz einer vertraulichen Erzählstimme, die in Gefühle Einblick gibt, von Liebe, Sex, Gewalt und Kriminalität spricht, solange hier kein weiterer öffentlicher Diskurs kritisch Inhalte diskutiert. Der Leser liest, selbst wenn er an einem öffentlichen Ort, in einem Kaffeehaus, auf einer Reise liest, ohne Einblick in die Lektüre zu gewähren. Es gilt als indiskret, bei jemandem mitzulesen.

Der Buchdruck schuf hier eine besondere Spannung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit gegenüber der Situation, die noch für handschriftlich kopierte Romane bestand. Bei ihnen, das heißt bis in die 1470er, musste der Kunde noch (siehe die untenstehende Abbildung) den Berufskopisten mit dem Buch aufsuchen, das er kopiert haben wollte; dieser las anschließend, was der Kunde zu lesen vorhatte. Der Buchdruck anonymisierte dieses Beziehungsgeflecht bis in das 18. Jahrhundert hinein: Kunde und Händler konnten zwischen 1470 und 1750 einandergegenüber vorgeben, nicht zu wissen, was in dem von dritter Hand gedruckten Roman stand. Der Kunde wusste während der Lektüre nicht minder, dass er als Teil einer Lesergemeinsachaft las: Das Buch, das er erwarb, war exakt in dieser Auflage an Leser an verschiedenen Orten gegangen. Solange Romane öffentlich undiskutiert blieben, musste man sie selbst privat lesen, um zu erfahren, was andere privat lesen. Der Roman war darum bis in das 18. Jahrhundert hinein das bevorzugte Medium, über das sich offene Geheimnisse in Umlauf bringen ließen, Geheimnisse, die es jedem erlaubten, so zu tun als wisse er nicht von ihnen.

Mit dem Aufkommen der öffentlichen Besprechung von Romanen als Literatur änderte sich die Lage grundlegend. Sie schuf in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die heutige Marktdifferenzierung zwischen besprochenen Werken, denen die Rezensenten einen verantwortungsvollen Umgang mit der Öffentlichkeit abverlangen, und einem unbesprochen bleibenden Feld, in dem zum einen billige Ware (Trivialliteratur) verbleibt, zum anderen die Genres, die sich an eine eigene Subkultur richten und unter der Ladentheke verkauft werden. Erotische Romane wurden ab den 1750ern ein typisches neues Genre des unbesprochen bleibenden sich hier ungenierter entwickelnden Marktes.

Literarische Schreibweise

Was heute als literarischer Stil bekannt ist, ist im Wesentlichen eine Errungenschaft der belles lettres (schönen Briefe), des eleganten Marktes von Geschmack und Moden, der sich im 16. und 17. Jahrhundert herausbildete, bevor er um 1800 zugunsten des neuen literarischen Marktes disqualifiziert wurde. Romane lieferten die Grundlage zur Entstehung der literarischen Schreibweise dabei stärker bei als Poesie, der Bereich der in Versen verfassten Werke. Die belles lettres florierten als modischer Markt. Persönlicher Stil entschied ab dem 17. Jahrhundert über Verkaufschancen auf ihrem Markt, während die Poesie sich der Suche nach ewiger Kunst verpflichtete, Wandel negierte, persönlichen Ton tendenziell mied. Die Debatte um den galanten Stil prägt bis in das 18. Jahrhundert hinein die Diskussion der belles lettres. Gesucht ist eine Ware von 'Geschmack' (nicht pedantischer Regelhaftigkeit), die Leser beider Geschlechter anspricht.

Unsere heutige Literaturdiskussion (hierzu eingehender der Artikel Literatur) kommt zwischen 1750 und 1830 in einem Bruch mit der bis dahin regierenden Geschmacks- und Modendiskussion auf. Mit ihr werden Fragen nach der Bedeutung für die Gesellschaft aus der Wissenschaftsdiskussion auf die Romanproduktion und ausgewählte Gattungen der Poesie übertragen. Die Literaturdiskussion adoptiert aus der vorigen Diskussion der belles lettres Fragen nach Stil und Schreibweise des individuellen Autors, nach der Mode der Zeit. Die Frage nach der Interpretierbarkeit ist theologische Tradition. Die sprachliche Analyse ist dagegen eigene Erbmasse der Poesiekritik und älteren rhetorischen Analyse. Mit den neu zusammengesetzten Diskussionsfeldern entsteht im 19. Jahrhundert eine Romankritik, der es möglich ist, auch Werke anderer Zeiten in der Diskussion zu behalten: sie dokumentieren die historische Entwicklung.

Ein kritischer Diskurs begleitet seit dem 19. Jahrhundert die fortlaufende Produktion. Prestigeträchtige Preise wie der Nobelpreis für Literatur oder der Booker Prize reflektieren sie seit dem frühen 20. Jahrhundert. Der Roman entwickelte im neuen Spannungsgeflecht Qualitäten, die sich besonders in seiner Diskutierbarkeit erweisen. Der heutige Kanon seiner großen Werke wird vor allem unter diesem Diskussionsbedarf bestimmt.

Geschichte

Außereuropäische Traditionen

Auch hier Papier als bahnbrechendes Trägermedium: Murasaki Shikibu bei der Abfassung ihrer Geschichte des Prinzen Genji (frühes 11. Jahrhundert) in einer Abbildung des 17. Jahrhunderts

Blicke auf außereuropäische Traditionen des Romans hängen von der jeweiligen Romandefinition ab, wie davon, wie weit hier eine Suche nach historischen Entwicklungslinien bestimmend wird. Mit einem offenen Konzept der Entwicklungslinien kann der moderne Roman, wie Pierre Daniel Huet es 1670 in seinem Traitté de l’origine des romans vorschlug, in eine Gesamtgeschichte des weltweiten Umgangs mit Fiktionalität eingebettet werden. Die Epik des Mittelalters wie der Antike, Kurzformen mündlicher Erzählkunst, Gleichnisse, Legenden, religiöse Bildlichkeit, all dies gehört im selben Moment in einem weltweiten Netz von Austausch zum europäischen Roman. Werden Gattungsmerkmale wie längere Prosaerzählung festgelegt, so ergeben sich demgegenüber eher isolierte Befunde. Es entsteht mit ihnen den Eindruck, der Roman sei mehrfach neu entstanden. Wichtige Titel sind hier die Genji Monogatari, deutsch Die Geschichte des Prinzen Genji, verfasst von Murasaki Shikibu zu Beginn des 11. Jahrhunderts, der arabische philosophisch experimentelle Hayy ibn Yaqdhan von Ibn Tufail (vor 1185), an ihm orientiert theologischer ausgerichtet Ibn al-Nafis' Al-Risalah al-Kamiliyyah fil Siera al-Nabawiyyah (verfasst zwischen 1268 and 1277) sowie die Die Geschichte der Drei Reiche Luo Guanzhongs aus dem 14. Jahrhundert (vgl. auch Chinesischer Roman).

Den genannten Titeln ist gemein, dass sie eine längere Erzählung in Prosa anbieten. Sie kosten im selben Moment Potentiale späterer europäischer Romane aus. Murasaki Shikibus Geschichte des Prinzen Genji ist im intimen Umgang mit Innensichten ihrer Helden durchaus mit frühmodernen europäischen Romanen vergleichbar. Ibn Tufails Hayy ibn Yaqdhan bietet im Handlungsverlauf (der Titel kursierte auf englisch vor 1719 in mehreren Ausgaben[6]) Vorskizzen zu Defoes Robinson Crusoe (1719) mit seinem Helden, der auf einer Insel als einziger Mensch groß wird, und dabei gleichwohl menschliche Kultur bis hinauf zur Gotteserkenntnis entwickelt. Das Buch ist auf der anderen Seite weit eher eine religionsphilosophische Lehrdichtung als ein Roman im Sinne von Privatlektüre. Alle bis hier hin genannten Titel wurden nur indirekt zu Wurzeln des heutigen Romans: Die im ausgehenden 17. Jahrhundert einsetzende Forschung brachte sie in den heute bestehenden Traditionszusammenhang. Die Suche nach weltweiten Wurzeln des Romans beginnt aus europäischer Perspektive im Wesentlichen mit Huets Roman-Traktat.

Eine Erweiterung der europäischen Perspektive ergab sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit der Publikation der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht in französischer Sprache 1706–1708. Die englische Übersetzung setzte (wie alle Ausgaben der Zeit der Französischen folgend) 1706 ein, die deutsche 1712. Die Bände frappierten Westeuropa unverzüglich, da hier Novellistik im Zentrum stand, die islamische Welt aktuellen Geschmack bewies, sich hier der unchristliche Kulturraum aber unerwartet moralisch, wenn nicht von naiver Gutmütigkeit, zeigte. Imitationen und eine Suche nach weiteren Texten folgten in Wellen eines europäischen Interesses an exotischer Kultur, in denen Europa sich selbst kulturell wie historisch neu definierte: Die Kulturen Ostasiens und des islamischen Raums gewannen hier europäische Hochachtung. Die Entwicklung des afrikanischen Romans setzte demgegenüber symptomatisch spät im 20. Jahrhundert ein (eingehender der Artikel Afrikanische Literatur). Das Aufkommen von Romanen ist in jeder solchen Geschichtsschreibung vor allem ein sekundärer Indikator für das Vorhandensein einer Alltagskultur, in der ein günstiges wie transportables Trägermedium – Papier – sich der stillen Privatlektüre anbietet.

Der Roman der Antike

Die antiken Versepen der europäischen und altorientalischen Sprachen – das Gilgamesch-Epos, die Epen Homers und Vergils – werden im Allgemeinen[7] aus der Romangeschichte ausgeklammert, da sie bis in die Neuzeit hin einer eigenen Tradition der heroisch-epischen Poesie nach Aristoteles zugeordnet wurden.[8]

Aus der Romangeschichte werden im allgemeinen ebenso die Berichte und Erzählungen griechischer und römischer Historiker ausgeschlossen, wie etwa die romanhaften Biografien von Herrschern (z.B. Xenophons Kyrupädie oder die Alexander-Biografie des Pseudo-Kallisthenes), fiktive Briefsammlungen als Vorläufer des Briefromans und pseudo-historiographische Erzählungen von Troja (z.B. die vorgeblichen Augenzeugenberichte des Dares und des Diktys). Diese Texte werden in der Regel nicht als Kunstwerke tieferer Bedeutung aufgefasst.

Aus dem Gattungsbereich werden zudem die philosophischen Dialoge Platons ausgenommen – obwohl sie einen manifesten künstlerischen Gestaltungswillen aufweisen, in Prosa abgefasst sind mit Lust an einer romanhaften Vermittlung der Erzählsituation. Erzähltechnisch stehen sie Petrons Satyricon aus dem 1. Jahrhundert nahe, die wiederholt als zentraler römischer und satirischer Roman Anerkennung fanden. Die Trennungslinie bleibt mit dem satirischen Moment und damit dem dezidiert künstlerischen Anspruch des Satyricons gegeben. Er erlaubt bereits die Romaninterpretation, bei der Platons Dialoge in der Philosophiegeschichte zur Erinnerung an ein reales Geschehen überliefert werden.

Die utopischen und phantastischen Reiseberichte von der Art der Wahren Geschichten (Lukian von Samosata) weisen deutlich Grundschemata der mündlichen Geschichtenerzählkunst, wie des späteren satirischen Romans, mit seinen auf Abenteuer reisenden Helden auf. Das von hier aus aufzumachende Gattungsspektrum des antiken Romans umfasst daneben ein bukolisches Genre mit erotischen Dimensionen (einflussreich wurde hier Longos' Daphnis und Chloe) sowie Vorläufer des historisch heroischen Romans (so wie er im 17. Jahrhundert definiert wurde). Prominente Vertreter dieser Gattung sind Xenophons von Ephesos Ephesiaka (2. Jahrhundert), Charitons Chaireas und Kallirhoe (ca. 200) und Heliodors Aithiopika (die Datierung ist umstritten, sowohl Daten des 3. wie 4 Jahrhunderts wurden genannt).

Den bezeichneten Werken, die vor allem über die byzantinische Überlieferung europäisches Traditionsgut wurden, fehlte bis in die frühe Neuzeit ein eigener Gattungsterminus. Die Romanrezeption dieser Titel eroberte im frühen 18. Jahrhundert den kommerziellen Buchmarkt – französische und englische Übersetzungen feierten hier Gattungsvorläufer. Noch die klassische Philologie des 19. Jahrhunderts hielt diese Texte dagegen für literarästhetisch weitgehend wertlos. Der Einfluss antiker Literatur auf den modernen europäischen Roman setzte dessen ungeachtet bereits im Mittelalter ein.[9]

Die Gattungsbegründung im europäischen Mittelalter, 1000–1500

Tradition des Heldenlieds, 1100–1500

Chaucer im Vortrag aus seinem Versroman Troylus and Criseyde: Abbildung aus dem Manuskript des Corpus Christi College, Cambridge, frühes 15. Jahrhundert

Das altfranzösische Wort „Romanz“ kam im 12. Jahrhundert in Gebrauch, um bei Erzählstoffen und Themen, die bislang der lateinischen Kultur angehört hatten, auf die neuen Fassungen in „romanischer“ Sprache zu verweisen, die nun entstanden (hierzu ausführlicher das Stichwort Antikenroman). Wichtig wurden in europäischer Perspektive der Roman de Thèbes (ca. 1160), der Roman d’Énéas (kurz nach 1160), der Roman de Troie (ca. 1165) und der Roman d’Alexandre (von dem Fragmente und Redaktionsstufen aus der Zeit zwischen 1120 und 1180 überliefert sind). Vom europäischen Einfluss dieser Tradition zeugt die Kette von Werken die Heinrich von Veldekes Eneasroman (ca. 1170–1187) mit Geoffrey Chaucers Troilus and Criseyde (1380–1387) verbindet.

Nordeuropäische und christliche Märchen-, Legenden- und Sagenstoffe (Tristan, Artus, Gral) kamen seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zu eigener europäischer Wertschätzung. Mit einer im Milieu des Adels und der Ritter angesiedelten Liebesbeziehung als Sujet, mit rhetorisiertem Ausdruck, einem Interesse an Veränderungen der Protagonisten sowie einem neuen Autorbewusstsein setzten sie sich vom Heldenepos nördlicher Tradition ab. Anlehnungen an den Roman der Antike zeigen sich dabei insbesondere in den Artusromanen. Ihr Standard wird ein Kurs von Bewährungsproben, den Aventiuren (von lateinisch advenire, ankommen, verballhornt später im deutschen Wort „Abenteuer“), die auf den planlos, sich Gottes Rat aussetzenden Helden als Reisestationen zukommen. Als beliebte Grundstruktur etablierte sich dabei der „Doppelkursus“ (auch „Doppelwegstruktur“): In einer ersten Runde von Proben verdient der zentrale Protagonist vorschnell, was ihm effektiv zusteht: die Hand einer Frau, Aufnahme in den Kreis der Artusritter, bevor ein Fehler oder Versäumnis ihn in einen zweiten Kursus von Bewährungsproben stellt, in dem er seine Würdigkeit endgültig unter Beweis stellen muss.[10]

Der Artusroman wurde in der Form, die Chrétien de Troyes ihm gab, gattungsbestimmend. Die Ende des 12. Jahrhunderts vorliegenden französischen Versromane wurden die Grundlage der mittelhochdeutschen Artusromane Hartmann von Aues und Wolfram von Eschenbachs. Dessen Parzival-Roman kostete in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts bereits exemplarisch die Optionen der schriftlichen Komposition aus, Komplexität zu schaffen und von Reihungen der Abenteuer und Erzählstandards abzukehren: Die Aventuirenfolge wird hier von einem immensen Netz an Begegnungen durchdrungen, das symbolische Bedeutung im Prozess gewinnt, den der Held durchstehen muss, und das gleichzeitig politische Implikationen birgt, da der Held sich in diesem Netz christlichen und islamisch-heidnischen Beziehungsgeflechten stellen muss.

Prosavarianten der neuen Romane – der Prosa-Lancelot, der Prosa-Perceval, der Prosa-Tristan – entstanden ab dem frühen 13. Jahrhundert. Zum Durchbruch kam die Prosa noch vor dem Buchdruck mit dem Aufkommen einer kommerziellen, auf Papier als Trägermedium gestützten Buchproduktion. Der Vorteil der Prosa lag in der Sprache, die sich still schneller lesen lässt und die zudem dem laufenden Sprachwandel bei jeder Abschrift neu angepasst werden konnte: Verse brechen bei Lautverschiebungen wie bei Veränderungen der Worte und ihrer Betonungsmuster.[11]

Im 13. Jahrhundert kamen Satiren auf das Muster hoher Heldenbewährung auf. Sie setzten gefestigte Gattungserwartungen voraus und führten gleichzeitig in die Kritik am Ritterroman, dessen Muster wiederkehrender Bewährungsproben und dessen Stilisierungen von Helden zu Klischees zu erstarren schienen. Als mit dem Buchdruck die bestehende Romanproduktion eine Trivialisierung erfuhr – die Kompilation von Texten, die Kürzung zwecks Verbilligung, wie die monotone Aneinanderkettung zu mehrbändigen Serien – kam zur bestehenden Romankritik seitens der Autoren von Novellen und Parodien auch noch die Kritik von Historikern, die eine Bereinigung der Geschichtsschreibung anstrebten. Typisch für die nun rückblickend als Mittelalter apostrophierte Epoche schienen Erzählungen, in denen die Autoren ihren Helden frei Abenteuer andichteten.

Entwicklungslinien führen vom Versroman des Mittelalters

  • zu den Billigversionen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts rückblickend als „Volksbücher“ eingestuft wurden;
  • in die Novellistik, die zunehmend als alternatives Erzählformat diskutierbar wurde;
  • in Romane, die ein erstes Massenpublikum mit eleganten ausufernden Trivialisierungen erreichten - hier setzte der Amadis de Gaula, den Garci Rodríguez de Montalvo zu Beginn des 16. Jahrhunderts vorlegte, und der zahllose Imitationen fand, europaweit Maßstäbe.

Die Novelle, 1300–1600

Chaucer, Canterbury Tales, Holzschnitt des Caxton-Drucks von 1484

Seit Beginn der schriftlichen Fixierung von Epen (in Nordeuropa etwa ab dem Jahr 1000)[12] entwickelten sich hier rasch Kunstformen, die auf die Möglichkeit, den Text schrittweise zu komponieren, essentiell angewiesen waren. Der soziale Ort der Epik legte sich im selben Moment fest: Handschriften benötigten bis zum Aufkommen des Papiers finanzstarke Auftraggeber. Ab dem 13. Jahrhundert traten hier reiche städtische Handelsherren[13] neben die adligen Auftraggeber als neue Interessentenschicht; sie erwarben mit Liederhandschriften von Rittern eine Kultur, an der sie selbst vom Stand keinen Anteil haben konnten.

Eine Vielzahl von Erzählformen blieb gegenüber der Epik in der Tradition mündlicher Überlieferung: Bis heute bewahrte sich von ihnen allen der Witz seinen Ort mitsamt festgelegten Erzählmustern von Fragen und kuriosen Antworten oder dem Dreierschritt,[14] bei dem der letzte Schritt die Pointe birgt. Der Witz selbst zirkulierte bis in das 19. Jahrhundert neben Langformen mündlichen Erzählens wie dem Schwank, der Fabel, dem Märchen, dem Exempel (mittelhochdeutsch bîspel), das in Büchern wie auf der Kanzel Einschub finden konnte, um eine jeweilige moralische Sentenz zu illustrieren.

Zur Kunst stiegen die kurzen Erzählformen mit den berühmten Erzählzyklen auf – in Europa wie im islamischen Raum. Nezāmis Die sieben Bildnisse (1198), die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht (älteste überlieferte Handschrift c. 1450), Boccaccios Decamerone (zwischen 1349 und 1353) und Chaucers Canterbury Tales (zwischen 1386 und 1400) teilen das Muster der Präsentation: In einem Zyklus werden die einzelnen Erzählungen von Erzählern und Erzählerinnen angeboten, die selbst in einer Rahmenhandlung agieren. Die narrative Brechung erlaubt es dem Autor Boccaccio oder Chaucer, sich von den Erzählern seiner Sammlung beliebig zu distanzieren. Er gibt im Zweifelsfall wieder, was diese Binnenerzähler von sich gaben: Erzählungen, die nicht ihn, sondern diese selbst und die Situation, in der erzählt wurde, charakterisieren. Verschiedene Stoffe und divergierende Sentenzen ließen sich so nebeneinander platzieren. Die einzelnen Erzählungen gewannen in den Zyklen eine eigene Erzählkunst:[15]

  • sie waren anlassorientiert: in dieser Situation, nachdem jene Person dies gesagt hatte, nahm dieser Erzähler das Wort auf und erzählte eine Geschichte zu diesem Zweck;
  • sie liefen auf eine illustrative Pointe zu – die in der Erzählrunde Zuhörenden erwarten vom Erzähler, dass er im Verlauf seiner Geschichte seinen Punkt macht und mit dem Exempel genau das demonstriert, was er mit seiner Geschichte illustrieren wollte;
  • sie ersetzten das Abenteuer durch die Intrige, den Streich: einen Plan, den die Protagonisten in der Regel ohne Wissen ihrer Gegner in der Geschichte verfolgen und der sie in missliche Lagen bringt, zumeist auch in eine überraschende Schlusssituation;
  • sie führten in die Erzählung selbst eine kritische Reflexion ein: Zuhörer der Binnenhandlung kommentieren schlecht gemachte Erzählungen, langweilige Passagen, eine fragwürdige Moral;
  • sie wandten sich klarer als das Epos der Gegenwart zu: Chaucers Canterbury Tales nutzen die Option exemplarischer Erzähler unterer Schichten gegeneinander auftreten zu lassen mit Schwänken, in denen Helden von Stand und Beruf derer, die sie angreifen, schlecht abschneiden.

Mit dem ausgehenden 13. Jahrhundert behauptete sich die Novelle, so der übergeordnete Gattungsbegriff, der sich in der frühen Neuzeit herauskristallisierte, als ernstzunehmende Alternative zur Versromanze. Kritik am Heldentum antiquierter Heldenlieder, an der Erzählform des Epos, seiner Reihung von Kampfesproben und seinem Mangel an klug geplanten Interaktionen wurde erstmals in Novellenzyklen formuliert und von ihnen aus im 16. und 17. Jahrhundert zum Standard weiterführender Romankritik wie zum Plädoyer für die Novelle als einzige realistische Alternative zum antiquierten Roman.

Nicht „Literatur“: Der Roman auf dem frühen Buchmarkt, 1470–1700

Seite aus der deutschen Fassung der Melusinen-Historie (Augsburg: Johann Bämler, 1474), die Druckausgabe erzählt noch einmal, wie die handschriftliche Vorlage als Auftragswerk entstand.

Geschichtsschreibung und Roman legitimieren sich unabhängig voneinander

Die populäreren der frühmodernen Historien bereiten der Literaturwissenschaft im Rückblick klare Einordnungsprobleme: Jehan de Mandevilles Bericht seiner Orientreise aus den 1370ern, in billigen gedruckten Ausgaben unverändert bis in das späte 18. Jahrhundert hinein verkauft, ist vollgefüllt mit spektakulären Fiktionen, wie etwa der einfüßigen Äthiopier. Einer Einstufung als Roman steht hier mehreres entgegen: es fehlt die romanhafte Handlung, der Held, der ein Leben erlebt. Gravierender ist: das einfache Publikum, das die wundernswürdige Historie las, scheint an der Wahrheit oder Unwahrheit des Gelesenen uninteressiert gewesen zu sein. In eine andere Grauzone führt Thomas Malorys Le Morte Darthur (1471): Der Leser erhält hier alle Erzählungen von König Artus samt magischen Details von Zaubereien, mit denen Helden etwa die Gestalt anderer annahmen, um in deren Körpern zu agieren. Die erste gedruckte Ausgabe beginnt dessen ungeachtet 1485 mit einem Vorwort, in dem der Herausgeber William Caxton den Text als wahre Historie einstuft. Der moderne Leser wird der kompilativen Historie Qualitäten eines Prosaromans zuerkennen: Hier wird im fiktionalen Raum erzählt. Zeitgenössische Urteile gehen in eine andere Richtung: Man las Historien und ließ Fiktionen dabei zu. Historiker sahen sich regelmäßig dazu aufgerufen, Lücken zu füllen. Beliebt waren die Reden, die auch bei fehlender Überlieferung ausgeschrieben wurden. Sowohl Historiker als auch Romanautoren schrieben mit dem Ziel, zu unterrichten.[16] Uns trennt hier unsere Organisation der Debattenfelder vom 15. Jahrhundert.

Die Geschichte wird zum Gegenstand nationaler Verantwortung
siehe Hauptartikel: Geschichte der Geschichtswissenschaft

Zwischen 1400 und 1700 gerät die Geschichtsschreibung in eine Krise. Sie kulminiert im 17. Jahrhunderts in der Pyrrhonismusdebatte[17] mit ihrer letztlich unbeantwortbaren Frage, wann wir einen historischen Bericht für erwiesen erachten können. Eine Quellendiskussion muss Indikatoren dazu liefern, meinten Pierre Bayle und die Autoren um ihn. Die Geschichtsschreibung verzichtet im Verlauf dieser Kontroverse auf die Absicht, mit einer wahren Erzählung zu belehren und präsentiert stattdessen die Materiallage in kritischer Diskussion. Geschichtsbücher sehen von nun an Romanen nicht länger ähnlich.

Historiker können in der Folge von der Mitte des 17. Jahrhunderts davon abrücken, sich vom Roman mit demselben Nachdruck zu distanzieren, mit dem sie sich von jeder geschichtlichen Unwahrheit distanzieren müssen: Unwahre Historien werden durch Quellenkritik disqualifiziert; Romane können dagegen als eigene Kunstform der Erzählung die Anerkennung von Kunstliebhabern finden.

Als kritische Diskussion gewinnt die Geschichtswissenschaft ab dem 17. Jahrhundert in Westeuropa Bedeutung als Verhandlungsfeld partei- und konfessionsübergreifender Kontroversen. Sie ist im 19. und 20. Jahrhundert ein Diskurs, der die Einsetzung historischer Kommissionen rechtfertigt, die politische Fehlentscheidungen einer (zumindest wissenschaftlich) konsensuellen Bewertung unterziehen.

Der Roman wird zum Gegenstand kulturgeschichtlicher Interpretation

Während sich die Geschichtsschreibung vom Roman wegbewegt, gewinnt dieser in der frühen Neuzeit eigene Anerkennung als Kunst und am Ende als Literatur, das Wort muss zu diesem Zweck im 19. Jahrhundert neu definiert werden. Hierfür sind bis 1700 mehrere Entwicklungsschritte verantwortlich, die aus einer erheblichen Legitimationskrise des Romans des 16. Jahrhunderts resultieren. Der Frühdruck schuf zunächst Raum für billigere Historien. Mit dem 16. Jahrhundert finden diese ein zunehmend breites Publikum.[18] Eine Differenzierung setzt ein, in der sich ein neuer Markt eleganter Bücher vom entstandenen niederen wie vom akademischen Markt wissenschaftlicher Bücher absetzt. Der Erfolg des Amadis, der ab den 1530ern eine erste internationale Lesemode auslöst,[19] zieht am Ende die erste kritische Debatte im neuen Feld der eleganten Lektüre nach sich. Die Debatte um den Amadis wird im 17. Jahrhundert als offener Wettstreit der modernen Genres des Romans ausgetragen. Neue heroische Romane, alternative satirische sowie an Novellensammlungen orientierte Romane bringen sich in eine Gattungsdiskussion ein, in deren Verlauf unter der wachsenden Liebhaberschaft der belletristischen Produktion der kunstvolle Roman gegenüber kunstloser Produktion gerechtfertigt wird.

Mit Huets Traitté de l’origine des romans setzt 1670 die Würdigung dieser Reform und die moderne Romaninterpretation ein. Romane werden in den nächsten Jahrzehnten neu bewertet. Man liest sie mit Bildung, um fremde Kulturen und vergangene Epochen zu verstehen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verändert die neue Romaninterpretation den Umgang mit Poesie: Man beginnt, Dramen und Gedichte in einem neuen Verbund der Gattungen, die sich angeblich gemeinsam entwickelten, zusammen mit Romanen als fiktionale, künstlerisch gestaltete, kulturelle Produktion zu analysieren. Die neue Wissenschaft wird im 19. Jahrhundert zum zentralen Bereich der Literaturwissenschaft. In den westlichen Gesellschaften organisiert diese Mitte des 19. Jahrhunderts gegenüber der Historik eine eigene Auseinandersetzung, in der es um die Überlieferung künstlerischer Fiktionen als kulturellen Indikator geht.

Bücher wie Malorys Morte Darthur oder Mandevilles Reisen entstammen letztlich einer Kultur, in der Geschichte nicht die heutige Bedeutung als Austragungsort kritischer Diskussionen hatte – einer Kultur auch, in der die Literaturwissenschaft keinen eigenen Bereich der Fiktionen zu nationaler Kunst zusammenstellte. Beide Bereiche sind Teil einer säkularen Debattenlandschaft, die im 19. Jahrhundert in Westeuropa gegenüber der bis dahin politisch-religiös definierten aufgebaut wurde. Die Entwicklung der Mentalitätsgeschichte erweckt den Eindruck, als hätten die Menschen zu Beginn der Neuzeit noch in Überresten mittelalterlichen Aberglaubens Wirklichkeit und Fiktionen durcheinander gebracht.

Billige Romane, spätere Volksbücher

Grobe Machart und ein Text, der seit 1598 auf dem Markt ist: Géronimo Fernandez, The Honour of Chivalry, or […] Don Bellianis of Greece (London: J. S. [ca. 1715])

siehe Hauptartikel: Volksbuch

Der Buchdruck schuf unverzüglich neue Marktfelder: Flugblätter, Frühformen der Zeitung, religiöse Streitschriften − hierfür hatte es bislang keine vergleichbaren Medien gegeben. Die Wissenschaften erlangten mit dem Druck die Möglichkeit, Standardausgaben von Texten zu erstellen, die am Ende in identischen Ausgaben in Fachbibliotheken zu Referenzwerken würden − sie zogen wenig später ein Besprechungswesen nach sich, das die Qualität der neuen Fachbücher observierte.

Geschichtliche Darstellungen hatten in diesem Spektrum keinen klaren sozialen Status. Fürstenhäuser gaben sie in Auftrag, um sich mit ihnen zu schmücken, reiche Städter eiferten als Handschriftenbesitzer der Aristokratie nach, Bürgerinnen sammelten Beschreibungen von Heiligen und erbauliche Marienleben. Der Druck schuf in diesem Feld am ehesten die Möglichkeit der verbilligten Produktion. Die Verleger suchten beliebte historische Handschriften zusammen und überführten sie mit nachlassender Sorgfalt in gedruckte Fassungen, von denen sich weiter nachdrucken ließ. Mitte des 16. Jahrhunderts lag auf diesem Feld mit Rittererzählungen, Schelmengeschichten wie Till Eulenspiegel, Heiligenlegenden, und erbaulichen allegorischen Fiktionen wie den Sieben weisen Meistern ein breites Segment billiger Bücher vor, das über die nächsten drei Jahrhunderte hinweg kaum noch Veränderungen erfahren sollte. Die Titel wurden mit groben Holzschnitten ausgestattet, in den Textfassungen nur geringfügig modernisiert, gekürzt und verstümmelt, wo sich der Profit maximieren ließ − eine Ware, die bevorzugt ohne Jahres- und Druckerangaben in den Handel kam; sie unterlag keinen Moden und verkaufte sich am besten als zeitlos bekannt an ein Publikum, das gerade das lesen wollte, was man angeblich schon immer gelesen hatte.

Hier entstand ab 1530 erstmals eine Ware, die in den Städten die Handwerksschicht und die Lehrlinge erreichte und auch auf das Land verkauft wurde,[20] − für viele jugendliche Leser ein Durchgangsstadium, das zu besseren Romanen führen konnte. Vorsicht ist jedoch vor dem Urteil angebracht, der Markt der Volksbücher sei Vorgänger der heutigen Trivialliteratur. Die Volksbücher bildeten ein geschlossenes Segment von Titeln ähnlichen Designs, das neben historischen Erzählungen religiöse und pseudowissenschaftliche Titel sowie moralische und medizinische Ratgeber enthielt. Nach aufklärerischen Bildungsinitiativen im Lauf des 18. Jahrhunderts geht dieses Marktsegment mit der Wende ins 19. Jahrhundert weitgehend verloren. In den 1840ern setzt die romantische Neuentdeckung ein. Das Wort „Volksbücher“ wird nun festgelegt, um zu unterstellen, dass hier ungekünstelte, dem Volk nahe Bücher entstanden. Der heutige Markt der Trivialliteratur (dazu weiter unten) entwickelt sich im selben Geschehen nicht aus den Volksbüchern heraus, sondern aus den eleganten belles lettres des 17. und 18. Jahrhunderts, als sich von diesem die hohe Produktion nationaler literarischer Werke im späten 18. Jahrhundert abzuheben beginnt.

Der moderne heroische Roman, 1600–1750

Madeleine de Scudéry, Artamene (1654)

Die meisten Kriterien, mit denen die heutige Literaturwissenschaft den heroischen Roman des Barock definiert, gehen in die Kritik aus dem 17. Jahrhunderts am Amadis zurück, dem man damals grausame Länge, Bombast, Monotonie der Handlungsverläufe und Stereotypie der Helden attestierte. Tatsächlich war der gesamte Bereich heroischer Romane, der sich im 17. Jahrhundert mit Spielarten sehr verschiedener historischer Genres herausbildete, nimmt man die zeitgenössischen Vorworte ernst, ein Reformversuch gegenüber dem Amadis. Honoré d’Urfés L'Astrée (1607–1627), John Barclays Argenis (1625–1626), die Romane Madeleine de Scudérys, Gautier de Costes de La Calprenèdes, Daniel Caspar von Lohensteins,[21] Heinrich Anselm von Zieglers, Anton Ulrichs von Braunschweigs[22] sind zwar lange, mit Folgebänden auch beliebig verlängerbare Konstrukte. Sie sind jedoch nicht die Romane von Prinzen, die ganzen Heeren Einhalt gebieten können und nur davon träumen, ganz am Ende ihre Prinzessin zu erlangen. Auch sind sie kaum von dem Schwulst und der Monotonie gezeichnet, mit dem der Barockroman noch im 20. Jahrhundert wiederholt in Verbindung gebracht wurde.[23]

Reformierte heroische Romane wenden sich im 17. Jahrhunderts vom Amadis und seinem Rückbezug auf die Artusepik des Mittelalters ab. Die Biographistik Herodots, Plutarchs, Suetons macht entscheidende Vorgaben mit ihren Charakterschilderungen und politischen Analysen. Die Romane Heliodors bieten passende Erzählmuster und einen Kontrast zwischen höfischer Welt und Natur. Die Autoren gestalten mit Vorliebe geschichtliche Stoffe aus. Randgeschichten aus der Antike oder aus Asien bestimmten neue Genres. Ritterkämpfe weichen der Darstellung politischer Karrieren. Liebesgeschichten spielen sich in den neuen Romanen mit politischen Implikationen zwischen Reichen ab. Höfische Protagonisten begegnen einander in Intrigen. Die neuen Romane gewinnen im Streben nach psychologischem Realismus Aktualität, indem sie sich aktueller hoher Skandalgeschichte öffnen. Verschlüsselt arbeiten sie Geschichten des persönlichen Umfelds der Verfasser wie europäischen Hofklatsch ein. Die Romane Barclays, der Scudéry wie Anton Ulrichs enthalten als entscheidendes Merkmal Bezüge zur Gegenwart und zu den Moden, die sich mit den neuen Romanen verbreiteten. Die galante Conduite und der galante Stil werden im Lauf des 17. Jahrhunderts die entscheidenden Verkaufsargumente der neuen Ware:[24] Man liest sie, um Muster für Komplimente zu erhalten, Briefe, Reden, übernahmefertige Dialoge des höfischen Umgangs zwischen den Geschlechtern. Das trifft für die Großromane zu, die sich als Spiel neuer europäischer Hofkultur behaupten, in ganz anderem Maße jedoch auch für die mit 300 bis 500 Seiten sehr viel handhabbarere Ware, die im 17. Jahrhundert einen Kundenstamm von Bildung und Geschmack unter jungen städtischen Lesern erobert. Hier entsteht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein besonderer Markt für junge, wohl überwiegend noch unverheiratete Frauen, die galante Romane dieses kürzeren Formats goutieren – angesprochen nicht zuletzt von ihren gleichaltrigen Heldinnen, die als Prinzessinnen Indiens oder des antiken Persiens (im deutschen besteht hier das Etikett „Asiatischer Roman“) unter Lebensgefahr Identitäten wechseln, in Männerkleidung und weit unter ihrem Stand fliehen und Schutz suchen, bis sich ihre Lage bessert.

Großprojekte dieses Marktes geraten in den 1670ern in eine Krise gegenüber der aktuellen Novellistik. Die handlicheren Titel, verfasst von Autoren wie August Bohse alias „Talander“, führen mit der Wende ins 18. Jahrhundert in eine Produktion, die den Trivialroman vorbereitet, der sich im 19. Jahrhunderts in „romantischen“ stofflichen Rückgriffen herausbildet.

Satirische Romane und Romansatiren, 1500–1780

Das Etikett satirischer Roman wird im Lauf des 17. Jahrhunderts auf ein breites Spektrum von Titeln mit unterschiedlichen historischen Wurzeln angewendet:[25] Römische und spätantike Satire, insbesondere die Romane Petrons und Lucians, mittelalterliche Schwankgeschichten mit Helden wie Till Eulenspiegel sowie die Romansatire, die bereits im Mittelalter in erheblicher Spannbreite existierte. Der Rosenroman umfasst satirische Passagen. Heinrich Wittenwilers Ring ist selbst eine satirische Schlacht im Persiflagen auf das höfische Heldentum.

Eine Reihe von Entwicklungen kennzeichnet die Produktion, die hier mit dem Druck aufkommt. Helden gewinnen Konsistenz: Wo Till Eulenspiegel zwar einen typischen Charakter hat, jedoch Held einer Sammlung überlieferter Episoden bleibt, gewinnen vergleichbare Helden des 16. und 17. Jahrhunderts Lebensgeschichten. Der anonyme Lazarillo de Tormes (1554), Richard Heads English Rogue (1665) und Grimmelshausens Abenteuerlicher Simplicissimus (1666/1668) stehen in dieser Entwicklungstendenz.

Gegenüber den galanten Helden des heroischen Romans, die sich spanischer und dann zunehmend der französischen Conduite bedienen, internationalen Verhaltensmustern, zeichnen sich die satirischen Helden als Leute ihres Volkes aus. Die Titel kennzeichnen die Volkszugehörigkeit: Grimmelshausens Held ist Simplicissimus Teutsch, Heads Held der English Rogue, der auf dem Markt mit einem Französischen Schelmen konkurriert.[26] Rozelli: Der wundernswürdige Neapolitaner[27] ergänzt das Spektrum mit einem Italiener (französischer Verfasserschaft) zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Hier entstand unter Lesern europäischen Geschmacks und deutlicher Distanz zum einfachen Volk eine Lust am nationaltypischen, die im Lauf des 17. Jahrhunderts in die Ausgestaltung nationaler Charaktere und Identitäten mündete. Die national identifizierten Helden wurden gleichzeitig zunehmend zu Akteuren der internationalen Geschichte, nicht als deren Lenker, sondern als Menschen, die von Europas wechselvollen Geschicken betroffen waren und zumeist kurios überlebten. Der Produktion haftet wiederholt eine Nostalgie des Rückblicks auf gar nicht so lustige Zeiten an. Berufsstände wurden Gegenstand der Satiren, zum Teil mit Romanen, deren Helden gezielt mit Berufen ausgestattet sind, öfter noch dadurch, dass diese Helden zum Überleben fortwährend neue Überlebensstrategien und mit ihnen neue Identitäten und Berufe benötigten.

Zu den Helden, die mit ihren Streichen, Geschicken und Missgeschicken die grassierenden Laster entlarven, kam eine eigene Entwicklungslinie von Romanhelden, die vor allem als Persiflagen auf Helden des hohen Romans agieren. Rabelais' La vie très horrifique du grand Gargantua (1532–1554) bietet hier eine Welt zu Riesen übersteigerter Bauerntölpel, von exzessiver Körperlichkeit. Das derbdreiste Heldenepos begeisterte intellektuelle Leser mit Lust an der Zerstörung eleganter populärer Lesestoffe. Als weiterreichende Satire auf den Amadis erschien 1605 und 1615 Cervantes' Don Quixote, der Roman des Mannes, den die Lektüre von Ritterromanen mit kauzigen Fehlwahrnehmungen der realen Welt gegentreten ließ. Scarrons Roman Comique nutze eine Truppe reisender Schauspieler zur dezidierten französischen Reflexion über die Welt und die Dichtung nach Cervantes und seiner Romansatire. Lesages Gil Blas (1715–1735), Fieldings Joseph Andrews (1742) und Tom Jones (1749), Diderots Jacques le Fataliste (1773, gedruckt 1796) sind Ausläufer der Traditionslinie im 18. Jahrhundert; Jaroslav Hašeks der Der brave Soldat Schwejk (1921–1923) und Günter Grass Die Blechtrommel (1959) griffen im 20. Jahrhundert deutlich auf Heldentum und Erzählmuster dieses Feldes zurück.

„Petites Histoires“: Die Novelle als Alternative, 1600–1740

Statistische Auswertung des ESTC zum Verdrängungswettbewerb zwischen 'Novels' und 'Romances' 1600–1800. Die Gattungsentwicklung verlief europäisch, auch wenn sie sich nur im Spanischen und Englischen durch einen Begriffswechsel niederschlug.

Dass im Englischen und im Spanischen heute von 'Novels' (Novelas) statt von 'Romanen' (Romances) gesprochen wird, ist eine späte Folge des Debakels, das der Amadis als Roman seinem Nachfolger bereitete. Dabei wurde der Amadis zu diesem Zeitpunkt nirgends in Europa länger gelesen. Kritikern war gerade noch bekannt, dass es in ihm um Ritter ging, die Prinzessinnen aus den Händen grausamer Riesen befreiten, dass er auf zahllose Bände anschwoll, und den Verstand kostete mit seinen Erfindungen von Heldentum. Die Amadis-Kritik aus dem Don Quixote (1615) war zum Standard der Romankritik geworden, obgleich der Roman der Gegenwart sich selbst gerade einem Spektrum gegenüber dem Amadis auffächerte.

Der moderne heroische Roman und sein satirisches Gegenstück teilten mit dem Amadis Länge und Erfindungsreichtum. Die Alternative wurde an dieser Stelle die Novelle.[28] Sie etablierte im Verlauf in den 1670ern das Wort Novel auf dem englischen Buchmarkt.[29] Im Deutschen zeigt sich der Einfluss in Romanen von „curieusen Begebenheiten“. Ist die Novelle in den 1660ern und 1670ern noch vor allem die aktuelle, neue Geschichte, Teil des skandalösen Marktes, so erhält sie im frühen 18. Jahrhundert den Status eines Klassikers. Wegbereitend ist hier im Englischen die Select Collection of Novels (1722–1722), die unten noch eingehender erwähnt wird. In den 1720ern werden zunehmend längere Novels interessant: lange Liebesgeschichten, wie sie Eliza Haywood vorlegt, sorgen dafür, dass das Wort seine Beschränkung auf kurze pointierte Geschichten verliert. Mitte des 18. Jahrhunderts ist Romance im Englischen zwar immer noch der Dachbegriff für den Roman als Gattung. Die Novel ist jedoch zu diesem Zeitpunkt das gegenwärtige Genre geworden, das sich von abenteuerlicher Romankunst verabschiedet. Die heutige begriffliche Fixierung richtet sich im Englischen in den 1790ern ein, als die Romantik die Romance mit all ihren Schauern des Erfundenen für sich neu entdeckt. Das Wort Novel wird im selben Prozess im Englischen zum neutralen Gattungsbegriff, eine Situation in der man ein weiteres Wort für die ursprüngliche Novelle benötigt: „Novella“ wird hier aktiviert gegenüber „Novel“, von nun an das Wort für den langen Roman.

Cervantes, Novelas Exemplares (1613)

Als kurzer Roman von Neuigkeiten übt die Novelle im 17. Jahrhundert entscheidenden Einfluss auf das gesamte Bild vom Roman aus. Die Gattung hat Wurzeln in die Novellensammlungen Boccaccios und Chaucers. Mit Cervantes' Novelas Exemplares (1613) erfolgt die offene Behauptung, sie könnte als Gattungsalternative im Zentrum eines neuen Spektrums stehen.

Die meisten Gattungsdefinitionen – Du Sieurs Sentimens sur l’histoire (1680)[30] gewinnen hier Bellegardes Plagiat der Überlegungen und deren Übersetzungen größeren Einfluss – leiten die einzelnen Gattungsmerkmale weitgehend von der Kürze ab. Mit der Kürze geht der Anspruch darauf verloren, den Leser in eine angenehme Dauerlektüre in eine Welt eigener Ideale zu entführen. Die kurze Erzählung muss sich keine Mühe mehr geben, lange Passagen von Reden und Beschreibungen zu entwickeln. „Bombast“ ist, so die Vertreter der Novelle, das Hauptmerkmal der heroischen Romane. Gezielte Kunstlosigkeit reklamieren die neuen Autoren für sich. Ihre Erzählungen sind unverziert, kurz, pointiert. Im Idealfall stellt der Autor klar, warum er erzählt: die folgende Geschichte soll ein Exempel geben für eine Tugend oder Untugend, einen Umstand modernen Lebens, eine erstaunliche und konsequenzenreiche intime Entscheidung. Verlauf, Stil, die gesamte Konzeption der Novelle müssen sich von da an an die Erzählintention, das zu gebende Beispiel zurückbinden lassen. Es gibt in der Novelle kein weiteres Einverständnis mehr darüber, was hoher Stil ist, stattdessen wird konzise auf die zumeist überraschende Schlusswendung, die Pointe, hinerzählt. Die Novelle ordnet sich mit diesen Vorgaben zwischen den heroischen und den satirischen Roman ein. Ersterer wollte durch Helden unterrichten, die man nachahmen will, letzterer durch Helden, deren Lächerlichkeiten man bei Bewusstsein eigener Reputation nicht nacheifern wird. Im neuen Kurzroman geht es dagegen nicht darum, durch eine Identifikation mit den Helden sich zu verbessern.[31] Das Exempel selbst unterrichtet: Wenn man Dinge so tut wie hier in der Geschichte, kann einem eine solche Überraschung passieren. Die Helden werden zu Menschen mit Stärken und Schwächen. Regelmäßig gewinnen die Intriganten. Mitgefühl mit unterlegenen Opfern gewinnt in den neuen Romanen die Rolle, die moralische Balance auch zugunsten unterliegender Protagonisten herstellen zu können.

Gegenüber dem heroischen Roman, der ewige Ideale in Verkörperungen zeigen will, zeigt die Novelle in Tradition der mittelalterlichen Novellistik Spezifik der Orte und der Zeiten. Beliebt sind Geschichten, die sich angeblich tatsächlich so zugetragen haben sollen. Die Novelle verbreitet sich auf dem internationalen Buchmarkt mit dem Angebot lokaler Perspektiven, und sie beschleunigt im selben Moment den Aufbau nationaler Gattungstraditionen: Die Helden von Scarrons Roman Comique diskutieren Mitte des 17. Jahrhunderts über die Vorteile der neuen Gattung in nationaler Perspektive: Frankreich müsse Geschichten vorlegen, wie die von den Spaniern als Novelas bezeichneten.[32] Marie-Madeleine de La Fayette verfasst in der Folge noch mit ihrer Zayde (1670) eine Geschichte im neuen spanischen Stil und mit ihrer Princesse de Clèves (1678) deren französisches Pendant: eine exemplarische Geschichte nach höfischer französischer Mode. Deutsche Studenten liefern ab den 1690ern 'einheimische Geschichten'. Londoner Leserinnen riskieren sich um 1700 als Autorinnen im gezielt kunstlosen Genre. Die neue Gattung ist unter diesen Vorgaben gezielt skandalös. Angeblich wird hier nur für die lehrreiche Exempel erzählt, ein Prätext, unter dem sich beliebig indiskret in Privataffären vordringen lässt. Die kurzen Geschichten ziehen in den 1670ern in die skandalöse Publizistik ein. Journale und seriöse Historien bieten zur Auflockerung kleine Erzählungen in größeren Zusammenhängen.

Die Novelle öffnet im selben Moment Europas Blick auf außereuropäische Erzähltraditionen: Die Geschichten aus 1001 Nacht werden zum europäischen Markterfolg des frühen 18. Jahrhunderts und sind eine Novellensammlung, kein heroischer und kein satirischer Roman.

Für die Geschichte hat die vorübergehende Verschmelzung der Gattungen Romans mit der Novelle bis heute andauernde Nachwirkungen. Die vor den 1660ern bestehende Romandiskussion fragt nach Idealen und hoher Sprache. Mit der Novelle werden beliebige Erzählintentionen diskutierbar. Novellen werfen Schlaglichter auf das Leben, auf Menschen in überraschenden Situationen. Zu diskutieren ist hier der Realismus der Erzählung und die Moral des jeweiligen Beispiels. Die neue Diskussion hat Einfluss bis in die heutige Romanbetrachtung. Erzählsituationen sind in der Novelle interessant: Der Großroman verabschiedet sich von der Abenteuerserie. Das Abenteuer weicht der Intrige, dem Plan, der zumeist anders ausging als angedacht. Das Spiel mit der Erzählung dringt über die Novellistik im 17. Jahrhundert in den modernen Roman ein.

Mitte des 18. Jahrhunderts ist der große Roman dank der Novellistik wieder legitim. Samuel Richardsons Pamela or Virtue Rewarded ist ein langer Roman und im Titel eine exemplarische Novelle: Hier wird ein Beispiel dafür gegeben, dass Tugend sich lohnt. Deutsche Romanautoren schreiben von Hunolds Satyrischem Roman (1706/1710) bis zu Schnabels Wunderliche Fata einiger See-Fahrer (1731–1743) und Gellerts Schwedischer Gräfin G*** (1747/48) im Genre der aktuellen exemplarischen Geschichten. Die kurze Novelle steht zu diesem Zeitpunkt bereits als skandalöse Gattung in Misskredit. Heutige Literaturgeschichten scheiden sie in der Regel aus der Romangeschichte gänzlich aus: Es gibt für sie den Schritt der vom Barockroman in den Roman der Aufklärung. Häufig ist zu lesen, dass sich die Novelle zwischen dem Mittelalter und Goethes Novelle von 1828 gänzlich vom Markt verabschiedete.[33] Die Aussage ist vor allem das Ergebnis einer rückgreifenden Bereinigung der Romangeschichte.

Skandalöse Ausgriffe in die Historie, 1600–1750

4 Uhr morgens, Verhaftung des Autors, Seite aus Rennevilles Französischer Inquisition (1715).

Ende des 17. Jahrhunderts warf der Roman neuen Reformbedarf auf. Konservative Kritiker fuhren fort, von den Verführungen amadisischer Phantasterei zu sprechen, andere monierten, dass der Roman nach wie vor in der Historie eingebettet blieb – die Messkataloge nahmen diese Einordnung vor. Modernere Kritiker verteidigten im selben Moment den Roman mit seinen Ausgriffen in die Realhistorie.[34] Sie taten dies aus zwei Gründen: Die Novellistik wie der heroische Roman, der sich auf das Gebiet der Schlüsselromane wagte, hatten sich reformiert. Die Beobachtung wirklicher Charaktere war sein neues Markenzeichen; die Gefahren des Amadis gingen von modernen Romanen nicht mehr aus. Gleichzeitig hatte sich mit den Schlüsselromanen der Scudéry, mit romanhaften Briefsammlungen der d’Aulnoy und ersten Briefromanen wie Aphra Behns Love-Letters (1684–1687), mit novellistischer Journalistik wie sie DuNoyer anbot, mit „curieusen“ romanhaften Memoires anonymer französischer Autoren, mit populären Journalen wie dem Mercure Galant und mit den aktuellen nouvelles historiques, wie sie der Abbé de Saint Réal schrieb,[35] ein neuer romanhafter Raum inmitten der Geschichtsschreibung eröffnet, auf dem Autoren elegant und bei Bedarf regimekritisch agierten. Nachhaltigen Einfluss übten hier die romanhaften Aufarbeitungen der Zeitgeschichte aus, die heute Gatien de Courtilz de Sandras[36] zugeschrieben werden (wie die Geschichte des Mannes mit der eisernen Maske, die unterstellte, dass Ludwig XIV. einen geheimen Bruder verbarg und damit seine Machtansprüche sicherte – die Geschichte, die Alexandre Dumas, mit den Drei Musketieren im 19. Jahrhundert berühmt machte). Aufgeschlossene Marktbeobachter wie Pierre Bayle sahen erheblichen Grund, die potentielle Kritikfähigkeit dieses Marktes zu verteidigen, und eher eine kritische Lektüre als die Zensur bzw. Abschaffung solcher Werke zu fordern.

Die zwei Optionen, unter denen Romane in die Historie ausgreifen konnten, schufen ein übersichtliches Schema der Genres, auf die Titelblätter und Vorreden anspielten: Neue Titel konnten vorgeben, Romane zu sein, sich jedoch bei der Lektüre als Schlüsselromane erweisen. Sie konnten auf der anderen Seite wie Defoes Robinson Crusoe (1719) als wahre Historie in Form eines Romans angeboten werden. Hier wie dort unterschied der Markt zwischen privaten und öffentlichen Angeboten:[37]

3.1
Heroische Romane:
Fénelons Telemach (1699)
1
Angeblich Erfindung, Roman, tatsächlich wahre öffentliche Historie?

Manleys New Atalantis (1709)

2
Angeblich Erfindung, Roman, tatsächlich wahre private Historie?

Menantes' Satyrischer Roman (1706)
3.2
Klassiker der Novelle und des Romans
von den Geschichten aus 1001 Nacht bis zu M. de La Fayettes Princesse de Clèves (1678)
4
Angeblich wahre private Historie, tatsächlich jedoch Erfindung, Roman?

Defoes Robinson Crusoe (1719)
5
Angeblich wahre öffentliche Historie, tatsächlich jedoch Erfindung, Roman?

La Guerre d'Espagne (1707)
3.3
Satirische Romane:
Cervantes' Don Quixote (1605)
Englische Ausgabe von Fénelons Telemach (1715).
Erstausgabe von Defoes Robinson Crusoe (London: W. Taylor, 1719).
Zeitungsausgabe

Die Aufteilung bot bei Bedarf Autoren skandalöser öffentlicher wie privater Offenbarungen die Sicherheit, behaupten zu können, sie hätten doch lediglich einen Roman geschrieben. Wer etwas anderes behaupten wolle, müsse erst einmal in einem Gerichtsprozess nachweisen, dass ihre Veröffentlichungen unliebsame Wahrheiten publik machten.[38]

Das erwünschte Zwielicht herzustellen, erforderte Kreativität. Robinson Crusoe zeigt das: Das Titelblatt behauptet, die wahre Geschichte eines Seemanns zu veröffentlichen. Es liefert dabei gleichzeitig einen Anklang an den soeben berühmtesten aktuellen und definitiv fiktionalen Roman: Fénelon's Telemach hatte vergleichbar 'Adventures' aufgeboten. Crusoe überbietet den fiktionalen Rivalen mit spektakulären Adjektiven. In der anschließenden Vorrede will der Verleger alle Zweifel ausräumen, dass es sich bei diesem Buch um eine Fiktion handeln könnte. „Das sei, so weit er sehe, die eigenhändig verfasste Privathistorie eines Seemanns. Man werde sie indes wie alles bezweifeln. Doch könne der Verleger selbst die Leser beruhigen, die zweifelten. Die Geschichte werde so oder so dank ihres lehrreichem Gehalts und Lesevergnügens erfreuen.“[39] All dies streute so viel Zweifel, wie es angeblich ausräumen wollte, und legte die Grundfrage der Sparte, in der hier publiziert wurde, vor: „Angeblich wahre private Historie, tatsächlich jedoch Erfindung, Roman?“ Der Roman konnte mit eben diesem Vorwort gleichzeitig als möglicherweise wahrer Bericht von einer Londoner Zeitung in Serie abgedruckt werden.

Weder in der Grenzüberschreitung gegenüber der wahren Geschichte, noch im Realismus, den Defoe riskierte, war sein Buch 1719 ein Novum.[40] Weit realistischer war soeben Constantin de Rennevilles Bericht seiner Gefangenschaft in der Bastille Inquisition Françoise (1715) – es ist bis heute unklar, was hier wahr und was erfunden war.

Dass Defoe sich mit Robinson Crusoe von der französischen „Romance“ abwandte,[41] ist eine problematische Behauptung. Die besagte „Romance“ hatte bereits in den 1670ern der novellistischen „Novel“ Platz gemacht. Der neue große Roman erweiterte die aktuelle Novellistik mit einem Angebot außergewöhnlich abenteuerlicher Fiktionalität. In die Entwicklung des 18. Jahrhunderts passte sich Robinson Crusoe am Ende perfekt ein: Sie führte zu einer Literatur gezielt fiktionaler Werke, die sich mit künstlerischen Mitteln mit der Realität auseinandersetzen. Jean-Jacques Rousseau nahm diese Neueinordnung Defoes in seinem Roman Émile, ou De l'éducation (1762) wegbereitend vor.[42]

Der Roman wird „Literatur“: Reformschritte 1670–1790

ESTC Titelzahlen für den Zeitraum 1600–1799. Deutlich sichtbar der Produktionsanstieg, der der Abschaffung der Star Chamber 1641 folgte sowie die Ausschläge, die mit der Phase politischer Kontroversen zustande kamen. Ein exponentielles, stabiles Marktwachstum beginnt nach 1750.
Londons Buchangebot 1700 nach Angaben der Meßkataloge. Die poetische und fiktionale Produktion verfügt noch über kein einheitliches Feld.
ESTC Daten der jährlichen Produktion fiktionaler Prosa auf dem englischen Buchmarkt[43]

Der Aufstieg des Romans

Die anglistische Forschung verband das 18. Jahrhundert mit Theorien vom Aufstieg des Romans. The Rise of the Novel titelt die maßgebliche Untersuchung, die Ian Watt im Blick auf die Romane Defoes, Richardsons und Fieldings 1957 vorlegte.[44] Die Geschichte der englischen Literatur gewinnt an dieser Stelle maßgebliche Bedeutung. Mit ihr verknüpft sich die These eines Einflusswechsels. Französische Autoren bestimmen bis in das frühe 18. Jahrhundert hinein den europäischen Markt, englische gewinnen mit dem Veröffentlichung Robinson Crusoes (1719) Bedeutung. Nachweisen lässt sich für die englische wie für die deutsche und die französische Produktion fiktionaler Prosa für das 18. Jahrhundert ein nach relativ stabilen Zahlen für das 17. Jahrhundert beschleunigtes Wachstum.

Anstieg der Produktionszahlen

Die gesamte Buchproduktion lag im Zeitraum 1600 bis 1800 in Sprachen wie Deutsch und Englisch bei 1500 bis 3000 Titeln. Bis in die 1750er war dieses Angebot dominiert von der wissenschaftlichen Produktion an Literatur, von Theologie und von einer tagespolitischen Produktion, zu der Pamphlete, Journale und Zeitungen gehörten. Literatur im heutigen Wortsinn, Romane, Dramen und Gedichte, hatten an der gesamten Buchproduktion bis in die 1750er hinein einen marginalen Anteil von 2–5 %.

Der Anteil der Romane an der Gesamtproduktion lag entsprechend niedrig. Bis in die 1730er erschienen in Sprachen wie Deutsch und Englisch pro Jahr 20 bis 60 Romane.[45] Die Romanproduktion in französischer Sprache lag etwas höher. Dies beruhte vor allem auf der Aufspaltung französischer Publikationen in einen innerfranzösischen und einen niederländischen Markt. Niederländische Verleger druckten, was in Frankreich der Zensur unterlag und verdoppelten so den Markt.

Mitte des 18. Jahrhunderts stieg die Gesamtproduktion an. Fiktionen trugen dazu maßgeblich bei. Das hat vor allem damit zu tun, dass das englischsprachige Verlagswesen sich nach 1750 dezentrierte und zunehmend für den Markt jeweils vor Ort produziert wurde. Nicht minder beginnt hier die Phase der Rückkoppelung des allgemeinen Marktes mit der Literaturkritik, die auf dem Gebiet der Fiktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Kanon klassischer Werke der Romankunst etablierte, an denen sich neue Romane von nun an messen mussten.

Gesellschaftliche Anerkennung

Deutlich veränderte sich vom Mittelalter in das 18. Jahrhundert der Ort des Romans in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Die Epik des Mittelalters hatte sich mit aristokratischen Sitten und der Würdigung des Rittertums befasst. Romane wie der Amadis hatten die Ideale der Ritterlichkeit trivialisiert und zu gängiger Münze gemacht. Nationale Hofkultur bestimmte die Titel des 16. und 17. Jahrhunderts, diejenige Spaniens bis in die 1630er, die des französischen Hofes ab den 1640ern. Autoren wie die Scudéry hatten Mitte des 17. Jahrhunderts vor allem mit dem Versprechen verkauft, dass man ihnen die aktuellen Verhaltensformen französischer Etikette entnahm.

In den 1660ern ergab sich eine Aufspaltung französischer Publikationen in einen einheimischen und einen niederländischen Markt.[46] Raubdrucker in Den Haag und Amsterdam betrieben die Zweitvermarktung der Pariser Verleger und sie agierten als Anlaufpunkte für Autoren, die in Frankreich nur noch unter Behinderung durch die Zensur verlegen konnten. Es entstand damals ein politisch brisanter, tagesaktueller von französischer Mode geprägter internationaler Markt, der Moden aller Art verkaufte. Arcangelo Corelli und Antonio Vivaldi veröffentlichten von Italien aus bei Étienne Roger in Amsterdam, demselben Verleger, der 1715 Rennevilles L'inquisition Françoise, Französische Inquisition herausbrachte – einen der vielen Titel, die noch selben Jahres in englischer und französischer Übersetzung vorlagen. Der politische Markt war Drehscheibe der internationalen, modisch ausgerichteten Tagesaktualitäten geworden.

Sarcander, Amor auf Universitäten (1710), typischer Studentenroman des frühen 18. Jahrhunderts

Von dieser internationalen Warte aus ließ sich eine dezidiert lokale Produktion inspirieren. Europäische Skandalromane finden im ausgehenden 18. Jahrhundert eine parallele lokale Produktion mit privaten Perspektiven in London wie in Leipzig, Halle und Jena. Entscheidend ist für die neue privatere Produktion, dass ihre Autoren bei den skandalösen intimeren Offenbarungen Anonymität wahren können. Frauen können dies in London, Studenten agieren ähnlich aus einer anonymen Masse heraus in den mitteldeutschen Universitätsstädten. Eine Blüte von Frauenromanen bestimmt das frühe 18. Jahrhundert in England, eine parallele Blüte von Studentenromanen skandalisiert die deutschen Staaten bis in die 1720er Jahre.[47] Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gilt es als einfach, Romane zu publizieren[48] – sie suchen keine Bedeutung als Kunst zu erlangen,[49] und bleiben, weitgehend unbesprochen, die Materie derer, die Romane lieben. Die Zensur beachtete religiöse und politische Schriften, kaum jedoch die privatere Romanproduktion.

Der Roman ist damit zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei den Lesern angekommen, eine internationale Ware mit besonderen lokalen Zusatzangeboten. Sein eigentlicher Aufstieg beginnt mit der Verbreitung von Huets Traitté de l’origine des romans (1670), worin erstmals die Karriere der Gattung öffentlich manifest wird, sowie mit der Romankritik der Moralischen Wochenschriften, die am gesamten Ideal des Galanten Anstoß nehmen. Sie führen nicht zu einem Niedergang der Gattung, sondern zu einer Aufspaltung der Produktion und zu einer Rivalität unter Autoren, die sich Mitte des 18. Jahrhunderts dezidiert der Reform des Romans verschreiben. Es entsteht ein neuer höherer Markt, der sich auf die Romankritik einlässt. Mitte des 18. Jahrhunderts übernehmen gelehrte Literaturzeitschriften die mittlerweile öffentliche Aufgabe der Romankritik.[50]

Der Roman kommt mit der neuen öffentlichen Beachtung in den 1780ern im Zentrum öffentlicher Wahrnehmung an, die sich in Zeitungen und Zeitschriften artikuliert. Es dauert von hieran noch ein weiteres halbes Jahrhundert, bis ihn die nationalen Bildungssysteme als literarische Gattung kanonisieren. Der Ort des Romans wird von Beginn des 19. Jahrhunderts an primär durch die Medien zugewiesen.

Knapp formuliert kann gesagt werden, dass der Roman im Lauf des 18. Jahrhunderts vom skandalösen Seitenast der historischen Produktion zum Medium einer Reform der öffentlichen Sitten aufsteigt. Seine Ausrichtung auf das Private und den privaten Leser machen ihn hier sowohl bedrohlich wie zum idealen Medium der Reform: Mit keiner anderen Gattung erreicht man den Leser so klar im Privatraum, mit keiner anderen gibt man ihm so tiefe Einblicke in geheime Gedanken von Helden. Das Ergebnis ist dabei weniger die Reform des Romans als die Aufteilung in eine sich auf die Diskussion einlassende und eine sich ihr entziehende Produktion. Sexszenen etwa gab es in Romanen des 17. Jahrhunderts, eine eigene pornographische Produktion kommt dagegen Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüber der moralisch reformfreudigen auf.

Aufkommen der Klassiker Ende des 17. Jahrhunderts

Klassiker der „Novel“ in der repräsentativen Sammelausgabe A Select Collection of Novels (1720–1722).

Der Aufbau eines Kanons der Weltliteratur geht im Wesentlichen auf Huets Traitté de l’origine des romans (1670) zurück. Huet hatte die bald in eigenständigen Ausgaben erscheinende Arbeit – noch gab es keine Literaturhistorik, die sich um sie kümmern konnte – als Vorrede zur Zayde Marie de La Fayettes auf dem Romanmarkt selbst publiziert. Mit ihr veränderte sich vor allem die Rechtfertigung der Romanlektüre unter Liebhabern der Belletristik. Musste der Romanleser sich bis dahin dem Vorwurf stellen, in eine prekäre Pseudowirklichkeit zu entfliehen, so demonstrierte Huet, dass man Romane verschiedener Epochen und Kulturen mit einer neuen Interpretationspraxis voneinander differenzieren könnte: Zeiten und Kulturen der Weltgeschichte hatten aus ganz unterschiedlichen Gründen das Fiktionale als Bereich ausgestaltet. Man würde unter dieser Prämisse Romane gezielt lesen können, um mehr über die Sitten, Denkweisen und Konsumbedürfnisse anderer Zeiten und Kulturräume zu erfahren. Die neue Romanlektüre setzte wissenschaftliche Expertise voraus, sobald man die weltweiten Traditionslinien rekonstruierte, in denen sich Fiktionalität verbreitete.

Mit dem späten 17. Jahrhundert mehren sich Ausgaben fiktionaler Literatur mit Verweisen darauf, dass Huet diese Bücher in seiner Weltgeschichte der Fiktionen notierte. Die Romane Heliodors, die Geschichten aus 1001 Nacht, Petron und Lucian wurden antike und internationale Klassiker. Gleichzeitig erschien mit Fenélons Telemach der Roman, der in den nächsten Jahrzehnten als Beleg dafür diskutiert wurde, dass in der Moderne nicht das heroische Versepos neu aufleben würde, sondern der Roman als dessen modernes Pendant und Ersatz.

Die moderne Romanproduktion erhielt einen eigenen Markt klassischer Moderne: bahnbrechend ist hier die in London zwischen 1720 und 1722 erschienene Select Collection of Novels; sie umfasste die aktuelle Novellistik mit Autoren von Machiavelli über Cervantes bis zu La Fayette (ohne bereits ihren Namen zu kennen).

Autoren der Gegenwart versuchten auf diesem Markt Fuß zu fassen, nachdem es Fénelon gelungen war, mit einer einzigen Publikation unverzüglich Klassiker zu werden. Unter bürgerlichen Namen zu veröffentlichen, wird in London in den 1720ern modern.

Dem Aufbau eines internationalen Klassikerfeldes der belles lettres folgen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Versuche, nationale in eigenen Reihen Klassiker zu etablieren.

Empfindsamkeit und Aufklärung: Reformen des Romans, 1678–1790

Samuel Richardson, Pamela (1741).

Die Reform des Romans, die das 18. Jahrhundert anstrebte, zielte vor allen Dingen auf die Sitten, insbesondere die des privaten Zugriffs auf die Presse und die Öffentlichkeit.[51] Christian Friedrich Hunold alias Menantes hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch seine Verleger mit den privaten Nutzungsmöglichkeiten der Presse und des Mediums Roman verblüfft.[52] Skandalautorinnen und hatten sich in Romanen in London profiliert. Überwiegend hatten sie genauso wie ihr Publikum und ihre Romanhelden der jungen Generation angehört. Der Roman des 17. Jahrhunderts lebte von Idealen einer privaten Klugheit, die sich der Gesellschaft geschickt entzog (siehe eingehender dazu den Artikel Galante Conduite): Die Helden und Heldinnen müssen in der Regel zu geheimen Aktionen, Intrigen, greifen, um ihr privates Glück zu finden. Der Umgang mit Geheimnissen bestimmt den Roman bis weit ins 18. Jahrhundert hinein, sowohl in den Romanhandlungen wie im Spiel, das diese Titel auf dem Buchmarkt spielen: Romane publizieren private Geheimnisse. Dem steht bis weit ins 18. Jahrhundert hinein eine spezifische Selbstdefinition der Helden wie der Autoren zur Seite: Man definiert sich nicht über psychologische Identität, sondern über Reputation, den Ruf, den man verteidigt. Das Duell ist eine legitime Form, den Ruf gewaltsam zu verteidigen. Die öffentliche Darlegung der eigenen Sicht, das Waschen schmutziger Wäsche, die Diffamierung von anderen Behauptungen sind die Sache von Romanheldinnen und -autorinnen bis in die 1740er. Wer anderes behaupten will, muss sich entscheiden, gegen Offenbarungen aufzutreten und damit die Reputation des Autors herauszufordern. Dieses harte Reglement,[53] in dem Romanhelden und -autoren sich durchgängig als öffentliche Akteure begreifen, wird im 18. Jahrhundert eingetauscht gegen ein weiches der Sensibilität und Empfindsamkeit.[54]

Goethe Werther (1774).

Das empfindsame Verhaltensmodell geht von einem Individuum aus, das von Natur aus nur ungern öffentlich agiert. Scham, zu erröten, wenn von einem gesprochen wird, zeichnet das empfindsame Individuum aus. In Gesellschaft ist es nicht Spieler, der die eigene Reputation kalkuliert nutzt, sondern hilfsbedürftig. Wo Heldinnen des 17. Jahrhunderts ihren Eltern verheimlichen, wen sie lieben, um so den Freiraum zu gewinnen, ihre Ziele zu realisieren, fühlt sich das empfindsame Individuum hilflos. Es muss auf andere zutreten, Vertrauen wagen, die Eltern für das eigene Glück gewinnen. Liebe gegenüber allen Mitmenschen und Transparenz ihnen gegenüber zeichnen empfindsame Helden aus (Verhaltensratgeber des frühen Jahrhunderts definierten die Umwelt dagegen als feindlich und rieten zur Intransparenz). Den neuen Helden und Heldinnen steht im selben Moment eine neue Umwelt gegenüber, in der es gleichgeartete gute Menschen gegenüber intriganten Feinden gibt.

Samuel Richardsons Pamela or Virtue Rewarded spielt 1740/41 exemplarisch den neuen Grundkonflikt durch zwischen einer unschuldigen moralischen Heldin niederen Standes und einem ihr als Verführer gegenübertretenden Dienstherrn. Der Konflikt endet weder mit dem Ruin der Heldin wie in den Romanen Delarivier Manleys, noch mit einem gewitzten Siegeszug der vermeintlichen Unschuld wie in vielen Novellen; er mündet stattdessen neuartig in der Reform des im Status überlegenen Mannes. Die neuen Helden erleben sich selbst als von ihren Tugenden geleitet, kaum fähig Geheimnisse zu haben. Der Verlust des Gefühls, in 'natürlicher' Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben, macht sie unglücklich. Sie entwickeln eigene empfindsame psychische Dispositionen, mit denen sie sich und anderen ihre Handlungsweise erklären können – offen und auf Mitgefühl und Unterstützung angewiesen, wo ihre Vorgänger gewitzt und auch bei tugendhaftem Charakter „verschlagen“ agierten. Vorläufer hat die neue Produktion in der französischen Novellistik. Insbesondere Marie de LaFayettes Princesse de Cleves (1678) eroberte hier dem neuen Verhalten Terrain.

Deutlich handhaben die Romanautoren des mittleren 18. Jahrhunderts ihre Werke als Proben. Die neuen Helden werden der Öffentlichkeit mit didaktischen Intentionen zur Verfügung gestellt: „Now first published in order to cultivate the Principles of Virtue and Religion in the Minds of the Youth of Both Sexes, A Narrative which has the Foundation in Truth and Nature; and at the same time that it agreeably entertains…“, so der Untertitel zu Richardson's Pamela. Der neue Roman setzt Fiktionalität ein, um zu unterrichten und entwirft Menschen mit der Absicht, darüber zu diskutieren, ob hier nicht erstmals die menschliche Natur korrekt erkannt sei.

Anfänge des modernen pornographischen Romans, Illustration aus der englischen Fanny Hill Ausgabe von 1766.

Die neuen Charaktere benötigen damit eine Wissenschaft von der geheimen Natur des Menschen, die bislang von Kultur deformiert wurde. Mit der Psychologie entsteht diese Wissenschaft im Parallelprozess. Gleichzeitig entwickeln die neuen Romane ein spezielles Interesse an Entwicklungen (auch dieses Wort ist Mitte des 18. Jahrhunderts neu, „Veränderungen“ machten Protagonisten von Romanen bis in die 1720er durch). Bildungs- und Entwicklungsromane kommen auf. Kindheit und Jugend werden Sujets des modernen Romans. Als Vorbilder dienen hier allenfalls die satirischen Romane des 17. Jahrhunderts, die lustige Schwächen ihrer Helden in ihrer Kindheit darlegten. In den Romanen Jean-Jacques Rousseaus werden in den 1760ern Entwicklungs- und Reifungsprozesse zum Gegenstand philosophisch experimenteller Fiktionen. Die Romane Laurence Sternes und Henry Mackenzies kosten in den 1760ern und 1770ern Entwicklungen ihrer Helden satirisch liebevoll zu „empfindsamen“ Charakterskizzen aus. Bildungsromane deutscher Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts verknüpfen das neue Sujet mit einer Spannbreite von Gesellschaftskritik zu individueller historischer Reflexion.

Die neuen Verhaltensnormen werden Mitte des 18. Jahrhunderts zuerst an weiblichen Helden vorgestellt. Männliche Helden verhalten sich wenig später „empfindsam“, oft mit deutlicher Selbstironie. In den 1770ern werden entgegen den konsensorientierten Modellen Romanhelden interessant, die mit der Gesellschaft brechen, an ihrem Glück aus eigenen Dispositionen heraus keinen Anteil haben können. Johann Wolfgang von Goethes Werther (1774) setzt hier einen europäischen Maßstab. Von ihm geht Ende des 18. Jahrhunderts eine eigene Mode tragischer Helden aus, denen die Integration in die empfindsamen beengenden Verhältnisse misslingt.

Die gesamte Entwicklung ist an öffentliche Diskussionen gekoppelt, die jedoch keine Gleichschaltung der Romanvielfalt bewirken: Die Kritik ist dissonant, sie fördert Konkurrenz verschiedener Modelle. Sie teilt mehr noch den Markt in einen Bereich, dessen Reformbestrebungen Rezensenten ansprechen können und ein größeres Feld, das sich an den Kritikern vorbei auf Kundenschichten ausrichtet. Die Differenzierung zeigt sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich im Aufbau eines eigenen Bereichs der Pornographie: Für ihn wird nicht öffentlich geworben, eine Subkultur muss Wissen über diese Titel verbreiten. So ergibt sich ein Romanangebot mit breiter unbesprochener trivialer Produktion und geheimen Nischen, in denen Grenzen des moralischen Konsenses aufgehoben werden.[55]

Der Roman als experimentelle Textform, 1700–1800

Laurence Sterne, Tristram Shandy, Band 6, S. 70–71 (1769)

Der neue Status, den der Roman als Gattung öffentlicher Diskussion im 18. Jahrhundert erringt, zeigt sich besonders in den philosophischen und experimentellen Werken.[56]

Philosophische Fiktionen sind dabei keine Neuheit. Platons Dialoge kamen in philosophischen Erzählungen heraus. Die klassischen Utopien nutzten von Thomas Morus' Utopia (1516) zu Tommaso Campanellas La città del Sole (1602) romanhafte Rahmenhandlungen. Sie blieben als Philosophie diskutiert, da Liebeshandlungen und Intrigen in ihnen keine weitere Rolle spielten. Mit den 1740ern ändert sich das. Morus' Utopia lässt sich nun als „Roman“ herausgeben.[57] Voltaire schreibt philosophische Romane: Zadig (1747) und Candide (1759) werden zentrale Texte der französischen Aufklärung und Meilensteine der Romangeschichte. Jean-Jacques Rousseau erweitert hier die Optionen mit dem deutlich didaktischen Emile oder über die Erziehung (1762) und der wesentlich romanhafteren Julie oder Die neue Heloise (1761).

Die genannten Titel belegen, dass philosophische Fragen nun eher im Roman als in fachinternen Abhandlungen gestellt wurden. Voltaire und Rousseau konnten mittlerweile darauf vertrauen, dass ihre Werke auch als Romane publiziert von der Fachdiskussion zur Kenntnis genommen würden. Die gesamte Literaturdiskussion wandte sich von den Wissenschaften aus Fiktionen zu.

Mit dem neuen Selbstverständnis des Romans gingen Experimente mit den Gattungsgrenzen einher. Laurence Sternes The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman bricht 1759–1767 spielerisch und bahnbrechend mit der fortlaufenden Erzählung als der Grundlage des Romans. Die Autor-Leser Kommunikation, die bislang Vorreden beherrschte, ersetzt die Handlung. Ihr Thema ist der nicht zustande kommende Lebensbericht, ein Scheitern der Erzählung. Visuelle Momente ersetzen Text: eine marmorierte Seite gestaltet die Kommunikation wie eine demonstrativ schwarzer Block; auf einer anderen Seite gibt der Erzähler verschiedene Linien als Verlaufsskizzen der wirren Handlung. Jonathan Swifts satirische Erzählung A Tale of a Tub (1704 veröffentlicht) ging hier mit ähnlicher Experimentierfreude voran, experimentierte dabei jedoch nicht mit dem Roman, sondern mit der Gattung des Traktats.

Im Feld der „literarischen“ Gattungen: Entwicklungen des 19. Jahrhunderts

Der Roman wird „Nationalliteratur“, 1780–1860

Charles Dickens auf dem Titelblatt von L'Eclipse am 14 Juni 1868: Der berühmte Autor überschreitet den Kanal, um in Paris aus seinen Romanen vorzulesen. Die Öffentlichkeit erfährt von jedem seiner Schritte.

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich der Roman als primär westeuropäische Produktion entwickelt. Als unwissenschaftliche Gattung, die vor allem mit Lesegenuss und Neugier rezipiert sein wollen, florierte er in einem breiten Spektrum von Büchern für einfache Leser bis zu brisanten Titeln, die Indiskretionen europäischer Politik vermarkteten. Ohne weitere Lokalisierung in der Religion oder der Politik war er gleichzeitig bis in die 1780er am ehesten Gegenstand kommerzieller Verwertung mehr oder minder eleganter Privatlektüre.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rückte der Roman schrittweise in den Brennpunkt öffentlicher Wahrnehmung: Literarische Rezensionen nahmen ihn in den Blick. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts festigt sich diese Tendenz: Es etablieren sich in Literaturgeschichten und literarischen Zeitschriften neue Rezensions- bzw. Besprechungsformen. „Literatur“ ist von nun an der Bereich der fiktionalen und poetischen Schriften. Die Wissenschaften, bislang Literatur im Sinne des Wortes, professionalisieren sich und heben sich von der allgemeinen Literaturbesprechung ab bzw. blendet sie aus. Mit Fiktionen und Poesie gewinnt die Literaturkritik in den Nationen des Westens einen eingeschränkten, säkularen, sehr frei handhabbaren Besprechungsgegenstand von großem öffentlichem Interesse.[58]

Institutionalisierung als Bildungsgegenstand

Mit den 1830ern erfolgt der nächste Schritt: die Nationen Westeuropas etablieren die Literatur im neuen Wortsinn als Unterrichtsgegenstand. Die Nationalliteraturen werden in einem Wettstreit unter den Kulturnationen Europas in Literaturgeschichten kanonisiert[59] und mit Entwicklungsgeschichten versehen. Insbesondere die Nationen Nord-, Ost- und Südeuropas geraten im selben Moment in einen Entwicklungsdruck: Ihre kulturellen Eliten konsumierten in den letzten Jahrhunderten den westeuropäischen Roman. Nun ist es nötig, eigene Werke der großen Nationalliteratur vorzulegen. Der Roman gewinnt in diesem Wettstreit große Bedeutung in einer Produktion epochaler, in die nationale Geschichte greifender Großromane, die nationale Identität definieren.

Charles Dickens bei einer Autorenlesung, ein neues Phänomen literarischen Lebens

Bei der Verbreitung der Nationalliteratur spielte Deutschland in der Frühphase eine Vorreiterrolle.[60] Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Deutschland territorial in Kleinstaaten zersplittert und durchgehend auf die Moden Frankreichs ausgerichtet gewesen, der Nation, mit der eine jahrhundertealte Erbfeindschaft bestand, während die politischen Romane ihrer regimekritischen Intellektuellen gelesen wurden. Mitte des 18. Jahrhunderts hatten deutsche Intellektuelle mit Blick auf den englischen Roman einen Entwicklungsrückstand Deutschlands festgehalten. Poesie und Prosafiktion zu Besprechungsgegenständen zu erheben, hatte in Deutschland national einigende Bedeutung – Religion und Politik boten keine vergleichbar überregional besprechbaren Gegenstände. Der Aufbau der deutschen Nationalliteratur schafft Anfang des 19. Jahrhunderts einen Bildungsgegenstand und eine nationale Diskussion, die sich exportieren lassen. Der englische Sprachraum hat zwar den entschieden tragfähigeren kommerziellen Roman aufgebaut,[61] hinkt aber bei der Institutionalisierung nach, mit der im 19. Jahrhundert die Nationalliteratur Unterrichtsgegenstand in den Schulen[62] und öffentlicher Debattengegenstand in den Medien wird. Eine französische Geschichte der Englischen Literatur, diejenige Hippolyte Taines, holt hier 1863 den institutionellen Entwicklungsschritt nach.[63]

Der Schritt des Romans in den Schulunterricht ist begleitet von einer Neugliederung der Wissenschaften, die für die neuen Bildungsgegenstände zuständig werden. Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie waren die vier Grundwissenschaften bis in das mittlere 18. Jahrhundert hinein gewesen. Mit dem 19. Jahrhundert setzt sich eine neue Teilung in Naturwissenschaften, technische Wissenschaften, Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften durch. Die Geisteswissenschaften werden in dieser Entwicklung die institutionelle Dachstruktur von Geschichte und Kultur, deren Experten auf die Kunst und Literaturbesprechung entscheidenden Einfluss haben.

Etablierung in neuen Formen literarischen Lebens
Émile Zola, der politische Romanautor im Zentrum des von ihm entfachten öffentlichen Aufsehens (Gemälde von Henry de Groux, 1898).

Mit der neuen gesellschaftlichen Bedeutung verändern sich im 19. Jahrhundert die Modalitäten literarischen Lebens. Das Gesamtangebot wächst und fächert sich auf in einen Bereich diskutierter Werke hohen literarischen Anspruchs und den Massenmarkt der Belletristik, der sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte und der eine weitere Differenzierung mit modischer Trivialliteratur gewinnt. Ein breiter Austausch in den Medien erfasst nun den Roman.[64]

Die Stellung des Autors wird neu definiert. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war die anonyme Publikation die Regel. Ihr entsprach die weitgehende Abtrennung des Autors vom Geschäft, das sich mit seinem Buch machen ließ: der Autor lieferte sein Manuskript ab und erhielt ein Honorar nach Anzahl der Druckbögen im publizierten Buch. Im Ernstfall konnten Verleger behaupten, zu den Autoren brisanter Romane nie intensiveren Kontakt gehabt zu haben, sie erwarben Manuskripte, ohne deren Brisanz sogleich zu erkennen (so die Entschuldigung, die Verleger im 17. Jahrhundert wiederholt gegenüber der Zensur hervorbrachten). Mit dem 19. Jahrhundert ändert sich das Urheberrecht.[65] Der Autor wird am weiteren Gewinn beteiligt, den sein Titel macht. Die neue Regelung gibt dem Autor Identität (die ein neues Presserecht mit neuen bürgerlichen Freiheiten schützen muss). Sie erlaubt zudem ein neues Kalkül mit der literarischen Karriere. Ein literarisch anspruchsvolles Buch kann erst einmal in einer kleinen Auflage gedruckt werden. Werden die Kritiker darauf aufmerksam, dann folgt der Durchbruch mit der kritischen Beachtung, die den Titel zum Bildungsgegenstand macht. Der Autor profitiert dann vom Ruhm, den er als anerkannter Dichter findet.

Oscar Wilde vor Gericht 1895.

Dichterlesungen[66] sind symptomatisch für die neuen Formen literarischen Lebens wie Kontroversen mit Literaturkritiker oder öffentliche Stellungnahmen großer Autoren zu allen Fragen gesellschaftsweiter Bedeutung. Große Romanautoren des 19. Jahrhunderts wie Charles Dickens und Émile Zola, Lew Tolstoi, Fjodor Dostojewski, sind Produkte des neuen literarischen Lebens mit seiner klaren Ausrichtung auf die Nation und ihre Öffentlichkeit. Die Nation gewinnt mit dem Romanautor im Idealfall eine unabhängige Stimme, ein Gewissen, das nicht in die Politik oder in die Religion eingebunden ist, im Ernstfall aber allein der Kunst gegenüber verantwortlich handeln soll, so die Theorie.

Der neuen Verantwortung, die der Autor großer Literatur für die Nation hat, trägt der literarische Streit in seiner zentralen Thematik Rechnung: Das Dauerthema der Literaturdebatte des 19. Jahrhunderts wird die Frage, wie weit der Autor sich auf die Schilderung der Wirklichkeit einlassen kann (ohne die Kunst mit dem Niederen der Wirklichkeit zu beschmutzen), wie weit er sich im selben Moment in öffentlichen Diskussionen instrumentalisieren lassen darf (oder ob er als Künstler nicht außen stehen muss). Die Gegenposition gegenüber dem Realismus erhebt die Forderung nach l’art pour l’art, Kunst um der Kunst willen. Sie ist nicht minder der weiteren Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung des Künstlers ausgesetzt.[67] Der Künstler entzieht sich hier Ansprüchen der Gesellschaft mit dem Hinweis auf seine alleinige Verantwortung gegenüber der Kunst. Die Frage der moralischen Integrität des Romanautors gewinnt im 19. Jahrhundert Gewicht. Dazu passt, dass Romanautoren sich im Extremfall öffentlichen Verfahren ausgesetzt sehen. Die Karrieren von Émile Zola und Oscar Wilde liefern den Biographien von Autoren wie Alexander Solschenizyn und Salman Rushdie Vorbilder.

Geraten große Autoren im 19. Jahrhundert in das Zentrum eines neuen nationalen literarischen und kulturellen Lebens, so wird das gesamte Buchangebot zunehmend von einem neuen und breiten Massenmarkt fiktionaler Literatur getragen, der die Genres des 18. Jahrhunderts weiterentwickelt. Eine Trennung hoher, auf Diskussionen Anspruch erhebender, und niederer Konsumware bildet sich im 19. Jahrhundert aus. Sie ist das Fundament der gesamten Entwicklung, da sie ein Marktgeschehen ohne Verlierer garantiert: Der Markt wächst insgesamt. Allenfalls die relative Bedeutung der Bereiche verschiebt sich. Unter den Debattengegenständen gewinnt Literatur gegenüber der Theologie gesellschaftlichen Rang.

Zwischen Trivialität und Revolte: Romantische Fiktionen, 1770–1850

Illustration einer niederländischen Ausgabe von Juliette von de Sade, ca. 1800.

Das Wort Romantik bindet mit der Wende ins 19. Jahrhundert eine ganze Generation von Künstlern an den Roman als interessanteste Kunstgattung. „Written in a romantick vein“, bedeutete im 17. Jahrhundert, dass der Autor sich eines romanhaften Stils bediente. Das deutsche Äquivalent war im 17. Jahrhundert die „romanische“ Schreibweise (das t in „romantisch“ setzt sich mit der anglophonen Epochendefinition durch). Die Romantiker riskieren alle Tugenden und Untugenden der alten Gattung, um erschreckende Welten aufzubauen (statt die reale realistisch und natürlich abzubilden) und Fiktionen phantastisch wuchern zu lassen (statt der Kunst realistischen Novellistik zu folgen).[68] Die Novelle wird dabei neu entdeckt als Gattung, die sich in ihrer Geschlossenheit der Intrigenhandlung zerstören lässt, und die in ihrer Kürze neue Offenheit erlangen kann, um über sich hinaus auf eine jenseitige Realität zu verweisen.

Anders als die Heldenromane des 17. Jahrhunderts, die sich vom Amadis als Abgrund der Verworrenheit abzusetzen suchten, zelebrieren die Romantiker das gefahrvoll Verworrene des Romans. Gegenüber der Romankritik der Aufklärung, die klare didaktische Intentionen lobte, wird offene Subversion geübt. Sie gehen gleichzeitig auf die neue Marktdifferenzierung ein, die den Roman soeben erfasst: Mitten im Prozess, in dem die aktuelle Literaturkritik die Belletristik weitgehend trivialisiert zugunsten eines kleinen Bereichs klassisch apostrophierter Literatur, die von nun an Gegenstand der Literaturdiskussion sein soll, spielt die junge Generation von Autoren mit den Stoffen des niederen Markts, auf dem sich Schauer und Emotion verkaufen.[69] Das Groteske,[70] schonungslos Spannende und atemberaubend Erfundene ist ein willkommenes Reservoir des Fiktionalen, das offenkundig als Trivial unterdrückt werden soll. Der Romantik gelingt im selben Moment der erste Angriff auf die Literaturkritik, die die Kunst durchaus auf Fiktionalität verpflichtet haben wollte.

Die Frage danach, was Kunst eigentlich sein soll, bestimmt die Romane und Novellen der Romantiker offen. Künstlerromane und -Novellen widmeten sich kunsttheoretischen Diskussionen. Allegorische Geschichten erschienen, in denen es wie in E. T. A. Hoffmanns Der Sandmann (1817) explizit um Kunstkenntnis und romantische Verklärung der trivialeren und bedrohlicheren Wirklichkeit geht. Das Reale und das Künstliche sind hier ein so interessantes Objekt wie in Mary Shelleys Frankenstein (1818), dem noch entschieden deutlicher die Grenzen zum Trivialen überschreitenden Schauerroman über die Erschaffung und die Seele eines neuen künstlichen Menschen.

Die in der Kunst offen diskutierte Frage danach, was Kunst eigentlich sein soll, hat ihren interessantesten Adressaten in der Literaturwissenschaft, die die Kunst insgesamt auf Fiktionalität und damit auf Interpretierbarkeit verpflichtet. Die Frage der Interpretation ist im selben Moment eine in den Romanen der Romantiker offen diskutierte Frage. Fiktionen mit oberflächlich trivialen Realitäten, unter denen tiefere Wahrheiten mit Kunstverständnis zu bergen sind, greifen um sich. Allegorie und der Abgrund der Bedeutungstiefe sind so beliebt wie der Trug des Oberflächlichen, das nur vorgibt, tiefere Bedeutung zu haben und allein im kunstbeflissenen, verklärenden Romantiker solche Bedeutung gewinnt.

Das Fiktionale selbst wird von den Romantikern als der eigentliche Bereich der Kunst akzeptiert. Die neue Frage ist, woher das Fiktionale seine tieferen Wahrheiten bezieht. Dass es Ausdruck sexueller Antriebe, tieferer Ängste und Sehnsüchte ist, gehört ins Antwortenspektrum der Romantiker wie das Programm, die Kunst und die Fiktionalität von allen Regelzwängen zu befreien. Die ungenierte und unbezwingbare Fiktionalität, die sich im Albtraum und in der Vision Bahn bricht, sind beliebte Erzählstoffe, wie die Realität von Wahnvorstellungen, die sich im Verbrechen herstellt. Das Fragment wird zur Kunstform, die von sich aus Gattungsregeln bricht und über sich hinaus auf das Unvollendete verweist.

Das Interesse an psychologischen Abgründen, wie sie im Traum, in der Phantasie, in Wahnvorstellung oder in künstlerischen Fiktionen zu Trage treten, schafft am Ende ein Stoffspektrum, das in der Trivialliteratur wie in der modernen Kunst fortwirkt und das gleichzeitig die gesamte wissenschaftliche Interpretationspraxis beeinflusst. Der Horrorfilm, Fantasy, die Rollenspielszene sind heute durchdrungen von romantischen Entdeckungen düsterer Materialbereiche, insbesondere des finsteren Mittelalters, der Nacht, des Gewaltexzesses, der Isolation des Individuums und der sich dem öffentlichen Zugriffs entziehenden Machtausübung in Geheimengesellschaften. Autoren wie De Sade, Poe, Shelley oder E. T. A. Hoffmann schufen im selben Moment die Vorstellungswelten, die in der Psychoanalyse wie im Surrealismus wieder auftauchten. Freuds Psychoanalyse bezieht zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen großen Teil ihrer Plausibilität aus Interpretationen der Literatur, die hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts zustande kommt.

Romane in Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und ihrer Geschichte, 1800–1900

Titelseite der ersten Buchausgabe von Harriet Beecher-Stowes Uncle Tom’s Cabin (1852)

In die Geschichte hinabtauchende Romane gibt es seit der Antike. Die Geschichte der Gegenwart ist seit dem 17. Jahrhundert ein ausgiebig genutztes Romanthema – satirische Romane wie Grimmelshausens Simplicissimus (1666/1668) beuteten es aus wie historische Enthüllungsromane von der Art des anonymen La guerre d'Espagne, de Baviere, et de Flandre, ou Memoires du Marquis d*** (Cologne: Pierre Marteau, 1707), das im frühen 18. Jahrhundert einen französischen Agenten in James Bond-Manier Hintergründe des Spanischen Erbfolgekriegs aufdecken ließ.

Krieg und Frieden, Band I, Kapitel 5
Illustration zu Jules Vernes Vingt mille lieues sous les mers (1870)

Die gesellschaftliche Stellung Historischer Romane des 19. Jahrhunderts markiert einen Umbruch: Der satirische Roman des 17. Jahrhunderts blieb unbesprochenes Abenteuer. Den Skandalroman des frühen 18. Jahrhunderts beuteten Journalisten als indiskrete und ungedeckte Informationsquelle aus. Der historische Roman, der mit dem frühen 19. Jahrhundert mit Werken wie Walter Scotts Waverley (1814) aufkommt, versucht den Titel in den Bildungskanon aufzunehmen und die Fiktion ins kollektive Geschichtsbewusstsein zu übernehmen, um auf diese Weise nationale Identität zu erzeugen.

Die Stoffe der meisten historischen Romane sind unterhaltend, eskapistisch, leicht bildend und erbaulich. Brisant wurde die Popularisierung der Geschichte jedoch nicht durch den Schulunterricht und die Universitäten, die in den säkularen westlichen Nationen historische Diskussionen veranlassen und damit Identität stiften, sondern aufgrund individueller Lektüreerfahrung. Der historische Roman entwickelt bei seinen Ausgriffen auf die Vergangenheit wie die Gegenwart ein eigenes Potential durch seine Konzentration auf individuelles Erleben und Einzelschicksale. Er stattet die Leben von Romanhelden mit tieferer historischer Bedeutung aus. Historisches Leid und historische Triumphe werden im Roman nacherlebbar, und das schafft durchaus andere Geschichtswahrnehmungen, als jene, die Berichterstattung in den öffentlichen Medien oder Geschichtsbücher anbieten. Im unkritischen Fall wird hier das Einzelschicksal heroisiert, die Geschichte bestätigt; im spannenden Fall wird die kollektive Realität der Zeitungen und Geschichtsbücher unvermeidlich kritisch in Frage gestellt. Klassenkonflikte, Rassismus, wirtschaftliche Ausbeutung, oder internationale militärische Auseinandersetzungen bleiben in der wissenschaftlichen Aufarbeitungen weitgehend entindividualisiert; hier ist allenfalls interessant, wer für Entscheidungen Verantwortung trug. Anders im Roman: Mit Charles Dickens ist Kinderarbeit in Arbeitshäusern des 19. Jahrhunderts individuelles Leid. Mit Émile Zola wird die Proletarisierung der Großstädte des 19. Jahrhunderts nacherlebbar. Mit Lew Tolstois Krieg und Frieden (1868/69) werden die militärischen Auseinandersetzungen Russlands für Männer und Frauen private Lebensschicksale. Harriet Beecher-Stowes Uncle Tom’s Cabin; or, Life Among the Lowly (1851–1852) wurde nicht nur der meistverkaufte Roman des 19. Jahrhunderts, er trug gleichzeitig dadurch, dass er der gesellschaftlichen Realität Schicksale und Namen gab, maßgeblich dazu bei, dass die Sklaverei in den Vereinigten Staaten öffentlicher Debattengegenstand wurde. Autorinnen hatten die Romangeschichte von Madeleine de Scudéry über Eliza Haywood bis zu Jane Austen bestimmt. Mit den Romanen George Eliots wurde dagegen die Bildung und die Partizipation der Frau an gesellschaftlichen Prozessen Thema öffentlicher Auseinandersetzungen. Hier schlägt sich vor allem der Stellungswechsel des Romans nieder, der vom curieusen Gegenstand privater Lektüre (mit öffentlicher Brisanz) zum national anerkannten Debattengegenstand wurde, dessen Diskussionsangebote die Literaturkritik wie die Auseinandersetzung in den Medien annahmen.

Der Aufstieg des Romans zum Gegenstand nationaler Auseinandersetzungen schlug sich im 19. Jahrhundert in der Institutionalisierung der Literaturgeschichtsschreibung nieder, die nun der verankerten französischen, englischen und deutschen Nationalliteratur folgte. Romane mit nationalgeschichtlicher Thematik initiierten hier Entwicklungen in den skandinavischen und ost- und südeuropäischen Sprachen.

Zukunft wurde in einem Seitenzweig der Entwicklung ein neues Thema. Die Entwicklung läuft hier von Samuel Maddens satirische Memoirs of the Twentieth Century (1733) über Louis-Sébastien Merciers Fortschrittsutopie L'An 2440 (1771) und Mary Shelleys autobiographischen wie politischen Roman The Last Man (1826) zu den dezidierten Auseinandersetzungen mit aktuellen Entwicklungsprozessen, wie sie Edward Bellamy mit Looking Backward (1887) und H. G. Wells mit The Time Machine (1895) am Ende des 19. Jahrhunderts vorlegten. Die Auseinandersetzungen mit Zukunft gewann mit diesen Büchern neue Qualität: Entwicklungen, Veränderungen, Evolution auf sozialem und kulturellem Gebiet wurde mit ihnen öffentlicher Diskussionsgegenstand und ein Raum populärer Phantasie, der eine eigene kommerzielle Produktion an Science Fiction inspirierte.

Der Roman als Gattung des subjektiven Erlebens, 1760–1960

Goethes Wilhelm Meister in der Ausgabe von 1795

Individualismus hatte den Roman des Mittelalters wie den der frühen Neuzeit bestimmt: In der Regel standen einzelne Helden im Vordergrund. Ob sie als Heldinnen der Antike in Männerkleidern in heidnische Sklaverei gerieten, wie Robinson Crusoe allein auf einer Südseeinsel überleben mussten oder wie Constantin de Renneville am Rande der fiktionalen Durchdringung ihrer Existenz sich der Lebensumgebung der Bastille anpassten: Sie alle erlebten, anders als die Romanhelden des 19. und 20. Jahrhunderts, ihr eigenes Erleben nicht als vollkommen persönlich und unvermittelbar. Das hat sehr verschiedene Gründe.

Mustergültig war bis Mitte des 18. Jahrhunderts das Individuum, das sich in bewusster Conduite über sein öffentliches Renommee definierte und behauptete. Entwicklungen spielten für dieses Individuum keine Rolle, wohl aber Situationsveränderungen, die es klug zu nutzen galt. Der Held, die Heldin, definierten sich über persönliche Stärke gegenüber anderen. Hiervon wichen die satirischen Helden ab, die persönliche Schwächen entwickelten, aus denen der Leser zu lernen hatte und von denen er sich mit Belustigung distanzierte.

Solange der Roman in der Geschichtsschreibung angesiedelt blieb, bestand zudem kaum ein Grund, über persönliche Perspektiven und einen schmerzlichen Bruch zwischen diesen und dem kollektivem Erleben nachzudenken. Die Geschichte war Gegenstand der Vermittlung, für die der Autor mit Schreibkunst zuständig war. Brüche zwischen der eigenen Sicht und der der Umwelt bestimmten vor 1750 nicht den Roman, sondern die religiöse Literatur: die Frauenmystik des Mittelalters und die protestantische spirituelle Autobiographie der frühen Neuzeit.[71]

Vorabzug mit handschriftlichen Notizen von La Recherche Du Temps Perdu: Du côté de chez Swann

Im Moment, als der Roman aus der Geschichtsschreibung ausgegliedert und in das Feld der literarischen Kunst eingegliedert wurde, gewann er einen Entwicklungsspielraum mit der Stilisierung, die nun der Romanautor als der Öffentlichkeit gegenübertretendes Individuum fand. Seine Lebensrealität war zunehmend die der Kunst, die sich vom Leben entfernte, wenn sie es in dieser Entfernung nicht neu und intensiver fand – hier wurde unverzüglich ein Spannungsfeld aufgemacht, das zuvor, abseitiger definiert, für den Poeten bereits seit der Antike bestand. Romane wie Laurence Sternes Sentimental Journey through France and Italy (1768) kosteten das Spiel mit belustigendem, individuellem Leben noch in Anlehnung an satirische Romane des 17. und frühen 18. Jahrhunderts aus. Eine eigene Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem Leben und Erleben kam mit den umliegenden empfindsamen Romanen auf. In der Romantik radikalisierten sich diese Erkundungen des einsamen Erlebens im spektakulären Auskosten der Bedrohungsszenarien von Wahn und Sehnsucht.

Als sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts der Roman der Geschichte und der Gegenwart den aktuellen gesellschaftlichen Anliegen neu stellte, kam ein weiteres Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft hinzu: Das Individuum als Beobachter, der Unabhängigkeit von Vereinnahmungen durch die kollektive Realität sucht, wurde ein neues Thema. Der Weg des Künstlers in eine solche Position blieb ein großes Sujet in diesem Feld mit Bildungsromanen von Goethes Wilhelm Meister (1777–1795) zu Gottfried Kellers Grünem Heinrich (1854, in zweiter Fassung 1879/80). Erkundungen von anderen Beobachtungspositionen kamen mit mehr oder minder fiktionalen Lebensskizzen hinzu, insbesondere von Frauen und in der öffentlichen Berichterstattung vergleichbar randständigen Gruppen, deren Sichtweisen nun gerade als unentdeckt isolierte interessierten.

Der Roman bot sich hier als experimentelle Gattung an, da er zur langen Erzählung ausholte, ohne dass klar war, was eine Erzählung formal definierte, und (anders als das öffentlich inszenierte Drama) seinen Leser selbst im intimen, individuellen Erleben erreichte.

Die Erkundung persönlichen Erlebens revolutionierte hier Schreibweisen des Romans. Die Suche nach einem individuellen, subjektiven Stil stand hier im Vordergrund des Wettbewerbs zwischen den Autoren. Das Experiment mit gänzlich neuen Erzählmustern, die sich wie der stream of consciousness[72] dem Erleben effektiv anglichen, führte bei Autorinnen und Autoren wie Virginia Woolf und James Joyce in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den klarer definierten Experimenten im Verlauf einer kritischen Distanzierung vom Roman des 19. Jahrhunderts und seinen noch deutlich auktorial organisierten Erzählmustern.

Der Roman auf dem Markt globaler Debatten: 20. und 21. Jahrhundert

Berlin, 10. Mai 1933, eine der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen.
Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre und Che Guevara bei einem Treffen in Kuba, 1960
Bekanntgabe des kommenden Literaturnobelpreisträgers Stockholm, 2008

Gattung weltweiter Bedeutung

Kulturpessimisten sahen in den letzten 100 Jahren mehrfach Ende der Literatur für gekommen.[73] Das Fernsehen, das Kino, das Internet, Videospiele verdrängten das gute Buch. In einer größeren Sicht wird man das Gegenteil feststellen. Der Roman floriert auf dem Buchmarkt wie in der öffentlichen Wahrnehmung.

Romane waren unter den ersten Büchern, die Nationalsozialisten in den Bücherverbrennungen 1933 demonstrativ vernichteten. Man verbrannte hier in Schauveranstaltungen einzelne Exemplare.[74] Die Romane, die in privaten Regalen standen, ließen sich allenfalls bei Wohnungsdurchsuchungen erfassen. Der Roman war dabei nicht als Gattung verfolgt: Romane wurden mit den letzten Papierkontingenten gedruckt, die die Nationalsozialisten 1944/45 noch zum Druck freigaben. Während das Reich im Bombardement unterging, sollten die Soldaten an den Fronten, für die allein noch Lesestoff hergestellt wurde,[75] fortfahren, in Heimatromanen von der Liebe zu träumen. Romane wurde von den US-Soldaten in Vietnam gelesen und von der Bewegung gegen den Vietnam Krieg. Hermann Hesse und Carlos Castaneda gehörten hier zum Reisegepäck. Während es schwierig war, innerhalb der Sowjetunion mehr über die sibirischen Konzentrationslager zu erfahren, blieb es einem Roman vorbehalten, die interne wie die Weltöffentlichkeit herzustellen – Alexander Solschenizyns Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch (1962), ihm folgte der narrativ historischer angelegte Archipel Gulag (1973), der dem Grauen am Ende den Namen gab. Die Kundenschicht, der die Medien gerne die Abkehr vom Buch attestierten, sorgte in den letzten Jahren mit dem Absatz der Harry Potter Bände für die größten Bestseller des Jahrhunderts.[76] Die gewichtigste politische Konfrontation der letzten dreißig Jahre, diejenige zwischen dem „freien Westen“ und der „Islamischen Welt“ fand ihre erste Runde mit der weltweiten Verfolgung eines Romans – Salman Rushdies Satanischen Versen (1988). Tatsächlich bot sich der Roman hier wie gar kein anderes Medium der Kulturkonfrontation an.

Privat und gleichzeitig Gegenstand einer pluralistischen Debattenlandschaft

Das Erfolgsrezept des Romans im 20. Jahrhundert liegt zum Teil in seinem antiquierten Trägermedium. Romane zirkulieren in Einzelausgaben als bequemer Lektüregegenstand, mit dem man sich jederzeit in der Öffentlichkeit einen ungestörten Privatraum verschafft. Der Druck kann im politisch brisanten Fall im sicheren Ausland oder in einheimischen Samisdat-Pressen erfolgen. Exemplare können unter der Hand weitergegeben werden. Man erwirbt die Satanischen Verse auf Persisch in obskuren Drucken unter schwarzen einfachen Buchdeckeln, ohne Verlagsangabe und mit Angabe einer offenkundig pseudonymen Übersetzerin. Eine grundsätzlich andere Öffentlichkeit haben Theateraufführungen, Fernsehsendungen, Internetangebote. Der Reiz der Theateraufführung liegt gerade darin, dass man Teil einer von Publikum simultan bezeugten Vorführung wird. Fernsehen und Internet werden ähnlich wie das Buch überwiegend privat konsumiert, bleiben jedoch über Sender und Provider simultane Veranstaltungen von Öffentlichkeit, auf die staatliche Organe zugreifen können. Was Romane anbetrifft, so können Zensurbehörden deren Exemplare, einmal gedruckt, nur noch im privaten Besitz verfolgen. Der Roman selbst bleibt dabei öffentlich. Das Buch ist eine industriell verfertigte Massenware, im Medium der offenbare Beleg dafür, dass es so andere Leser wie einen selbst erreichte. Es bleibt dem Romanleser dabei auf spannende Weise unklar, wer las, was er soeben liest, und sich im brisanten Fall als Leser zu erkennen geben wird.

Brisanz gewinnt der Roman als privates Medium im 20. Jahrhundert vor allem durch die ihm angebotene öffentliche institutionelle Deckung. Sie erfasst die private Lektüre, droht sie zu prägen, kann mit ihr in neue Formen des Streits geraten. Das „literarische Leben“, das die „freien Gesellschaften des Westens“ heute verteidigen mitsamt seinen modernen Institutionen von den städtischen Literaturhäusern, den öffentlich diskutierten Literaturpreisen, den in Buchhandlungen veranstalteten Literaturlesungen, den Buchmessen mit ihrem Presseaufgebot, geht kaum vor das mittlere 19. Jahrhundert zurück. Mit der öffentlichen Würdigung geht seitdem eine Kanondebatte einher, die ihren Niederschlag in den Medien, im Zeitungsfeuilleton,[77] wie im Fernsehen und im Internet findet, und die den Bildungsbetrieb in seiner ganzen Hierarchisierung von den universitären Seminaren bis hinab in den täglichen Schulunterricht berührt, der zur Würdigung von primär nationaler Literatur anleitet.[78] Autoren und Verlage können sich bei der Vermarktung anspruchsvoller Romane der Öffentlichkeit nicht verweigern. Die große Masse der Literaturpreise unterhalb des Nobelpreises für Literatur, die Preise, die mit dem Booker Prize und dem Pulitzer Prize beginnen, schafft Vermarktungsplattformen.[79] In den Medien besprochen zu werden, ist für anspruchsvolle Titel, für Titel, die Anspruch auf öffentliche Würdigung erheben, die zentrale Verkaufsvoraussetzung. Die Literaturwissenschaft und die Literaturkritik nehmen im modernen literarischen Leben nur scheinbar den Rang von Beobachtern ein. Tatsächlich fungieren sie im Zentrum des Austauschs: Sie verteilen öffentliche Beachtung und trennen mit ihrer Aufmerksamkeit die gehobene Literatur von den primär kommerziell vertriebenen Büchern.

Modell literarischer Kommunikation mit Linien des Austauschs zwischen Staat, von ihm angebotenem Schulunterricht, Literaturdebatte, Verlagen, Autoren und Lesepublikum. Die Literaturkritik nimmt hier eine zentrale Stellung ein als sowohl staatlich über die Bildungssysteme gedeckt, als auch in die Medien ausgreifende Instanz.

Was sich das 20. Jahrhundert hier vor allem vom 19. unterscheidet, ist die Rolle der Weltöffentlichkeit, die sich nationalen Öffentlichkeiten gegenüber artikuliert. Im 20. Jahrhundert entwickelt sich eine zunehmende Globalisierung des Romans, welche die Globalisierung der Konflikte (Weltkriege) widerspiegelt. Waren es im 19. Jahrhundert die Staaten Osteuropas, die sich mit der Übernahme des westlichen Literaturbegriffs als Kulturnationen zu bezeichnen begannen und erste Romane in ihren Sprachen vorlegten, so wurde im 20. Jahrhundert die globale Ausbreitung fortgesetzt. Um 1900 wurde das Spektrum der aktuellen Romanproduktion durch südamerikanische und indische Autoren erweitert, worauf arabischsprachige Schriftsteller und ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwarzafrikanische Romanschriftsteller folgten. Postkolonialismus-Studien gelten gegenwärtig der Dezentrierung des Literaturbegriffes, die hier geographisch markant wird.[80] Die Liste der Nobelpreisträger für Literatur dokumentiert, wie sich die Standards westlichen literarischen Lebens im 20. Jahrhundert verbreiteten:[81] Rabindranath Tagore erhielt die Auszeichnung als erster Inder 1913. Der erste Japaner, der den Preis zugesprochen erhielt, war Yasunari Kawabata 1968, der erste Südamerikaner Gabriel García Márquez 1982; der erste Nigerianer Wole Soyinka 1986, der erste Autor arabischer Sprache, Naguib Mahfouz 1988. Der Preisvergabe haftet in aller Regel ein politisches Moment an: der Westen unterstützt verfolgte Autoren und Autoren, die sich in ihrer Heimat zum „Gewissen ihrer Nation“ machen. Orhan Pamuk erhielt den Preis 2006 nicht zuletzt, da er als Autor der Türkei kritisch den Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern ansprach. Mahfouz kritisierte zwar Rushdies Satanische Verse (1988) als „Beleidigung für den Islam“, verteidigte jedoch ihren Autor gegen Chomeinis Todesurteil und bezahlte sein Engagement beinahe mit dem Leben.

Die weltweite Ausbreitung des literarischen Lebens als Teil des internationalen pluralistischen Austauschs geriet im 20. Jahrhundert zur Konfrontation. Das hat stark damit zu tun, dass Roman und die Literatur im Westen im Prozess der Säkularisierung die Bildungssysteme eroberten: Als Teil nationaler Auseinandersetzungen mit Texten, in der das Bibelstudium durch Lektüre der größten Kunstwerke abgelöst wird, die die eigene Nation schuf. Der Roman – vordem allein in der Belletristik beheimatet, eine Produktion aus der Hand primär privater Autoren – bot sich dem staatlichen Unterricht zu maximaler Freiheit der Behandlung an: Man kann Romane beliebig interpretieren, sie textkritisch analysieren, sie kanonisieren. Traditionell in der Theologie beheimatete Formen eines Umgangs mit Texten erfassten damit eine bislang eher säkulare der Moral entzogene Textgattung. In den Buchläden, in Universitätsseminaren, im Schulunterricht des Westens nimmt der Roman effektiv seit der Säkularisation einen Platz ein, den bis dahin religiöse Texten reklamierten. Der Konflikt, der mit der Veröffentlichung von Salman Rushdies Satanischen Versen (1988) entbrannte, verschärfte sich in der Folge sofort als Konflikt globaler Dimension zwischen dem säkularen Westen und dem postsäkularen Islam.[82] Aus westlicher Perspektive ging es darum, Rushdie die Freiheit des Künstlers zuzugestehen,[83] der im Roman, einem Medium subjektiven künstlerischen Ausdrucks, eine subjektive Weltsicht bieten muss.

Die Islamische Republik befand sich im selben Moment in einer misslichen Lage: Wenn sie die Religion als Garant unverletzlicher Wahrheit verteidigt, kann sie nicht gleichzeitig der Kunst das Recht einräumen, alle anderen Diskurse nach belieben relativieren zu dürfen. Das geht im Westen, wo Literaturkritiker jede Provokation auf dem Feld der Kunst entschärfen können, indem sie sie bei Bedarf zu einer reinen Frage des Kunstgeschmacks erklären. Die Kunst ist dabei letztlich nur frei, da sie gleichzeitig beliebig skandalisierbar und beliebig entskandalsiert ist: beliebig bedeutungsvoll, da sie als freie Meinungsäußerung verteidigt wird und beliebig bedeutungslos, da sie als jederzeit als pure subjektive Äußerung interpretiert wird. Die Nationalstaaten des Westens schützen individuelle Freiheiten auf Kosten eines Systems das Jahrhunderte lang die Religion schütze. Der Iran konnte in derselben Konfrontation aufzeigen, dass die westlichen Gesellschaften gegenüber der freien künstlerischen Äußerung eigene neue unfreie Bereiche einrichteten. Mit Holocaustleugnungen, die Zeichen der Freiheit sein sollten, die der Iran Wissenschaftlern gewährt, gelang hier der zweischneidige publizistische Gegenschlag.

Hinter der Ausweitung einer Gesellschaftsform, die mit dem Roman eine eigene Öffentlichkeit der privaten und subjektiven Meinungsäußerung verteidigt, steht ein Buch- und Informationsmarkt mit Medienanbindung, der vor dem 19. Jahrhundert kein Pendant hat.

Der Roman auf dem modernen Buchmarkt
Mengen der Titel, die in Großbritannien 2001 veröffentlicht wurden.
Aufschlüsselung des britischen Buchangebots nach den produzierten Marktwerten in £m für 2008

Gut 20 bis 60 Romane erschienen auf Englisch (die deutschen Zahlen differierten hier nicht) im frühen 18. Jahrhundert, bei einer Gesamtzahl von jährlichen 2.000 Titeln aller Textsorten. 2001 kamen in Großbritannien 119.001 Titel auf den Buchmarkt. Der Roman war mit 11% an diesem Angebot beteiligt. Der Prozentanteil hält sich seit Jahrzehnten stabil, auch wenn sich der gesamte Titelausstoß seit 1986 verdoppelt hat. 5.992 Romane erschienen in Großbritannien 1986, 13.076 waren es 2001.[84] Interessanter als die Titelzahlen ist das quantitative Volumen, die Menge der Bücher, die hier die Druckerpressen verlassen. Wenn wir rechnen, dass Verleger im frühen 18. Jahrhundert bei gutgängiger Ware mit Auflagen von um die 1.000 Exemplaren arbeiteten und lieber mehrfach neu auflegten, als zu viel zu drucken, dann müssten 20.000–60.000 Romane vor 300 Jahren an die englisch- (wie an die deutschsprachige) Kundschaft gegangen sein. Die Auflagenzahlen stiegen gerade in der Belletristik seit dem 18. Jahrhundert. Nach den Nielsen BookScan-Statistiken von 2009[85] brachten britische Verleger 2008 geschätzte 236,8 Millionen Bücher in den Druck. Romane für Erwachsene machten daran mit geschätzten 75,3 Million Büchern 32 Prozent aus. Der Jugend- und Schulbuchbereich, der Bestseller wie Harry Potter umfasst, kam mit 63,4 Millionen Exemplaren, weiteren 27 Prozent, hinzu. Der Gesamtwert der britischen Buchproduktion belief sich 2008 auf um die 1,773 Milliarden Pfund. Die Produktion an Romanen für Erwachsene hatte daran einen Anteil von 454 Millionen Pfund.

Die weltweiten Zahlen differieren mit Größe der nationalen Märkte, die Zahlenverhältnisse dürften in Westeuropa ähnlich liegen.

Das Buchmarketing,[86] das sich mit dieser Produktion herausbildete, optimierte die Kommunikation mit allen Instanzen des modernen literarischen Lebens. Es ist Teil des Geschäftes, dass die Verlage die hohe literarische Produktion mitsamt ersten Diskussionsangeboten auf die Tische der Literaturkritiker kommen lassen. Die Diskussionen entstehen nicht, sie werden vorbereitet, sind Teil des Geschäfts der pluralistischen Gesellschaften.

Die Romanproduktion des 20. Jahrhunderts kann unter dieser Perspektive grob in drei Bereiche eingeteilt werden, die unterschiedlich mit den Diskussionsfeldern umgehen.

  • Mit dem 20. Jahrhundert entwickelte sich eine besondere direkte Kommunikation zwischen Roman und Literaturwissenschaft in Form von Titeln, die sich in die literaturtheoretische Diskussion einmischten.
  • Die Literaturkritik wird zweitens von allen Titeln erreicht, die öffentliche Diskussionen entfachen, und es ist ihre Aufgabe, die Positionierung von Titeln in der Öffentlichkeit kritisch zu hinterfragen.
  • Die Belletristik, die im 18. Jahrhundert ohne öffentliche Debatten auskam, entwickelte sich durch das 19. Jahrhundert fort zu einem Massenmarkt, der weiterhin ohne große öffentliche Thematisierung seine Leser direkt findet.

Die Öffentlichkeit der Literaturgeschichte: Romane, die Literaturtheorie schreiben

Entscheidende Entwicklungen der Techniken des Romans kann man aus der inspirierenden Auseinandersetzung mit konkurrierenden, modernen Medien erklären: Film, Zeitung und Comic entwickelten Einfluss auf den Roman. Schnitt und Montage wurden etablierte Techniken moderner Erzählformen.

Die in der Form experimentellen Romane des 20. Jahrhunderts nahmen im selben Moment gemeinsame Schritte mit der Literaturtheorie, die im 20. Jahrhundert als interdisziplinäre Methodendiskussion die Literaturwissenschaft erfasste. Über die Methodik hatte in der Literaturkritik des 19. Jahrhunderts wenig Streit bestanden: Literatur wurde von Autoren unter dem Einfluss ihrer Epochen geschrieben. Die gesellschaftlichen Bedingungen spiegelten sich in den Werken wider. Man stritt nicht über die Literaturtheorie, sondern darüber, welchem Titel welche Bedeutung im nationalen Kanon zugesprochen wurde.

Die Literaturtheorie des 20. Jahrhunderts vollzog an dieser Stelle eine Bewegung, die mit dem linguistic turn in der philosophischen Erkenntnistheorie einherging: Die Bedeutung eines Textes liegt, so der theoretische Ausgangspunkt, in seiner linguistisch erfassbaren Struktur. Große Kunstwerke bleiben in der Diskussion, da sie komplexere, wenn nicht unerschöpflich komplexe Strukturen aufweisen. Der Leser entschlüsselt und kontextualisiert Texte. Informationen über Autor, Epoche und Werk sind unter dieser Perspektive nicht wirklich Erklärungen des Textes, sondern von der Literaturwissenschaft produzierte Zusatztexte, und die Literaturwissenschaft des 19. Jahrhunderts hatte diese Zusatztexte produziert, ohne sich auch nur um die literarischen Kunstwerke mit Mitteln der Textanalyse zu kümmern. Die Theoriediskussion, die unter den Schlagworten Formalismus (1900–1920), New Criticism (1920–1965), Strukturalismus (1950–1980) und Poststrukturalismus (ab 1980) voranschritt, suchte nach den Aspekten der Kunst, analysierte strukturelle Komplexität und fragte nach den Assoziationen, dank derer sprachliche Bedeutung im Bewusstsein des Lesers entstand. Sie entmachtete den Autor. Für ihn war der Text so sehr Text wie für den Leser, und sie machte sich selbst zur eigentlich angesprochenen Instanz, über die der Text Bedeutung gewann.

Romanautoren reagierten auf dieses Interaktionsangebot mit Texten, die genau das boten: Sprachkompositionen, die sich für den Autor so faszinierend lasen wie für den Leser. James Joyces Ulysses (1922 zensierte Erstveröffentlichung in Paris) kennt keinen übergeordneten Erzähler mehr. Der Erzähltext gerät zu einem Bewusstseinsstrom an Gedanken und Empfindungen. Es ist müßig, zu fragen, was der Autor hier sagen will, wenn der Text, den er produziert, ein Gewebe an textlichem Material der gesamten Literaturgeschichte wird. Der Autor erzeugt hier eher einen Assoziationsraum, als dass er Aussagen zu Politik und Gesellschaft macht.

Alfred Döblin öffnete seine Romane Berlin Alexanderplatz (1929) und Babylonische Wanderung (1934) vergleichbar nicht-literarischem Material, Sätzen aus der Werbung und den Zeitungen. Realität durchdrang hier unvermittelt den fiktionalen Roman.

Autoren der 1960er radikalisierten Konzepte der Erzählung, indem sie diese fragmentierten und Zeit und narrative Sequentialität als Ordnungsformen aufgaben.

Selbstreflexionen der Kunst mit Jacques Derrida als Theoriegeber, postmoderne Ersatzkunst aus Wikimedia Commons

Die Postmoderne[87] knüpfte spielerisch an diese Entwicklungen an mit Romanen, die Brücken in die Trivialliteratur schlugen.[88] Ihr hatte wurde genau dies immer vorgeworfen: nicht originell zu sein, lediglich bestehendes Material neu zusammenzusetzen, und darum minderwertig zu sein. Poststrukturalisten wie Roland Barthes fragten, ob Kreativität überhaupt etwas anderes sein konnte als fortwährende Neukombination vorhandenen sprachlichen Materials.[89] Autoren wie Thomas Pynchon griffen im selben Moment in die Textwelten, aus denen Trivialliteratur und populäre Verschwörungstheorien gemacht wurden, und machten aus ihnen neue Kunst. Das Verhältnis zwischen dem Roman und Literaturtheorie war spannend, da kaum zu erklären ist, was Fiktionalität ist; ein Satz aus einer Zeitung ist genau das, warum wird er Fiktion, wenn er im Roman auftaucht? Was macht eigentlich eine Erzählung aus, wenn man den Erzähler, oder die Chronologie streichen kann? Romanautoren bezogen Fragen aus der Theoriedebatte; sie inspirierten die Literaturtheorie auf der anderen Seite mit Werken, die Fragen dazu aufwarfen, was ein Text eigentlich ist; sie griffen zudem mit eigenen Texten in die Theoriediskussion ein. Raymond Federman formulierte die Theorie dahinter in einer Zusammenführung von fiktionaler Literatur und Literaturkritik unter dem Wort „Critifiction“[90]

Die Diskussion, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Autoren experimenteller Romane und Literaturtheoretikern geführt wurde, fand sich wiederholt als reines Gedankenspiel kritisiert. Die Experimente würden allenfalls Intellektuelle befriedigen. Filmkunst der letzten Jahrzehnte eignete sich die Diskussion dann jedoch vergleichsweise massenwirksam an. Apocalypse Now (1979) macht unvermittelt einen Roman des 19. Jahrhunderts zur Schablone aktueller Zeitkritik und reflektiert dabei die Sicht des Films auf die Realität als filmisch erzeugte, statt als Sicht, die von der Welt ausgeht. Pulp Fiction (1994) inszeniert sich als filmisches Stückwerk aus Groschenheften, Memento (2000) inszeniert eine Erzählung, die in Einzelszenen zerrissen ist, rückwärts neu zusammengesetzt zum Krimi, Matrix (1999–2003) erweist sich in literaturwissenschaftlicher Interpretation als Konglomerat und Stückwerk religiöser, literarischer und bildlicher Textualität. Die Zuschauer konsumierten die virtuellen Welten als funktionierende in Bestätigung der Theorie die bislang vor allem am Roman gebildet wurde.

Die Öffentlichkeit der Weltgeschichte: Romane, die gesellschaftsweite Debatten auslösen

Aleksandr Solzhenitsyn, Wladiwostok, 1995
Paul Auster, Salman Rushdie und Shimon Peres, New York City, 2008
Doris Lessing, Köln, 2006
Kenzaburō Ōe, Köln, 2008

Romane entfalten sich letzten Endes in einer privaten Lektüre – eine Privatsache ist das individuelle Erleben im selben Moment nicht mehr. Man kann in der Folge im Roman des 20. und 21. Jahrhunderts den weitesten Bogen spannen vom individuellen Erleben in die öffentliche Politik und über sie hinaus in primär fiktionale Weltentwürfe.

Persönliche Ängste, Tagträume, halluzinatorische Wahrnehmungen breiten sich im Roman des 20. und 21. Jahrhunderts in Experimenten aus. Was privat geäußert die Offenlegung einer psychotischen Störung wäre, etwa der Bericht Gregor Samsas, der in Franz Kafkas Die Verwandlung als gewaltiges Ungeziefer aufwacht, erhält in der literarischen Fiktion unverzüglich heterogene Bedeutung, die in der öffentlichen Debatte als Metapher, als Bild für die moderne Lebenserfahrung von Instabilität und Verlust persönlicher Konsistenz interpretiert wird. Das Wort Kafkaesk wurde vom Roman auf die Erfahrung übertragen, die seither kollektiven Rang genießt.

Die Generationen des 20. Jahrhunderts fanden ihre eigenen Romane. Deutschlands Veteranen des Ersten Weltkriegs identifizierten sich mit dem Helden von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues (1928) (und ein Jahrzehnt später mit dem protoexistentialistischen faschistischen Gegenentwurf Thor Gootes). Der französische Existentialismus manifestierte sich in Romanen. Weltruhm erlangten Jean Paul Sartres Der Ekel (1938) und Albert Camus' Der Fremde (1942). Den Kalten Krieg überschattete George Orwells 1984 (1949). Die Subkultur der 1960er entdeckte sich in Hermann Hesses Der Steppenwolf (1927) wieder. Ken Keseys Einer flog über das Kuckucksnest, Thomas Pynchons Gravity's Rainbow und Chuck Palahniuks Fight Club (1996) gewannen ähnlich Kultstatus bei den nachfolgenden Generationen (letzterer nicht ohne die Hilfe des Kinofilms, der den Stoff aufnahm).

Den spezifisch auf das männliche Geschlecht ausgerichteten Identifikationsangeboten stehen mit dem 20. Jahrhundert epochale Entwürfe weiblicher Autoren gegenüber: Virginia Woolf, Simone de Beauvoir, Doris Lessing, Elfriede Jelinek machten feministische Geschlechterpolitik. Das Feld ist dabei entschieden komplexer als das einer einfachen Konfrontation. Aneignungen sexistisch männlicher Weiblichkeitsmodelle erweiterten in den letzten Jahren das Spektrum der Optionen. Provokant starke Heldinnen aus der Trivialliteratur erlangten Kultstatus unter weiblichen Lesern.[91]

Die wichtigsten gesellschaftliche Prozesse des 20. Jahrhunderts wurden von und in Romanen reflektiert. Die sexuelle Revolution[92] fand in Romanen ihren Austragungsort. Die Zensur riskierte D. H. Lawrence mit Lady Chatterley’s Lover, in Italien 1928 publiziert in Großbritannien erst 1960 freigegeben. Den gleichwertigen Skandal erzeugte Henry Miller mit Wendekreis des Krebses (1934) in den USA. Von Vladimir Nabokovs Lolita (1955) zu Michel Houellebecqs Elementarteilchen (1998) verläuft hier eine Geschichte der Grenzüberschreitungen, mit denen der Roman die Öffentlichkeit gegenüber der Sexualität neu positionieret. Eine eigene weniger kommentierte Erfolgsgeschichte schrieben an selber Stelle die definitiver pornographischen Romane von Anne Desclos' Die Geschichte der O (1954) zu Anaïs Nins Das Delta der Venus (1978).

Verbrechen und Kriminalität beherrschen den Roman des 20. und 21. Jahrhunderts in einer eigenen Gattung des Kriminalromans. Kriminalität entfaltet sich als Thema in dem Maße, wie aus privater Perspektive die Realität der modernen, hoch organisierten Gesellschaften hinterfragt wird. Der Straftäter steht als Individuum vor Gericht, die Opfer sind in erster Linie privat betroffen. Die Instanz des Detektivs oder Kommissars bildet die Schnittstelle zwischen öffentlicher Institutionalisierung (und Entmachtung, der Kommissar ermittelt, er richtet allenfalls als Privatmann) und privater Gegensicht auf die Realität. Patricia Highsmiths Thriller machten den Krimi zum neuen Ort psychologischer Beobachtung. Paul Austers New York-Trilogie (1985–1986) erschloss das im Ansatz triviale Feld der experimentellen Postmoderne.

Die wichtigsten politischen Kontroversen involvierten Romanautoren des 20. und 21. Jahrhunderts. Günter Grass Die Blechtrommel (1959) und Joseph Hellers Catch-22 (1961) widmeten sich dem 2. Weltkrieg. Der Kalte Krieg bestimmte den modernen Spionageromane. Der politische Aufbruch Lateinamerikas manifestierte sich mit einer Riege lateinamerikanischer Autoren der Avantgarde von Julio Cortázar, Mario Vargas Llosa zu Gabriel García Márquez. Magischer Realismus wurde ein Markenzeichen der von lateinamerikanischen Autoren ausgehenden Auseinandersetzung mit der Realität. Die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 fanden breiten literarischen Niederschlag. Art Spiegelmans In the Shadow of No Towers (2004) ist hier einer der interessantesten Grenzgänge mit den Fragen, denen hier der Autor des graphischen Romans die kollektive Realität der Bilder entgegensetzt.

Jenseits der Realität und ihrer kunstvollen Umformung beginnen die Alternativwelten der Fantasy und der Science-Fiction. Mit der Fantasy verschwimmen zudem die Grenzen zwischen Roman, Rollenspiel und esoterischer Mythenbildung. Im Zentrum dieser Produktion etablierte sich als literarischer Klassiker J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe (1954/55), ein Roman, in dem sich ursprünglich primär jugendliche Leser in einem mythischen Konflikt zwischen archaischen Kulturen der germanischen Vorzeit mit Entlehnungen aus Beowulf und der skandinavischen Edda mit Weltentwürfen der Artusepik identifizieren konnten.

Die Science-Fiction entwickelte gegenüber der Fantasy Spielräume, die mit der Welt ihrer Leser gezielt historisch und räumlich in Verbindung gebracht werden, ohne erreichbar zu werden. Jules Verne schuf die Klassiker der mit Technik und den Wissenschaften spielenden Produktion des 19. Jahrhunderts. Aldous Huxleys Brave New World (1932) und George Orwells 1984 (1949) gestalteten die Perspektiven auf das technisch Machbare zu warnenden politischen Szenarien aus. Stanisław Lem, Isaac Asimov und Arthur C. Clarke wurden die klassischen Autoren einer eher experimentellen Science-Fiction, die die Interaktion von Menschen und Maschinen besonders thematisierte. (Post-)apokalyptische Phantasien kamen mit der Ost-West-Konfrontation und der atomaren Bedrohung in die Gattung. Virtual realities wurden in den letzten Jahren beliebt – das Internet und der kollektive Umgang mit medienvermittelter Erfahrung sorgten hier für neue Themen. William Gibsons Neuromancer (1984) ist heute einer der Klassiker dieses Feldes.

Die Öffentlichkeit des direkten Lektüreangebots: Trivialliteratur

Dan Brown, Bild vom Schutzumschlag eines seiner Bücher

Niedere, aus heutiger Sicht triviale Literatur, hatte es in einer Palette europaweit bekannter Titel seit dem frühen Druck gegeben: Bücher, die man wieder und wieder las und die man kaufte, da sie allgemein bekannt waren. Das Segment umfasste Romane, ohne dass eine klare Trennung zwischen Fiktion und Geschichte dabei stattfand. Das Publikum setzte sich nicht kritisch mit der nationalen Geschichte auseinander, eine Eingrenzung des Fiktionalen blieb ihm uninteressant.

Das gesamte Marktsegment starb Ende des 18. Jahrhunderts aus, als mit dem Erstarken der Nationalstaaten und dem Aufbau eines ihnen gerecht werdenden Bildungssystems die Lektüre von Fiktionen legitimiert und zur gesellschaftsweiten Pflicht erklärt wurde. Das Ziel war die Heranführung des Volkes an wertvolle Fiktionen, das Ergebnis eine Aufspaltung in unterrichtstaugliche Titel und einen Massenmarkt, der unter Verachtung der Kritik seine Kundschaft fand. Die Trivialliteratur, die sich in dieser Umwälzung im 19. Jahrhundert entwickelte, ist aus diesem Grund keine Fortsetzung des alten (in der der Romantik nostalgisch zu Volksbüchern erklärten) Bereichs, sondern weitaus mehr eine Fortsetzung des Feldes eleganter Fiktionalität, das sich seit dem 17. Jahrhundert entwickelt hatte und das bis in die 1780er weitgehend ohne kritische Beachtung verkäuflich war. Besonders deutlich zeigt sich dies in den Genres, die sich in der Trivialliteratur fortsetzen: Sie stammen im Kern mit Liebesromanen, historisch eskapistischen Romanen, Abenteuerromanen und spannenden zeitgeschichtlichen Bezügen, wie sie heute im Spionageroman und im Feld von Verschwörungsgeschichten angeboten werden,[93] aus dem Markt eleganter Bücher, wie er bereits um 1700 bestand. Die Literaturkritik hat wiederholt behauptet, Trivialliteratur sei schlicht ein Recyclingprodukt gesunkener hoher Literatur. Präziser wird man die hohe Literatur als Produkt einer neuen Interaktion mit der Literaturkritik betrachten; die Trivialliteratur setzt ihr gegenüber die alten Marktbeziehungen fort – das zeigt sich auch in der Terminologie: Die belles lettres bezeichneten um 1700 den eleganten internationalen Stil mit Anspruch auf Geschmack. Die großen Werke der Literatur wurden dementsprechend in der Diskussion herausgehoben. Belletristik umfasst in der Folge heute das breite Feld unter Einschluss der Trivialliteratur, ein Feld, aus dem die hohe Literatur von nationalem Rang als Höhenkammliteratur herausragt, wobei die Literaturkritik rückwirkend fortwährend Neuorientierungen vornimmt. Paul Heyse war 1910 deutscher Nobelpreisträger für Literatur, heute tragen seine Titel Aspekte des Trivialen. John Clelands Fanny Hill (1749) wurde von eleganter libertinistischer Romankunst zu Trivialliteratur und verkauft sich nach wie vor unter dieser; man kann sie gleichzeitig als Penguin Classic kommentiert als Beitrag zur Weltliteratur lesen.

Trivialliteratur umfasst historische Namen wie Karl May, Hedwig Courths-Mahler, Raymond Chandler, Margaret Mitchell, Barbara Cartland, Ian Fleming, Johannes Mario Simmel. Der Bereich ist in sich heterogen und bietet heute im gehobenen Segment international gefeierte Bestsellerautoren wie Rosamunde Pilcher, Ken Follett, Stephen King, Patricia Cornwell, Dan Brown und Joanne K. Rowling. Die kollektive, quasi-industrielle Textproduktion sichert über Jahrzehnte die Kontinuität beliebter Serien.

Trivialliteratur des gehobenen Feldes lebt von Berührungen aktueller Debatten. Politische Konfrontationen, Verschwörungen oder Abgründe des Verbrechens sind verbreitete Stoffe. Populäre Autoren geben jederzeit zu, dass sie ihre Themen primär als Garanten von Spannung ausschöpfen.[94] Sie artikulieren Konsens, der gegen Unrecht besteht, und stabilisieren – so die Kritik – das bestehende Verhältnis zwischen Recht und Unrecht. Künstlerische Experimente sind in diesem Marktsegment weitgehend tabu; wenn sie geschehen, dann ohne Absicht.

Heftromane in einem Oldenburger Zeitungsgeschäft, 2009
Zwischen Secondhand-Billigromanen in der Buchhandlung Tuf-Tuf, Antwerpen, 2010

Renommierte Autoren von Trivialliteratur verfügen über eine Stammkundschaft, Fans, die jeden neuen Titel verfolgen. Ein Verhältnis wechselseitiger Treue besteht – so die Verlagswerbung in diesem Segment – zwischen dem Autor und seiner Kundschaft, wobei der Autor Erwartungen erfüllt. Beim Autor hoher Literatur wird in der Regel von der Werbung ein innerer Drang unterstellt, dem der Künstler folgt: Er verarbeitet als Leidender eigenes Erleben.

In den niedrigeren Marktsegmenten wird die Bindung an den bekannten Autor durch Stabilität von Pseudonymen und Serientiteln ersetzt, wie Perry Rhodan, Der Bergdoktor, Captain Future oder Jerry Cotton. Im gesamten Feld schaffen strukturierte Genres (wie Arzt-, Heimat-, Berg-, Abenteuer-, Spionage, Liebes-, Kriminalroman) Klarheit über die zu erwartende Lektüre.

Der große Umsatz wird dabei mit den Liebesromanen gemacht. Für die USA gibt der Verband der Romance Writers of America für das eigene Geschäftsfeld werbend Auskunft: Mit einem jährlichen Umsatz von 1,375 Milliarden Dollar 2007 sind Liebesromane in den USA das interessanteste Marktsegment. Religiöse und erbauliche Literatur folgt mit 819 Millionen, Science-Fiction und Fantasy mit 700 Millionen, Mystery mit 650 Millionen Dollar. Auf Platz 5 folgt der Bereich der Höhenkammliteratur mit einem Umsatz von geschätzten 466 Millionen Dollar.[95]

Der Bereich der Liebesromane kann selbst nach Genres untergliedert werden, die Anteile verteilen sich hier nach Angaben der Romance Writers of America wie folgt:

  • Serienromane mit aktuellen Sujets: 25,7 %
  • Liebesromane mit aktuellen Sujets: 21,8 %
  • Historisch situierte Liebesromane: 16 %
  • Übersinnliche Geschichten: 11,8 %
  • Romantic suspense – Spannungsorientierte Liebesromane: 7,2 %
  • Inspirational romance – offen weltanschaulich und religiös orientierte Liebensromane: 7,1 %
  • Romantic suspense in Serien: 4,7 %
  • Andere (insbesondere Chick lit, sexuell aufgeladene Liebesromane für Frauen etc.): 2,9 %
  • Liebesromane für junge Erwachsene: 2,8 %

Die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem trivialen Markt ist traditionell dürftig. Trivialliteratur ist der Bereich, dem sich die Literaturwissenschaft höchstens dann zuwendet, um klarzustellen, was diskutierenswerte Literatur dagegen auszeichnet. Die Positionen divergieren hier zwischen „Verdammung des verdummenden Schunds“ als konservative Lesart und politisch kritischer Analyse der systemstabilisierenden Funktion auf linker Seite. Postmoderne Erkundungen zeigten sich in den letzten Jahren gegenüber beiden Lesarten fasziniert von der Macht dieses Marktfeldes, kollektive Phantasien zu gestalten, Kult zu generieren, wenn schon nicht Kultur. Genre-Crossovers zwischen Trivialliteratur und Film und die Emanzipation einer anglophonen Kulturwissenschaft sorgten hier für neues Interesse. Das hat auch historische Gründe: Die strenge Trennung zwischen anspruchsvoller und trivialer Literatur fand in den kontinentaleuropäischen Nationen früher und massiver statt als im angelsächsischen Sprachraum; sie verbietet in der Folge noch immer deutschen und französischen Kulturkritikern eindeutige Würdigungen des Trivialen und damit Auflösungen der vor allem durch Rezensionen bzw. Literaturkritiken aufrechterhaltenen Marktdifferenzierung.

Gattungen und Genres des Romans

Siehe auch

Literatur

Historische Quellen zum Roman (bis 1900)

  • 1651: Paul Scarron, The Comical Romance, Chapter XXI. „Which perhaps will not be found very Entertaining“ (London, 1700). Aufruf an Frankreichs Autoren, statt großer Romane kurze exemplarische Geschichten zu schreiben, wie sie die Spanier als „Novels“ propagieren. Marteau
  • 1670: Pierre Daniel Huet, „Traitté de l’origine des romans“, Vorrede zu Marie-Madeleine Pioche de La Vergne comtesse de La Fayette, Zayde, histoire espagnole (Paris, 1670). Weltgeschichte des Romans und des Fiktionalen überhaupt. pdf-edition Gallica France
  • 1683: [Du Sieur,] „Sentimens sur l’histoire“ aus: Sentimens sur les lettres et sur l’histoire, avec des scruples sur le stile (Paris: C. Blageart, 1680). Würdigt die Romane der LaFayette als Romane im neuen Stil kurzer exemplarischer Erzählungen. Marteau
  • 1702: Abbe Bellegarde, „Lettre à une Dame de la Cour, qui lui avoit demandé quelques Reflexions sur l’Histoire“ aus: Lettres curieuses de littérature et de morale (La Haye: Adrian Moetjens, 1702). Paraphrase des Textes Du Sieurs nun mit knapperer Debatte der Vorteile der exemplarischen Geschichten gegenüber den langen Romanen. Marteau
  • 1705/ 1708/ 1712: [Anon.] Auf Englisch, Französisch und Deutsch das Vorwort zur Secret History of Queen Zarah and the Zarazians (Albigion, 1705) bietet Bellegarde’s Artikel plagiiert. Marteau
  • 1713: Deutsche Acta Eruditorum, Rezension der französischen Übersetzung von Delarivier Manleys New Atalantis 1709 (Leipzig: J. L. Gleditsch, 1713). Debatte eines politischen Skandalromans in einer Literaturzeitschrift. Marteau
  • 1715: Jane Barker, Vorrede zu Exilius of the Banish’d Roman. A New Romance (London: E. Curll, 1715). Aufruf „Romances“ nach dem Muster des Telmach, statt der modernen novels zu schreiben. Marteau
  • 1718: [Johann Friedrich Riederer,] „Satyra von den Liebes-Romanen“, aus: Die abentheuerliche Welt in einer Pickelheerings-Kappe, 2 ([Nürnberg,] 1718). Satire über die in allen Schichten der Bevölkerung umsichgreifenden Romanlektüre Marteau
  • 1742: Henry Fielding, Vorrede zu Joseph Andrews (London, 1742). Poetologie des „comic epic in prose“ Munseys
  • 1774: Christian Friedrich von Blankenburg, Versuch uber den Roman (Leipzig/ Liegnitz: D. S. Wittwe, 1774).
  • 1819: Carl Nicolai, Versuch einer Theorie des Romans (Quedlinburg, 1819)
  • 1876: Erwin Rohde, Der Griechische Roman und seine Vorläufer (1876).
  • 1883: Friedrich Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans (Leipzig: Staackmann, 1883). Nachdruck, mit einem Nachwort von Hellmuth Himmel (Göttingen: Vandenhoeck, Ruprecht, 1967).

Aktuelle Forschung

Siehe Roman/Sekundärliteratur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Roman – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellenangaben

  1. Ian Reid: The Short Story. Methuen, London 1977. S. 25.
  2. Siehe Georg Lukács: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik [verfasst 1914–1916] (Berlin: Cassirer, 1920).
  3. Die erste Bildsequenz, die Snoopy, den Helden des Comics von Charles M. Schulz, beim Tippen des ersten Satzes auf dem Dach seiner Hundehütte zeigt, wurde am 12. Juli 1965 veröffentlicht. In der Buchveröffentlichung, die dem Geschehen unter dem Titel Snoopy and It Was A Dark And Stormy Night (Holt, Rinehart & Winston, 1971) nachging, findet sich der komplette Roman wie folgt. (Die aktuellen Ausgaben Ravette Publishing, 2006, ISBN 1-84161-245-6 bieten diesen Text nicht mehr, die 1988 ausgestrahlte TV-Version ist jedoch auf youtube abrufbar.) In lizenzfreier deutscher Übersetzung:

    „Es war eine finstere und stürmische Nacht“

    Von Snoopy: Teil I

    Den englischen Text samt dem Strip von 1965 bietet der Parallelartikel der englischsprachigen Wikipedia.
  4. Ein breites Spektrum der Situationen, in denen in der frühen Neuzeit Romane gelesen wurden, gibt [Johann Friedrich Riederer,] Satyra von den Liebes-Romanen, in: Die abentheuerliche Welt in einer Pickelheerings-Kappe, 2 ([Nürnberg,] 1718). Satire über die in allen Schichten der Bevölkerung um sich greifenden Romanlektüre Marteau.
  5. Pierre Daniel Huet geht in der Gattungsbestimmung zu Beginn seines Traitté de l’origine des romans, erstveröffentlicht in Marie de LaFayette, Zayde (Paris, 1670), breit mit allen strittigen Diskussionspunkten um, um dann ohne Kontroverse als inhaltliches Kriterium die zentrale Liebesgeschichte zu benennen. Huet übersieht dabei den satirischen Roman, vermutlich, da er ihn eher als Satire auf den Roman auffasst, den er definieren will, denn selbst als Roman.
  6. Die letzte war The Improvement of Human Reason, exhibited in the life of Hai Ebn Yokdhan: written in Arabick above 500 Years ago, by Abu Jaafar Ebn Tophail […] newly translated from the original Arabick, by Simon Ockley (London: W. Bray, 1711).
  7. Siehe zum Roman der Antike als Überblicke: Niklas Holzberg, Der antike Roman: eine Einführung 3. Aufl. (Darmstadt: Wiss. Buchges., 2006), John Robert Morgan, Richard Stoneman, Greek fiction: the Greek novel in context (Routledge, 1994), Gareth L. Schmeling (hrsg.), The Novel in the Ancient World (Leiden/Boston: Brill, 1996) sowie Tim Whitmarsh (hrsg.) The Cambridge companion to the Greek and Roman novel (Cambridge: UP, 2008).
  8. Der Einfluss, den Homer und Vergil auf den Roman hatten, ist auf der anderen Seite offensichtlich. Fénelons Telamach (1699/1700), der Roman, der als erster breite Anerkennung unter Europas Kunstkennern fand, erschien als Fortsetzung der Odysee und der Æneid. Zeitgleich erschienen Anne Daciers Prosaübersetzungen Homers, die ersten Ausgaben, die von Liebhabern mit einem historischen Interesse an der Erfindung und der Kompositionskunst Homers gelesen wurden – in Prosa, wie Romane, ediert.
  9. Zum spätantiken griechischen Roman und seinem Einfluss siehe: Georges Molinié, Du roman grec au roman baroque. Un art majeur du genre narratif en France sous Louis XIII (Toulouse, Presses universitaires du Mirail, 1995).
  10. Die Strukturanalyse geht auf Hugo Kuhn zurück; siehe seine Ausführungen zum Erec von 1948 in seinem Buch Dichtung und Welt im Mittelalter (Stuttgart, 1959). S. 133–150, siehe ebenso: Hans Fromm: Doppelweg, in: Werk-Typ-Situation, hg. von Ingeborg Glier u.a. Festschrift Hugo Kuhn (Stuttgart 1969), S. 64–79. Die Strukturanalyse fand in den letzten Jahren Kritik mit Elisabeth Schmid, „Weg mit dem Doppelweg. Wider eine Selbstverständlichkeit der germanistischen Artusforschung“, in: Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, hg. v. Friedrich Wolfzettel (Tübingen, 1999), S. 69–85 und in Friedrich Wolfzettel: Doppelweg und Biographie in: Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, hg. v. Friedrich Wolfzettel (Tübingen, 1999), S. 119–141.
  11. Rasch griff die Prosa in der Lektüre um sich, die sich mit dem kommerziellen Handschriftenmarkt im 14. Jahrhundert verbreitete. Marienleben und Heiligenlegenden, wie sie insbesondere vom weiblichen Publikum in den Städten geschätzt wurden, verwendeten Prosa und bereiteten auf den Markt der Unterhaltungsprosa vor. Siehe auch: Jessica Brantley, Reading in the Wilderness: Private Devotion and Public Performance in Late Medieval England (University of Chicago Press, 2007).
  12. Die Handschrift, in der das altenglische Beowulf-Epos überliefert ist, stammt aus den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts.
  13. Die bedeutendste mittelhochdeutsche Liederhandschrift, der Codex Manesse, weist als Auftragswerk diese bürgerliche Herkunft auf.
  14. Typisch etwa in Witzen von der Art „Ein deutscher, ein Amerikaner und ein Pole reisen zusammen…“
  15. Siehe zur Handhabung des 'Autors' und der 'Erzähler' in den Canterbury Tales George Kane: The Autobiographical Fallacy in Chaucer and Langland Studies. In: Chambers Memorial Lecture (London: HK Lewis, 1965) und David Lawton: Chaucer’s Narrators (Woodbridge, Eng., Dover, NH, 1985).
  16. Vergleiche hierzu die beiden anonymen Traktate Raisonement über die Historie und deren Gebrauch. Nebst der Historie des Augusti aus dem Italiänischen (1707), Herzog August Bibliothek Signatur: 255.(1) und Raisonnement über die Romanen (1708) Staatsbibliothek München Signatur: L. eleg. m. 435; Beibd. 2.
  17. Ausführlich zu ihr: Markus Völkel: Pyrrhonismus historicus und Fides historica (Frankfurt: Lang, 1987).
  18. Zur Entwicklung des Lesepublikums in der frühen Neuzeit siehe Guglielmo Cavallo/ Roger Chartier, A History of Reading in the West, übers. Lydia G. Cochrane (University of Massachusetts Press, 2003) und Jennifer Andersen/ Elizabeth Sauer, Books and Readers in Early Modern England: Material Studies (University of Pennsylvania Press, 2001).
  19. Siehe mit dem europäischen Marktüberblick Hilkert Weddige, Die „Historien vom Amadis auss Franckreich“: Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption (Wiesbaden: Steiner, 1975).
  20. Zum Publikum der Volksbücher siehe Margaret Spufford, Small Books and Pleasant Histories: Popular Fiction and its Readership in Seventeenth Century England (Athens, Ga., 1982) sowie mit zeitgenössischer Perspektive Johann Friedrich Riederers Satyra von den Liebes-Romanen, in: Die abentheuerliche Welt in einer Pickelheerings-Kappe, vol. 2 ([Nürnberg,] 1718). online Edition
  21. Thomas Borgstedt, Reichsidee und Liebesethik. Eine Rekonstruktion des Lohensteinschen Arminiusromans (Niemeyer, Tübingen 1992).
  22. Stephan Kraft, Geschlossenheit und Offenheit der Römischen Octavia von Herzog Anton Ulrich (Würzburg, 2004).
  23. Grundlegend hier: Volker Meid, Der deutsche Barockroman (Stuttgart: Metzler, 1974).
  24. Siehe Herbert Singer, Der galante Roman (Stuttgart: Metzler, 1961), Thomas Borgstedt/ Andreas Solbach, Der galante Diskurs: Kommunikationsideal und Epochenschwelle (Dresden: Thelem, 2001), Olaf Simons, „Zum Corpus ‚galanter‘ Romane zwischen Bohse und Schnabel, Talander und Gisander“ - in: Günter Dammann (Hrsg.), Das Werk Johann Gottfried Schnabels und die Romane und Diskurse des frühen 18. Jahrhunderts (Tübingen: Niemeyer, 2004) und Florian Gelzer, Konversation, Galanterie und Abenteuer. Romaneskes Erzählen zwischen Thomasius und Wieland (Tübingen: Niemeyer, 2007).
  25. Siehe zum folgenden auch Günter Berger: Der komisch-satirische Roman und seine Leser. Poetik, Funktion und Rezeption einer niederen Gattung im Frankreich des 17. Jahrhunderts (Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1984), Ellen Turner Gutiérrez: The reception of the picaresque in the French, English, and German traditions (P. Lang, 1995) und Frank Palmeri: Satire, History, Novel: Narrative Forms, 1665–1815 (University of Delaware Press, 2003).
  26. Eine französische Vorlage ließ sich nicht nachweisen: The French rogue. Being a pleasant history of his life and fortune, adorned with variety of other adventures of no less rarity (London: Samuel Lowndes, 1672).
  27. , zuweilen Jean Abbé Olivier zugeschrieben (L'Infortuné Napolitain, ou les avantures du Seigneur Rozelli; 1708. deutsch: Der unglückseelige Neapolitaner, oder das wunderbahre Leben des Seigneur Roselli, Hamburg, T. v. Wierings Erben, Frankfurt/ Leipzig: Z. Hertel, 1710).
  28. Zum Siegeszug der Novellistik oder des dezifdiert kurzen Romans siehe: René Godenne, „L'association 'nouvelle – petit roman' entre 1650 et 1750“, CAIEF, n°18, 1966, S.67–78, Roger Guichemerre, „La crise du roman et l'épanouissement de la nouvelle (1660–1690)“, Cahiers de l'U.E.R. Froissart, n°3, 1978, S.101–106, Ellen J. Hunter-Chapco, Theory and practice of the “petit roman” in France (1656–1683): Segrais, Du Plaisir, Madame de Lafayette (University of Regina, 1978), die zwei Bände von La Nouvelle de langue française aux frontières des autres genres, du Moyen-Âge à nos jours, vol. 1 (Ottignies, 1997), vol. 2 (Louvain, 2001), Olaf Simons, Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde (Amsterdam, 2001), S.466–482, S.599–606, Camille Esmein's Poétiques du roman. Scudéry, Huet, Du Plaisir et autres textes théoriques et critiques du XVIIe siècle sur le genre romanesque (Paris, 2004).
  29. Siehe Robert Ignatius Letellier: The English novel, 1660–1700; an annotated bibliography (Greenwood Publishing Group, 1997).
  30. Siehe [Du Sieur,] „Sentimens sur l’histoire“ aus: Sentimens sur les lettres et sur l’histoire, avec des scruples sur le stile (Paris: C. Blageart, 1680) Marteau zu den Errungenschaften novellistischen Romans.
  31. Siehe zm Umgang mit romanhaftem Heldentum auch: Camille Esmein, „Construction et démolition du 'héros de roman' au XVIIe siècle“, La fabrique du personnage herausgegeben von Françoise Lavocat, Claude Murcia, Régis Salado (Paris: Honoré Champion éditeur, 2007).
  32. Siehe das 21. Kapitel von Paul Scarron, Roman Comique, „das wahrscheinlich niemand unterhaltsam finden wird“
  33. Siehe etwa Niels Werber: Liebe als Roman. Zur Koevolution intimer und literarischer Kommunikation (München, Fink, 2003) mit dem eingehenderen Versuch einer Gattungsgeschichte mit dieser Linie.
  34. Siehe etwa Pierre Bayles Verteidigung der Romane gegenüber Gottlieb Stolle, der die Konversation später zusammenfasste – hierzu: Martin Mulsow, “Pierre Bayles Beziehungen nach Deutschland. Mit einem Anhang: ein unveröffentlichtes Gespräch von Bayle”, Aufklärung 16 (2004), 233–242. online Edition der Reisenotizen Stolle
  35. Siehe etwa sein Dom Carlos, nouvelle histoire (Amsterdam, 1672). Die letzte Untersuchung der Grenzgänge bietet: Chantal Carasco, Saint-Réal, romancier de l'histoire: une cohérence esthéthique et morale [Diss.] (Nantes, 2005).
  36. Jean Lombard, Courtilz de Sandras et la crise du roman à la fin du Grand Siècle (Paris: PUF, 1980).
  37. Schema nach Olaf Simons, Marteaus Europa (Amsterdam, 2001), S. 194.
  38. Prominent hier Delarivier Manleys Bericht davon, wie sie in den Verhören mit Verweisen auf ihren „Roman“ auftrat in ihren Memoires Adventures of Rivella (London: E. Curl, 1714), S.114. Marteau
  39. Die komplette Vorrede lässt sich im Originalwortlaut auf der nebenstehenden ersten Seite der Zeitungsausgabe von 1719 nachlesen.
  40. Eine sehr frühe Arbeit zum Einfluss französischer dubioser Berichte auf Defoe ist: Wilhelm Füger, Die Entstehung des historischen Romans aus der fiktiven Biographie in Frankreich und England, unter besonderer Berücksichtigung von Courtilz de Sandras und Daniel Defoe (München, 1963).
  41. Ian Watt propagierte diese These in The Rise of the Novel (London, 1957)
  42. Eingehender dazu Wyatt James Dowling, Science, Robinson Crusoe, and judgment: A commentary on Book III of Rousseau's Emile [Boston College Dissertation] (2007). Online Ausgabe.
  43. Die Zahlenwerte sind mit dem English Short Title Catalogue und der Klassifikation fiction erhoben. Die Einordnung ist arbiträr, die Tendenz jedoch davon unbetroffen. Erzählungen „literischen“ Anspruchs wird es in etwas größerer Zahl gegeben haben. Daten zu Olaf Simons, Marteaus Europa (Amsterdam, 2001).
  44. Ian Watt's, The Rise of the Novel: Studies in Defoe, Richardson and Fielding (London, 1957) inspirierte mehrere Folgepublikationen, namhaft wurden: John J. Richetti, Popular Fiction before Richardson. Narrative Patterns 1700–1739 (1969), Lennard J. Davis, Factual Fictions: The Origins of the English Novel (New York: Columbia University Press, 1983), J. Paul Hunter, Before Novels: The Cultural Contexts of Eighteenth-Century English Fiction (New York: Norton, 1990), Margaret Anne Doody, The True Story of the Novel (New Brunswick, N.J.: Rutgers University Press, 1996) und die Einzelbände die die Zeitschrift Eighteenth Century Fiction unter das Thema Reconsidering The Rise of the Novel stellte (der erste dieser Bände erschien Januar-April 2000, der zweite soll 2009 herauskommen). Die Erforschung der Romane Aphra Behns, Delarivier Manleys und Eliza Haywoods trug seit den 1970ern entscheidend dazu bei, den Blick auf die Autorinnen zu lenken, die vor Defoe einen Aufstieg der Gattung im Englischen bewerkstelligten. Wichtige Arbeiten und Texteditionen stammen hier von Patricia Köster, Ros Ballaster, Janet Todd und Patrick Spedding. Eine zusammenfassende Studie ist Josephine Donovan, Women and the Rise of the Novel, 1405–1726, überarbeitete Ausgabe (Palgrave Macmillan, 2000).
  45. Statistiken zum niederländischen und französischen Markt bietet Inger Leemans Het woord is aan de onderkant: radicale ideeën in Nederlandse pornografische romans 1670–1700 (Nijmegen, Vantilt, 2002), S.359–364, ISBN 90-75697-89-9. Zum deutschen und englischen Markt des frühen 18. Jahrhunderts siehe: [1]
  46. Siehe dazu Christiane Berkvens-Stevelinck, H. Bots, P. G. Hoftijzer (eds.): Le Magasin de L'univers: The Dutch Republic as the Centre of the European Book Trade: Papers Presented at the International Colloquium, Held at Wassenaar, 5–7 July 1990 (Leiden/ Boston, MA, Brill, 1992).
  47. Siehe George Ernst Reinwalds Academien- und Studenten-Spiegel (Berlin: J. A. Rüdiger, 1720), S.424–427 und die Romane die von „Autoren“ wie Celander, Sarcander, und Adamantes Anfang des 18. Jahrhunderts veröffentlicht werden.
  48. Siehe die Entertainments of Gallantry: or Remedies for Love. Familiarly discours'd, by a society of persons of quality (London: J. Morphew, 1712) S.74–77.
  49. Explizite Verneinungen der Kunst finden sich insbesondere in den Vorreden studentischer wie privater Londoner Romane, die anonymen Autoren sind sich dabei einig, dass sie nur zur eigenen Zufriedenheit schreiben, Nonchalance ist hier ein Markenzeichen der Galanten conduite.
  50. Siehe: Hugh Barr Nisbet, Claude Rawson (eds.), The Cambridge history of literary criticism, vol. IV (Cambridge: UP, 1997) und Ernst Weber, Texte zur Romantheorie: (1626–1781), 2 Bde. (München: Fink, 1974/ 1981) sowie die einzelnen Bände von Dennis Poupard (et. al.), Literature Criticism from 1400 to 1800: Critical Discussion of the Works of Fifteenth-, Sixteenth-, Seventeenth-, and Eighteenth-Century Novelists, Poets, Playwrights, Philosophers, and Other Creative Writers (Detroit, Mich.: Gale Research Co, 1984 ff.).
  51. Der gegenwärtig noch immer zentrale Bezugspunkt in der Diskussion um die Öffentlichkeit der Aufklärung ist Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Neuwied, 1962). An den epochalen Einordnungen der Entwicklungen wie am Vergleich europäischer Situationen wurde in den letzten Jahren allerdings erhebliche Kritik geübt.
  52. Siehe Benjamin Wedels Rückblick auf Hunolds Verhandlungen mit Gottfried Liebernickel, seinem ersten Verleger und Wedels damaligen Vorgesetzten in [Benjamin Wedel,] Geheime Nachrichten und Briefe von Herrn Menantes Leben und Schriften (Cöln: Oelscher, 1731, Reprint: Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1977).
  53. Zu den vorempfindsamen Spielregeln: Olaf Simons, Marteaus Europa, oder Der Roman, bevor er Literatur wurde (Amsterdam, 2001), S.200–207 und S.259–290.
  54. Siehe zum taktischen Repertoire, das sich hier im Umbruch befindet: Vera Lee, Love and strategy in the eighteenth-century French novel (Schenkman Books, 1986) und Anton Kirchhofer, Strategie und Wahrheit: Zum Einsatz von Wissen über Leidenschaften und Geschlecht im Roman der englischen Empfindsamkeit (München: Fink, 1995). online Edition
  55. Siehe zum Aufstieg pornographischer Romane: Robert Darnton, The Forbidden Best-Sellers of Pre-Revolutionary France (New York: Norton, 1995), Lynn Hunt, The Invention of Pornography: Obscenity and the Origins of Modernity, 1500–1800 (New York: Zone, 1996), Inger Leemans, Het woord is aan de onderkant: radicale ideeën in Nederlandse pornografische romans 1670–1700 (Nijmegen: Vantilt, 2002) und Lisa Z. Sigel, Governing Pleasures: Pornography and Social Change in England, 1815–1914 (January: Scholarly Book Services Inc, 2002).
  56. Zur Vorgeschichte des philosophischen Romans im 17. Jahrhundert siehe das Kapitel The Spinozistic Novel in French, in Jonathan Irvine Israel, Radical Enlightenment: Philosophy and the Making of Modernity 1650–1750 (Oxford UP, 2002), S.591–599. Grundlegende Studien zum französischen philosophischen Roman des späten 18. Jahrhundert sind: Roger Pearson, The fables of reason: a study of Voltaire's 'Contes philosophiques' (Oxford UP, 1993), Dena Goodman, Criticism in action: Enlightenment experiments in political writing (Cornell UP, 1989), Robert Francis O'Reilly: The Artistry of Montesquieu's Narrative Tales (University of Wisconsin., 1967), René Pomeau, Jean Ehrard: De Fénelon à Voltaire (Flammarion, 1998).
  57. Thomas Morus, Utopia: or the happy republic; a philosophical romance (1743).
  58. Siehe zum folgenden auch den Artikel Literatur. Das folgende knapp nach Olaf Simons, Marteaus Europa, oder Der Roman, bevor er Literatur wurde (Amsterdam/ Atlanta: Rodopi, 2001), S.85–95, S.116–193. Aktuell und mit besonderem Interesse an der Frühgeschichte der Entwicklung: Lee Morissey's, The Constitution of Literature. Literacy, Democracy, and Early English Literary Criticism (Stanford UP, 2008). Das begriffsgeschichtliche Problem erfasste: Rainer Rosenberg, „Eine verworrene Geschichte. Vorüberlegungen zu einer Biographie des Literaturbegriffs“, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 77 (1990), S.36–65. Einen besonderen Blick auf die belles lettres wirft Richard Terry in „The Eighteenth-Century Invention of English Literature: A Truism Revisited“, Journal for Eighteenth Century Studies, 19.1 (1996), S.47–62.
  59. Siehe John Guillory: Cultural Capital. The Problem of Literary Canon Formation (University of Chicago Press, 1993) und Mihály Szegedy-Maszák: Literary Canons. National and International (Akadémiai Kiadó, 2001).
  60. Siehe Peter Uwe Hohendahl, Building a National Literature: The Case of Germany, 1830–1870 übers. Renate Franciscono (Cornell University Press, 1989) und Jürgen Fohrmann's Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte (Stuttgart, 1989).
  61. Siehe Richard Altick/ Jonathan Rose, The English Common Reader: A Social History of the Mass Reading Public, 1800–1900, 2nd ed. (Ohio State University Press, 1998) und William St. Clair, The Reading Nation in the Romantic Period (Cambridge: CUP, 2004).
  62. Siehe: Ian Hunter, Culture and Government. The Emergence of Literary Education (Basingstoke, 1988).
  63. Hippolyte Taine Histoire de la littérature anglaise (1863, englisch: 1864) bot gleichzeitig den einleitenden Rückblick auf die Etablierung des neuen Debattengegenstands: „HISTORY, within a hundred years in Germany, and within sixty years in France, has undergone a transformation owing to a study of literatures.| The discovery has been made that a literary work is not a mere play of the imagination, the isolated caprice of an excited brain, but a transcript of contemporary manners and customs and the sign of a particular state of intellect. The conclusion derived from this is that, through literary monuments, we can retrace the way in which men felt and thought many centuries ago. This method has been tried and found successful.| We have meditated over these ways of feeling and thinking and have accepted them as facts of prime significance. We have found that they were dependent on most important events, that they explain these, and that these explain them, and that henceforth it was necessary to give them their place in history, and one of the highest.” online Edition
  64. Siehe zur englischen Romankritik: Edwin M. Eigner, George John Worth (hrsg.), Victorian criticism of the novel (Cambridge: CUP Archive, 1985).
  65. Siehe Mark Rose, Authors and Owners: The Invention of Copyright 3rd ed. (Harvard University Press, 1993) und Joseph Lowenstein, The Author's Due: Printing and the Prehistory of Copyright (University of Chicago Press, 2002) sowie, mit besonderem Blick auf Interessen der Zensur: Lyman Ray Patterson, Copyright in Historical Perspective (Vanderbilt University Press, 1968).
  66. Siehe Susan Esmann: Die Autorenlesung – eine Form der Literaturvermittlung. In: Kritische Ausgabe 1/2007 PDF; 0,8 MB.
  67. Siehe Gene H. Bell-Villada, Art for Art's Sake & Literary Life: How Politics and Markets Helped Shape the Ideology & Culture of Aestheticism, 1790–1990 (University of Nebraska Press, 1996).
  68. Siehe zum Roman der Romantik: Gerald Ernest Paul Gillespie, Manfred Engel, Bernard Dieterle, Romantic prose fiction (John Benjamins Publishing Company, 2008).
  69. Siehe Alan Richardson, Literature, education, and romanticism: reading as social practice, 1780–1832 (Cambridge University Press, 1994).
  70. Mit generellen Gedanken über den Einsat des Grotesken: Geoffrey Galt Harpham, On the Grotesque: Strategies of Contradiction in Art and Literature, 2nd ed. (Davies Group, Publishers, 2006).
  71. Siehe D. Bruce Hindmarsh, The Evangelical Conversion Narrative: Spiritual Autobiography in Early Modern England (Oxford University Press, 2005) und Owen C. Watkins, The Puritan Experience: Studies in Spiritual Autobiography (Routledge & K. Paul, 1972).
  72. Der Begriff wurde von William James 1890 zum Einfluss der neuen Technik eingeführt: Erwin R. Steinberg (hrsg.) The Stream-of-consciousness technique in the modern novel (Port Washington, N.Y: Kennikat Press, 1979) außerhalb Europas: Elly Hagenaar/ Eide, Elisabeth, „Stream of consciousness and free indirect discourse in modern Chinese literature“, Bulletin of the School of Oriental and African Studies, 56 (1993), S.621 and P. M. Nayak (hrsg.), The voyage inward: stream of consciousness in Indian English fiction (New Delhi: Bahri Publications, 1999).
  73. Siehe John Barth: The Literature of Exhaustion (1967) oder, neueren Datums, Alvin Kernan: The Death of Literature (Yale University Press, 1990).
  74. Jan-Pieter Barbian, Literaturpolitik im „Dritten Reich“. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder (Stuttgart: dtv, 1995).
  75. Siehe zur Buchhandelspolitik der letzten Jahre des Dritten Reichs die Kapitel in dem von Saul Friedländer, Norbert Frei, Trutz Rendtorff und Reinhard Wittmann herausgegebenen Kommissionsbericht Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002). Siehe zum Frontbuchhandel: Hans-Eugen und Edelgard Bühler, Der Frontbuchhandel 1939–1945. Organisationen, Kompetenzen, Verlage, Bücher (Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 2002), sowie zum Geflecht zwischen Behörden, Wehrmacht und Verlagen: Hans-Eugen Bühler und Olaf Simons, Die Blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004).
  76. Im Juni 2008 lagen die Harry Potter Bände angeblich bei über 400 Millionen Exemplaren in 67 Sprachen. Siehe www.guardian.co.uk, abgerufen am 17. Oktober 2008.
  77. Siehe Günther Petersen, Feuilleton und öffentliche Meinung: Zur Theorie einer Literaturgattung im Kontext mit ihrem Resonanzfeld (Verlag für Deutsche Wirtschaftsbiographien H. Flieger, 1992) sowie die exemplarischere Detailstudie von Michaela Enderle-Ristori, Markt und intellektuelles Kräftefeld: Literaturkritik im Feuilleton von „Pariser Tageblatt“ und „Pariser Tagezeitung“ 1933–1940 (Tübingen: M. Niemeyer, 1997).
  78. Siehe Ian Hunter, Culture and Government. The Emergence of Literary Education (Basingstoke, 1988) und Donovan R. Walling, Under Construction: The Role of the Arts and Humanities in Postmodern Schooling (Bloomington, Indiana: Phi Delta Kappa Educational Foundation, 1997).
  79. Siehe James F. English, The Economy of Prestige (2005).
  80. Bill Ashcroft, Gareth Griffiths, Helen Tiffin (eds.), The empire writes back: theory and practice in post-colonial literatures, 2nd edition (Routledge, 2002).
  81. Vergleiche: Kjell Espmark, The Nobel Prize in literature: a study of the criteria behind the choices (G.K. Hall, 1991), Julia Lovell, The politics of cultural capital: China's quest for a Nobel Prize in literature (University of Hawaii Press, 2006) und Richard Wires, The Politics of the Nobel Prize in Literature: How the Laureates Were Selected, 1901–2007 (Edwin Mellen Press, 2009).
  82. Siehe: Malise Ruthven, A satanic affair: Salman Rushdie and the rage of Islam (Chatto & Windus, 1990), Girja Kumar, The book on trial: fundamentalism and censorship in India (Har-Anand Publications, 1997) und Madelena Gonzalez, Fiction After the Fatwa: Salman Rushdie and the Charm of Catastrophe (Amsterdam: Rodopi, 2005).
  83. Theo Sommer: Mannesmut vor Mullah-Thronen, Die Zeit, 24. Februar 1989.
  84. Daten zuerst veröffentlicht in The Bookseller, verfügbar gemacht auf der Website von Book Marketing Ltd.
  85. Siehe die Pressemitteilung vom 9. Februar 2009.
  86. Siehe Titel wie David Cole, The Complete Guide to Book Marketing 2nd edition (Allworth Communications, Inc., 2004) und Alison Baverstock, How to Market Books: The Essential Guide to Maximizing Profit and Exploiting All Channels to Market, 4th edition (Kogan Page Publishers, 2008).
  87. Siehe Brian McHale, Postmodernist Fiction (Routledge, 1987), John Docker, Postmodernism and popular culture: a cultural history (Cambridge University Press, 1994).
  88. Thematisiert hat das zuerst Leslie Fiedler in Cross the border, close the gap!, Playboy (December 1969).
  89. Siehe Roland Barthes: Der Tod des Autors. in: Fotis Jannidis (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft (Stuttgart: Reclam, 2000).
  90. Raymond Federman, Critifiction: Postmodern Essays, SUNY Press, 1993. ISBN 0-7914-1679-8
  91. Siehe Susan Hopkins, Girl Heroes: The New Force In Popular Culture (Annandale NSW:, 2002).
  92. Siehe Charles Irving Glicksberg, The Sexual Revolution in Modern American Literature (Nijhoff, 1971) und sein The Sexual Revolution in Modern English Literature (Martinus Nijhoff, 1973). Siehe zu aktuellen Trends auch Elizabeth Benedict, The Joy of Writing Sex: A Guide for Fiction Writers (Macmillan, 2002) sowie mit einem eigenen Blick auf den trivialen Markt: Carol Thurston, The Romance Revolution: Erotic Novels for Women and the Quest for a New Sexual Identity (University of Illinois Press, 1987).
  93. Siehe Timothy Melley, Empire of Conspiracy: The Culture of Paranoia in Postwar America (Ithaca, NY: Cornell University Press, 2000).
  94. Dan Brown stellt sich mit dieser Gelassenheit Nachfragen auf seiner Website, etwa wie der folgenden zu The Davinci Code: „Is this book anti-Christian? No. This book is not anti-anything. It's a novel. I wrote this story in an effort to explore certain aspects of Christian history that interest me. The vast majority of devout Christians understand this fact and consider The Da Vinci Code an entertaining story that promotes spiritual discussion and debate. Even so, a small but vocal group of individuals has proclaimed the story dangerous, heretical, and anti-Christian. While I regret having offended those individuals, I should mention that priests, nuns, and clergy contact me all the time to thank me for writing the novel. Many church officials are celebrating The Da Vinci Code because it has sparked renewed interest in important topics of faith and Christian history. It is important to remember that a reader does not have to agree with every word in the novel to use the book as a positive catalyst for introspection and exploration of our faith“ link, 3. Februar 2009
  95. Siehe die Website der „Romance Writers of America“ mit dem statistischen Überblick (besucht am 16. März 2009); im Web finden sich zudem Statistiken für die Jahre seit 1998.

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